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MICROFILMED 1993
COLUMBIA UNIVERSITY LIBRARIES/NEW YORK
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AUTHOR:
CHNER, WILH
LM
TITLE:
HOMERISCHE
STUDIEN...
SCHWERIN
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71
COLUMBIA UNIVEKSITY LIBRARIES
PRESERVATION DEPARTMENT
BIBLIOGRAPHIC MICROFORM TARGET
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Master Negative it
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Büchner, V/ilholn
... llomeriijcho Studien •.. von V;. Bücliner
Schwerin, Darenüprun^, 1071-72.
2 pts. in 1 v/, C7v cn.
Restrictions on Use:
At head of title: Jahresbericht über das Gyn^
nasiuni Fridericianum ...
Contents ;~Abh. I. Die Ebene von Troia und ihre
bedeutung für den Troianischcn krieg.— Abh. II.
Die sagen von Ilion und ihre Verbreitung nach
lonien. Homer und "^ Kreophylos.
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JAHKESBEßlCHT
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ÜBER DAS
GYMNASIUM FEIDEBIOIANÜM
VON OSTERN I87(( BIS EBENDAHIN 1871
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WOMIT
ZUE ÖFFENTLICHEN PRÜFUNG SÄMMTLICHER GÜSSEN
WELCHE AM 30. UND 31. MÄItZ GEHALTEN "WERDEN SOLL
GEHORSAMST EINLADET \
Dr. wniHiiijf itami ■
DIRECTOK.
INHALT;
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, T..„ , »i-UTUNG FÜR DKN TROJANISCHEN KRIEG. Vok W BÜCHNER
vTTSlBEx''^ "™''^^"*' FKIDERICUNU J SChScHRICHTEN.
Schwerin. 1871.
GEDRUCKT IN DER HOFBÜCHDRUCKEREI VON DR. P. W. BXRENSPrIjG.
Anordnung der Prüfung.
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Donnerstag, den 30. März, um 8 Uhr :
Gesang aller Classen. Morgengebet.
Quarta B. SV*— 9 Uhr.
Religion Lehrer Kummet.
Griechisch Lehrer Rummel.
Quarta A. 9— iO Uhr.
Lateinisch Dr. Schiller.
Griechisch Lehrer Bamberger.
Ober -Prima 10 ^ 4 — 11 Uhr.
Geschichte Oberlehrer Briinzlow.
Unter-Prima 11 — 12 Uhr.
Freitag, den 31. März:
Ober -Tertia 8^/4 — 9 Uhr.
Caesar Dr. Schmidt.
Mathematik Lehrer Brauns.
Horaz
Matheuiati
Dr.
k Dr.
Meyer.
Bastian.
Ober-Seeunda 3 -
- 4 Uhr.
Cicero
Plutarch
Dr.
Dr.
Late-ndorf.
Latendorf.
Unter- Secunda 4-
-5 Uhr.
Xenophon
Geschieht«
Dr.
. Dr.
Regel.
Sellin.
Caesar
Griechisch
Lateinisch
Unter -Tertia 0 — 10 Uhr.
Dr. Sellin.
Dr. Sellin.
Quinta io»/4— 11 Uhr.
Lehrer Bnmberger.
Sexta M — 11 3/4 Uhr.
Lehrer Beckmann.
JjSite'miiivh
Um 12 Uhr:
Abiturienten- Entlassung.
Versetzung säianillicher Classen. Censuren-Vertheilung.
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T^T Unterricht ym Sonjmersemester beginnt am Montag den 17. A}>nl uin 8 Uhr. Die in das (lymnasium aufzu-
neluTiA>rJen einheimischen Knaben werden am Freitag den H.April früh um 8 Uhr, die auswärtigen am Sonnabend
.^^^ *JMi lö. April, ebenfalls früh umjs Uhr von mir geprüft werden. Das Früfungs-Looal i?t im neuen Gvmnasiun).
*
(
Director Dr. Büchner.
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Obwohl die Homerische Frage von dem Augenbhck an, wo sie zuerst angeregt wurde, bis
zum lieutigen Tage mit Aufbietung des höchsten Scharfsinns behandelt worden ist, so darf*man
dennoch beliaupten, dass ihre Lösung weiter denn je von ihrem Ziele entfernt ist. Zwar gab es bei
dem Erscheinen der Wolfschen Prolegomencn nicht wenige i\Iänner, welche sich zu den Behauptungen
des genialen Forsclici-s niclit allein sehr zurückhaltend verhielten, sondern sie sogar für so vollständig
verfehlt erachteten, dass sie das Fehlsamc in ihnen mit Leichtigkeit nachweisen zu können ver-
meinten. Allein die dabei sich ihnen darbietenden Schwierigkeiten und die geringen Resultate, welche
sie den Prolegomencn gegenüber erzielten, indem Alles zuletzt lediglich auf ein Glauben und Nicht-
glauben liinauslief, liatten gerade den entgegengesetzten Erfolg von dem, welchen man beabsichtigt
hatte; und so kam es, dass in den ersten Decennien dieses Jahrhunderts mit Ausnahme weniger,
leider nur mit den \Yaffen poetischer (jefühle in die Schranken tretender Forscher sich ein grosses
Feldlager derer bildete, welche Wolf unbedingt beipflichteten und auf die Worte des Meisters
schwörend die homerischen Gedichte so zu sagen in Fetzen zerrissen. Allein je allgemeiner die
Wolfsche Ansicht wurde, und je eifriger man sie auf Schulen und Universitäten lehrte und verfocht,
um so mäclitiger wirkten die Homerischen Gedichte selbst durch die wunderbare Anziehungslvraft
ihres Inhalts auf die sich heran bildenden jüngeren Generationen; diese lauschten zwar den be-
redten Worten des Skepticismus mit der gespanntesten Aufmerksamkeit und staunten über die
kritische Schärfe, mit welcher die mangelnde Einheit in den Homerischen Gesängen nachgewiesen
wurde: indessen die Leetüre einer einzigen lUiapsodie der lUade genügte stets vollständig, um alles
Gehörte, alle ^längel und Zweifel sofort zu vergessen und, unbekümmert um die immerhin vielleicht
für richtig gehaltene Wolfsche Hypothese mit der lebhaftesten Spannung den Fortgang der F.ö|p^ung
zu verfolgen. Dass dieses Alles sich ganz von selbst so machte, dazu liatten Wolfs ForsdiSgt..
selbst das Nöthige ])cigetragen. Sic waren lediglich negativer Natur, aber so allgemein negativ, dass,
da er nichts Positives gegeben und auch in einem Zeitraum von fast :}() Jahren seit dem Erscheinen
des Prolegomencn niclit das (ieringste weiter zu Tage gefördert hatte, wodurch die Ihade — denn von
dieser wird zunächst hauptsächlich die Pede sein, — zwar als ein grösserer Liederkranz, aber
immerhin als ein durch die einzelnen Lieder befriedigendes Ganze nachgewiesen wurde, die jungem
Geschlechter sich den Wolfschen Ansichten mehr und mehr entfremdeten und ganz von selbst zur
früher gegoltenen und vor Wolf, von Heyne abgesehen, nie bezweifelten Ansicht des Alterthums von
einem Homer und von einem vorhandenen inneren zusammenhangenden Gedichte zurück-
kehrten. So geschah es, dass in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts, als Ref noch zu den
Füssen von Gregor Wilhelm Nitsch sass, dieser bereits das Unbefriedigende der Wolfschen Kritik
dem Zauber gegenüber, den die alte Ansicht nach wie vor auf die Leser des Homer übte, in der
überzeugendsten Weise nachwies und den Plan fasste, die Anschauung des Alterthums wiederum zur
Geltung zu bringen; und man darf behaupten, dass der wackere Mann dieser Aufgabe sein gan-
Leben gewidmet und schliesslich in seiner Sa gen poesie die ganze Fülle seines tiefen Wissens nie
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gelegt hat. Sein Vorgehen jedoch liess auch die Gegner nicht müssig, und namenthch war es der
scharfsinnige Lachmann, der, was Wolf versäumt hatte oder zu schaffen nicht im Stande gewesen war,
nachzuholen heschloss und es demnach unternahm, mit einer an Spitzhndigkeit gränzenden und damit
jede gesunde Kritik geradezu vernichtenden Schärfe die einzelnen Lieder in der Iliade nachzuweisen
und somit die ganze Dichtung zu einem leblosen Corollarium zu gestalten. Aber auch Lachm'ann
hat seine begeisterten Anhänger gefunden, und so ist es gekommen, dass noch in diesem Augenblick
sich gleichsam zwei Feldlager gegenüber stehen, von denen jedes unablässig bemühet ist, den endlichen
Sieg zu gewinnen. Im Interesse der Wissenschaft ist es allerdings zu wünschen, dass das Eine oder
das Andere endhch obsiege, und dazu nach Kräften beizutragen, ist die Pflicht jedes Forschers.
Freilich auf den bis jetzt eingeschlagenen Wegen wird dies Ziel nicht erreicht werden, weder durch
eine Alles zersetzende und zerstörende Kritik, noch durch die mühevollsten Anstrengungen auf
einem Gebiete, wo das Mateiial zur Forschimg einerseits ein sehr reichhaltiges, anderei-seits dagegen
ein vollkommen ungenügendes und geradezu unbrauchbares ist. üenn wo und mit welchen Waifen
soll der Streit gekämpft und entschieden werden? wo anders als in und mit den Homerischen
Gesängen? Und wenn nun eben diese Gesänge nur aus einer völlig unbestimmbaren Zeit auf uns ge-
kommen sind, welche in eine so undurchdringliclie dunkle Nacht gehüllt ist, dass, wenn wir eben
von Homer absehen, auch nicht der schwächste Schein eines weder körperlichen noch geistigen
Lebens dieselbe durchdringt und erhellt, während man doch andererseits wiederum durch den Homer,
gleichsam wie durch ein geöffnetes Fenster aus dieser dunklen Finsterniss in eine sonnige, vom
buntesten Leben bewegte Welt und auf eine bereits wunderbar vorgeschrittene Civilisation l)Hckt,
welche den sichersten Schluss auf die zur Zeit der Entstehung jener Gesänge schon wunderbar
entwickelte Menschheit zulässt und gestattet, so muss man sagen, dass wir uns vor einem Problem
betinden, dessen Lösung eben durch nichts, als durch die Gesänge selbst lösbar ist. Wenn daher
die Forschungen des tiefgelehrten Welcker, des geistvollen Nitsch, des scharfsinnigen Senge-
b US eil imd Anderer immerhin des grössten Dankes werth sind, indem sie uns einige richtige Blicke
in das Chaos einer zerstörten und für uns verlorenen Dichterwelt thun lassen, so gehört doch eben
diese W^elt in die nachhomerische Zeit imd beruhet, so weit sich die Sache erkennen lässt, lediglich
auf Homer, und es wird nie und nimmer gelingen, aus den zerstreuten Ueberresten und Andeutungen
eines Arctinos, Lesches, der Kyprien u. s. w. mehr zu enträtli^^ehi und zu einem lebensvollen Bilde
zu gestalten, als was die eigne Phantasie der Forscher dazu schafft und bildet. Was nach Homer
von den cychschen Dichtern auch immer gesagt und gesungen worden ist, Alles, was wir davon
wissen, ist so beschaffen, dass, wenn man zugicbt, es finde sich in den Ueberresten noch hie und
da ein Anklang an die alte Volkssage, welche im Homer im vollen Strome dahinrauscht, dennoch
diese Andeutungen nichts bieten, um die Frage zur endlichen Entscheidung zu bringen, ob die
grossen homerischen p]pen Werke eines einzelnen grossen Dichtergeistes sind, oder
ob sie eir.er Sängerschulc ihre Entstehung verdanken und aus einzelnen Liedern erst
zu einem grossen Ganzen, zu dem der behandelte Sagenkreis die Veranlassung bot,
zusammengefügt sind. Wir bekennen, dass wir, einst Nitsch gegenüber begeisterte Anhänger
der Wolfschen Theorie, nach 4Ujährigen aufrichtigen Studien der Gedichte so entschiedene (Jegner
jener Theorie geworden sind, dass uns zur Zeit namentlich die Lachmannsche Behandlung der Frage
als eine schwere Versündigung gegen jene wunderbaren Werke einer für uns entschwundenen Vorwelt
erscheint.
In diesem Sinne ist in den nachstehenden Blättern der Versuch gemacht worden, der Frage
näher zu kommen und zwar auf einem Wege, der, wie häutig er auch seit Decennien bis auf die
°.ueste Zeit betreten worden, dennoch ganz andere Ziele veriblgte, als die in Frage stehenden, und
im völhg resultatlos gebheben ist. Denn nicht nach der völhg unbestimmbaren Zeit der Abfassung
der Gedichte, hier der Iliade, ist zunächst zu fragen und auch nicht tou dem Inhalte derselben ist
zuerst zu reden, sondern von dem Locale, auf welchem die Iliade ihren Verlauf nimmt; nur go
wird es vielleicht mögUch sein, ein an Ueberzeugung gränzendes Resultat zu gewinnen und
festzustellen.
§ 1.
Die heutige Ebene von Troia.
Unter den Forschern, welche die Ebene in ihi-en gegenwärtigen Verhältnissen aus eigner
Anschauung kennen gelernt und beschrieben haben, nimmt der gelehrte Forchhamraer unbedingt die
erste Stelle ein. Er hatte das Glück im J. 1839, als die vereinigte Engüsche und Französische
Flotte unter Stopford und Lalande in der Beschika-Bai vor Anker lag, mit dem Englischen Ver-
messungsschiffe Beacon unter dem Befehl des Capitain Graves aus dem Piraeus eben daliin abgehen
zu können, um in Gemeinschaft mit dem letztgenannten, der die Aufgabe sich gestellt hatte,
ausser dem Meer und der Küstenlinic auch die Ebene selbst genau vermessen und eine Karte davon
entwerfen zu lassen, dieselbe Ebene mit besonderer Rücksicht auf Homer zu durchforschen und die
gefundenen Resultate als eine erklärende Beigabe zu der beabsichtigten Karte zu veröffentlichen;
letztere ist vorzugsweise nach den Vermessungen der Ebene durch den Lieutenant, damahgen Mate,
Spratt von ebendemselben entworfen und der gelehrten Welt unter dem Namen der Sprattschen
Karte wohlbekannt. Forchhanmier versichert, dass in der Ebene „jeder Pfad, jedes Flussbett, die
Ufer jedes Flusses vom Anfang bis zur Mündung, jeder sonst merkwürdige Punkt" von ihm betreten
und untersucht worden sei; und wenn er hinzufügt, dass die genannte Karte mit solcher Genauigkeit
ausgctiihrt worden sei, wie kein anderes Land des classischen Altertliums eine älmhclie aufzuweisen
habe, so dürfen wir, denen leider das Glück nicht zu theil geworden ist, die Ebene von Troia aus
eigner Anschauung zu kennen, uns dennocli glücklich schätzen auf die Zuverlässigkeit derselben hin
die eingehendsten wissenschafthchen Untersuchungen unternehmen zu können. Auch Forchhammer
hat solche seinem angegebenen Zwecke gemäss vorgenommen: allein während er von der durchaus
richtigen Voraussetzung ausging, dass die Ebene seit der Urzeit keinerlei locale Veränderungen
erlitten habe, hat er bedauerlichst hieraus sofort den nicht zu rechtfertigenden weiteren Schluss
gezogen, dass Alles, was Homer uns melde, auch heute noch in der Ebene sich nachweisen lassen
müsse; kurz, er hat den Homer in der Hand, die Ebene durchstöbert und durchsucht und ist
dadurch zu Resultaten gekonnnen, die zwar in der gelehrten Welt gerechtes Aufsehen erregt, aber
mit Ausnahme derer, denen topographische Studien vorstehender Art ganz fern liegen, nirgends
Billigung gefunden haben. Am schärfsten ist ihm der Athenäische Professor Ulrichs entgegengetreten
der eigens zu dem Zwecke dieselbe Ebene durchreist ist und alle Punkte genau untersucht hat, um
die Irrthihner in Forchhannners Behauptungen nachzuweisen. Freihch ist es auch diesem, eben weil
er in demselben Grundirrthume befangen, von derselben falschen Prämisse ausgegangen, um nichts
besser gelungen, positive Ergebnisse zu finden und genügend zu begründen; er widerlegt Forch-
hannner und verliert sich dabei in ein völliges Labyrinth von falschen Bestimmungen. Folgen wii-
jedoch zunächst Forchhannuer und versuchen wir, uns ein einfaches und getreues Bild der Ebene,
wie sie heutiges Tages beschaffen ist, zu entwerfen.
Wenn man am Hellespont, kurz vor dessen Einmündung in das Aegäische Meer, in der Mitte
zwischen den Vorgebirgen Rhoeteum (östlich) und Sigeum (westhch) seinen Standpunkt nimmt und
von hier aus, den Rücken nach Norden gekehrt, die Bhcke nach Süd-Süd-Ost richtet, so erhebt sich
vor dem Beschauer stolz und prächtig das Idagebirge, dessen höchster Gipfel, die alte Ida, der
heutige Kasdag, sich über 7000 Fuss hoch über dem Meere emporthünnt und in seinen höchsten
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Schluchten ewigen Schnee hirgt. Von ihm senken sich nach Norden zu ganz aUmälig seine Vorhorge
herab und bilden zuletzt unfern vom Hellespont einen Höhenkranz, welcher in Hufeisenlonn eine
Ebene umschhesst, die sich zwischen den genannten Vorgebirgen öffnet und sich gleichsam in das
Meer liinab verliert. Von jenem Höhenkranze jedoch zieht sich von Osten her ein bei seinem
Auslaufen etwas breiterer, nach und nach jedoch raelu- si)itz zulaufender Höhenrücken nach Westen
zu in die Ebene hinein und theilt diese in eine Doppelebene oder gleichsam in zwei Thalnudden,
die erst imfern vom Hellespont sich in eine einzige Ebene vereinigen; das Ganze von jenem Höhen-
krauze umschlossene Local ist die berühmte Ebene von Troia.
Bhckt man vom obigen Standpunkte aus noch mehr südhch über den Höhenkranz liinweg,
so dehnt sich von demselben bis zum Fusse des Gebirges eine zweite, etwas höher gelegene Ebene
aus. Diess ist das alte Cebrenia, die heutige Ebene von Bairamitsch; man kann letztere lughch eine
Bergebene, jene eine Thalebene nennen, was zu wissen wichtig ist, weil die Wasserverhiiltnisse
der Troischen Ebene dadurch liedingt werden. Es stri»men nämlich rings von den umliegenden
Höhen eine Anzahl von Bächen in dieselbe hinab; den bei weitem grössten ZuHuss aber bringt der
Mendere, welcher, ein ächter Bergstrom, auf dem Idngebirge selbst entspringt, dann die Ebene von
Bairamitsch durchfliesst, sich weiter durch jenen Höhenkranz in einer 4(10 Fuss tiefen Felsenschlucht,
seinen Weg bahnt und, nachdem er die Troische Ebene in ihrer ganzen Länge durchströmt, endlich
durch das Thor der Ebene rechts vom Beschauer in den Hellespont einmündet. An seiner Mündung
hat dieser Strom im Laufe von Jahrtausenden durch Xiederschläge eine nicht unbeträchtliche Masse
Landes abgesetzt, dessen Ausdehnung sich schon dadurch ganz von selbst ergiebt, dass der Fluss in
einem zwar breiten, aber nur 1 V« Fuss tiefen Bette sich über eine spitz in den Hellespont weit
hineinreichende Landzunge hinzieht; letztere ist durchweg angeschwemmtes Geröll und Sand. Nimmt
man hinzu, dass sich in der Ebene noch heutigen Tages eine grosse Anzahl von Lachen vortindet,
von denen einige von bedeutender Tiefe dicht am Rande des Hellespont liegen, ohne jedoch in denselben
abzufliessen, indem vielmehr in die grösste derselben der Hellespont selbst ununterbrochen hinein-
strömt, so ergiebt sich mit völliger Gewissheit, dass, da noch heut das Niveau der Ebene im
Allgemeinen mit dem des Hellespont gleich ist, an einzelnen Punkten sogar noch viel niedriger liegt, es
eine Zeit gegeben haben muss, in welcher die ganze Ebene in Folge der zusammenströmenden
Bergwasser eine grosse, der Cultur viUlig unzugängliche Niederung gebildet hat, die im Winter und
FrühHng als See, im heissen Sommer dagegen als ein grosser von einzelnen trockenen Stellen unter-
brochener Sumpf sich darstellte. Wir unterlassen es hier schon die Beweise dafür aus den ältesten
Ueberlieferungen beizubringen, da die Richtigkeit des Gesagten sich aus den localen Verhältnissen
ganz von selbst auf das Ueberzeugendste ergiebt.
Betrachten wir weiter die Eljene, wie sie noch heutigen Tages beschaffen ist, und wählen
•wir dazu einen anderen Standpunkt, nämlich den nicht unbedeutenden Hügel, genannt Üjek-Tepe,
-welcher (Lr Mihiduug des Mendere gerade südlich gegenübt;r liegt. Wenn wir von hier aus den
Bhck nach Norden über die ganze prächtige Ebene, die zu unsern Füssen sich ausdehnt, dahin-
schweifen lassen, so tritt zunächst rechts vom Beschauer der Mendere durch das genaimte Felsen-
thor in die Ebene ein und nimmt unmittelbar bei seinem Eintreten den Kimar-Su, einen von (Men
her am Rande des Höhenkranzes herabrauschenden, zu Zeiten sehr wilden Bergbach auf, und strömt
mit ihm vereint zwischen hohen Ufern in einem breiten, mit Sand und Kies angefüllten Bette in
ununterbrochenem Laufe dem Meere zu; sein Bett fiillt er nur im Frühhng zur Zeit der Schnee-
schmelze, so wie nach plötzlichen starken Regengüssen ganz aus und tritt dann nicht selten über
seine hohen Ufer, während er im Hochsommer als ein winziger seichter Bach in einem breiten sandigen
Bette sich hinwindet und nur mühsam den Hellespont erreicht. Bemerkenswerth aber ist,^ dass der
Mendere mit keinem Gewässer der rechts an ihn stossenden Ebene in irgend welcher Verbindung
steht. Dasselbe gilt auch von der linken Seite, wofern man hier von einem ganz unwesenthchen
Punkt absieht, von welchem sofort unten die Rede sein wird. Hieraus nun ergeben sich ganz von
selbst die beiden Flusssysteme der West- und Osthälfte der Troischen l^bene. Betrachten wir jene,
die W^estseite zuerst, so finden wir Folgendes.
Etwas östlich von dem obengenannten Ujek-Tepe erhebt sich eine Anhöhe, genannt Baalih,
um deren steil abfallenden östliclien Fuss sich der Mendere durch die Felsenschlucht in die Troische
Ebene liinabdrängt; unter dieser Anliöhe liegt in nordwesthcher Richtung das heutige Dorf Bunar-
baschi (d. h. die vierzig Augen), und neben denselben sprudeln eine Anzahl stark Üiessender Quellen
aus dem kalkhaltigen l)oden hervor, die eine solche Menge W^assers Hefern, dass solches, wenn
keine Vorrichtungen getroffen wären, die ganze Niederung links am Mendere noch heutigen Tages
in einen grossen Sumpf verwandeln würde. Allein nachdem die bedeutendste der Quellen in einem
ummauerten Bassin aufgefangen worden, ergiesst sich ihr Abfluss nebst den übrigen Quellen in einen
nördlich gelegenen tiefen seeartigen Teich, durch welchen das Wasser in fortgesetzten Strudeln
hindurchwirbelt; aus diesem Teiche werden die Gewässer in einem, an dem nördhchen Rande des
vielerwähnten Höhenkranzes sich hinziehenden Baches in westlicher Richtung weiter geleitet,
durchbrechen dann eine Senkung jenes Kranzes und ergiessen sich unfern vom Aegäischen Meere
nochmals in einen tiefen Sumpf, aus welchem ein tiefer Canal sie in das Meer abführt; der Bach
selbst tiiesst unaufhörlich stark und ki-äftig, ist überall 3 Fuss tief und wird selbst mit Kähnen
befahren; seine Wassermenge ist so bedeutend und sein Gefäll von jenem Hölienzuge an so stark,
dass er unfern davon eine dem Sultan gehörende Mühle von 7 Gängen treibt, auf welcher das Korn
aus der ganzen Umgegend und sel])st von den benacliljarten Insehi vermählen wird. Wir enthalten
uns über diesen Bach vorerst noch jeder weiteren Bemerkung und weisen im Allgemeinen nur darauf
hin, dass durch denselben die ganze hnke Seite des Mendere vor dauernder Versumpfung geschützt
wird, indem diese imr den momentanen Ueberschwemmungen des Elendere unterliegt, die jedoch
alsbald von dem Strome wieder aufgenommen und a])geleitet werden Und zwar beweisen dies o-anz
augenscheinlich die von dem erwähnten durch die Bunarbaschi - Quellen gebildeten Teiche sich
nördhch liinaufziehenden Winterbetten, welche in einen mit Rohr und Binsen bewachsenen Sumpf,
genannt Li s gar auslaufen, der sich am östlichen Fusse des am Sigeisclien Vorgebirge endenden
Höhenzuges befindet; beides, Winter])etten und Sumpf, sind im Hochsommer stets vollkommen
trocken, und wird diess, abgesehen vom Einfluss der heissen Jahreszeit, hauptsächlich durch ein aus
dem Lisgar abfliessendes Rinnsal bewirkt, welches noch weiter nördhcli in den Mendere einmündet;
es dient also nur als Abzugsgraben, und ist mit Sicherheit anzunehmen, dass es im Sommer zugleich
mit dem Lisgar versiegt, wie auch, dass es, am Fusse der Anhöhe sich hinschlängelnd, mit den
Ufern des Elendere in gleichem Niveau, also mindestens 8 Fuss über dem gewölmhchen Wasser-
sjiiegel des Flusses liegt, so dass gewöhnhche Sommerregen, welche den Mendere jilötzlich um einige
F'uss steigen lassen, dennoch den Lisgar und die dabei liegende Ebene durch jenen Abzugsbacli
nicht erreichen; nur wenn der Mendere selbst seine Ufer überflutliet, tritt auch die ganze linke
Ebene unter Wasser, und diess zieht sich dann durch jenen Bach in das Flussbett zurück. Hieraus
erhellt, dass, wie schon oben ])eliauptet wurde, dieser Abzugsgraben nur für die momentane, nicht
für die dauernde Entwässerung der linken Mendere - Ebene von Bedeutung ist; der wirkliche Ent-
wässern ngs-Canal der ganzen linken Seite ist einzig und allein der Bunarbaschi-Su. Ganz dasselbe
Entwässerungssystem tritt in gleicher, ja vielleicht in noch schärferer Weise auf der rechten Seite
des Elendere zu Tage.
Auf dieser Seite nämlich findet sich ausser dem erwähnten Kimar-Su auch nicht ein
einziges Gewässer, welches mit dem Mendere in Verbindung steht; vielmehr nehmen alle Bäche, die
von Osten her in die rechte Mendere - Ebene hinabströmen, ihren endhchen Ausweg in den Helles-
pont selbst. Begiuuen wir uuten südlich mit dem Winkel, den der Kimar-Su mit dem Meudere
bildet, so befindet sich hier ein stehender, nie versiegender tiefer Sumpf, genannt Djudan oder
Judaen; er vnrd theils durch das von den Höhen abfliessende Regenwasser, theils durch unterirdische
Zuflüsse genährt und schwillt, wenn der Meudere übertritt, zu einem ganz gewaltigen See an. Seine
Gewässer jedoch haben mit dem Ihiuptfiuss selbst nichts zu tliun; sie werden vielmehr durch den
Kalifatli-Osmak 1) nach Norden zu abgeleitet. Dieser, ein sehr tiefes Rinnsal mit hohen steilen
L'fern, nimmt nicht alkuweit von seinem Ausflusse aus dem Djudan noch einen zweiten Osmak auf,
welcher ebenfalls aus dem Djudan ausströmt, sich dann ziemlicli parallel mit dem ersteren, an dem
Südrande des schon oben erwähnten, in die Troische P^bene von Osten her hineinschiessenden llöhen-
nickens hinzieht und nahe an der Spitze desselben mit jenem zusanunenfällt; der ei*stgenannte heisst
von dem benachbarten Dorfe Kalifatli der Kai ifatli- Osmak, dieser ist neuerdings nach dem benach-
barten Pascha -Tepc (d. i. Hügel) Pascha-Tepe -Osmak genannt worden. Nach ihrer Vereinigung
wird der Kalifatli-Osmak durch den genannten Bergrücken etwas nach Westen gedrängt, jedoch um so-
fort, nachdem er den Fuss desselben erreicht hat, die nördhche Richtung wieder einzunelimen und in
das Dümbrek-Thal, d. i. die zwischen jenem Höhenrücken (südlich) und den Rhöteischen Berghöhen
(nördlich) liegende 'riialmulde hinabzugleiten und sich sodann mit dein Dünibrek- Bache, der jene
Mulde von Osten her durchströmt, zu vereinigen: indessen dauert diese Vereinigung nur eine kurze
Strecke hindurch; denn i)lötzhch biegt aus dem gemeinsamen Strome ein Arm wiedernm scharf nach
Norden, also in derselben Richtung des Kalifatli-Osmak ab, um sich mit seinen stets fliessendeji, also
auch im Hochsommer nie versiegenden Wassern durch eine tiefe Hafenbucht, genannt Karanlik-
Liman (d. i. der dunkle Hafen) in den Hellespont zu ergiessen, während ein zweiter Arm ganz
die frühere Richtung des Dümbrek verfolgend, in nordwestlicher Richtung dein Mendere zueilt,
jedoch ohne sich mit diesem zu vereinigen, vielmehr theilt er sich unfern von dessen Mündung in
mehrere stagnirende Arme, die sich dann, ohne den Hellespont zu erreichen, in Sümpfe und tiefe
Lachen verüeren.
Hiemit ist das Wasser - System auf der rechten Seite des Mendere möglichst kurz dargelegt,
und ganz absichthch haben wir uns jeder desonderen Schlussfolgerung bis dahin enthalten ; der Beschauer,
gleichviel ob er seinen Standpunkt auf dem oben beregten Ujek-Tepe, oder auch auf der Höhe Baalih
einnimmt, vdrd bei ruhiger Betrachtung der zu seinen Füssen sich ausdehnenden Ebene finden, dass hier
keine durch die Natur selbst geschatt'enen Verhältnisse vorliegen, sondern dass ein genau zusammen-
hangendes, von einem bestimmten Punkte ausgehendes und nacli und nach die ganze Ebene
umfassendes künstliches Entw ässerungssystem durchgeführt ist; dies nachzuweisen, ist die Aufgabe
der nachstehenden Blätter.
§ -2.
Die künstliehe Entwässerung der Troisehen Eheue.
Plato stellt in seinen Büchern über die Gesetze (HI, p. 70 sqq. nach der Uebers. von Hier.
Müller) die Ansicht auf, dass in den einzelnen zwischen den grossen Iu*düberschweinmungen der
Urzeit liegenden Intervallen sich verschiedene Culturstufen des wiedererstandenen Menschengeschlechts
nachweisen lassen. Er findet deren im Ganzen drei, nämlich die erste, wenn die Menschen, durch
die Flutlien selten geworden, auf den höchsten Gebirgen, wo sie Zuflucht gefunden, hausen; die
zweite, wenn sie, sich vermehrend, in die trocken gewordeneu Bergabhänge niedersteigen, und die
dritte, wenn sie in den der Cultur zurückgegebenen Ebenen sich niederlassen. Der Philosoph
*) Osmak, d. i. Abzugsgraben.
il
begründet seine Ansicht aus Homer und führt fiir die erste Stufe die allein hausenden und über
die Ihrigen nach freier Willkür gebietenden Cyclopen an; cf. Od. IX, 112, sqq.
Dort ist weder Gesetz, noch Rathsversammlung des Volkes,
Sondern all' umwohnen die Felsenhöhn' der Gebirge
Rings in gewölbten Grotten, und jeglicher richtet nach Willkür
Weiber und Kinder allein, und Niemand achtet des Andern.
Für die zweite und dritte Stufe entnimmt er die Beweise aus den Verhältnissen des alten Ilion und
bezieht sich ebenlälLs auf den Dichter; die zweite nämlich ist ihm die Zeit unter Dardanos, als
Zeus, des Dardanos Erzeuger, Dardania gründete (cf. Ihad. XX, 21 G), und
noch nicht stand Ilios heilige Veste
In der Ebene Gefild, bewohnt von redenden Menschen,
Sondern am Abhang wohnten sie noch des quelligen Ida.
Die dritte endlich ist das Zeitalter des Ilos, des Erbauers von Ilion, dessen Grabmal in der Ebene
gezeigt wurde; cf. II. XI, 1G6, sqq.
Ist es nun, namentlich was die beiden letzten Stufen anbetrifft, durchaus nicht nötliig, mit
Plato an grosse voraufgegangene E^eberschwemmungen zu denken und in ihnen die Veranlassung zu dem
thatsäclilichen Verhältniss zu finden, so ist letzteres nichtsdestoweniger vollkommen richtig; die Troische
Ebene war eine uranfongs unbewolmbare und darum unl)ewohnte Niederung, während südlich von
ihr die Hochebene von Bairamitsch und östlich die von Dardania längst ihre Bewohner hatten: diess
ergiebt sich aus der physischen Beschafienheit der Gegend mit solcher Gewissheit, dass es keines
weiteren Beweises bedarf. Erst mit dem weiteren Vorrücken der Bewohner in die Niederung muss
auch die Trockenlegung und E^rbarmachung der Ebene ihren Anfang genommen haben und diess
geschah sofort nach der Erbauung des alten Ilion.
Die Versumpfung der Ebene selbst wurde nun allerdings hauptsächlich durch die rings von
allen Hr>hen hinabfliessenden Bäche und Flüsse hervorgebracht; indessen würden alle diese Gewässer
mittelst des dnrch die tiefere Thalmulde fliessenden Hauptstromes sofort in das Meer abgeführt worden
sein, wenn nicht P^inflüsse, welche bei dem Einmünden grosser Stnime, besonders aber reissender
Bergwasser in das Meer, einzutreten pflegen, sich auch hier geltend gemacht hätten und dem Abfluss
des Wassers hemmend entgegen getreten wären. Ein Blick auf die heutige Mündung des Mendere
genügt, um die Ueberzcugnug zu gewinnen, dass die seit unvordenklichen Zeiten stattgefundenen
Niederschläge die ganze Bucht zwischen dem Sigeischen und Rhöteischen Vorgebirge mit Sand und
Geröll ausgefüllt haben; diess beweist, ganz abgesehen von schon im Alterthum gemachten Wahr-
nehmungen (cf. Herod. H, c. 10. Strab. XIII, paL*;. lo:{. loO. Tauchn.), das noch heutigen Tages
nöi'dlich vom Sigeum aus dem Dünensaiide aufragende ursprüngliclie Meeresufer, ferner die spitz in
das Meer hinausgeschobene Landzunge, über die der Mendere sein seichtes Gewässer im breiten
Bette dahinströmen lässt, sodann die vielen Sümpfe und Lachen am deltaartig gestalteten Rande der
Bucht, und endlich der von Salztheilen durch und durch geschwängerte Strand selbst. Der letztere
Umstand ist von entscheidender Wichtigkeit. Denn es kann daraus, wie es an vielen andern Punkten
der Erde, z. B. in der heutigen Gegend nördhch von Odessa zulässig ist, nicht gefolgert werden,
dass einst das Meer selbst über den Strand hinweggegangen sei und ihn bedeckt habe, weil dann
die ganze Troische P^bene überfluthet sein und sich dieselbe Erscheinung bis an die Vorberge des
Idii hin darbieten würde, was eben nicht der Fall ist, wohl aber, dass, da das Salz gegenwärtig die Bucht
eine volle Viertelmeile landeinwärts, aber eben nicht weiter, durchdringt, das Meer selbst einstmals
^
ebenso weit gebrandet hat und erst nach und nach im Laufe der Jahrtausende in Folge der
Versandung der Bucht eine ganze Viertelraeile von derselben zurückgewichen ist und also den
Salzgehalt ''im Sande zurückgelassen hat. Indessen ist damit eine zeitweise Uebertluthung des
Strandes durch Sturmfluthen nicht gänzlich ausgeschlossen; es muss eine Zeit gegeben haben, in
welcher noch vor der Bildung des Dünendammes, theils nach dessen alhnähger Entstehung das
Meerwasser auch in die Niederung selbst durch Sturmfluthen eingedrungen ist, und es müssen dadurch
unfehlbar jene todtbringenden Miasmen in der ganzen Ebene entstanden sein, welche wir noch
heutigen Tages in den Toscanischen Marcmmen, in den Pomptinischen Sümpfen und in den
Morästen oberhalb Bonas in Nordafrica vorfinden; denn in die Niederungen eindringendes Meerwasser
erzeugt' alldort stagnirend tödtliche Fieberluft. Wenn sich nun hievon keine Spur in der Ebene seit Jahr-
tausenden nachweisen lässt, so folgt hieraus, dass der die Natur überall bezwingende Mensch auch
hier nach vielleicht langem und schwerem Hingen alle Hindernisse überwunden und die Ebene selbst
in eine völlig gesunde und blühende Oase verwandelt hat.
Hier tritt nun die Frage Aon sell)st an uns heran, von welchem Punkte aus die ersten
Bewohner in die Ebene eingetreten sind; dass diess weder von Westen noch von Norden aus
geschehen, liegt des Meeres wegen klar zu Tage; weniger entschieden dürfte die Piichtung von Süden
aus, also dem Mendere entlang, zurückzuweisen sein; indessen ein Blick auf die Karte genügt, um
das Eindringen von Osten her als allein richtig anzuerkennen, weil es durchaus unglaublich ist, dass
die ei-sten Völkerzüge von Süden her über das hohe und steil in den Adramytteischen Busen ab-
fallende Idagebirge in die Hochebene von Bairamitsch und so weiter nach Norden zu herabgestiegen
sind; ^-ielmehr kann auch die ebengenannte Ebene ihre ersten Ansiedler nur von Osten her erhalten
haben, indem diese sich um den hufeisenförmigen Höhenzug der Idäischen Vorberge herumschoben;
der Hauptstoss dagegen muss unl)edingt auf jenem oft genannten Bergrücken erfolgt sein, welcher sich
m Form ehies spitzwhddigen Dreiecks mitten in die Troische Ebene von Osten her hineinschiebt nnd diese
in das Mendere-Thal und Dümbrek-Thal theilt; die westliche Spitze jenes Dreiecks ist die Stelle, wo
nach allen alten Angaben Neu-Ilion lag und noch heutigen Tages in seinen Pvesten gefunden wird.
Wir unterlassen es, aus dieser Betrachtung vorerst weitere Folgerungen zu ziehen: indess
können wir nicht umhin, schon hier auf die wunderbare Uebereinstinmmng hinzuweisen, welche
zwischen jenem inmitten einer ungesunden Niederung gelegenen Punkte und dem ewigen 11 om hervor-
tritt. Auch dieses war auf dem nur durch eine schmale Landzunge mit den östlich gelegenen
Esquihen verbundenen M. Palat in us gegründet und war rings von Morästen umgeben, welche durch
die von den Höhen herabrauschenden Gewässer, mehr aber noch durch die bei starken Sturmfluthen
mittelst der Tiber bis zur Stadt aufgestaueten IMcereswogen gebildet wurden und hier in Folge des Meer-
wassers jene tödtlichcn ]\Iiasmen aushauchten, von denen die Bömischen Schriftsteller nicht genug zu sagen
wissen, während die Höhen selbst, da die böse Luft durch ihre Schwere tief über dem Boden zu ruhen
pflegt,' den gesundesten Aufenthalt boten, wesshalb Cicero (de rep. II, c. 6) mit Hecht sagen konnte,
Bomulus habe in weiser Einsicht die Stadt inmitten einer pestathmenden Gegend dennoch an voU-
konnnen gesunder Stelle erbaut. Und wie der Palatinus uranfänghch durch seine Umgebung ein
Zufluchtsort für ein gewaltthätiges cyclopenstarkes Gesindel war. welches erst im Laufe der Jahre
durch Bauten, die noch heute das Staunen der Nachwelt erregen, die ungesunde Stätte in einen
wohnUchen Aufenthalt verwandelte, so haben auch die ersten Bewohner jener genannten Höhenspitze
um vorerst weiteren Vermuthungen unsererseits nicht Piauni zu geben, — die Troische Sumpfebene
in eine gesunde blühende Landschaft umgeschafien und zwar durch Trockenlegung mittelst
Abzugscanäle und durch Regulirung des Hauptstromes.
Diess ergiebt sich ganz bestimmt zunächst aus einer eingehenden Betrachtung des Kahfatli-Osmak,
welcher sich unmittelbar am westüchen Fusse der oft erwähnten Höhenspitze hinzieht und somit
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von den ersten Bewohnern derselben vornehmhch in Betracht gezogen werden musste. Dieser Osmak
hat nach Forchhammer p. 11 „ein tiefes, sehr scharf begränztes Bett vom Djudan bis an seine
Mündung. Im August füllt das Wasser des Djudan den Osmak nur etwa bis eine Viertelmeile
vom See. Weiter abwärts ist das Bett desselben an vielen Stellen trocken und am Boden mit
Binsen und Gesträuch bewachsen, an andern findet sich stehendes Wasser. Der obere Theil des
Osmak ist kenntlich an Bäumen und Gebüsch, welche am Ufer entlang das Bett begränzen. In der
untern Ebene entdeckt num ihn oft erst, wenn man unmittelbar an dem Rand des steil abgeschnittenen
Ufers steht.'* Nach dieser sein* deuthchen Beschreibung unterliegt es keinem Zweifel, dass, da der
Djudan gleichsam ein Sammelteich ist, der nur momentan zu einem grossen See anschwillt, die aus
ihm nach eingetretener Ueberfüllung wiederabfliessenden Gewässer ganz gleichmässig sich dorthin, wo
sie das nöthige Gefäll finden, zurückziehen und, sobald dieses aufhört, in ihrem Becken ruhig stehen
bleiben und somit ganz ausser Stande sind, ein so tiefes und scharfbegränztes Rinnsal, wie
das des Osmak ist, von selbst zu bilden. Diess kann nur durch Menschenhand geschehen sein, und
der Kalifatli-Osmak ist nichts weiter, als ein tiefer Graben, angelegt um den überfüllten Djudan
nach Norden zu vorerst in das Dümbrek-Thal abzuleiten. Hier vereinigt er sich mit dem jenes
Thal durchfliessenden Dümbrek - Tschai oder Dürabrek-Su und zwar an dem Punkte, wo er plötzhch
nach Westen umbiegt, so dass genau genommen der Osmak von dem weiter westlich dahinströmenden
Dümbrek-Su aufgenommen wird, bis plötzlich ein künstlicher Canal ihn wieder nach Norden ablenkt
und ihn, nachdem er noch einen am Südrande des Rhöteischen Hügelrückens hinfliessenden Bach,
welchen Forchh. p. 12 den In-Tepe-Osmak nennt, aufgenommen, in einem breiten, zu beiden Seiten
von hohen und steilen Ufern eingefassten Bette dem Hellespont zuführt; jenes Bett bildet an
der Mündung die vorerwähnte hafenähnliche Bucht, genannt der dunkle Hafen, Karanlik-
Liman. Dieser Osmak hat in seinem nördlichen Tlieile zu allen Zeiten fliessendes Wasser und ist
ausser dem Mendere das einzige Gewässer, welches sich in den Hellespont ergiesst. Der eben erwähnte,
den Kalifatli - Osmak wieder aufnehmende Canal und die weiteren hohen und steilen Ufer beweisen,
dass dieser ganze nördliche Theil des Osmak auf künstlichem Wege beschafft worden ist, aus dessen
stets fliessendem Wasser sich zugleich ergiebt, dass der ganze Osmak von Djudan bis zum Meere
eigentlich aus zwei Strecken besteht, von denen die südliche den Djudan ins Dümbrek-Thal zum
Dümbrek-Su, und die zweite nördliche die Djudan- und Dümbrek-Gewässer gleichsam vereint in den
Hellespont zu führen hat; was davon nicht durch die zweite Strecke abgeführt wird, fliesst, wie oben
§. 1 angegeben ist, westlich langsam weiter, wird stagnirend und verliert sich in Sümpfe und Lachen.
Hiemit war die Entwässerung der rechten Seite des Mendere und zugleich des Dümbrek-
Thales geregelt; der Karanlik-Liman war der Seehafen der Troischen Ebene. Allein von Erfolg
konnte diese Arbeit so lange nicht begleitet sein, als die Regulirung des Mendere selbst noch nicht statt-
gefunden, da dieser durch seine Ueberschwemmungen die Versumpfung vorzugsweise herbeiführte.
Wenden wir uns also zu ihm, so finden wir, dass er nach seinem Austritt aus der Felsenschlucht bei
Baahh sofort von 8 — 12 Fuss hohen und steilen Ufern eingefasst und in ihnen bis zu seiner
Mündung in den Hellespont fortgeleitet wird. Bedenkt man nun, dass der Mendere ein vom hohen
Gebirge nach verhältnissmässig kurzem Laufe herabrauschender wilder Bergstrom ist, der auch in
der P^bene nicht sofort seine Wildheit verliert, so ist es zwar möghch, dass er in dem Erdboden
sich tiefe Rinnsale wühlte, aber ganz unmöglich ist es, dass er zu beiden Seiten 8 — 12 Fuss holie
Mauern, die nach der Ebene wieder abschüssig abfallen, auibauete. Im Gegentheil, sie beweisen, dass der Fluss
ebenfalls nur durch Menschenhand eingedeicht und ihm dadurch ein gleichsam künstlich
gegrabenes Rinnsal angewiesen worden ist; und erst damit war die Entwässerung der Ebene rechts
vom Strome vollendet. Dieser floss nunmelir in gewöhnhchen Zeiten bald als seichtes Bächlein, bald als
voller „wirbelnder" Fluss dahin, ohne über seine Ufer zu treten, und nur zur Zeit der Winter-
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Wasser oder auch ungewöhnlicher Stuizregen trat er aus und überschwemmte die anhegenden Gefilde.
Letzteres ist bis zum heutigen Tage offensichtlich ein wahrer Segen für die Ebene selbst geworden;
der wilde Bergstrom führt ausser Geröll und Bergsand auch aus der fruchtbaren Hochebene von
Bairamitsch eine grosse Masse aufgelösten Lehms mit sich, der das Wasser schmutziggelb färbt, und
während jener durch seine Schwere im Flussbette zurückbleibt und also dasselbe bis heute um
mehrere Fuss erhöhet hat, ist die ganze Niederung nach und nach durch die lehmigen Niederschläge
in den fettesten Lehmboden verwandelt worden; die Cultur hat Zutritt erhalten und vor ihr sind,
wie überaU, wo der fleissige Mensch den Boden bebauet, die uranHinglichen Miasmen völhg geschwunden
und haben einer sehr gesunden Luft Platz gemacht, so dass nur der salzdurchdrungene Nordrand
— vielleicht aus guten Gründen — öde und unfruchtbar geblieben ist.
Endhch ist die hnke Seite des Mendere mit wenigen Worten nochmals zu berühren, über deren
heutige Beschaffenheit bereits im vorigen §. das Notlüge beigebracht worden ist; sie selbst aber ist
von solcher Wichtigkeit im Einzelnen, dass, wenn über die Zulässigkeit des Obigen noch irgend ein
Zweifel obwalten könnte, die aus ihr sich ergebenden Resultate die Richtigkeit des Ganzen bis zur
völhgen E\idenz erhärten würden. Es ist in ^. l des Sumpfes Lisgar gedacht worden, der nach Emdeichung
des Mendere sowohl dessen Gewässer bei den eintretenden Ueberschwemmungen desselben, als auch
die stets Messenden des Bunarbaschi - Su aufnehmen musste. Um sie abzuleiten und die Ebene
trocken zu legen, ist von ihm aus ein lUO Fuss tiefer am südhchen Fusse des heutigen St. Demetrius-
Hügel (Hagios-Demetrios-Tepe) sich hinziehender Graben mitten durch den am Aegäischen Meere
hinlaufenden Höhenzug gegraben und hie und da sogar durch hartes Gestein gesprengt worden, den
die Umwohner noch heut Chandaki nennen. Ob dieser zur Zeit seiner Anlegung bei den höher
stehenden Fluthen der Ebene vielleicht einigen Nutzen gewährt habe, ist zweifelhaft, doch immerhin
möghch; allein um seinen eigentlichen Zweck zu erfüllen, nänüich die hnke Seite am Mendere
völhg trocken zu legen, ist er offenbar nicht ausreichend gewesen, weil, wenn man ihn, wie doch
nöthig war, wegen des tief gelegenen Lisgar unter dem Niveau der Ebene hätte anlegen wollen, er
den Gewässern derselben dennoch keinen AbHuss, sondern vielmehr den mächtigen Wogen des
Aegäischen Meeres ein Hineinströmen in die Ebene selbst gewährt haben würde. Daher ist er
gewiss schon in uralter Zeit wieder aufgegeben worden und seine Sohle hat sich nach und nach
durch Schutt und Erde um lö Fuss erhöhet. Vollständig dagegen wurde der beabsichtigte Zweck
erreicht durch die Anlegung eines neuen Canals, der unbedingt nur nach jenem gegraben sein kann;
die Gewässer der Bunarbaschi -Quellen nämlich, die sich vorher in die hnke Ebene ergossen, wurden
durch einen hoch am Nordrande des oft genannten Höhenzuges in vielfachen Krümnumgen hinlaufenden
Graben zuerst in eine Einsenkung jenes Höhenzuges hineingeleitet, in welcher Forchhammer ein
zweites Thor der Ebene gefunden hat, sodann westlieh dem Aegiiischen Meere zugeführt, und
hiedurch endlich die Ebene selbst entwässert. Dass dieser Graben ebenso wie der obige ein
künstliches Werk ist, beweist der Umstand, dass er in der gedachten Einsenkung mitten durch den
Felsen hindurchgehauen ist. Forthin trat dieser Bach nur bei aussergewöhnhchen Witterungs-
verhältnissen über seine Ufer; das Wasser sammelt« sich dann im Lisgar und fioss von hier wieder
in den Mendere ab.
Aus dem Gegebenen geht unwiderleglich hervor, dass nur Menschenkräfte die primitive
Sumpfebene der Cultur zugänglich gemacht und zu gesunden Wohnsitzen umge-
schaffen haben. Indessen was in aller Welt hat die ersten Bewohner jener Gegend bestimmen
können, gerade eine ungesunde nur wenige Quadratmeilen umfassende Niederung mit Aufbietung
ungewöhnlicher Mühen und Arbeiten in ein fruchtbares Gefilde zu verwandeln, da doch anderweitig
an culturfähigem Boden nirgends Mangel war? Die Frage beantwortet sich von selbst; im ganzen
Alterthum sind erste Niederlassungen nur an solchen Orten gegründet worden, welche den neuen
Ansiedlern ausreichenden Schutz des Lebens und des Eigenthums gegen äussere Feinde
gewährten; verband sich damit eine culturfihige Landschaft, so ent^N-ickelte sich nach und nach
durch Ackerbau und Viehzucht eine friedliche Bevölkerung; wo nicht, musste der Lebensunterhalt
aul andere Weise erworben werden und fremdes Eigenthum galt als vogelfrei. Also sind fast alle
grössern Städte des Alterthums entstanden, thoils inmitten fruchtbarer Fluren am Fusse unzugäng-
licher Anhöhen, wie Theben, Argos und Athen, theils in schwer erreichbaren Schlupfwinkeln, wie
Rom und — die Stadt in der Troischen Ebene. Die Wahl der letzteren beweist deutlicher als alles
Andere, dass keineswegs eine fleissige Landbevölkerung sich die Niederung zum Wohnsitz gewählt
hat, sondern dass persönliche Sicherheit die Triebfeder dazu gewesen ist; dieselbe Rücksicht aber
musste, nachdem um der Miasmen willen die Ebene trocken gelegt war, auch noch fernerhin
obwalten, und hiedurch findet ein Punkt in der Ebene, der sämmtlichen Forschern mit Ausnahme
des Alles beobachtenden Forchhammer entgangen oder als ganz unwesentUch bei Seite geschoben
ist, eine befriedigende Erklärung und erweist sich zugleich von hervorragender Wichtigkeit. Un-
mittelbar nach seinem Hervorbrechen aus der Felsenschlucht bei Baahh nimmt der Mendere von Osten
her den Kimar-Su auf, wodurch in der rechts gelegenen Ebene ein nach Nordost geöffneter Winkel
gebildet wird; in diesem Winkel befindet sich in etwas nördUcher Richtung bei einem kleinen Gehölz,
Baaluk genannt, ein Sumpf, in welchem zwei alte Canalbetten, das eine vom Kimar-Su, das andere vom
Mendere ausgehend einmünden. Beide haben heute keinen weiteren Zweck; allein der Augenschein
lehrt, dass sie vormals von grosser Bedeutung gewesen sein müssen. Sie haben nämüch
dazu gedient, die trocken gelegte rechte Ebene jeden Augenblick bei jeder her-
annahenden Gefahr wieder unter Wasser zu setzen, wozu einerseits die Oeffnung jener
Canäle in die Niederung und die Abdämmung des Mendere etwas nördlich von denselben, anderer-
seits die Verstopfung des Kalifatli - Osmak unmittelbar nach seinem Ausfluss aus dem Dümbrek-Su
genügten, um in ganz kurzer Zeit die ganze rechte Seite am Mendere in einen See zu verwandeln;
dadurch war die auf dem westlichen Ausläufer des mittleren Bergrückens gelegene Stadt auf drei
Seiten vollständig geschützt und hatte nur noch nöthig sich gegen von Osten kommende Angriffe
zu vertheidigen ; ein Abfluss der Gewässer war nicht möglich, da die Eindeichung des Mendere jede
Aufnahme derselben in das Strombett hinderte, und die aus dem Dümbrek-Su weiterfliessenden
Wasser nach Verstopfung des Kalifxth - Osmak das Meer nicht erreichten, sondern in ihren Sümpfen
stehen bheben. —
Sämmtliche hier vorgetragenen Resultate ergeben sich mit untrüglicher Gewissheit aus einer
unbefangenen Betrachtung der Ebene und ihrer Wasserverhältntsse, wie sie noch heutigen Tages
beschaffen sind; diese allein haben volle und unbedingte Beweiskraft und lassen alle geschriebenen
Zeugnisse völlig zurück; den Hauptbeweis aber hefern sie dafür, dass die ganze Troische Ebene,
mit Ausnahme der etwas weiter in den Hellespont vorgeschobenen Mendere-Mündung,
von dem Tage an, wo das ganze Stromsystem vollendet w^ar, bis zum gegenwärtigen
Augenblick ganz unverändert dieselbe geblieben ist. Nach diesem Satze müssen alle
Angaben der Schriftsteller, also auch die des Homer beurtheilt werden; entweder finden sie
ihre Bestätigung oder sie sind, falls sie abweichen, unbedingt zu verwerfen.
§. 3.
Die Namen der Flüsse im Altertlium.
Wir haben es in dem Voraufgehenden mit Vorbedacht vermieden, irgend ein Gewässer der
Ebene mit einem andern Namen zu benennen, als den es noch heutigen Tages führt; es war diess
i
\z
n
nothwendig, um nicht störend in den ruhigen Gang der Untersuchung einzugreifen Zunächst steh un
so viel fest dass, wenn der Dichter der Iliade das Local aus persönlicher Anschauung gekannt und
demgemäs; treu wiedergegeben hat, sich das heutige Flusssystem bei ihm muss nachweisen lassen;
wo nicht. da.s er entweder die Gegend mit eignen Augen niemals gesehen, oder dass er den Ort
der Handlung, der aus dem Volksmunde ihm aus einer Urzeit zustromenden Sage gemäss sich nach
ner Phantasie zurechtgelegt hat, ohne sich um die Gegenwart irgendwne zu bek»m-nen> -
dass wenn in Hauptsachen hie und da Uebereinstimmung herrscht, d.ess mehr /u all als Absicht ist.
Der Hauptfluss der Ebene, der Mendere ist bis auf die neueste Zeit für identisch mit dem
alten Scamander gehalten worden und kein Zeugniss des Alterthums von Demetmis aus Skepsis a^
der persönlich die Ebene durchforscht und in 2(. Büchern sehr eingehend beschrieben hat giebt eine
davon abweichende Kunde. Erst Forchhamn.er hat nach dem Vorgange von Lechevalier alle Angaben
der Schriftsteller verworfen und in dem Mendere den homerischen Simois wieder gefunden; und
auf seine Auetoritat hin hat auf neueren Karten der .alten Welt der Scamander dem Simois
weichen müssen. Wir unterlassen es. jene Angaben, welche bereits ITlnchs m seiner Schritt Leber
die Lage Troias" ^cf Rhein. Mus., HI. .Jahrg.. p. 578 s.,q.^ sorgfaltig zusammengestellt hat hier
„mständhch zu wiederholen, können aber nicht umbin, die Behauptung Lechevahers und Forch-
hammers für einen Act der Willkür zu erklären, der in der Kritik alter \ erhiiltnisse kaum seines
Gleichen haben dürfte. Schon der heutige Name Mendere. wel.lur völlig identisch mit Scam.ander
ist, hätte dagegen warnen sollen. Denn Mendere ist eben nichts anderes, als die türkische Um-
formung des alten Namens, die nach Weglassnng der ersten Silbe gerade eben so entstanden ist,
wie aus Constantinopolis im Munde der Türken Stambul sich bildete. Nimmt man hinzu, dass,
als die Türkischen Eroberer sich vor so und so viel .Tahrhunaerten zuerst in oener Gegend sesshaft
machten, sie eben den Namen Mendere nicht neu mit sich gebracht, sondern ihn im Volksmunde
als Scamander vorgefunden haben, so ergiebt sich mit Sicherheit, dass der Huss den letzteren
Namen von der Urzeit an geführt hat. Ebenso hat ihn auch Homer genannt: er beschreibt den
Scamander ..Is den Hauptüuss der Ebene und lässt ihn von den Höhen des Ida hera .kommen
aiiad XII V M); eben daselbst aber hat auch der Mendere seine Quelle. \on Wichtigkeit ist
feriier eine weitere Bemerkung des Dichters, dass die Götter den Strom Xanthos nannten, bei .len
Menschen jedoch heisse er Scamandros .cf. lUad. XX. 741 Wenn nun jenes eben nichts Anderes besagt,
als dass derFluss, wenn er bei Anschwellungen mit seinen schmutziggelben Wogen wild emherrauscht,
an und für sich ein Werk der Götter sei. da der unsterbliche Zeus selbst ihn geschaffen
(cf Ihad XXI •>), so liegt hierin die ganz bestimmte .\ndeutung. dass an ihm. wie er m die Er-
scheinung tritt."Menschenhände betheiligt gewesen sind. Und so ist es in der Th.at. Wir ennnem
an den Kampf des Achilles mit Asteropaeus: hier zeichnet uns der Dichter den btrom mit seinen
hohen ulmenbewachsenen Ufern illiad. XXI. 18), welche nach der Ebene zu so abschüssig abtallen,
dass der Speer, welchen Achilles über seinen vom Flusse her auf ihn losstürmenden (,egner
,ibid 144) hinwegschleudert, bis zur Hälfte in das hohe (Ilia.l. ib. 17U Ufer selbst eindringt und
von letzterem, der nach Abwerfung der eignen beiden Speere (ib. 164 s,,q.) waffenlos geworden mit
Aufbietung aller Kraft nicht herausgezogen werden kann, ein Hergang, welcher nur bei einem durch
Eindeichung erhöheten Ufer möglich, auf ebenem Boden dagegen völlig undenkbar ist. Und
so und nicht anders linden wir den Hauptstrom der Ebene noch heute wieder. Aus dieser nachgewiesenen
Beschaffenheit der Ufer kann erst ein richtiges Verständniss der bekannten Stromschlacht wie sie
im -21. B. der Ihade geschildert wird, gewonnen werden. Der wikltobende Achi les setz nach
Tödtung des Asteropaeus den Kampf gegen die Troer am Flusse fort (Iliad. ^M; 2''^i ""'' ^«'^^
mit solcher Heftigkeit, dass endüch der Stromgott selbst, in Gestalt eines Mannes (ib. 213). aus dem
Strudel seine warnende Stimme gegen ihn erhebt: umsonst, Achilles hört nicht auf zu morden und
;
springt zum zweiten Male vom steilen Uferrand mitten in den Fluss liinein. Da erhebt sich dieser
mit solcher Gewalt, dass der Held, um sich vom Tode durch Ertrinken zu erretten, einen Ulmbaum
erfasst, ihn vom Ufer in den Strom reisst und sich so eine Brücke bauet, auf welcher er das höhere
Ufer gewinnen und den tobenden Wogen entrinnend sich in das Blachfeld flüchten kann (ib. 24(J sqq.).
Inzwischen aber hat der mit den Wurzeln herausgerissene Baum das ganze Ufer auseinander gespalten,
und durch diese Oeffnung ergiesst sich nunmehr der Strom mit voller Gewalt in die Ebene. Die
Sache ist an und fiir sich klar und deutlich; allein noch einleuchtender wird sie dem Leser durch das
herrliche Gleichniss vom rieselnden Manne, der an einem abschüssigen Orte aus einem Rinnsal
die hemmenden Steine entfernt und dadurch den Lauf des herabfliessenden Wassers so beschleunigt,
dass es dem Hieseler selbst weit vorauseilt. Wer sieht nicht, dass der Dichter den Fluss zum
Schirmer und Beschützer nicht etwa nur der einzelnen Troer macht, die er in seinen Fluthen und
unter seinen steilen Abhängen hülfreich birgt, sondern dass er durch die Ueberschwemmung der
Ebene auch den Schutz der Stadt selbst übernimmt und dem Toben des Achilles Halt gebietet?
dass er also die einfache Thatsache, die Ebene aus dem Mendere und Kimar - Su (cf. §. 2) unter
Weisser zu setzen, in poetischer Erzählung durch den Achilles selbst sich vollziehen lässt? Aber
auch die Schwäche jenes Ueberschwemmungssystems wird im Verlauf der Erzählung klar veran-
schauhcht. Die an und für sich ganz unbegreifliche Darstellung, dass die Wasser wo gen durch
Feuer in die Enge getrieben und gebändigt werden, flndet sofort ihre richtige Erklärung
dadurch, dass die Feuergluthen der Sonne die Ebene nicht bloss trocknen, sondern Alles, was in ihr ist,
verdorren und vei-sengen, die Flüsse selbst aber in winzige Wlisserlein verwandeln; und wenn hier
die „Strahlen des Helios" nicht erwähnt werden, so ist nicht zu vergessen, dass die beiden Götter,
der Flussgott und der Feuergott poetisch in persönlichem Kampfe begriff'en, einander gegenüber-
gestellt werden. Im glühenden Hochsommer aber mochte es wohl einer längern Zeit bedürfen, um
die Ebene ganz zu ITillen, und bei plötzlichen Ueberfällen gewiss mit zweifelhaftem Erfolg. P^nen
solchen Zeitpunkt denkt sich der Dichter und stellt ihn als das Ergebniss der Macht des Hephaestus
dar, der mit seinem Feuer die ganze Ebene gleichsam in Flammen setzt; cf. ibid. 343 sqq.
Aus dem Obigen geht hervor, dass Homer uns den Xanthos - Scamander gerade so schildert,
wie wir ihn noch heutigen Tages in dem Mendere vor ims sehen. Um so aufteilender ist es, dass
derselbe Homer dem Scamander, den er doch vom Ida herabkommen lässt, an einer andern Stelle
noch 2 besondere Quellen unfern der alten Stadt Ilion, und zwar eine heisse und eine kalte beigelegt
hat: cf. Iliad. XX 11, 147 s(i<j. Die Sache ist wirklich in so hohem Grade befremdlich, dass hieraus
sogar die bestimmtesten Folgerungen gegen die Einheit der Iliade überhaupt haben ent-
nommen werden können. Doch lassen wir das vorerst und fragen wir lieber, ob sich in der Ebene
in Wirklichkeit zwei derartige Quellen vorflnden, auf welche die nachstehenden Worte Homers
sich m(')glicherweise beziehen lassen:
Und sie erreichten die zwo schönsprudelnde Quellen, woher sich
Beide Bach' ergiessen des wirbel vollen Scamandros;
Eine rinnt beständig mit warmer Fluth, und umher ihr
Wallt aufsteigender Dampf, wie der Rauch des brennenden Feuers;
Aber die andere fliesst im Sommer auch kalt wie der Hagel
Oder des Winters Schnee, und gefrorene Schollen des Eises.
Das ganze Alterthum hat trotz der eifrigsten Untersuchung und des heftigsten Kampfes über die
Stätte, wo einst Ilion gelegen, ob dort wo heut unbestritten Neu-Ilion nachgewiesen wird, oder ob
eine Meile östhch davon, wo vormals noch Spuren vom Dorfe der Ilienser vorhanden waren, die
Quellen nirgends auffinden können, und diess insonderheit hat zu der Annahme beigetragen, dass
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Überall die Gegend seit Homer die wesentlichstenVcrlinderungenerlittenhabo und eine ganz andere
geworden sei. Wir haben das Unhaltbare derselben schon oben angedeutet, werden aber später noch
einmal darauf wieder zurückkommen. Indessen was das ganze Alterthum trotz jahrelanger Unter-
suchungen an Ort und Stelle, z. B. des Demetrius von Skepsis, nicht zu entdecken vermocht, das
glaubt die neuere Kritik an das Licht gezogen zu haben, und seit Lechevalier und Forchhammer
gilt es fast als ausgemacht, dass jene Homerischen Quellen in denen von Bunarbaschi aufgefunden
sind, und dass das a 1 1 e 1 1 i o n s e l b s t a u f d e r h e u t i g e n A n h ö h e v o n B a a l i h westlich am Scamander, dort
wo er durch die Felsenschlucht bricht, gelegen hat. Aber ist dem also, so müssen die heutigen Bunarbaschi-
QuellenauchinWirklichkeitdieQuellen des von uns oben geschilderten alten Xanthos-Scamand er,
des heutigen Mendere sein, und das eben sind sie nicht, und alle Ausflüchte oder Erklärungen, sie
auch nur zu Nebenquellen desselben zu machen, sind eben nichts als eitel Täuschungen. Immerhin
mö^en die Bunarbaschi - Quellen vor Anlegung des Bunarbaschi - Su ihre Gewässer dem in der Tiefe
vorüberrauschenden Xanthos - Scamander wenigstens theilweise zugefülirt haben, allein als die
Urquellen desselben, der von ihnen aus seinen Anfang nahm, können sie nie gegolten haben, eben
weil der Strom nur aus einer Quelle auf dem Ida entsprang. Wenn nun der Dichter, der den
Xanthos - Scamander wirklich vom Ida herabkommen lässt, dennoch den Scamander an unserer
Stelle aus zwei Quellen entspringen lässt, so folgt daraus mit unumstösslicher Gewissheit, dass er
neben dem grossen Xanthos - Scamander noch ein anderes Gewässer mit dem Namen Scamander
gekannt und" genannt hat, und diess kann in der That kein anderes sein, als der heutige Bunar-
baschi-Su. Hiemit gelangen wir allerdings zu demselben Resultate, welches bereits Lechevalier und
nach ihm Forchhammer aufgestellt haben; allein gegen die weiteren Folgerungen, dass denmach der
heutigeMenderederalteSimoissei, unddass das altellionaufderjetzigenHöhe vonBaalih
gelegen habe, müssen wir uns vorerst ganz bestimmt verwahren. Prüfen wir daher die Sache weiter
und überlassen wir das Endurtheil dem kundigen Leser.
Zunächst steht so viel fest, dass im ganzen Alterthum sich der heftige Streit, w o T r o i a g e s t a n d e n ,
nurum die zwei Punkte, obaufderStellevonNeu-Ilionoder auf der des Dorfes derllienser, ge-
drehet hat, denn obwohl die genannten Quellen des Bunarbaschi-Su, die Höhe Baahh und vor allen Dingen
die Bau-Ueberreste auf derselben, die doch in alter Zeit noch viel frischer und darum sichtbarer
gewesen sein müssen, als jetzt, allen alten Forschern zugänglich gewesen sind, so ist es doch Niemand
einjrefallen, die alte Stadt in jenem äussersten Süd- Winkel der Ebene zu suchen. Selbst Strabo, der
in seiner eingehenden Beschreibung des Locals die homerischen Quellen ganz unzweifelhaft mit denen
von Bunarbaschi zusammenstellt, ist weit entfernt aus dieser Identificirung den Schluss, auf den er
doch ebenso, wie Lechevalier und Forchhammer, hätte kommen müssen, über die Lage des alten
Hion auf Baalih zu ziehen; im Gegentheil, er erklärt vielmehr trotz der Maueriiberreste auf jener
Höhe, welche, da sie noch heute sichtbar sind, auch ihm bekannt sein mussten, ganz ])estimmt, dass
sich überall keine Spurvon der alten Stadt erhalten habe (cf.Strab. XIII, p.lOi) ed. Tauclm.). Den-
noch aber giebt er in dem Urtheil über jene Quellen einen Fingerzeig, welcher zu demselben Resultate führt,
welches wir oben aus Homer gefunden. Nachdem er (ib. p. 113) auf die Auctorität des Demetrius hin
erwähnt hat, dass der Scamander von einer Anhöhe des Ida, genannt Kotylos, herabfliosse und
zwar nur aus einer Quelle, fährt er fort, dass der Dichter damit durchaus nicht im Einklang
stehe, indem er ausdrücklich zwei Quellen des Scamander und zwar eine heisse und eine kalte
erwähne; denn weder finde sich jetzt an diesem Orte eine warme Quelle, noch sei
des Scamandros Quelle hier, sondern oben in dem Gebirge, und zwar eine, nicht zwei.
Die warme Quelle also scheine verschwunden zu sein, die kalte hingegen, durch unter-
irdischen Abfluss dem Scamander entfliessend, an dieser Stelle Frieder hervorzubrechen; oder aber
auch dieses W^asser heisse eine Quelle des Scamandros, weil es ihm nahe sei, cf. ib. p. 114.
Die Worte „in dem Gebirge" (iv t(^ oqsi) stehen im schärfsten Gegensatz zu den Angaben „an
/ 'i
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diesem Orte" und hier; ferner zu „an dieser Stelle" und „auch dieses Wasser". Folglich
hat der Geograph mit den letzteren Bezeichnungen auf einen ganz bestimmten Ort in oder an der
Ebene hingewiesen, und dieser kann nach seinen Worten kein anderer als der von Homer durch
die zwei Quellen bezeichnete sein, während es in Strabos Vorstellung die Quellen bei Bunarbaschi
sind, in der Nähe des Scamander; und dennoch hat er die Consequenz, die er nothwendig
ziehen musste, nicht gezogen und die Höhe über den Bunarbaschi-Quellen nicht als alte Burg von
Ihon angegeben, offenbar weil alle in der Iliade geschilderten Ereignisse mit dieser Localität
unvereinbar sin d. Indessen geht aus der ziemhch unklaren und verworrenen Auseinandersetzung Strabos
doch so viel hervor, dass, da seine Worte xaTa SiaSvoiv vnexQaov ausdrückhch bezeugen, dass die in
Rede stehende Quelle mit dem grossen Scamander, dem Mendere, in keinem sichtbaren Zusammen-
hang stand, er dennoch aber für dieselbe wegen der Nähe des Scamander auch den Namen
Quelle des Scamander vermuthet, er zu Aveiterer Folge auch den aus ihr abfliessenden Bach
Scamander genannt haben muss; beide aber, Quelle und Bach, können nur die heutigen Bunar-
baschi - Q u e 1 1 e n u n d d e r B u n a r b a s c h i - S u s e i n. Diese aus Homer und Strabo gewonnenen Resul-
tate, dass der Bunarbaschi-Su auch im Alterthum Scamander genannt worden sei, werden durch ein voll-
gültiges Zeugniss des Plinius N. H. V, c. 30 ausdrückhch bestätigt. Irren wir nicht, so hat Forchhammer
allein das Verdienst, diess aus Phnius nachgewiesen zu haben, und es ist niu' zu bedauern, dass er
daraus unrichtige Consequenzen gezogen hat. Denn statt die Sache einfach so zu nehmen, wie sie ist,
nämhch dass neben dem Xanthos-Scamander auch der heutige Bunarbaschi-Su einstmals denselben
Namen Scamander geführt habe, hat er nur den letzteren als solchen gelten lassen, und demnach
das ganze Namensverhältniss der Flüsse in der Ebene trotz aller dagegen sprechenden Bedenken
völhg durcheinander geworfen; denn der heutige Mendere ist nicht der alte Simois. Kehren
wir zu Plinius zurück, so zählt dieser, von Süden nach Norden fortschreitend, die OertHchkeiten also auf:
Oppidum Nee, Scamander amnis navigabilis, et in promontorio quondam Sigeum oppidum.
Dein portus Achaeorum, in quem infinit Xanthus, Simoenti iunctus, stagnumque prius fa-
ciens Palae scamander. Hier ist Alles klar und deuthch; der zwischen dem Städtchen Nee und dem
Sigeischen Vorgebirge erwähnte Scamander kann nur der Bunarbaschi-Su sein, der in der Beschika-
Bai ins Aegäische Meer fällt: auf diesen überall mindestens 3 Fuss tiefen und 8 — 9 Fuss breiten,
künstlich eingelegten Bach, welcher zu jeder Jahreszeit mit vollem W'asser strömt und bis zu seinen
Quellen mit Kähnen befahren wird, passt ganz allein, wie Forchhammer richtig gesehen hat, das
Beiwort navigabilis, nicht aber auf den Xanthus-Scamander, welcher mit Ausnahme der momentanen
Ueberschweunnungen, durchaus unbefahrbar ist und zu allen Jahreszeiten die Horazische Bezeichnung
parvus, d. h. flach und seicht, verdient; cf. Epod. XIII, 14. Somit darf als festes und sicheres
Resultat der bisherigen L^ntersuchung angesehen werden, dass im Alterthum, und zwar schon zur
Zeit des Homer, der Name Scamander nicht bloss dem grösseren Xanthus beigelegt
worden ist, sondern dass auch der jetzige Bunarbaschi-Su denselben geführt hat.
Wenden wir uns nun weiter zur östhchen Seite der Ebene. Hier treten uns zwei Rinnsale, der
Kalifatli-Osmak und der Dümbrek-Su zu näherer Betrachtung entgegen.
Der Kalifatli-Osmak ist von beiden Bächen derjenige, welcher unserer früheren Er-
örterung zufolge allein das Meer erreicht; er mündet in den Karanlik-Liman. Fragen wir, wie er
im Alterthum geheissen, so finden wir die einzige Auskunft in der oben angeführten Stelle des
Phnius, der neben dem Xanthus auch den Palaescamander neimt. Woher der Pohvhistor seine
Notiz entnommen, ist uns ebensowenig bekannt, als die Quelle, aus welcher er den Namen Sca-
mander für den Bunarbaschi-Su geschöpft hat. Dass er aber Beides nicht ersonnen, sondern auf
bestimmte Zeugnisse hin notirt hat, muss als ausgemacht gelten. Auch Forchhammer hat bereits
den Palaescamander zu bestimmen gesucht, und es erscheint angemessen, hier die Ansicht desselben
lü
wörtHch niitzutheilen. „Auch Plinius wusste, sagt er in seiner Beschreibung der Ebene von
Troia p. 20, dass der Scamander sich ins Aegäische Meer, also durch den Canal
ergoss. Von Süden nach Norden die Küste umschiffend nennt er zuerst, den Sca-
mander, einen schiffbaren Bach, dann das Sigeische Vorgebirge mit der Stadt
Gleiches Namens, dann den Hafen der Achäer, in welchen der Xanthos fallt, mit
dem Simois verbunden und vorher einen Sumpf bildend der alte Scamander
iPalaescamanderj. Dass Scamandros und Xanthos derselbe Fluss sind, weiss jeder
Leser des Homer. Es muss aber ein Grund sein für den doppelten Namen. Schon
die einfache Kunde von dem jetzigen Verhältniss würde genügen, die Sache klar zu
machen. Durch die angeführten SteHen und besonders durch die des Minius ist
nun Alles ins hellste Licht gesetzt. Der Scamander als der Fluss mit dem gegrabeueii
Bett fällt ins Meer südlich vom Sigeum, der Scamander-Xanthus der gewaltige Fluss
mit dem gelben Wasser, von dem er den Namen hat, vereinigt sich mit dem Simoeis
(Mendere) und ergiesst sich in den Hellespont nördlich vom Sigeion. Derselbe
Xanthos bildet ehe er in den Simoeis fällt einen Sumpf, den Lisgar, und ist der
ursprüngliche alte Scamander, der Palaescamander. Die Sache ist so einleuchtend,
dass die Frage hoffentlich nun ein für alle Mal erledigt ist." Die Philologen sind
wunderUche Leute; Forchhammer glaubt die Frage ein für alle Mal abgethan zu haben, und die
vorhegende Abhandlung behauptet das Gegentheil. Wir legen kein Gewicht darauf, wie der tiefgelehrte
Forscher sich hat entschliessen können, dem aus dem Lisgar in den Mendere führenden Abzugs-Bach
das homerische Beiwort des „gewaltigen" beizulegen; wemi auch zur Zeit der Ueberschwemmungen
derselbe immerhin reissend genug mag gewesen sein. Allein, wemi er aus den ^\ orten des Plinius den
Beweis dafür entnimmt, dass der in den Hafen der Achäer, also in den Hellespont einmündende
Xanthos kein anderer als der aus dem Lisgar in den Mendere abfliessende Bach sei und dass, da
Homer den Xanthos auch Scamander nenne, demselben Bache der Name Xanthos - Scamander
zukomme, und dass dieser der Palaescamander des Plinius sei, so widerspricht diess jeder ruhigen
Kritik so sehr, dass wir uns eine eingehende Widerlegung versagen müssen. Oder wird wirklich
iemand die Donau an ihrem Ausflusse ins schwarze Meer Inn, oder die Elbe bei Hamburg
Moldau nennen? Hätte Plinius geschrieben: in quem infinit Simois Xantho iunctus stagnum.iue
prius facienti Palaescamandro, so wiü'de Forchhammer seine Behauptung, der Mendere sei der
Simois zwar gerechtfertigt haben, aber auch so bheben die Worte stagnumque etc. noch zweifelhaft
und darum bedenklich, weil aus dieser Zusammenstellung die Identität des Xanthus und des
Scamander oder vielmehr des Palaescamander noch immer nicht folgte. Die Worte des Plinius, wie
sie' jetzt lauten, besagen nichts Anderes, als dass der mit dem Simois vereinigte Xanthus in
den Hellespont mündet und ebenso der Palaescamander, der früher eine Lache
bildet. Nun aber giebt es nur zwei solcher Mündungen im Portus Achaeorum, d. i. m der Bucht
zwischen dem Sigeum und Rhoeteum, nämlich die des Mendere westlich, unfern vom Sigeum, und
die des KaHfatU - Osmak am Rhoeteum in den Karanlik - Liman ; ist nun jene unbestritten die des
Xanthus-Scamander, so kann diese nur die des Palaescamander sein. Die Richtigkeit dieses
Resultates ergiebt sich mit Evidenz aus den Worten stagnumiiue prius faciens, welche eben nicht die
Ergänzung gestatten „bevor er in das Meer sich ergiesst", weil eine solche Mundung mit
vorheri-er Sumpfbildung überall in der Bucht nicht vorhanden ist und wegen der noch
heute sichtbaren Strandverhältnisse selbst in einer Urzeit niemals vorhanden gewesen
sein kann; im Gegentheil, jene Worte bezeichnen schlagend den wahren Sachverhalt: der Kahfatli-Osmak
bildet früher den Sumpf Djudan (cf. §. 2), fliesst aus ihm nach dem Dümbrek-Thal und stnmit nach
zeitweiliger Vereinigung mit dem Dümbrek, gefüllt mit den Gewässern desselben in stets ftiessendem Strome
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mittelst eines gegrabenen Bettes ins Meer. Hiemit haben wir noch einen dritten Scamander in der
Ebene nachgewiesen; indessen, bevor wir hierauf genauer eingehen und weitere Folgerungen ziehen,
ist noch der schwierigste aller Flüsse, der Dümbrek selbst einer näheren Betrachtung zu unter-
ziehen.
Der Dümbrek-Su durchfliesst von Osten nach Westen die Thalmulde, die durch den Rhötei-
schen Ihihenzug nördhch, und durch den in die Ebene von Osten hineinschiessenden Bergrücken
südhch gebildet wird; nördhch über der Westspitze des letzteren wird er zu einem Sumpfe, aus
welchem ausfliessend er nach kurzem Laufe in den KalifatU - Osmak fällt und, während letzterer
dui-ch einen Canal nordwärts weiter geleitet wird, seinen trägen Lauf nordwestUch fortsetzt und sich
zuletzt, ohne das Meer zu erreichen, durch verschiedene Arme in tiefe Sümpfe und Lachen verhert.
Schon der Umstand, dass in der ganzen Ebene sich kein Bach weiter befindet, der für den alten
homerischen Simois gelten könnte, würde vollkommen hinreichen, diesen in dem heutigen Dümbrek-Su
zu suchen. Allein alle nur irgend glaubwürchgen Zeugnisse des Alterthums bestätigen, dass der in
der genannten Thalmulde fliessende Bach der Simois ist. Bis zur Evidenz ergiebt sich diess aus
der Beschreibung des Demctrius von Skepsis, der in seiner Jugend die Stadt Neu-Ilion und die
umliegende Gegend selbst besucht (cf. Strab. XIH, p. 100) und als ein eingeborener Mann (Strab.
ibid. p. in o'g av iyiwQiog ccvriQ) mit Genauigkeit beschrieben hat.
Mit seiner Beschreibung stmimt nach der Versicherung von Augenzeugen fcf. Ulrichs 1. 1.) die
ganze Ebene noch heutigen Tages vollständig überein und es ist wirkhch eiteles Gerede, wenn, sobald,
vorgefasste Ansichten in dem Locale die gewünschte Bestätigung nicht finden, sofort von einer eingetre-
tenen Veränderung desselben gesprochen wird. Jeder erkennt noch heute auf den ersten BUck die oben
geschilderte Thalebene, liier to ^i^oüölov nediov genannt, durch welche der Simois sich hin-
windet. Diess kann also nur der heutige Dümbrek sein. Ferner liegt im östlichsten Winkel der
grösseren Tlialnuilde eine kleine sehr schöne Eigene, an deren Rande jetzt das Türkische Dorl
Dumbrck-Kioi liegt; der letztere Name führt ganz von selbst auf die alte von Strabo (a. a. 0. p. 107)
genannte und schon von Homer erwähnte Ebene Thymbra, durch welche nach demselben
Geographen a. a. 0. „der Bach Thymbrios strömt, welcher sich in der Gegend des
Heiligthums des Thym])räischcn Apollon in den Scamander ergiesst." Hätte nun Strabo
berichtet, dass dieser Tliymbrios sich in den Simois ergösse, so würde man auf einen von letzterem
vei^chiedenen Bach schlicssen dürfen; und in der That zeigt die Sprattsche Karte ein wenig östUch
von Duinl)rek-Kioi die Mündung eines kleinen Rinnsals, welches von Süden herabkommend alldort
mit dem grösseren (iewässcr sich verbindet. Allein, da Straho den Tliymbrios in den Scamander
sich crgiessen lässt, so folgt unwiderleglich, dass der Thymbrios und der in den Scamander
mündende Simois ein und derselbe Fluss sind, und dass demnach jenes kleine nach der Thymbräischen
Ebene genannte Rinnsal seinen Namen auch auf den Simois übertragen liat. So weit ist Alles
in der Ordnung; allein wo war der Mündungspunkt des Simois - Thymbrios in den Scamander?
Strabo setzt ihn in die Nähe des Tempels des Thymbräischen Apollon; Demetrios a. a. 0. bezeichnet
diesen Punkt näher mit ^uxqcv l).t7igoaOev toxj vvv ^IlloVy also etwas nördhch über der äussersten
Westspitzc des vielgenannten mittleren Bergrückens, wo Neu-Ilion noch jetzt vorhanden ist. Wie
aber kam der grosse Xanthos - Scamander liieher? Es vereinigen sich gerade an der bezeich-
neten Stelle nur der Kalifath-Osmak mit dem Dümbrek-Su, woraus sich ergiebt, dass der von uns aus
Plinius als Palaescamander nachgewiesene Kahfatli-Osmak auch hier von dem Geographen Scamander
genannt wird. Mit diesem Ergebnisse schwinden mit einem ^lalc alle jene Dunkelheiten und
Verworrenheiten in den Angaben der Alten über die Topographie der Ebene, und bis daliin völhg
Unbegreifliches findet seine Aufhellung, Zunächst wird die Meldung Strabo's verständlich, wenn er
3
dadurch ihre vollstaiKlige Aullieiiimg: er üenciiieL nanmyi v^i.^
toc vlv 'lUov GVfißällnvai, tlr M to liystov txöidcmai y-al ri
IS
p 103 sagt: ov^mfüoyreg yaQ oze ^.^iöeis xai 6 ^.a^iurögo, iv rc^ rrecJjV, ^oUi^^ .aiarfiifovztg
aiv looaxoroi Tijv naQaXiav xal ivifUv avo^ia xal XifivoOakaiiag xai ^^ ^OiOL<Ji. Diess alles
passt nicht auf den wilden Bergstrom Xanthus-Scamander, der weder Sümpfe noch Lachen an semer
Mündung aufweist, am wenigsten aber ein TvipXov aicfia, und ein Bhck auf die Karte zeigt, dass er
seit derzeit seiner uralten Eindeichung derartiges nicht beNvirkt haben kann, sondern dass er seinen
Sand und sein GeröU in die Tiefe des Hellespont hineingeschüttet und so seme Mundung allmahg
weit in denselben hinausgeschoben hat. Dagegen passt die obige Beschreibung ganz genau auf den
mit dem KahtatU - Scamander vereinigten Simois-Thymbrios: beide fallen nürdhch iiber Neu-Ilion
zusammen und nachdem sie nach kurzem Zusammentliessen einen Haupttheil ilirer Gewässer nutteist
des Canals des eii^entücheu Talaescainander in den Karanlik - Liman abgegeben, en-eichen sie mit
dem Reste keineswegs den Hellespont, sondern bilden vorher blinde Mündungen und Sümpfe, von
denen die heutige grosse Lagune, in die der Hellespont zeitweise einströmt, die ajo^iaXi^vi] oder die
liuvo^äUxTa ist. Ferner findet die bis jetzt ganz unverständhche Darstellung des Demetnus
dadurch ihre vollständige Aufhellung: er berichtet nämlich (cf. Strab. p. 106), also: Oi de Ttora^wt
6 ÖS T([i 'Pniiei(i), /ntxnov F/tiTCQoaO^ev
71010X01 ri]v ^TO/iiaXi/iivr^v xa?.ov/idvr^v.
Hier ist erstlich vollkommen falsch, dass' der Xanthus - Scamander mit dem Simois zusammen die
OTOficcXi^ivr^ gebildet habe; diess thaten die Wasserreste des vereinigten Simois - Palaescamander.
Ferner ist' es ganz unraiighch und darum geradezu widersinnig, dass Xanthus-Scamander und
Simois in divergirender Richtung fliessend, jener nach dem Sigeum und dieser nach dem
Rhoeteum zu, ein wenig nördlich über Neu-Ihon zutammengefallen seien. Diess passt vielmehr nur auf
die in Rede stehenden Flüsse, vorausgesetzt, dass man o fdv auf Simois, o de auf Scamander richtig
bezieht, gerade wie bei Strabo XHI, p. 81: Klelr.v - ovvayaytlv if]v aiQauov xata rov avxov
vodvo, xa&' ov xal nev&Uos' dlla zdv fiev tov nevi>i?.ov oroXoy (pitrrat .TeQaiw^tvra, —
toxTOvl de X, T L Folghch kam der Simois-Thymbrios seiner ursprünghchen Richtung folgend
immer näher und näher dem Sigeum, der Kalifath - Scamander dagegen dem Rhoeteum und so
mussten sie sich kreuzend nördUch über Neu - Ilion zusammentallen. Endlich findet hiedurch sogar
die bekannte Stelle des Homer 11. V, v. 774, verghchen mit II. XXI, WS sc^. ihre vollständige Er-
ledigung. Sie hat bis in die neueste Zeit vielen WirrwaiT angerichtet, indem sie eben als ein
uni^stösslicher Beweis dafür angesehen worden ist, dass das Local der Ebene sich seit Homer
völüg verändert habe, denn Scamander und Simois fielen jetzt nicht mehr zusammen. Allein das-
selbe ist auch zur Zeit Homers nicht geschehen: denn ein Strom, der bereits sein Wasser mit dem eines
andern wirkHch vereinigt hat und mit diesem zusammen dahinrauscht, kann unmöglich also redend
eingeführt werden (IL XXI, 30S): Auf denn, mein Bruder, wir beide zusammen wollen
die" Kraft des Mannes hemmen. So spricht man nur zum Fernstehenden. Hieraus ergiebt sich
erstens, dass der Dichter II. V, 744 nicht den grossen Xanthus-Scamander, sondern den Kahfatli-
Scamander gemeint, oder dass er beide unbewusst mit einander verwechselt hat, und zweitens, dass
er XXI, 308 sqq. allerdings den tiefstrudelnden Xanthus-Scamander im Sinne hat, ihn aber dennoch
wieder 'mit jenem vertauscht: denn das Nächstfolgende zeigt uns klar und deutlich, dass hier
eben nur vom Kalifatli - Scamander die Rede ist, der tief in der Limnothalatta, (denn das ist
vetc&i Ufm^g) die Wafi'en des Achilles, mit Schlamm und Morast überschüttet, bergen und den
Helden selbst so tief in die Lagune versenken will, dass die Achäer dessen Gebeine nimmer wieder
finden sollen.
Nach dem Gesagten unterhegt es keinem Zweifel, dass jede Annahme einer Umgestaltung
des Locals unbegründet und letzteres vielmehr von den Zeiten Homers bis heute ein und dasselbe
gebüeben ist, ferner dass der Dichter mit dem Namen Scamander um so willkürlicher verfahren
l
411
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— 1» —
konnte und musste, je entschiedener aus der bisherigen Untersuchung sich ergiebt, dass der Name
^xc'fi/avdnog ursprünglich nicht der Eigenname eines einzelnen Flusses, sondern die allge-
meine Bezeichnung eines künstlich angelegten Entwässerungsgrabens war, deren es in der Troischen
Ebene ebensoviele gab, wie wir noch heutigen Tages ebendaselbst in den sogenannten
Osmaks, das sind fliessende Wasserbäche, \Niederfinden ; cf. Forchh. p. 10. Würde es aber nicht
noch heute leicht geschehen können, dass Jemand, der Bedeutung des Wortes Osmak unkundig,
dasselbe für den Eigennamen irgend eines Baches der Ebene hielte? Gerade so ist es Homer
ergangen; nachdem der Xanthus im Munde der Leute der Eindeichung wegen jenen Beinamen
führte, hat schon der Dichter ihn für einen Eigennamen genommen und also behandelt und vor
dem grösseren Strome und dessen Benennung ist das Wort Scamandros für die übrigen Gräben nach
und nach verbhchen, ohne dass es ganz verschwand; daher die Verwechslungen. Endlich, und das
ist die Hauptsache für diese Vertauschungen, ist es dem Dichter niemals darum zu thun gewesen,
eine genaue Topographie der Ebene zu geben; er liat \-ielmehr, ein fernlebender Sänger, der die
Ebene selbst niemals mit eignen Augen gesehen hat (s. unten), seine Aufgabe nur darin
gefunden, die lebendig strömende und bei seinen Stammesgenossen mit Yorhebe gepflegte Sage mit
voller Begeisterung aufzunohmen und ihr unter strenger Festhaltung des Inhalts die künstlerische
Form zu geben. Dass aber jenes Wort Scamander wirkUch nichts weiter bedeutet hat, als einen
durch Menschenhand aufgeworfenen Graben, das beweist zuerst die Etymologie selbst Gx6f.i/na ccvSoog,
Graben des Mannes, und weiter wird es bestätigt durch das alte SchoHon bei Eustath. II. 1197,
54 ed. Rom., „der Scamandros habe seinen Namen daher, weil er von dem Manne,
nämlich Heracles gegraben sei; cf. Forchh. p. 26. Hier ist nun nicht zu sagen, wie es in
hundert andern Fällen vollkommen richtig ist, dass aus dem Namen erst die Sage sich entwickelt
habe, wie z. B. aus dem der Burg zu Karthago, Bursa, das griechische BvQoa (Haut oder Fell),
und weiter die bekannte Sage von der Gründung der Stadt durch die Dido hervorging, oder, um
selbst neuerer Fälle zu gedenken, wie aus dem Ludovicus Salius, aus dem Geschlecht der Salier, der
vieluntersuchte Sprung desselben vom Felsen zu Giebichenstein bei Halle a. S. entstanden ist; im
Gegentheil, festgegebene und noch heute nachweisbare Verhältnisse sind mit jenem Worte bezeichnet
worden, nämhch die künsthch angelegten, also durch Menschenhand geschaffenen Entwässeruugs-
Gräben der Ebene, und wie wir noch heute jede derartige Anlage ganz allgemein „Canal" nennen,
so die Griechen ^xäinavdQog, Hiedurch finden auch die ^xaiiävÖQioi (tnal des Sophocles (cf. Aj. v. 4 1 8)
ihre Aufhellung, und erst, als das Wort zu einem Eigennamen geworden war, trat die Frage auf,
wer der grabende Mann gewesen, womit die weitere Sagenbildung begann, welche in dem
Manne den Heracles wiederfand.
Die durch die bisherige Untersuchung festgestellten Resultate lassen sich nun kurz so
zusammenfassen. Die Troische Ebene war in der Urzeit vor Beginn der Cultur ein grosser Sumpf,
dessen Gewässer zeitweilig bis an den Fuss der umliegenden Höhen reichten, in der heissen Jahres-
zeit dagegen sich verkleinerten und stellenweise sogar austrockneten. Durch das in Folge von
Sturinflnthen vom Hellespont her eintretende Meerwasser entwickelten sich aus dem Sumpfe todt-
bringende Miasmen, die erst durch die eintretende Cultur beseitigt wurden. Letztere begann in dem
Augenblick, als die ersten Ansiedler sich in die Ebene hineinwagten und die Entwässerung derselben
in Angrift" nahmen und zwar zunächst durch die Eindeichung des Hauptflusses Xanthus, welcher
von nun an wegen Aufwerfung der künstlichen Ufer, die gleichsam einen breiten und tiefen Graben
einfassten, im Munde der Menschen Scamandros beibenannt wurde. Sodann wurde die östUche
Seite des Xanthus durch Ausgrabung des Kalifatli-Scamander (Palaescamander), welcher die Gewässer
des südösthchen Winkels nach dem Simois - Thale abführte, in ihrem südlichen Theile, und ebenso
das Simois-Thal selbst durch künstliche Fortsetzung des Scamander in den Karanlik-Liman des Hellespont
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trocken gelegt, während die nicht abführbaren Wasser in ihren tiefgewühlten Betten sich als
Simois-Scamander bis in die Nähe des Hellespont zogen und hier Sümpfe bildeten. Dann wurde die
westhche Seite am Xanthos zunächst durch den über 100 Fuss tiefen, nütten durch den westlichen
Höhenzug gegrabenen Canal in Angriff genommen, der, falls er im Gebrauch gebheben, ebentalls
den Namen Scamander geführt haben würde; er erwies sich als unnütz wegen der unablässig in die
Ebene hinabströmenden Bunarbaschi - Quellen, und so wurden diese durch einen zweiten Canal, den
Bunarbaschi- Scamander direct ins Aegäische Meer geleitet. Die nach grossen Ueberschwemmungen
zurückbleibenden Sumpfwasser flössen durch einen kleinen Abzugsgraben, wohl auch Scamander
genannt, in den Xanthos. EndHch war das ganze Entwässerungssystem so beschaffen, dass die ganze
östhche ' Seite am Xanthus durch Ableitung desselben, sowie des Kiraar-Su, der wohl der alte
Andrios ist, unter Wasser gesetzt werden konnte, um den Bewohnern der Ebene sichern Schutz
gegen auswärtige Feinde und deren Angriffe zu gewähren. Wo aber lag nun die alte Stadt dieser
ersten Bewohner?
Cap. IV.
Die Lage des alten llion.
Die Behauptung der Neu-Ihenser, dass ihre Stadt die Stelle des alten Troia einnehme, ist
wohl in der ältesten Zeit niemals in Zweifel gezogen worden; sie beduri'te keines besonderen
Beweises, da die Tradition genügte. Erst als man anfing, das Ansehen des Homer mit heranzuziehen
und die Lage Neu-Ilions nüt dessen Angaben zu vergleichen, und als man in ihm Vieles zu finden
glaubte, was jener Behauptung entschieden widersprach, entwickelte sich schon im Alterthum neben jener
Tulgären nach und nach eine sogenannte gelehrte Meinung, und die Frage, wo llion gelegen, wurde
zum Gegenstande eingehender Untersuchungen. Doch hat die letztere Meinung wenigstens im Alter-
thum nie einen festen Boden gefunden; \ielmehr hat die traditionelle Ansicht bei Griechen und
Römern stets die Oberhand behalten. Zunächst war es Alexander von ^Lacedonien, welcher bei
seiner Vorliebe für Homer und wegen der Verehrung des Helden Achilles alle seine Sympathien den
Nachkommen der Stadt zuwandte, in deren Nähe die grossen in der Iliade geschilderten Schlachten
geschlagen worden waren. Demnach ging er nach seinem Siege am Granicus nach Neu -llion,
sclimückte den dortigen Tempel mit Weihgeschenken, legte dem Orte den Namen einer Stadt bei
und befahl sie mit ansehnlichen Bauten wieder herzustellen; zugleich erklärte er sie fiir frei und
gab ihr Immunität von Lasten und Abgaben. Auch scliickte er später nach der Zertrümmerung
des Perserreichs ein wohlwollendes Schreiben an ihre Bewohner, in welchem er versprach, sich der
Stiidt und ihrer ferneren Entwickelung mit Vorliebe annehmen zu wollen; cf. Strab. XIII,
p. 99 sqq. In noch ausgedehnterem Maasse sorgte der Dictator C. Juhus Caesar für die
Stadt, indem er ihr nicht allein reichen Landbesitz verheb, sondern ihr auch die Freiheit
üess und iliren Bewohnern das Privilegium der Entfreiung von Abgaben und Lasten aufrecht
erhielt: cf. Strabo a. a. 0. p. 102. Als Beweggründe dieses Wohlwollens führt Strabo ganz
ausdrückhch an, weil die Römer den Aeneas für ihren Ahnherrn [aQxrjtrr^s) gehalten, Caesar selbst
aber sein Geschlecht vom Julus, dem angebUchen Sohne des Aeneas, abgeleitet hätte. Der weiteren
Ausführung dieser Verhältnisse bedarf es nicht; es geht aus dem Gegebenen zur Genüge hervor,
dass die Zeit Alexanders und in höherem Grade noch die Römische Welt unter Caesar der uralten
Tradition der Neu-Ihenser voUständigen Glauben geschenkt hat. Wem aber nicht unbekannt ist,
von wie tiefer Bedeutung derartige Traditionen für die Erkennung und für das Verständniss uralter
m
- — «1
Verhältnisse sind, so wie auch, dass es bei weitem leichter ist, statt ihren Kern aufzufinden, sie
jfort ins Reich der Fabel zu verweisen, der wird es nur tief beklagen können, dass die gelehrte
Forschung, wenn auch ohne jeghches Verständniss des Homer, sich der Sache bemächtigt hat. Strabo
a. a. O. fasst die gelehrte Ansicht aller seiner Vorgänger zusammen und erklärt sich kurz und
bündig gegen die Tradition mit den Worten: cti d^ oix ivrai&a lÖQvxai zo TiaXaiov 'iXiov xad"*
O/iiTjifOv axonoiaiv, ix iiov loiwvde Tsx/naiQovraL Mit diesem Satze, dass die Frage nur unter
Führung des Dichters erledigt werden könne, hatte die gelehrte Ansicht festen Boden gewonnen;
den Homer in der Hand durchstöberte man die ganze Troische Ebene, und wo die Wirklichkeit
mit den Angaben der Iliade unvereinbar erschien, wurde ohne Umstände, da der Dichter sich nicht
irren könne, zu Ungunsten der Tradition entschieden und behauptet, dass die Ebene eine totale
Veränderung erlitten habe, oder aber, dass die alte Stadt an einer ganz anderen Stelle
als an der von Neu-Ilion zu suchen sei. Diess Princip, nur den Dichter als Führer zu
nehmen und ihm unbedingt zu folgen, ist bis zum heutigen Tage das geltende gebUeben und hat
den ganzen Wirrwarr der Ansichten hervorgerufen, die leicht noch bedeutend vermehrt w^erden
könnten, weil jeder Forscher sich für berechtigt halten darf. Allem Gegebenen gegenüber sein
eignes Dafürlialten auf den Thron zu setzen; an Scheingründen und Gegengründen pflegt es nicht
zu fehlen, eben weil bei Homer eine positive Basis fehlt. So ist Bunarbaschi zu der Elire
gekommen, die Area der alten Stadt zu sein, so unlängst das im Südostwinkel der Scamandrischen
rechten Ebene gelegene Atzik - Kioi (vergl. Ulrichs in der erwähnten Schrift). Dabei aber hat man
gänzHcli ausser Acht gela«;sen, dass die gelehrte Ansicht der festen Tradition gegenüber im
Laufe von Jahrhunderten, von Alexander bis auf Caesar, also weder in der Griechischen noch in
der Römischen Welt irgend festen Boden hat gewinnen können, und erst die neueste Zeit, die eben
von der Bedeutung jener Tradition keine Vorstellung mehr hat noch haben kann, hat mit kühlem
Verstände die gelelule Ansicht wieder zur Geltung zu bringen versucht. Indessen fragen wir nach den
Gründen, worauf sie sich stützt, so sind es seit dem Alterthum immer dieselben gebheben, weshalb es
unbehaghch und unerquickhch wird, selbige stets von Neuem vorzutragen, und zwar um so mehr
als es Gründe sind, aus denen bei genauerer Betrachtung auch nicht ein Schein der Wahrlieit
entnommen werden kann. Denn allen Lesern des Homer gegenüber behaupten wir mit vollem Bewusst-
sein der Wahrheit, dass es in der ganzen Iliade auch nicht einen einzigen Punkt giebt,
der topographisch als feste und unbestrittene Basis dienen könnte, um von ihm aus die Entscheidung
der Frage, wo einst das alte llion gelegen, nur annähernd anzubahnen. Alles schwebt bei Homer
in der Luft und von der vielgerühmten Oljjectivität des Dichters findet sich in topographischer
Bezielnuig bei ihm auch nicht die leiseste Spur.
Welches sind nun die (Jründe der gelehrten Ansicht? Wenn man das Schiffslager (vccioraS'fiog)
als zwischem dem Sigeischon Vorgebirge und der Mündung des Xanthus - Scamander belegen
annimmt, so beträgt dessen Entfernung von Neu-Ilion 20 Stadien (»/s Meile); setzt man es zwischen
jene Mündung und das Rhöteische Akroterion am sogenannten Portus Achaeorum, so beträgt sie nur
12 Stadien (^etwas über V« Meile); nimmt man nun hinzu, dass wenigstens die Hälfte der letzteren
Uferstrecke angeschwemmtes Land ist, so verringert sich der Abstand des Lagers von Neu-Ihon bis auf
nur 6 Stadien (etwas über V» ^leile oder Viertelstunde Weges); da nun aber Homer den Polydamas
(Ihad. XVIII, 2r)6) sagen lässt txog ö' and leixeög ei^ev, oder den Odysseus (Od. XIV, 469) Air^v yaq
vrjtLv ixag /;>l^o.u€v, so folge, sagt man, aus dem )dr^v txdg, dass (he alte Stadt sehr weit, also
mindestens doch weiter, als Neu-Ihon vom Meere gelegen, letzteres also das alte Troia nicht sein ^
könne, cf. Strabo a. a. 0. p. 108 sqq. Die Würdigung dieses Grundes überlassen wir dem Leser
imd bemerken nur, dass der relative Ausdruck txag oder yHr^v txog gar keinen Maasstab für die
Entfernung der Stadt vom Meere abgiebt. Nicht anders verhält es sich mit den übrigen Gründen,
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/
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wie z B. dass, weiiii man von dem heutigen Neu-Ilion eine gerade Linie nach Osten bis zum
jetzigen Kara-ghün, der alten Kallicokme ziehe, so liege auf dieser, 30 Stadien (V Meilen vi ,i
Neu-Ilion entfernt, auf dem mittleren Bergrücken das Dorf der Ilienser, und von da au. I
10 Stadien (V* Meile) weiter die Kallicolone. Nun aber sagt Homer Iliad. XX, 51 sqq., dass Ares
am grossen Schlachtentage die Troer augefeuert habe bald von der h(ichsten Iblhe der Stadt,
bald," am Simois entlang eilend, auf der Kallicolone. Dazu nun mvd bemerkt, (cf. Strabo p. 107),
dass,' wenn Ares bald von der Burg (Neu-Ilions) die unter derselben kümpfenden Troer, bald
von der KaUicolone aus die ebenfalls am Fusse dieser Anhöhe Streitenden ermahnte, sich die
Schlachtreihe der Troer von dem einen bis zum andern Punkte eine Meile weit ausgedehnt haben
müsse was nicht glaublich sei: folglich könne die alte Stadt nicht an der Stelle von Neu-Iüon
gelegen haben, sondern an der des Dorfes der Ilienser. Diess ist der Sinn der Beweisführung
Strabos, die übrigens in hohem Grade dunkel und verworren, wenn nicht geradezu ^^^derslnmg ist.
Denn wenn seine Worte TeTTceQaxotTa de aTctöinig diexovar^s rt^S KalUxnUvr^g and roF- vtv '/A/or, ri
Xoiauior im TOfJorror u8Ta).a/itßavao(^ai roig liiiovg, i(f oanv i) diaiain; ov dikuve; doch eben
nichts anderes bedeuten, als dass die Schlachtordnung der Troer sich nicht eine Meile weit
zwischen den -enannten Punkten ausgedehnt habe, so folgt daraus, dass er im Vorhergehenden mit
den Worten ru^avu^g av d' "^Qi^g ccXIotb uh t,]v iyxekevatv cno t/> axQOTZolsiog noiono, allou
ix Tiüv Tilraiov Tomov toI t€ iLficevTog xai %r,g Kal)Axo).wri;g, fitXQi ov xai tixog xiv //ot/m-
noareräo^ia, nur an die Burg der alten auf der Stelle des Dorfes der Ilienser gelegenen Stadt
gedacht und demnach gemeint hat, die Schlacht habe sich von der Burg eine i/4 Meile weit bis
zur Kallicolone tÜghch erstreckt und Ares habe bald hier bald dort die Kiimpfenden anfeuern
können Doch was wird dann aus den Worten, mit denen er den ganzen Beweis einleitet: t»";^ yaQ
fiaxrg tTii reo ^xo^iavSolf,, nediuj övvielovfiivr^gi Denn wenn die Schlacht auf der Scamandrischen
d. h.'vom Xanthus-Scamander durchstrihnten Ebene (cf. Demetrius bei Strabo p. KMi) vor sich geht,
so muss sie doch, um bis zum Dorfe der Ilienser, und weiter am Simois bis zur Kallicolone zu
gelan-en, sich vor Neu - Ilion nördlich vorüber in die Simoeisische El)ene hineinziehen, muss also
sich e"ntweder viel weiter ausdehnen, als Strabo am Schlüsse seines Beweises zugeben will, oder aber
der obige Eingan- und die Erwähnung der Scamandrischen Ebene ist völlig unstatthaft und der
ganze Beweis ''irdU dadurch in sich selbst zusammen. Dazu k.nnmt, dass Strabo, der doch den
Dichter genau kennt, wissen musste, wie dieser die (iötter sich bewegen liisst, wie er z. B. den
Poseidon" vom steilen Samos aus bereits mit dem 4. Schritte nach Aegae tührt (Riad. XIII, 20), oder
Av-ie er Here den Olympos verlassen und ohne die Erde mit dem Fusse zu berühren, zu den
entferntesten Orten -elangen liisst (Iliad. XIV. 22r) sqq.): er musste also wissen, dass der Mahnruf
des Ares, ob von dieser oder von jener Höhe erschallend, die Troer erreichte, gleichviel wo sie
kämpften. Allein diese ganze in sich unzusammenhangende Beweisführung des Geographen zeigt
deutlich, dass er selbst die Troische Ebene gar nicht gesehen und dass er die spitzHndigen
Ausführungen seiner Vorgänger, eines Demetrius oder einer Hestiaea aus Ale.vandria Troas (cf. p. loO)
ohne alle Kritik wiedergegeben hat.
L'm nichts besser ist der von der Ebene Thymbra hergenommene Beweis, dass diese namüch
sich in der Nähe des Dorfes der Ilienser befinde, von Neu-Ilion aber 50 Stadien (MM Meile)
entfernt sei: cf. p. 10'. Denn Strabo scheint nicht bedacht zu haben, dass an der einzigen Stelle
des Homer, wo Thymbra erwähnt wird (Ihad. X, 430) die Wendung nQog QipßQrg nach ädit
griechischer Ausdrucksweise nichts anders bedeutet, als die Richtung nach Thymbra zu (Griech.
Xtgu Thvmbra her), und dass hieraus iiir die Lage der alten Stadt nicht das Geringste folgt.
D^selbe" ist von den bei Homer oft erwähnten, aber topographisch völlig unbestimmbaren Punkten.
dem 5:eigenhügel (iQtve6g) und der Buche {rf7j6g zu sagen: zwar vermuthet Strabo, dass sie m
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S3
der Nähe des Dorfes der IHenser gelegen, indessen worauf er dabei sich stützt, bleibt völhg dunkel,
und doch ist es ganz gewiss, dass, wenn die Punkte sich durch den Volksmund als in der Nähe
jenes Dorfes befindlich erhalten hätten und den Forschern bekannt geworden wären, es nicht des
geringsten weiteren Beweises, dass das Dorf der Ilienser das alte Ilion sei, bedurft hätte.
Sclüimmer noch steht es mit der Bemerkung des Geographen (cf. p. 109), dass, wenn Neu-
Ilion die alte Stadt gewesen, der Späher Polites (cf, Iliad, II, 702) ein Thor genannt werden müsse,
wenn er, statt von der weit höheren Acropolis von Neu-Ibon zu schauen, sich das Grabmal des
Aesyetes dazu ausersehen und dadurch sich der Getahr ausgesetzt hätte, vorkommenden Falles nur
in der Schnelhgkeit seiner Füsse sein Heil zu suchen; denn, setzt er hinzu, Tcevte dik^ei OTadiovg
6 VLV Ö€ixvrfieiog jor Aioit[cov xoifog xata xr^v eig \^le^cvdQtiav oSov. Wenn irgend eine Stelle,
so beweist diese, dass Strabo die Ebene nie mit Augen gesehen hat. Alexandria Troas lag am
Aegäischen Meere, also westlich von Neu-Ilion ^cf. Plin. N. H. V, 30), folglich muss der Weg dahin
von Neu-Ilion aus mitten durch Xanthus-Scamander-Thal führen. Hier aber findet sich ersthch
nirgends der von Homer genannte xr/ußog clxQtxarog (Strabo sagt bloss xäg^og), und zweitens würde
Pohtes, falls er sich jemals dort befunden, ihn niemals zur Warte haben wählen können, lediglich
der durch die Flüsse verursachten Hindernisse wegen. Wenn nun aber Strabo hierin ganz richtig
einen Grund gegen Neu-Ilion gefunden hat, zugleich aber damit seine Ansicht in Betreff des
Dorfes der Ilienser bestätigen will, wie kann er da den vuv deixvv/tievng xov A\a xaq^og damit
zusammenreimen? Die Erzählung vom Polites ist eben nichts weiter, als ein Gebilde homerischer
Phantasie, entnommen aus der zu allen Zeiten gültigen Erfahrung, von fernher Kommendes von
einem erhöheten Standi)unkte aus zu erspähen, gerade so wie bei den Leichenspielen des Patroclus,
die auch nichts weiter als ein mit der wunderbarsten Objectivität ausgestattetes Gemälde des
Dichters sind, Idomeneus hoch von der Umschau aus [vniQxaTog tv TCiQiwTijj) nach den aus weiter
Ferne heraneilenden Rennwagen ausschauet (II. XXIII, 451, oder wie der Wächter in Aeschylos
Agamemnon nach dem in der Feme aufiodernden Feuersignal,
Endhch folgert Strabo mittelst einer Beweisführung, die gerechtes Erstaunen erregen muss,
aus dem Umstände, dass die Achäer erst im 10. Jahre des Krieges ihr Lager mit einer
Mauer umgeben, und dass die Troer ebenfalls erst im 10. Jahre auf das befestigte Lager einen
Angriff machen, es würden jene sich der Kopflosigkeit (üjcovoiai, diese der Feigheit (dipvx^a)
schuldig gemacht haben, wenn die alte Stadt an der Stelle von Neu-Ilion, also in nächster Nähe des
Schiftslagers gelegen hätte. Denn folgt daraus wirklich etwas tür die Lage der Stadt? Gewährte
eine um •''4 Meilen grössere Entfernung dem Lager der Achäer in einem Kampfe auf Leben und
Tod wirklich einen ausreichenden Schutz, den Troern aber die Möglichkeit, sich, unbekümmert um
den nahen Feind, ruhig und sorglos in der Stadt zu verhalten? Wir meinen, dass jene Entfernung
von gar keinem Belang tiir die Sache war, und dass Vorwürfe eben so gut hätten erhoben werden
können, wenn die Stadt wirklich an der Stelle des Dorfes der Ilienser lag, und dass demzufolge aus
jenem Verhalten der Kämpfenden nicht der geringste Schluss auf die Lage des alten Ilion
gestattet ist. Und dennoch hat das gelehrte Alterthum sich nicht gescheuet, durch solche nichts-
sagende Spitzfindigkeiten die alte Jahrhunderte hindurch von Griechen und Römern geglaubte Tra-
dition zu verdächtigen und zu zerstören. Der einzige wirklich hörbare Grund, welchen man gegen
Neu-Ilion aufgestellt hat (cf Strab, p. 109), ist der, dass die alte Stadt um lauf bar war (cf Iliad.
XXII, 130 sqq., Neu-Ihon es nicht ist. Allein das weiss jeder Leser des Homer, dass, so oft
Achilles dem Einen oder dem Andern als ein dvioiaxov xaxov erscheint, der Betroffene sofort von
Furcht und Beben i^xgoftng) ergriffen wird und in schleuniger Flucht Rettung sucht; und Niemand
fragt wohl, ob und welche Hindernisse dem Fliehenden entgegengetreten. So Hector vor Ihon;
Ehrgefühl und Scham liindern ihn, sich in die Stadt zu werfen, so lange es noch Zeit ist; und als
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er es will, da wirft sich Achilles zwischen ihn und die Stadt, und der Umlauf entwickelt sich ganz
Ton selbst, und schwerlich hat der Dichter daran gedacht, dass seine prächtige Darstellung, bei
welcher ihn locale Bedenken auch nicht im Entferntesten eingefallen sind, dermaleinst zum Gegen-
stande kritischer Erörterungen werden würde.
Die vorgetragenen Gründe jedoch haben nicht allein auf die Meinung der alten Forscher,
mit Ausnahme des Hellanicus, welcher Neu-Ihon vei-theidigte (Strab. p. 113», sondern auch auf die
Untersuchungen der Neuern, v. Eckenbrechor ausgenommen (cf. Ubichs p. 601.) entscheidenden
Einfluss geübt, und haben sie, statt zur alten Tradition zurückzukehren, dem Reiz nicht wider-
stehen können, in dem Glauben, die Wahrheit wo möglich aufzufinden, die gewagtesten Hypothesen
aufzustellen und mit Aufbietung des höchsten Scharfshms zu begründen und zu vertheidigen. So hat nach
Forchhammer das alte lüon über dem heutigen Bunarbaschi unterhalb der Höhe Baahh (der alten Akro-
polis), nach Ukichs dagegen, der ebenfalls die Ebene persönlich gesehen und sorgsam durchforscht
und sich dadurch im Stande gesehen hat, der Forclihammerschen Behauptung mit gewichtigen
Gründen (cf. p. 582 sqq.) entgegenzutreten, auf dem im südlichsten Winkel der Scamandrisclien
Ebene, noch südhch vom Djudan liegenden Hiigol, genannt Atzik-kioi (offenes Dorf) gelegen;
cf. Ulr. p. 591 sqq. Es ist nicht unsere Absicht, diese Hypothesen, die bei der völligen Unbe-
stimmtheit der homerischen Angaben noch leicht um ein Bedeutendes vermehrt werden könnten,
eingehender zu Avdderlegen. Nur so viel sei gegen Forclihummer bemerkt, dass die von ihm vor-
getragene Erklärung betreffs der Bunarbaschi -Quellen, und der dadurch versuchte Nachweis ihrer
Identität mit der heissen und kalten Quelle des Homer nicht geeignet ist, Ueberzeugung hervor-
zurufen. Denn wenn er die homerische Stelle (B. XXII, 147.) nicht andei-s als wörtlich auftasst
und das Vorhandensein der Quellen in der Ebene gerade so fordert, wie der Dichter sie beschreibt,
so musser auch zugeben, dass seine Erklärung, wörtlich genommen, auf Homer ganz und gar nicht
passt; eine Quelle, die nur unter Umständen, zu gewissen Zeiten, also momentan Dampf
ausströmt, d. h. im Winter, wenn die Luft sehr kalt und die Temperatur des Wassers wärmer ist,
zu allen andern Zeiten dagegen mit den übrigen Quellen gleiche Temperatur zeigt, kann nie eine
heisse Quelle genannt werden; und eine solche beschreibt uns der Dichter. Aus den Worten &tQH
jiqoqUl ehvla yalä^j] zu dem Vorhergehenden xeifuZvi zu ergänzen, ist völlig unstatthaft, da
d^eoü nur mit aixvra yal.'m enger Gedankenverlündung steht, um anzudeuten, dass, da die Kälte der
Quelle sich im Winter ganz von selbst vei-steht, sie im Sommer eiskalt hervorsprudele, während
jene überall nur mit warmem Wasser Üiesse. Ebenso wenig können wir uns auf eine Widerle-ung
der überaus bedenklichen Hypothese von Ulrichs einlassen; ihr widerspricht das Bild, welches sich jedem
Leser des Homer ganz von selbst aufdrängt und welches die Schifte und die alte Stadt sich gerade
gegenüber stellt (cf. Virg. Aen. H, 4()l) so grUndlicli, dass der l'rheher jener Behauptung wohl
selbst kaum recht ernstlich an ihre Richtigkeit geglaubt haben kann; ihr fehlen selbst die Kriterien,
durch welche die Forchhammersche Ansicht sich geltend macht, die (,)uellen und der Scamander,
und genau genommen hat sie nichts weiter für sich, als dass das heutige Atzik-kioi umlaufbar
ist. '^Nichtsdestoweniger ist die Schrift sehr werthvoll; sie enthält eine Fülle gelehrter Nach-
weisungen und beschreibt einzelne Punkte der Ebene mit grosser Genauigkeit; für einzelne Mängel
ist wohl nicht der Verfasser, sondern der entfernte Druckort verantwortlich. Jedenfalls wird
Niemand, der sich mit der vorliegenden Frage beschäftigt, die Abhandlung übersehen dürfen, und
fühlen wir uns für das, was wir aus ihr gelernt, dem \'erfasser zu besonderem Dank verpflichtet.
Kehren wir zui'ück zu der Frage, wo die alte Stadt gelegen, so bleibt keine andere Stelle
übrig, als die dmxh die Tradition bezeichnete; steht diese mit den innern Verhältnissen der Ebene
in vollständiger Uebereinstimmung, so muss unter absoluter Zurückweisung der gelehrten Ansicht
die Sache als entschieden angesehen werden.
Wir haben schon früher auf die Hufeisenform der Ebene hingewiesen, wie sie aus der
Beschreibung des Demetrius von Skepsis (cf. Strab. 1. L p. 105 sqq.) hervorgeht und vde sie durch
die \ortrettliche Sprattsche Karte, so wie auch durch die Mittheilungen von Ulrichs p. 589 bestätigt
wird. In dieses Hufeisen, dessen Rundbogen nach Süden, die Oeftnung also nach Norden zu
zwischen den beiden Spitzen des Sigeum und Rhoeteum am Hellespont liegt, zieht sich von Osten
nach Westen zu der schon oftmals genannte Bergrücken hinein, der fast in der Mitte der Ebene
endet und dessen westliche Spitze schroft' nach Norden zu abfäUt. Diese Anhöhe ist, mit Ausnahme
des Berghalses, welcher von Osten her den einzigen Zugang gewährt, rings von der Ebene um-eben,
die durch ihn in zwei Theile zerfällt, in die des heutigen Mendere und in die des Dümbrek, welche sich dann
nach Norden zu wieder in eine Ebene vereinigen. Versetzt man sich nun in jene Urzeit zurück, in der
zuerst Ilion in der Ebene gegründet wurde (cf. Hom. Iliad. XX, 215: xtiaae d^ JaQdavh;v, insi
oLtwg "Ikiog iQf iv neöioi nenoliovo), so gab es in der ganzen Ebene, die in Folge physischer
Verhältnisse einen einzigen grossen Sumpf bildete, keinen andern Punkt für die Anlage einer Stadt
als die genannte Anhöhe; hier liegt noch heute Neu-IIion und hier und nirgend anders ist die alte
II los erbauet worden.
Wpi* "*■"
§..4.
Die ])isherige Unters*
einzelnen verlorenen Notizen
schwer abzugeben ist, jrr-,
die noch heute m»*^
i'v i deren Werth oun lii,»eitL > il et\d->iuliv> v.
tubjn, .'H>nai,rn dass wir uns auf dem Boden gegebener Thatsaciie.\
.■ha» ad mit Händen greifbar sind, bewegen, welche ein absolut
gewisses Ui-tbc-l u ml a! - -MC ':. en und selbst nothwendig machen. Knüpfen wir demnach für
.las Nächst oine Bemerkung AI. v. Humboldts an, welche bei Klencke Leben etc. p. 130
einen
I ii\ 1
ii
also laiitru „j-«.' doi wunderbaren Fruchtbarkeit der Natur besteht das Feld der Urbewohner in
,' Uidwinkel, das Urbarmachen im Anzünden von Sträuchern, und der Anbau des
der Aussiuit einiger Körner oder im Pflanzen einiger Steckreiser. Mag das Nachdenken
entfernte Jahrhunderte zurückgehen, man wird sich allezeit die Völker in diesen dichten
"^re Naliruiig aus dem Boden ziehend vorstellen: weil aber diese P^rde auf kleinem
^e .. , last ohne Müiie reichen Ertrag giebt, so muss man sich diese Völker wiederum auch
-^ ANoL..sitze (Miiein i'lusse entlang öfters änd(n-nd denken. Wirklich sehen wir noch heut-
dcn Eiiigeborneii am Orinoco mit seinen Saatkörnern wandern und seine Pflanzungen von
.- Stelle zur andern übertragen, wie der Araber mit seinem Zelte und Weideplatze thut." Man
bei r'inigcr l'e])erlegung nicht umhin kömien, der Ansicht Humboldts beizupflichten; allein
wird für das chissische Alterthum weitergehen und sagen müssen, dass, abgesehen von der
x-mehrung dei- Ansiedler, durch welche unbebaueter culturfähiger Boden immer gesuchter und
seltener wurde, liaui)tsiichlich zwei Bedingungen es gewesen sind, welche dem Wandern der
Urbewolmer ein Endziel gesetzt haben; sie wurden nämhch dauernd sesshaft, wenn sie einen Ort
landen, welcher bei ausreiclu^nder Sicherheit gegen feindhche Ueberfälle ihnen die Mittel zu ihrer
Existenz entweder aus dem Anbau der Landschal't, oder aber, wenn ein fruchtbares Gebiet
fehlte, aus der Unterwerfung der Umlande gewährte; in beiden Fällen entstanden grosse Städte
und mächtige Staaten, allein im ersteren gingen sie aus dem friedlichen Betriebe des Ackerbaus
im letzteren aus dem Gebrauche pei-sönlicher Kraft {{nU^i) bervor. Die auf solche Weise ent-
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y
m
standenen grossen Städte des Alterthums nach diesen Gesichtspunkten zu classiliciren, ist hier nicht
der Ort; indessen für unsere Untersuchung ergeben sich die weiteren Schlussfolgerungen ganz
von selbst.
Die Troische Ebene bietet eine Fläche von mehreren Quadratmeilen; in einem Raum von
solcher Ausdehnung hat eine friedliebende BeviUkerung sich nicht sesshaft gemacht, weil er,
wenn auch genügende persönliche Sicherheit, dennoch die nüthigen Mittel zu einer friedlichen
Existenz nicht darbot; die Stelle, wo Troia lag, war nur auf einem Wege von Osten her zugänglich
und zwar mittelst des Bergrückens, der die Stadt mit der über eine Meile entfernten dardanischen
Ebene verband; in diese durften friedhche Colonen es der Entfernung wegen nicht wagen, ihre
nach Sitte des Alterthums dem Raube fortwährend ausgesetzten Herden zu treiben; somit blieb
ihnen nur der schmale Borghals übrig, der trotz seiner nach Osten zunehmenden Verbreiterung
dennoch weder die nüthigen Triften noch genügendes Ackerland darbot. Man sieht leicht, dass, wer
auch immer zuerst jenen Ort zu einer Niederlassung sich ausersehen haben mag, es nur kühne und
entschlossene Gesellen gewesen sein können, die, der Kraft ihres Arms vertrauend, von ihrem
Schlupfwinkel aus die Umlande zur Unterwerfung gebracht und aus den Sclavendiensten der Unter-
worfenen sich die Mittel zu ihrer Existenz und Machterweiterung geschaffen haben. So ist das alte
Ihon entstanden.
Ist dieses aus gegebenen Verhältnissen gewonnene Resultat richtig, so muss es durch die
schrifthchen Zeugnisse, die noch vorhanden sind, eine weitere Bestätigung erhalten. Es wird also
zunächst nur von Homer die Rede sein VJnnen, i*.icht als ob wir die nach ihm sich findenden
Zeu'misse tur durchaus vervprüU'h J^vicen, sondern Wb>il er die älteste Quelle ist. Denn anzunehmen,
(L.s erst iiuTj ri'ouitr sich die ganze spätere Sagenmasse unter den Händen nachfolgender Dichter
durch Erweiterung und Umdeutung entwickelt habe, ist völlig unzulässig, weil dadurch voraus-
gesetzt würde, dass der ganze Sagenstrom, wie er zu Homers Zeit, v'o«rte, sich einzig und allein in
dessen Liedern ergossen habe; im Gegentheil, neben dem, was die IS T^ge der Iliade uns vor-
führen, hat es noch Sage^ in Menge gegeben, die im Munde der Hellenen lebten und webten, was
deuthch genug aus den kurzen homerischen Andeutungen des Oedipus, des Her^xles, der Theseus-
sage etc. erhellt. Nur bei«-der völligen Unmöglichkeit die Veränderungen zu erkei.tien, welche die
Sagen im Munde der foi-mgebenden Dichter erfahren haben, ist bei Untersuchungen vorliegender
Art stets von Homer auszugehen. Der einzige Weg also, der in der Urzeit Ihon mit den Umlanden
verband, führte östlich in die alte fruchtbare Hochebene von Dardania, Hieraus folgt, da-s nicht
herdenreiche und begüterte, sondern landflüchtige Dardan er, die ihr Alles nur auf ihrer La^izen-
spitze trugen, sich in jenen Schlupfwinkel gewagt haben, um von hier aus in verzweifeltem Riucren
endlich Herren ihrer früheren Gebieter zu werden. Die Bestätigung dessen giebt Homer. Des Ze.^s
Sohn Dardanus beherrscht die dardanische Ebene und gründet Dardania; sein Volk wohnt an^ d^n
Abhängen des Idagebirges, denn ein Ihon in der Ebene giebt es noch nicht; Ihad. XX, 215 sqq. Ueber
dieselben Dardaner gebietet noch des Dardanus Enkel Tros und nennt sie nach sich Troer, Uad
erst unter dessen 2 Söhnen — der 3. Ganymedes war zu den Göttern erhoben — erfolgt qie
Trennung; der jüngere, Assarakus, verbleibt in Dardania, der ältere, Ilus, wird in Begleitung von
Troern der Gründer Ilions in der Sumpfebene; mit welchem Erfolg, zeigt in scharfen Zügen die
ganze Iliade. Ilus also, der Mann der Sumpfebene V), wird Gründer der Stadt und der
Herrschaft; Laomedon, sein Sohn, der Volks-Fürsorger, ordnet und Viefestigt die Macht, und
Priamus, des Hos Enkel, wird Oberherr aller Umlande. Wir tragen kein Bedenken es aus-
zusprechen, dass unter Ilus die alte Dardania dahinschwand und dass ihre Bewohner nach Ilion
!<
1) Er nennt die Stadt mich sich Ilios oder Ilion; die Bewohner heiseen Troer; den Namen Ilienser kennt Homer nicht.
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verpflanzt A^-urden, während die Bewohner der Ebene als hörige Dardaner zurückbHeben und für
ihre Herren die Ebene bebaueten. Denn nur diess kann die Stelle der Ilias bedeuten: xr/aof öi
JaQi)(xrirv, inet olmo "lliog iqi^ tv neöU^ TienoUaTO, weil sonst der CausaLsatz tnü etc. smnlos
sein würde', während er völlig klar und bedeutsam wird, wenn der Sinn ist, dass die früher m
Dardania wohnenden Vollbürger späterhin als Troer Bewohner von Ilion geworden smd. \oll-
kommen bestätigt wird diess durch die Verhältnisse des Aeneas, von denen unten die Rede
sein wird. , ,. ,, ^ i
Des Ilus Sohn Laomedon haben wir den Fürsorger des A olkes genannt, und er war
es denn er erbauete mit Hülfe der Götter die Mauern um Ilion. Homer berichtet emmal, dass
Poseidon und Apollon dieselben gemeinsam aufgethürmt (Hiad. VH, 452 ^ dann aber, dass Poseidon
sie allein errichtet, während Apollon, als schützender Gott, die Herden s des Laomedon m den
Schluchten des Ida geweidet habe (cf. Ihad. XXI, 441 sqq.). Beide Angaben widersprechen sich
nicht, sondern lassen sich sehr wohl vereinigen; die eine ergänzt die andere. Allem von welcher
Art waren diese Mauern? Das ganze Alterthum von Homer an hat darunter emen Steinbau
verstanden, so hoch und breit und mit so schützenden Thürmen besetzt, dass der alte Priamus hoch
oben auf den Zinnen mit seiner ganzen Umgebung Platz fand, um die ganze Troische Ebene und
die zum Kampf bereit stehenden beiderseitigen Heere zu übp-schauen; und gegen diese Auffassung
des «r^off hpnlov ist nichts einzuwenden. Aus ihr entsp^ die Bezeichnungen der homerischen
Stadt uteix^og, evTiiQyog, d^sodjUT^Tog, so wie die '^
hölzern(? Pferd in die Tiefe gestürzt werden sollte
Frage ist es, ob jene Vorstellung des relxog au^'
selbst hat nie ein sterbhches Auge derjenip'
nur im Strome der alten Sage ist das V
wendig hervorgerufen. Allein kann '^
haben y Den erdumfassenden P
starrender Felsenmassen zu d*^
gedacht, einzelne Felsen übt
geordnet hätte, würde man ei
Fällen müssten, im ei-steren ganz ge\ . ^, nocl- ^
gestanden haben kann, Felsen em,. tragen.
irkt, d;.' \',
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osagt und gesiuij
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Innern
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Kf\^x\A.y^ u
Üeberreste von Cyclopen-Mau'''i;ii ei>
sich mit Sicherheit voi einsetzen W -■-
dorfirtigje Snuren, noclt n.i^L \v;>^ l:
t\ iiU^ 'tjrei ;
^fi-n St*"- -er,
.ge an der Stelle, wo allein die alte Troia
a mit der grössten WahrscheinUchkeit einzelne
i, ,zt sichtbar sein, oder wenigstens zur Zeit Homers
vveder heute finden sich an der Stelle, wo Bion stand.
.gste ist und weiter unten bewiesen werden soll, Homer
neu; die Annahme aber, dass der Meeresgott, gleich einem
nur kleinere Steine auf einander gepackt habe, die im
,T'.
i^t
. a gs wieder spurlos hätten beseitigt werden und verschwinden können,
w^muerlichsten Vorstellungen hinneigenden Alterthum nicht im entfmitesten
er unbedingt zu verneinen. Hieraus folgt, dass die alte Troia m ^^ahrhelt
ern ebenso wenig umgeben gewesen ist, wie bei Homer das Lager der Griechen:
otz der Mauerthürme und Strebepfeiler der Mauer dennoch nur ein Spiel der
ntasie, so ist jenes etwas in Wirkhchkeit vorhanden Gewesenes und hat nur einer
Deutung unterlegen. Die Schutzmauern Poseidons waren eben nichts anderes, als
Stadt umgebenden tiefen Sümpfe und Moräste, so recht eigentlich ^erke
•s des Schöpfers der Brunnen, Bäche, Ströme und Flüsse; er hatte Ilion uneinnehmbar
S'tadt selbst bestand, wie alle Urstädte, sicherlich nur aus Mappalien und Hütten, nach
remlg de Spur einer Niederlassung in kürzester Zeit von selbst verschwinden musste.
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Ist diese Auffassung «ler ^Jeptunischeu Mauern die richtige, so treten wir damit in
eine ähnliche Umgestaltung der Sage ein, wie solche tast üherall im Alt^'i-thum zur Erscheinung
kommt: die Mauern waren bereits unter Ilus, dem Gründer Ilions, vorlianden, nilein die
Sage hat sie nur mit Laomedon in Verbindung gesetzt und unter diesem entstehen lassen. Wie
diess gekommen, darüber giebt ihre weitere Oestaltun,?, wie wir sie noch lieute kennen, voll-
ständigen Aufschluss. „üeberschwemmungen", heisst es, „übertiutheten ilie Ebene um Troia und
ein Meer-Ungeheuer raffte Menschen und Thiere von dem Felde hinweg." So fornuiliron Spätere
die Sage (cf. Diod. IV, 43), aber schon Homer ist die Quelle (cf. Iliad. XX, 147). Die Ueber-
fluthungen der Ebene, namenthch durch Nordweststünne vom Meere her, haben wir nicht nöthig,
weiter zu beweisen; ebenso wenig kann das Meer- Ungeheuer {xiJTog) zweifelhaft sein, trotzdem
dass wohl die Mehrzahl der Forscher es ins Reich der Fabel verweist. Wer noch heutigen Tages
sich der Mündungen der Strome Borneos nähert, die aus den noch von keinem menschUehen
Fusse betretenen Theilen der Insel sich ins ^leer ergiessen, oder wer mit Humboldt die Urmoräste
am Orinoco besucht, oder mit Sarsfield sich in die Sümpfe am obern Missisippi hineinwagt, der
allein wird sich eine richtige Vorstellung davon machen können, wie es in der meilengrossen
Troischen Ebene, bevor die Cultur in dieselbe eingedrungen, einstmals ausgesehen hat. Denn wie
noch heute jene Strommündungen Borneos nicht etwa von einzelnen l'ngethümon, sondern von
Tausenden von Kaimans und Alligatoren wimmeln, welche es sogar grösseren Fahrzeugen wegen
der Gefahr von ihnen umgestürzt zu werden, unmöghch machon, in die Mündungen selbst tiefer
einzudringen, oder wie dem Aehnlii'hes an den anderen genannten Punkten noch jetzt zu l)eob-
achten ist, so muss die Frage, ob es in einer Urzeit, bevor der Xanthus durch Niederschläge die
Bucht ausgefüllt hatte, und als diese noch einen tiefen Seemorast bildete, in der Troischen
Sumpfnie« ': mg eben so gewesen, u.i^e dingt bejahet Averden. Vollkonunen bestätigt wird diess
durch die alte Sagenwelt; wenn nämlich der Nilcrocodil zwar in Unteraeg}'pten vor der Civilisation
fast gänzlich verschwunden ist, dagegen in Oberaegypten und namentlich im weissen Xil, an
dessen Ufem nur wilde Xegei-stämme hausen, noch in grosser Menge angetroffen wird ( vergl. die
Beobachtungen von John Petherick im Ausl. 1S70, Xr. 3, p. l sqq.), und wenn hieraus im Alter-
tlium der Mytluis von der \ndromeda, welche dem Meer - Ungeheuer des Xeptun zum Frasse
ausgesetzt wird, sich einzig imd allein hat entwickeln können, so gestattet gewiss die Ueberein-
stimniung der Andromeda-Sage mit der von der Hesione den Schluss auf eine gleiche Ui*sache,
üämHch auf das einstige Vorhandensein jenes Gethiers auch In der Troischen Suni})fcbene. Der
Einwurf al)er, dass an letzterem Orte sich selbst im AlttTthuni keiilP ^i'Ui" davon mehr vorfinde,
kann mit Recht nicht erhoben werden, weil die kleinen Verhältnisse dei' Troischen I^beiie sofort
mit der Entsumpfuug ein Verschwinden des (rethiers mit sich bringen nms>ten, während der
ur.^eheure Xil in seinen Quellen -Verhältnissen sich bis zum heutigen Tage nicht lüli'ii» <l<'i* Civili-
sation, sondern bis vor wenigen Jahren sogar der allgemeinen Kenntniss entzogen hat und demnach
die Erscheinungen des Alterthums auch heute noch zu Tage treten lässt.
Aus dem Gesagten nun ergiebt sich, dass die Sage von der Hesione mit nichten eine u?i*
innern Wahrheit ermangelnde Fiction eines Einzehien ist, sondern dass sie aus ganz bestimmten
Thatsachen, die im Bewusstsein des Volkes fortlebend sich in die Mythenform gehüllt haben, her-
vorgegangen ist; dasselbe gilt von unzähligen Sagen der Griechischen Vorzeit, die, weil man ihren
Kern nicht mehr kennt oder ihn nicht mehr herausschälen kann, ins Reich der Phantasic-(iebilde
geworfen werden. Kehren wir zurück zur Sage von „der Ueberschwemniung inul dem Meer-
l'^n geh euer", wodurch der Urzustand der Troischen Ebene vollkommen richtig gezeichnet wird,
so stand hiemit sofort der Cdaube des ganzen Alterthums in Verbindung, dass beides, Ueberflut hung
und Ungeheuer, an Poseidon seinen Urheber habe: denn ihn anerkennen aN ihren Herrn nicht
^
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allein die Meei-eswogen, .sondern auch alle in ihnen lebenden Geschöpfe und freuen sich seiner- cf
liiad. XIH, 28. Kein Wunder also, .lass, wenn eben diese Wiesen dem Menschen zum Verderben
und znr \ern.chtung gereichen, sie ihrem Herrn und Gebieter gehorchend ledighch dessen Wollen
auslnhren. der durch si,3 dem Menschen für begangenen Frevel Tod und Verderben sendet In
unserem Kalle also war es Laomedon, der des Poseidon Zorn dm-ch sein Vergehen auf sich -eladen-
welcher Frevel desselben aber lag näher, als dass er für den seiner Stadt gewordenen Schutz d h
für die vom Poseidon um die Stadt gezogenen Wasser-Mauern sich gegen den Gott undankbar
erwiesen? Hier wird man nun mit Recht nicht sagen können, dass die Sage einen Sprung machte
indem sie das schon unter Ilus Vorhandene (ro rAog, d. i. die schützende Umsumpfung der Stadt)
als erst unter Laomedon geworden darstellt; denn wenn dieser, wie sich aus der Sa-e von ihm
unzweilelhaft ergiebt, der Entwässerer der Ebene war, so konnte sein Bestreben nui^e-en das
Werk des Poseidon, welches für ihn nicht minder wie für Ilos geschaffen war, gerichtet sein
und musste nothwendiger Weise den Zorn des Gottes, der statt des Dankes und des Lohnes nur die
Zerstörung seiner Sdnijifung wahrnahm, erregen. Daher schickte der (iott vom Meere her da^
bekannte -.rTos, welclies als Collectivbegriff des in der Strommündung hausenden Gethiers zu
lassen ist, um in der Ebene Menschen und Thiere hinwegzuraffen und zu vertilgen nnd
zwang hiedurch den undanklmren und treulosen Laomedon, ihn um jeden Preis zu versöjmen
Zu diesem Ende gi-iff dieser, gleich wie selbst dem Thier sein Junges das Liebste ist, zu dem
rheiuTsten, was er besass, und brachte nach dem Versöhnungsglauben der alten Welt (man
vergl. nur I heseus und den Tribut der Athenäer nach Greta) seine eigene Tochter Hesione dem
Gotte zum Opfer dar und liess die Arme an felsiger Anhöhe, dem Ungeheuer mientrinnbar, an-
schmieden. Da, m dem Moment der schrecklichen Entscheidung, führt die Sage jene Helden crestalt
herbei, deren Aufgabe es eben war, di<^ Menschen von den Ungeheuern und 'Ungefl amen der
Urwelt zu befreien und .ler Cultur den Weg zu bahnen: der Bezwinger des Nemeischen Löwen
und der \ernichter der Hydra im Sumpfe zu Lerna, Hercules, scliifft mit den Argonauten an den
iroischen (xestaden vorüber un.l nimmt, seinem ewigen Berufe folgend, nach vorheriger ^'erab-
redung mit Laomedon unter ])estimmten Bedingungen sofort den Kampf mit dem Meer-Ungethüm
auf, tudtet es und befreiet also die Jungfrau; cf. Diod. IV, 43. Apollod. II. 5, sqq. \IIoiu wieder-
um ist Laomedon treulos: er hält seine Zusage nicht, dem Hercules die Rosse zu überlassen welche <
einst sein Vater Ilus für den Gnnymedes vom Zeus empfangen, und giebt so die Veranlassun- zum
Kampfe des Hercules gegen Ilion: dieser erobert die Stadt, verwüstet und verödet sie und ersxhlägt
Laomedon mit seinem ganzen Haus(>: nur der abwesende Podarkes. später Priamus genannt enfo-eht
dem Blutbad und iil)ernimmt nachher die Herrschaft iihei- Ilion. So die Sage. Es'ist unschwer zu
erkennen, was in ihr auf historischem Boden beruhet und was nivthisdie Ausschmückung ist- zu
jenem gehören, wie aus der natürlicli(^n Beschaffenheit ,1er Ebene noch heute erkennbar ist " die
l ebei-schwemmungen und der meilengrosse Sunipl". das in diesem hausende Gewürm die nach altem
(rlauben dadurch n.Uhigen Menschenopfer und endlich die Trockenlegung der Ebene durch
Ab-rabung und die dadurch bewirkte Vertilgung des bösen (Gethiers; zu diesem der Zorn des
lN)seidon, nur erklärbar durch einen Frevel des Laomedon, uikI die Beseitigung des Unheils
durch Hercules, den das Griechische Alterthum überall mnmU wo (an Vernichtungskampf geoen die
dem Menschen s,.hiidhchen Wesen und Geschöpfe geboten war. Auf Wahi-lieit endlich scheinet auch
richtig verstanden, der Rachekrieg des Helden und die Eroberung «ler Stadt, so wie die Vernichtung
des Laomedon und seines Hauses zu beruhen. Denn unter ihm ist die Ebene entwässert und
zugleich zur Abwehr bei feindlichen Invasionen eingerichtet worden, um sofort wieder unter Wasser
gesetzt zu werden: gleichviel nun. ob er die wegen der Miasmen höchst gefahrhche Arbeit durch
«claven oder Kriegsgefangene oder, was der Sage wegen da? Wahrscheinhcbste ist, durch "eduno-ene
«r-j<»<iw%-ji>i>«--
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Hände beschaffen liess. jedenfalls hat er die Zusage des bedungenen Lohnes nicht gehalten und
hat dadurch nebst den Seinen in einem Aufstand der Massen den Untergang gefunden, zugleich aber
der Sage auch den Weg gewiesen, wegen dieses Treubruchs ihn ebenfalls der Treulosigkeit gegen
Poseidon zu zeihen und also sein Andenken für alle Zeiten zu verunglimpfen. Die Ausschmückung
der Sage aber durch Heranziehung des Hercules und der Hesione spiegelt sich noch jetzt wieder in
der Erzählung der heutigen Türkischen Landleute: ein Kiese habe den looFuss tiefen Graben
nach dem Aegäischen Meere zu (siehe oben p. 10) gegraben, um eine Königstochter zu
gewinnen. Cf. Ulr. p. 607.
Dem Laomedon folgt in der HeiTschaft über Troia sein Sohn Prianms, und mit ihm
öffnet sich uns eine ganz neue Welt; denn Alles, was unter ihm in die Erscheinung tritt, ist gross,
ist gewaltig und erhaben. Vor unsern Augen liegt aul einem sanft aus der Ebene emporsteigenden
Hügel die stolze« Stadt nnt ihren hoch gethürmten Mauern, breit genug, um den Herrscher mit
seinem ganzen Gefolge aufzunehmen, und ausreichend stark, um ihm die vollste Sicherheit zu gewähren,
die in dem Blachfeld kämpfenden Heere sorglos zu überschauen. Breite Gassen durchziehen die
Stadt und eine Hauptstrasse senkt sich hinab zum Skäischen Thore, durch welches die Troischen
Streitwagen zugleich mit dem Fussvolk sich auf dem allmälig abfallenden Wege in die Ebene hinab
bewegen. Gewaltige Häusermassen breiten sich im Innern der flauem aus; denn sie bergen nicht
allein die Bewohner der Stadt, sondern auch die zahlreich von nah und fern herbeigezogenen
Bundesgenossen. Inmitten des Häusermeeres aber hebt sich der stolze Königsbau empor, gross
genug, um den zahlreichen Kindern und Schwiegerkindern des Herrschers ein königliches Obdach zu
gewähren. Endlich hoch über der Stadt thürmt sich die Burg empor, welche den Tempel der
Athene trägt. I'ud über diess Alles gebietet der herrüche Greis Priamus, inmitten der ihn
umtobenden wilden Kämpfe ein Bild der vollkommensten Buhe. Wer aber sieht nicht, dass wir
in dieser Schilderung weder eine hellenische Königsstadt, noch den Träger einer hellenischen
Königskrone vor uns haben? im Gegentheil dass, was irgend aus der Ferne des Orients über die
dortigen mächtigen Königssitze, als etwa über das bis vor Kurzem noch ins Reich der Fabel
verwiesene und erst kürzhch wieder in seiner vollen Grösse erstandene Ninive bis zur Westküste
Kleinasiens durch Sage und Erzählung sich fortgepflanzt hatte, mit Begeisterung aufgenommen und
auf das nur in der Sage lebendige Ihon und auf dessen Beherrscher von der lebhaften Phantasie
des Sängers der Iliade übertragen worden ist? Ganz dasselbe gilt von dem Lager der Griechen,
in welchem uns das volle hellenische Leben entgegentritt. Die staffelförmige Aufstelhmg der
1000 Schiffe, so wie das Local, wo sie standen, entschwindet vollständig unseren Blicken; wir sehen
gleichsam nur eine mit Wall und Graben geschirmte grosse Stadt, durchschnitten von so vielen
Wegen und Gassen, dass selbst dem Kundigen Irrgänge möglich sind. In ihr lebt und webt ein
ganzes Volk, welches aus ihrem Innern zu Tausenden herausströmt, sei es, dass es gilt, die
gewaltigen Schlachten in dem Blachfelde zu schlagen, oder dass für allgemeine Berathungen, ganz
nach hellenischer Sitte, Versammlungen stattfinden sollen, in denen die Fürsten die innere Corona
bilden und der (^berkönig den Vorsitz führt. Und vor dem Walle und Graben dehnt sich bis in
die weiteste Ferne die Ebene aus, gross genug, um selbst die Hennwagen den IMicken der Zuschauer
zu entziehen. Alle diese Schilderungen haben gewiss in der Sage selbst ihre erste Veranlassung
gefunden, allein so wie der Dichter sie uns giebt, haben sie in ihr nicht gelautet; sie haben erst
gleichsam Fleisch und Blut durch die Phantasie des Sängers empfangen. Denn wer sieht nicht, dass
jener nur das gesagt und gesungen hat, was er entweder aus eigner Erfahrung oder vom Hörensagen
genau kannte? was er also z. B. wusste von dem Hinausströmen der Spartiaten in die blumigen
Auen des Eurotas ? oder was der hellenische Nationalstolz schon in uralter Zeit von den ( Hympischen
Festspielen durch alle Griechischen Lande getragen und verl)reitet hatte? dass er ferner hieraus das
31 —
Material entnahm, um die einfachen Andeutungen, welche die Sage ihm bot, falls sie solche bot,
in acht hellenischem Geiste auszuschmücken und dass er demnach hineingriff in das volle Griechische
Leben, wie es zu seiner Zeit sich bereits entwickelt hatte, und, indem er in überschwenglicher Fülle
und gleichsam in verklärter Form seinen Hörern ganz Bekanntes vorführte, gerade dadurch seinen
Liedern jenen unbeschreiblichen Reiz verlieh, durch den sie ganz von selbst national geworden sind
und werden mussten, weil jeder Hörer in ihnen die Anklänge an das Leben und Weben der eigenen
Heimath wiederfimd ? Demnach ist mit Zuversicht zu behaupten, dass die in der ^iade^^eschilderten
Ereignisse so, wie der Dichter sie darstellt, sich in Wahrheit vor Ilion niemals vollzogen
haben und dass solches in der That nicht möglich Avar, weil für Schilderungen von Ereignissen und
Begebenheiten, welche ihrer Darstellung zufolge über das natürliche Maass hinausgingen, die
gegebenen Verhältnisse der Ebene völlig unzureichend waren; weder konnte das Meeresufer vom
Hügel des Achilles an bis zum Karanlik-hman, also an der Scamander-Mündung und an den tiefen
Lagunen vorüber, das vom Dichter gezeichnete Griechenlager aufnehmen, noch gab es in der Ebene
irgend eine Höhe, die geräumig genug gewesen wäre, des Priamus stolze Veste in dem Umfang, \\ie
der Dichter sie geschildert zu tragen. Arabeskenartig hat er vielmehr das durch die Sage über-
^]^uLi'te Factum des Troerkriegs mit einem Kranze von Liedern und Schilderungen umschlungen, die
in den Herzen der Hörer die freudigsten Gefühle erregten, eben weil sie dem hellenischen Xational-
bewusstsein entnommen waren. Mit dem wahren Stande des Troerkriegs hatten sie nicht das
Geringste zu thun. Aus dem Gesagten folgt, dass, wenn wir den Priamus und seine Stadt des
homerischen Farbenschmuckes entkleiden, er nur als der Belierrscher einer zwar kleinen, Vi aber
durch ihre natürliche Lage wohlbefestigten Stadt zurückbleibt und dass sich die im Eingänge dieses
§. aufgeworfene PVage dahin erledigen lässt: Raublustige Dardaner gründen sich unter
Ilus einen Schlupfwinkel in der Troischen Ebene und unterwerfen durch Waffen-
gewalt die Umlande. Dardania wird von ihnen zerstört und die Bewohner, bereits
Troer genannt, nach Ilion verpflanzt. In derselben W^eise herrscht Laomedon;
unter ihm wird die Ebene entwässert und die Stadt zu einem gesunden Aufenthalt
gemacht. Eine gleiche Herrschaft führt Priamus; allein er beschleunigt durch Aus-
dehnung seiner Macht selbst über die Meere hin seinen und seiner Stadt Untergang.
§. 5.
Hat Homer die Stätte, wo Ilioii lag, gekannt? die Quellen <ler Iliade.
Strabo berichtet, dass Aristoteles, der wie kein Anderer dunkele Verhältnisse des Alterthuras
durchschauete und erkannte, behauptet habe, des Dichters Phantasie habe den bekannten Mauerbau
(II. VII, V. 430) ledighch ersonnen und ihn demgemäss nadiher wieder spurlos verschwinden lassen
(cf. Strab. XIII, j). IdS). Der Philosoi)h ist also in seiner Behauptung viel weiter gegangen, als wir
es gewagt haben, insoweit als wir, schon um den verschiedenen Einwürfen zu begegnen, es zugestehen,
dass der Dichter gegebene nackte Andeutungen der Sage, wie z. B. die Leichenspiele des Patroclus,
oder die Befestigung des Lagers durch Wall und Graben, zu weiteren Ausführungen benutzt habe.
Demgemäss fragt es sich, ob er in der Sage nicht e'benfalls einen bestimmten Hinweis auf die Stätte,
*) Hieniit vgl. Strabo XIII, p. 104: ioixt 81 o :roff)TT^? jxtxpa-^ azocpaiveiv tt^v toXiv i^ xto -£p\ *HpaxX^ou^
AOYw. ef^iep e^ otTjs o^v vnutjt <al avSpaci zaupoTEpoicji-v 'iXiou e§aXa:ia^£ tco'Xiv Kai cpatverat. o TTpiafio? Tto toioutw
XoYü) laeya? iy. jjLixpou ytyo^^az xa\ Baaüeu; BaaiXe'wv. wc i'90|jL£v.
32
wo Ilion einst gelegen, gefunden. Denn war dioss der Fall, so muss es als ausgemacht gelten, dass
er in einem grösseren Gedichte, in welchem es sich vorzugsweise um den Angriff auf die Stadt
und deren Einnahme und Zerstörung handelte, den Ort. wo selbige lag, nicht mit Still-
schweigen übergangen haben kann. Und doch findet sich hicvon in der ganzen Iliade nicht die
leiseste Andeutung, die einen irgend sichern Anhaltspunkt gäbe; AUes was man dafür sowolil im
Ahertlium, als bis in die neueste Zeit herab geltend gemacht bat, ist viillig unsicher und enthält
nichts weiter, als die luftigsten Hypothesen. Dieselbe Forderung liinsichtlich der Krwähnung der Lage
IHons muss gestellt werden, wenn man ausgelit von der Voraussetzung, dass, wenn auch nicht die
Sage, doch wenigstens die in der Ebene siclitbaren Trünimer der zerstörten Stadt dem Dichter ihre einstige
Stätte gezeigt haben müssen. Auch gegen diese Annahme fällt dasselbe Schweigen der Iliade
bedeutsam in die Wagschale. Wie aber, wenn bereits Homer sich in dei-selben Lage befand, welche nach
sehier Zeit das ganze Ahertlium theike? Wir wissen mit Bestimmtheit, dass selbst die eingehendste
Forschung der alten Topographen und Schriftsteller auch nicht die geringste Spur von Feberresten der
alten Stadt, durch die ihre Lage bestinuubar geworden wäre, hat entdeckou kömien. Keine Spur
der alten Stadt, berichtet Strabo, hat sich erhalten: ganz natürlich; denn da die um-
liegenden Städte zwar verwüstet, aber nicht gänzlich zerstört waren, sie selbst abe/'*:
Grund aus vernichtet war, so wurden alle IJausteine zur Wiederherstellung jener
hinweggeführt; cf. XHI, p. loO. Hier sind nur die Worte (n\Ur d" l/voi; oiutiai iT.ifoQxai'a^
noleiog von Wichtigkeit: denn die Begründung dieser Thatsaclie ist von keinem Behnig, da, wie wir
oben gesehen haben, nicht steiuerne, sondern durch Ueberfluthung gebildete Mauern die
Stadt umgeben haben, und da letztere keineswegs der palastg(>füllte Königssitz gewesen ist. zu dem
die vergrössernde Sage und die Phantasie des Dichtei-s sie erlioben hat, sondern ein aus TUitten und
schlichten Häusern bestehender Ort. Somit konnten nach der Zerstörung keinerlei Ueberreste selbst
in grauer Vorzeit mehr vorhanden sein und — auch Homer hat keine Spur davon gekannt.
Beruhet nun diess Resultat bis dahin nur auf einfacher Schlus>folgerung, so lässt sieh der voll-
ständige Beweis dafür aus dem Dichter selbst lüliren. Derselbe erzählt uns im Eingange des
12. Buchs der Ihade, wie die Achäer wider den Willen der unsterbliche ii Götter das Scliiff>lager
mit Mauer und Graben umgeben hätten, wie Beides aber eben deshalb unmittelbar nach Tro'ias
Zerstörung von den Göttern spurlos wieder vernichtet worden sei: denn I'oseidon und Apollon hätten
sofort nach dem Falle der Stadt alle vom Ida herabströmendeu Flüsse gegen den MaueVhau geh^ikt
und so mit Hülfe des Zeus das Zerstörungswerk vollln-acht und das weite (iestade des Meeres
wiederum mitCieröll und Sand überschüttet und eben gemacht. Su konnte der Dichter nicht
singen, wenn er von dem uralten Mauerbau noch irgend die g<'ringste Spui- mit ei-enen Augen gesehen
hätte; im Gegentheil, er sah das Gestade gerade eben so flach und so eben, wie wir es noch heute
sehen. Die Annahme aber, dass Homer zuerst aus eigner llrfindujig dem Lager der Griechen das CJestade
zwischen Sigeum und l{hoetouui angewiesen habe und also die A'eranlassnng für die späteren Bezeich-
nungen des vaiata.hios und des /.////> ^l/ßiv.v geworden sei, würde der uralten Sage vom Troischen Kriege
schnurstracks entgegen lauten: ja sie würde diese selbst völlig aufheben und den ganzen Kampf zu
einem selbsterfundenen ronjanliaften Bhantasiegebilde de> Dichters umschatlen und umg(,'stahen. Ist
diess jedoch umnöglich, so folgt mit Evidenz, da>s die Sage dem Dichter die (Jertliehkeit des
Schiftslagers ganz allgemein am Meere angewiesen, und ilass er zu seiner Zeit die obigen Bezeich-
nungen in ihr selbst ebenso vorgefunden hat, w ie wir sie noch heute aus den Zeugnissen des Alter-
thums nachzuweisen im Stande sind.
Genau derselbe Beweis, wie in Betreff des Schiffslagers und de> Mauerbaues, lässt sich
auch in Betreff der Stadt aus dem Dichter selbst mit Sicherheit entnehmen, dass er nämlich keine Spur
von den alten Ueberresten derselben mit eigenen Augen wahrgenommen hat. Anknüpfend an den
Maiierbau lässt er Ihad VH, 448 den Poseidon sich Zeus gegenüber also beklagen: Siehst du
nieht, dass d.e Achaer zum Schutze der Schiffe eine Mauer gebauet, diese mU
einem Graben umzogen, den Göttern aber vorher die pflichtschuldigen Hecatomben
nicht dargebracht haben:^ Dieses Werkes Buhm wird dauern, so weit der Eos
Licht sich verbreitet: die Mauer aber, die ich und Apollon m'eist mühevoll dem
Laomedon^ erbauet, werden sie Tergessen. Worauf der Vater ihn tröstet mit der Zusa-^e
dass auch diess neue ^^erk sofort mit Ilions Falle spurlos von der Erde verschwinden solle Wü^
fragen: wie konnte der Dichter den Gott also sprechen lassen, dass nämlich die Menschen die von
Ihm erbauete Mauer vergessen würden, wenn diese zur Zeit des Dichters in ihren Ueberresten
wn-khch noch vorhanden war, also von einem Vergessen derselben nicht im Entferntes rS
Reck> sein konntey Man sieht deutlich, dass der Dichter dem Gotte zur Zeit des k"^^^^^
m den Mund legt, was nach dem Kriege wirklieh eintreten werde (.^..;.>orr«n, und was^demt"
zur Zeit des Dichters wirklieh eingetreten scun muss, weil sonst der Aussprudi des Posein en
völlig smiiloscr sein «linlc.
Diess aus den, DielUer selbst gewonnene Resultat ist lür die homerisehe Forsehung vou
weittragender Bedeutnng. Denn erstliel, wird dudureh die vulgäre, seit Strabo's Zeiten bis zum
hentigeii läge geltende Ansicbt. der zufolge man den Homer in der Hand alle von ihm angegebenen
lunke noeh heute ,n der Kbene wiederKnden müsse, und, wo diess nieht mögüeh! °u der
Annahme bereehfgt sei, dass die Oberfläche unserer Erde seit Jahrtausenden die inerkh-chsten
\eranderunsen erlitten habe, als eine vollständig irrige bewiesen; Hon.er hat eine Zeit geschildert
m der die (.otter noch leibhaftig unter den Menschen wandelten, und diesen Zeitverbältnissen
conlorm sind seine Raumbestimmungen; alle seine Loealangnben sehweben in der Luft und trot.
der dem Dichter nachgerühmten Genauigkeit seiner Ortsangaben behaupten wir viehnehr. dass sich
be,, hm auch nicht eine einzige Angabe Hndet, die jeden Zweifel ausscliliesst. Jene vulgäre
.Vnsuht ist im Omndc ebenso widei^lniiig. als die es sein würde, wenn jemand nach den Angaben
dos Iiturc^gedidites die Reste des Graltempels ant dem Berge Montsalvage heute aufsuchen und
wenn er sie nicht hndet, daran die abenteuerlichsten Behauptungen knüpfen wollte
Zweitens wenn Homer das Gestade des Hellespont wiederum glatt und eben
also kerne !sj,ur von dem einstigen Schiftslager nebst dessen Graben und Mauerbau sah, so musj
ei- Ales ebenso, wie wir noch heutigen Tages es erblicken, gesehen haben, somit .auch jene
kunsthchen Hügel, welche die Sage als die (Jräber des Achilles. Ajax und Hector bezeichnet«-
von .hesen litten die beiden ersten im Kampfe gegen das zur Vernichtung bestimmte Ilion sj
oder so den Tod gefunden, dieser in der Vertheidigung des Vaterlandes, während die übrigen
Helden. ,lie Atralen. O.lysseus. Diomedes u. A.. nach vollbrachtem Werke in die Heimath zurück-
gekehrt waren, leberblicken wir nun die Kreignisse. die uns die Iliade vorfuhrt, ganz im
Allgemenien. so können wir „ns der Hinsicht nicht vei-schliessen . dass IHoii selbst und dessen
greiser Bel.en-scher TViamus in dem gewaltig,-,. Kampfe eine sehr untergeordnete Rolle sj.ielen und in
völliger 1 ;,ssiv,tat verharren. Alles drehet sich „m Angriff und Abwehr, um Achilles und Hector
wcs,sliall, der !s,liluss als durchaus beivchtigt ei-scheint, dass eben nicht die an die Zerstörung der Stadt'
son.lern d,e an jene Todtenhügel sich knüpfenden Sagen dem Dichter den Stoff zu seinem Werke!
geliefert haben. Indessen auch diesen Sagenstoff hat der Dichter keineswegs erschöpfend benutzt-
die an die Ileldengraber sah anlehnende Sage muss durchaus vom Tode der Helden geredet haben'
und gerade davon schweigt der Dichter der Iliade: er weiss nichts vom Tode des Achilles nichtl
von dem des Antilochos noch des Ajax, von denen uns nur der Dichter der Odyssee kurze An-
deutungen g,cl)t. Dahingegen, nachdem der Angreifer Achilles sich selbst zur Untliätigkeit
vernrihclt hat und vom Schauplatz gäiizhch abgetreten ist, bildet Hector. der Hort und Halter
94
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llions, den eigentUchen Mittelpunkt des ganzen Gedichtes; um ihn drehen sich fast alle Kämpfe und
höchstens nur Aeneas kann nehen ihm genannt werden: Hectors Tapferkeit bringt die Griechen in
die äusserste Noth mid Gefahr, bis endhch Achilles, im Zorn über den Tod des Patroclus, sich
aufrafft und den Helden unter den Mauern der von ihm geschirmten Stadt ei-schlägt: hiemit endet
das Epos. Dioss und nichts Anderes ist der Kern der Iliade, der nur durcli die grossartige Fülle
der Handlung, mit welcher der Dichter es verstanden hat, das einfache Factum der Tödtung
Hectoi-s zu umgeben, mehr und mehr verhüllt wird. Denn wer irgend tiefer in den Gang der
Begebenheiten vom ersten Buche an eingedrungen ist und sich nicht durch \'oreingcnommenheit
den Blick hat trüben und durch die minutiöse Behandlung unwesentlicher Nebendinge hat ver-
dunkeln lassen, der wird zugeben, dass, hätte Homer die beiden Helden sofort auf einander
losstürmen lassen, es eine Iliade gar nicht hätte geben können: der wilde Achilles, der (föttm
nrkräftiger Sohn, würde im ersten Anlauf den mindei-starken (iegner, gerade wie der Ausgang des Epos
es erzählt, erschlagen haben und der Anfang des Gedichtes würde auch dessen Ende gewesen sein.
Darum ruusste der eine Gegner vorerst den Schauplatz zeitweilig verlassen, um dem andern Raum
zu geben, sich in seiner ganzen Hoheit und Grösse zu entfalten, und erst als diess geschehen und
mit'^dem' Tode des Patroclus gleichsam zum Abschluss gelangt war, ereilt den Sieger sein Ver-
hängniss; er fällt unter den Händen des ergrimmten Gegners und mit seinem Falle ist Troias
Schicksal entschieden.
Aus dem Gesagten ergiebt sich, dass die an den bisher von der Foi-schung ganz unbeachtet
gelassenen Todtenhügel des Hector sich anlehnende Sage dem Dichter vorzugsweise den Stoff
zu seinem Epos geliefert, und dass die übrigen Grabdenkmäler, so wie die durch den Volksmund
erhalteneu Oertlichkeiten am Meeresstrande (das Schiffslager und der Hafen der Achäer) drni
nui- die Staffa-e zu seinem grossen Trauergemälde geboten haben. Denn die Ei-zählungen von dem
Hingano des Achilles, des Ajax, des Antilochos, wie wir sie bei den Alten lesen, snul nnt mcliten
blosse Erfindungen nachhomerischer Sänger; auch sie haben seit der Zeit des Troischen Krieges durch
den Volksmund mit jenen Localresten in Verbindung gestanden und Homer wn-d sie gekannt
haben- allein da der Tod jener Helden erst nach Hectors Falle eintrat, so mochte der Dichter
von ihnen selbst wohl keinen weitern Gobrauch machen und entnahm daher aus ihnen lur die Haupt-
handlung nur so viel, als ihm zweckdienlich oder nothwendig eischien.
Mit diesem Satze treten wir hi die genauere Beurtheilung des Dichters und semes Werkes
selbst ein müssen aber nochmals auf den allgemein verbreiteten Irrthuni hinweisen, als rausche einzig
und allein im Homer der volle Strom der alten Volkssage, dergestalt dass sie ausser ihm nur
etwa noch in spärlichen Rinnsalen dahinffiesse, so dass Alles, was die cyclischen Dichter gesungen,
nur als Er-änzung homerischen Andeutungen, vermischt mit eignen Ei-tindungen, anzusehen sei.
Wir behaupten dagegen, dass die Troische Ebene eine Fülle von Sagen gehegt und gepflegt hat,
und dass, wenn die nachhomenschen Schi-pfungen, nach den uns erhaltenen Spuren zu urtheilen,
•illerdings nur als armselige Machwerke zu bezeichnen sind, diess eben nicht Schuld der Sagen,
sondern der ordnenden Dichter selbst ist. Ferner muss es als etwas völlig Unrichtiges bezeichnet
werden wenn unsere Literarhistoriker nach Herders Vorgange lediglich auf Homer hm behaupten,
da<8 die alte Volkssage vom Troischen Kriege in ihrer ganzen Fülle und selbst in dem Gange
der Begebenheiten gerade so gelautet habe, wie wir sie im Homer Hnden, un.l dass somit der
Dichter nur der Formgeber gewesen sei, der den Stoff nicht anders, als wie er im \oksnmnde
gelautet, in Versen wiedergegeben habe. Auf diese Weise ist man freilich zu einem Volksepos
gekommen und hat die urälteste Ait, die Geschichte zu überliefern, aufgefunden; allem der
Dichter selbst ist dadurch zu einem armseligen Versmacher geworden, unwerth, dass sein Name der
Nachwelt überliefert wurde. Wir dagegen, statt uns in das lechgüch aus Unkcuntmss der homenscbeu
Dichtung und ihres Wesens hervorgegangenen Volksepos, im Gegensatz zum Kunstepos, hinein-
zuklügelu, sind vielmehr vollkommen überzeugt, dass in der Iliade ein Kunstwerk von solcher Vollendung
vorliegt, dass es bis zum heutigen Tage von keinem andern erreicht, geschweige denn übertroffen wird.
Die Sagen also, welche an den Grabdenkmälern der Ebene hafteten und dem Dichter den Stoff
zu seinem Werke lieferten, sind als die Urquellen der Iliade zu betrachten; sie können nicht
aus der schaftenden Phantasie irgend eines genialen Kopfes entsprungen sein, sondern es muss ihnen
ein ganz bestimmtes historisches Factum zu Grunde hegen. Von solchem ausgehend sind sie,
wie unzählige andere im Hellenenvolfc, zunächst nur Localsagen gewesen, welche kui'z, schlicht und
einüich sieh in märchenähnlicher Form und Treue von Mund zu Mund, von Geschlecht zu Geschlecht
forti)Hanzten, gerade wie noch heute die Sage von der Bella Tarpeia im Römischen Volksmunde
fortlebt. Sicherlich wird der am Hectorhügel stehende wissbegierige Wanderer auf seine Frage
nach der Bedeutung des Hügels immer nur dieselbe Antwort erhalten haben: Hier ruhet Hector,
des Priamus, Beherrschers von Troia, Sohn, der schönen Andromache Gemahl und
des Astyanax Vater; er fiel im Zweikampfe mit dem gewaltigen Achilles, der
Göttin Thetis und des Peleus Sohn, dem Helden der Achäer, als diese mit grosser
Heeresmacht über das Meer gekommen waren, den Frevel des Paris, w^elchen dieser
durch die Entführung der Helena, des Menelaus, Königs von Sparta Weib, begangen
und dadurch Schimpf und Sehmach über ganz Hellas gebracht hatte, zu rächen und
Ilion, des Priamus Veste, zu zerstören. Nach Hectors Tode fiel die von ihm beschützte
Stadt; sie wurde <lurch Feuer zerstört und keine Spur von ihr hat sich erhalten.
Aber wird man fragen, wie ist es möglich gewesen, dass die von einem Factum in der Ebene aus-
gehenden und darum auf einen so kleinen Raum beschränkten Sagen eine so grosse Verbreitung
und Ausdehnung nicht allein über ganz Hellas, sondern sogar über den fernen Westen hin haben
erlangen können, dergestalt dass sie ein Gemeingut des ganzen Hellenischen A'olkes, ein nationales
Eigenthum geworden sind? Nun, wenn Ilion und dessen Zerstörung eben keine Fabel ist. wie
freilii h neuere Forscher, trotzdem dass sie die historische Existenz der Atriden zugeben, mit grosser
Entscliiedenheit boliaui)ten, so beruhet auch der Zug der Griechen gegen Troia auf historischem Boden,
ein ICreigniss. an dessen Wahrheit kein Grieche je gezweifelt hat, und welches in Abrede zu nehmen
aus eben diesem Grunde, so lange die Fabel nicht bewiesen ist, keineswegs gestattet ist. Hieraus
ergiebt sich, da^s die Erinnerung an jenen Zug von jedem Griechischen Stamme, der dabei
betheiligt gewesen, in seine Heimath gerade so, wie er uns überliefert wird, zurückgebracht worden
ist und allhier sich dauernd lebendig erhalten hat, weil die Nachkommen in den Heldenthaten ihrer
\äter und in dem (ilanze, (h'r jene umstrahlte, genügende ^'eranlas^ung fanden, sich selbst noch
einigen Antheil an jenem Ruhme zuzuschreiben. Indessen wer da weiss, mit welchem Staunen oder
vielmehr Beiremden die Tiiucvdideischc Zeit zu jenem gemeinsamen Zuge sämmtlicher
Hellenen hinaufblickt, und wer damit die nach demselben noch vorhandene völhge Zerrissenheit und
Feindschaft der einzelnen Stämme in Verbindung bringt, welche erst nach jahrhundertelangen
Wanderungen und Kämpfen in feste staatliche \'erhältnisse übergingen, der muss zugeben, dass selbst
jene Erinnerungen nur localer Natur gewesen sein können, und dass sich aus ihnen ein allgemeines
Nationaleigenthum, wenigstens vor Homer, mit Bewusstsein nicht entwickelt haben kann: dazu
bedurfte es eiues ganz andern Anstosses, der jedoch nicht in den uralten Wanderungen und dem
allmäligen Bekanntwerden der Stämme mit einander gefunden werden kann, weil durch die
Wanderungen ein völlig feindseliges und getrenntes Verhältniss der Stämme nicht aufgehoben wurde.
Hieraus leuchtet ein, dass, wenn auch an sehr vielen Orten (Griechenlands von IHon und dessen
Zerstörung erzählt worden ist, darum die Sage noch keineswegs als das volle, reiche, tief-
empfundene Leben der Griechen selbst gelten darf, ledigüch weil bis zu dem Anfang der
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Olympiaden und bis zu den grossen Nationalspielen herab, also bis auf die Zeit, in welcher der
Sänger der Ilias muthinasslich sein unvergleichliches Werk abfasste, unter den Stummen nicht
einmal eine gegenseitige Kunde von dem Vorhundenseiu der Troischeu Sage sich vorfand; und
selbst wenn diess der Fall war, so wird zwar z. B. der alte Argiver die Thaten des Dioiuedes mit
Stolz erzäblt, aber bei seinem uralten Spartanerhass den Ruhm des Menclaus nicht anerkannt,
geschweige denn mit nationalem Hochgefühl gesungen haben. Worin also ist jener Anstoss zu
suchen? Wir müssen auch hier zu den Urquellen, die wir tÜr die homerische Dichtung nach-
gewiesen haben, zurückkehren und sagen, dass, wie an den Troischen Todtenhiigeln alte aus der
Urzeit herabtünende Sagen hafteten, so auch der als vavaia&^uo^ und als ?.ijiirv 'A/auov erwähnte
Ort keineswegs eine leere, inhaltlose Bezeichnung gewesen sein kann, sondern dass auch er gleich-
sam mit dem Fleisch und Blut der Sage umkleidet und somit die Fundgrube gewesen sein muss,
aus welcher der Dichter seine Kenntniss von den Viilkern schöpfte, die hier zusammengekommen
wai-en von Theseus Stadt, von Aulis Strand, von Phocis, vom Spartanerland. Anstatt
also dem Dichter das mühselige Geschäft anmuthen zu sein, dass er die durch die einzelnen Stämme
zerstreuten Ei'innerungen an den Zug gegen Ihon gleichsam notizenartig erst habe zusammensuchen
müssen, behaupten wir vielmehr, dass in der Sage vom Schiffslager nicht bloss ganz allgemein von
der tausendschift'igen Flotte und dem zahllosen Griechenheere die Rede war, sondern dass ganz
speciell die Fürsten mit ilnen Völkern, und zwar vorzugsweise die erstercn, da die Jikr^^ig genau
genommen in der ganzen Ilias nirgends berücksichtigt wird, genannt worden sind, also Achilles, die
beiden Atriden, Odysseus, Diomedes, die beiden Ajax und A. Erst mit dieser Annahme gewinnen
wir eine richtige Einsicht nicht allein in das Wesen der Ihas selbst, sondern ganz besonders in die
Verhältnisse, in denen das Epos, der Dichter und der ganze Troische Krieg zu dem gesammten
Griechenland späterhin stand, und uralte Räthsel lösen sich auf zu einem lebensfrischen Bilde. Die
Localsagen der Troischen Ebene - wir nennen sie die Quellen der Ilias — standen allerdings alle
mit einander in einem stofflichen Zusammenhang: allein das Verdienst, aus ihnen mit kunstfertiger
Hand und mit tiefer poetischer Einsicht, die den wahren Dichtergenius beurkundet, ein grosses im
engsten inneren Zusannnenhang stehendes poetisches (iemälde geschaffen zu haben, welches man auf
Grund geringfügiger Kleinigkeiten in Stücke und Fetzen zu zerreissen umsonst boFiniht gewesen ist,
gebührt dem Dichter, welchen die gesammte (iriechenwelt gläubig Homer nannte. Den Kern des
Epos bildete, wie schon gesagt, der Tod des Hector und die dadurch ennöglichte Zi'rstörung
Ihons: seinen Fall bewirkte der Koryphäe des Griechenheeres Achilles, aber erst, nachdem er selbst
den übrigen Helden (durcli die ui,vig) Gelegenheit gegeben, grosse und gewaltige Thaten zu ver-
richten, bedeutend genug, um selbst dem grösseren Helden gegenüber gross dazustehen. Auch dieser
Thaten muss die Sage des Xaustathmos Erwähnung gethan haben, wenn auch nur im (ianzen und
Grossen, da die detaillirende Ausführung ledigliih das Werk des Dichters ist. Allein gerade diese
Thaten waren es, welche nach der Dichtung der Ilias, als die fahrenden Sänger die Thaten der
Vorzeit auf den Inseln und auf dem Festlande, besonders bei den sich entwickelnden grossen
Nationalspielen sangen und verkündeten, wie ein zündender Strahl in die Gemüther der horchenden
Massen einschlugen, und in jedem Hörer, mochte er Athenüer oder Thessaler, Argiver oder Spartiate
sein, die alten Klänge der eignen Heimath erkhngen Hessen und die Erinnerungen an die Helden-
thaten der eignen Vorfahren zu neuem Leben erweckten. So erst wurde Homer und sein Werk
der Erwecker, ja gleichsam der Schöpfer eines allgemeinen Nationalgeiiihls, welches in dem gemein-
samen Zuge gegen Troia zusammenfloss und gleichsam gi])felte; hier erkannten sich selbst die
feindseligsten Stämme als Glieder einer grossen Nation und Ibtiner wurde der Herold eines
allgemeinen. Alles durchdringenden und neubelebenden Nationalbewusstseins; die Ihas wurde fortan
^on einer fast rehgiösen Verehrung getragen, sie wurde ein heiliges Buch. So erklärt es sieb
3T
ganz von selbst, da-s an vielen Oi-ten, wo die Erinnerungen an die Thaten der Vorzeit sich leben-
diger als anderswo erhalten hatten, auch der <;iaube entstand. Homer könne die damit in Einklang
ateheuden Sagen der Ilias nur vi)u ihnen entnonnnen haben und müsse selbst in ilirer Mitte P^iner
der Ihrigen gewesen sein; untl also geschah es, dass zuletzt 7 Orte sich um die Ehre stritten, Vaterland des
Dichters zu sein. Am klarsten tritt dies in Athen hervor, wo, Avie wir jetzt wissen, schon zu Solons
Zeiten sich ein sogenanntes Fest-Exem])lar dei- honierischen (jledichte befand, welches für die
nachherigen Bemühungen der Pisistratiden um den Dichter die Grundlage bildete: und ähnhch
dürfte es sich an anderen Orten, wo die Verehrung des Homer besonders blühte, verhalten haben.
Durch dieses Alles besonders aber durcli die von Thucydides bezeugte Zerrissenheit des
alten (Griechenlands, in lolge deren von einem schon damals vorhandenen Xationalgefühl noch
keine Rede sein kann, nniss der Satz als bewiesen erachtet werden, dass letzteres erst um den
Anfang der 01ynij)iaden durch den Hinweis der homenschen Gesänge auf eine grosse gemeinsame
That der Vorzeit erweckt wordtMi ist, dass diese Erweckung aber nur möglich war und von so allgemeinen
und nachhaltigen Folgen begleitet sein konnte, weil die Keime dazu in den alten Erinnerungen der
Stämme selbst bereits voi'handen waren: denn kein Volk lässt sich etwas über seine Altvordern bloss
von aussenher einreden, sondern setzt solchen Bestrebungen Ijchai-rlichen Unglauben entoegen.
Denmach müssen diese Traditionen in den Stämmen selbst existirt haben und ihr Zusammentreffen
mit der im Homer niedergelegten N.austathmos-Sage giebt den Beweis, dass der gemeinsame Zug
der Griechen gegen Troia, zu welchem zweifelsohne der Nothstand Freund und Feind
vereinigt hatte, ferner die Zerst<irung der Stadt selbst und endlich die Zerstreuung
der aus d(Mn Brande Entronnenen eine vollgültige historische Thatsache ist.
Um diess Resultat noch mehr zu erhärten, würde es angemessen und sogar notliweudig
sein, alle Spuren, die bei den einzelnen Grieschischen und selbst bei den Italischen Stämmen auf
die Zerstörung IHons zurückführen, aufzusuchen und gewissenhaft zu i)riifen: denn alle sind ihrem
innersten Wesen nach völlig verschieden von allen jenen Sagen, die mehr odei* weniger in der
blossen Namensdeutuni;- ihren Urspr\ing haben, wie z. B. wenn der aus dem Oriente vom Götterborge
Meru ausgehende Dionysos den (rriechen den Anlass gab, den kleinen Dionysos aus der Hüfte des
Zeus (tn;()6g) geboren werden zu lassen. Mit derartigen Gebilden haben die Ueberlieferungeu vom
Troianischen Kriege und von den Folgen, durch welche Sieger und Besiegte gleichmässig betroffen
wurden, nicht das (ierinsste zu thun. Doch wih'de diess den Zweck dieser Blätter völhgr
überschreiten. Hier galt es nur, um auf den Eingang zu der vorstehenden Untersuchung zurück-
zukommen, das Verhiiltniss festzustellen, in welchem der homerische immerhin historische, aber von
der Poesie gleichsam v e r k 1 ä r t e P r i a m u s zu dem vom poetischen ( i e wände g ä n z 1 i c h e n t k 1 e i d e t e n
Prianuis, des Laomedon Sohn nnd Nachlolger sich verhält. Denn wie treu auch der Dichter den
Troischen Localsagen gefolgt sein mag, so bilden diese doch nur gleichsam das Gerippe der Ihas,
welches der Dichter mit voller Selbstständigkeit und dem ganzen Zauber der Poesie behandelt hat,
so dass, da er, getragen von den Flügeln der Phantasie, Ilion nebst Allem, w^as ausser ihm und
in ihm vorgeht, in jene graue Urzeit versetzt, wo Götter und Menschen nocli im lebendigsten
Verkehr mit einandei- standen, die Ilias als Ganzes eben so wenig für die Beurtheilung des
histori«:chen Priamus, wie bewiesenerinassen fiir die i-äumhchen Veihältnisse der Ebene £fi'undlefflich
gemacht wenlen kann. Dem Dichter ist es sicherhch nicht eingefallen, sich bei der Schilderung
der Ereignisse um Tag und Stunde, oder bei der Angabe örtlicher Verhältnisse um Bestim-
mungen mit der Messtange irgend wie zu bekümmern.
_ 88
§. 6.
Priamus und sein Schicksal.
Als Laomedou mit seinem ganzen Hause durch Ileracles den Untergang gefunden, folgt ihm
sein Sohn Priamus, welcher allein dem TJlutbade. weil zur Zeit desselben vom Hause abwesend,
wie die Sage berichtet, entgangen war. Wir sehen ihn trotz der kurz vorher erfolgten Zerstörung
der Stadt mit einem Male wieder inmitten eines glänzenden K'inig^sitzes und an der Spitze eines
blühenden Reiches. Wie diess zugegangen, darüber schweigt die alte üeberlieferung ; es erklärt
sich jedoch zur Genüge aus der schaffenden Phantiisie des Dichtci-s; die Erklärungen Späterer
können hier nicht in Betracht kommen. Den Priamus ereilte ein gleiches Geschick, wie den Vater;
auch er fand, wie jener, sanmit seinem ganzen (ie>(hlecht diurli den Troianischen Krieg den P'nter-
gang und sein Ilerrschersitz verschwand von der Krde. Uebereinstinnnend hiutel über das
Schicksal des greisen Königs da> I'rtheil sowohl des Alterthunis wie der Neuzeit; man bekUigt
das schwere und unverdiente Loos des edlen Königs und sieht in ihni sogar nur das Opfer einer
von Paris bestochenen Partei, die gewonnen war, sich der Zurückgabe «ler Helena mit allen Kräften
zu widersetzen. Zu Gunsten dieser milden und wohlwollenden Auffassung i)tlegt man di(^ Worte
des Zeus selbst anzuluhren, dass er unter allen Städten des Plrdkreises die heilige llios stets
vorzugsweise geachtet habe und den Prianuis und das Volk des lauzenkundigen Königs (II. IV.
44 sqq.}, und dass er demnach nur mit widerstrebendem llei'zen seine Einwilligung zur Zei*störung
der liebgewonnenen Stadt gebe. Wir läugnen nicht, dass, wenn man de> Priamus Schicksal im
Ganzen und Grossen überschauet, dasselbe dem in jeder Menschenbrust lebendigen Gerechtigkeits-
gefühl in der That zu wider^])rec]ien scheint. Allein in Wahrheit steht die Suche anders; Prianuis
unterlag, wie sein Vater Laoniedon, einem verdienten Loose. welche> nur der dnftige Hauch der
Poesie abzuschwächen und zu mildern verstanden hat.
Es ist in der That wunderbar, wie diess rrtheil, welche^ unten ]>is zur E\idenz erhaltet werden
wird, bereits im grauen Alterthuni seinen Vertreter gefunden hat; ob mit Pewusstsein, vielleicht
auf Grund einer alten Sage? Wir wissen es nicht; aber das wissen wir, das> der nuithniassliche
Vei-fasser des cyklisclien Gedichts der Kyprien, welches nach (h-r Zeit de^ Homer abgeiasst. al)er
als vor demselben gedacht. geiUchtet worden ist, Stasino> von Kyi>ros als Grundmotiv der Kyprien
die Sorge des Zeus angiebt, welche darauf gerichtet gewe>en sei, der Hybris des Menschen-
geschlechts Einhalt zu thun; das Mittel dazu sei ihm die Erregung des Troischen Krieges
gewesen; cf. Xitzsch Sagenp. [>. *.)!). Wer nun konnte e> anders sein, gegen dessen Hybris der
Kampf gerichtet war. als Pi-ianms und sein Haus? Dasselbe besagt Hoaior selbst in jener be-
rühmten Stelle, deren ^'crständniss freilich dem entgehen uuisstc, der llion für eine Eabel erklärte,
dass Zeus das Geschlecht des Priamus mit llass und Feindschaft bereits verfolgt habe
(IL XX, I>0(3). Dieser Pehauptung w idersin-icht kiMneswegs der obige Ausspruch des Zeus, wie lieb
ihm stets Priamus und dessen Voll; gewesen. Wir haben dort einen der bei Homer oft geschilderten
ehelichen Zwiste, und wir dürfen nicht vergessen, dass Zeus selbst mit höhnenden Worten, um
Here zu reizen mul zu ärgern, den Streit hervorruft, bei dessen Verlauf es ihm gerade darauf
lÄikommt, die von Troerhass enttiammte Gattin dadurch in die höchste Aufregung zu vei-setzeu,
dass er die Verhassten nachdrücklich in Schutz nhnmt, (hibei abei- doch endlich, wiewohl mit
feinem Spott {uLyMvii ;£ O-ifKo), freiwillig erklärt {ty.oW) ihrem Hasse freien Lauf lassen zu
wollen. Fragen wir weiter, worin die Hybris des Priamos l)estanden, so giebt di(^ allgemeine Sage
von der Entführung der Helena darauf die Antwort. Freilich wer llion ins Reich der Mythe
verweist, tür den hat auch der Raub der Helena keinen andern Werth. und desshalb ist es noth-
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wendig, ausdrücklich auf die Resultate, welche wir oben aus der natürlichen, nicht wegzuläugnenden
Beschaffenheit der Troi«;chen Ebene gewonnen haben, allhier zurückzukommen.
Wir haben aus dei-selben ganz unwiderleghch bewiesen, dass sie in der Urzeit durch
die von den Idäischen Bergen herabströmenden Gewässer, denen theils durch Ablageining
an der Mündung, theils durch Anhäufung des ^)ei Sturmfluthen emporgetriebenen feinen ^leer-
sandes, aus dem das Ufer des Hellespont besteht, der Abtluss versagt war, einen grossen mit
allerhand (Jethier und tödtlichen Miasmen geschwängerten Sumpf bildete und erst später durch
künstliche, noch heutigen Tages sichtbare durch Felsgestehi getriebene Abzugsgräben trocken o-elet^t
worden ist, jedoch so, dass die Ebene jeden Augeidjlick wieder unter Wasser gesetzt werden konnte.
Gegen diese handgreiflichen Thatsachen ist nicht aufzukommen; sie bilden die Basis, von der wir
schon oben ausgegangen sind, und von welcher künftighin jede Untersuchimg über die so räthsel-
haft dunklen Verhältnisse des Troischen Krieges und über die Folgen desselben wird ausgehen müssen.
In dieser« Ebene lag llion. Eine Oertlichkeit jedoch, wie die geschilderte, ist nie und nimmer von
einer friedlichen Bevitlkerung, deren Zweck und Aufgabe es war, durch Ackerbau und Viehzucht
aus den Umlanden ihre Existenzmittel zu geAvinnen, zum dauernden Aufenthalt gewählt worden.
Nur Unzufriedene od<'r Uebelthäter, die, zeriallen mit der Ordnung der FamiHe, der Gemeinde,
des Stammes, jedem Iriedlichen (lemeinwesen einen ewigen Krieg erklärt hatten, also Räuber und
Mörder, Strolche und Wegelagerer, entlaufene Sclaven und allerhand Gesindel der Art, können es
gewesen sein, die zuerst es wagten, jenen todtbringenden Ort der persönlichen Sicherheit wegen
zum Wohnsitz zu wählen, um von ihm aus, pochend auf den Schutz, den er gewährte, die Umlande
zu brandschatzen, anfangs um zu existiren, bald aber um, den Speer in der Faust, sie zu unter-
jochen und zu beheri-sclHMi. T(>iTassenartig erhebt sich rings im Kreise um die Troische Ebene
ein fruchtbares Hochplateau, sehr geeignet zum Ackerbau und zur Viehzucht; hier lag südr»stlich
von llion die alte Stadt Dardania, gegründet von Dardanus, dem geliebtesten Sohne des Zeus
of. II. XX, 2iri, ;i04. Sie muss als der alte Kiinigssitz des Dardanischen Geschlechtes gelten, bevor
llion in der Ebene ilureh Hos gegründet war, nach dessen Gründung zwar noch von Dardanern,
aber von einer Stadt Dardania nirgends mehr die Rede ist. Von jenem Hochplateau — wir:
nennen es die dardanische Ebene — zieht sich der oben oft genannte Höhenrücken von Südost
nach Nordwest tief in die Troische Ebene, also in den uralten Sumpf hinein, auf dessen westhchster
Endspitze noch heute Neu -llion liegt. Hier hat Uns, des Dardanus Nachkomme, Alt-Ilion ge-
gründet und von hier ans hat er die Umlande unterworfen; wir tragen kein Bedenken, hinzu-
zufügen, dass ei' Dardania zerstört und das alte Königsgeschlecht nebst dem Uradel nach Ihon
verpflanzt, die übrigen Bewohner aber als Hörige auf der Scholle belassen hat. Ilus also, der
Erbauer und Beherrscher der Sumpfstadt llion, ist der Repräsentant jener Auswürflinge, deren
Eisenfaust nach Ueberwältigung der von Zeus gegründeten Königsdynastie die ganze Landschaft
nach Osten hin sich unterthänig gemacht hat; und diess ist die Hybris, die Zeus zu rächen
entschlossen ist. Dem Ilus folgt sein Sohn Laomedou. Unter ihm stand Ihon bereits gross und
mächtig da: die unterworfene Umgegend lieferte alle Mittel zur Subsistenz und der Herrscher
konnte in Ruhe daran denken, den todtbringenden Herrschersitz in einen gesimden Wohnort zu
verwandeln, ohne jedoch der Sicherheit desselben gegen auswärtige Feinde Eintrag zu thun. Er
Hess die Ebene künstlieh durch Canäle und Eindeichung des Xanthns trocken legen, jedoch so,
dass sie bei eintretender (Jefahr jeden Augenblick mit Benutzung des genannten Flusses wieder
überschwemmt werden konnte. Aber der auf seine Macht pochende Mann war übermüthig; er
weigerte den für jene Arbeit bedungenen Lohn und übte — Hybris. fand aber dafür sofort den
Untergang. Ihm folgt Priamus, der stolze regnator Asiae; ihm gehorcht nicht allein ein aus-
gedehntes Gebiet auf dem Festlande, sondern er sendet aus seinem, nur einem Herakles nicht
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gewachscuen, sonst völlig unangreifbaren Schlupfwinkel seine Flotten über die Meere; die aQx<:xax(}i
vr^ts des Paris landen an den Küsten von Hellas und betreiben Weiberraub. Diess und
nichts anderes besagt die Entführung der Helena. Letztere ist die Ilepräsentantin der hellenischen
Frauenwelt, aus welcher die schönsten nach Kleinasien gebracht wurden; ob freiwillig folgend, wie
Helena, oder gegen Kaufgeld oder endlich der (rewalt weichend, thut nichts zur Sache; ebenso
mag es vorerst vpllig dahingestellt bleiben, ob die hellenischen Sclavinnen in Ilion verblieben, oder
ob mit ihnen ein förmlicher Handel nach dem Innern Asiens getrieben wurde, ein Gesichtspunkt
der durch den Namen Priamus (nach der Analogie von önyann^, ni').aitog etc. von TTtnanai ge-
bildet), wohl eine weitere Beachtung verdient. So viel ist ersichtlich, dass dei- Iiaub der Helena,
der als Kinzelfactum ein ganz systematisch betriebenc'> , im alten riricchcnland durchaus nicht
ungewöhnliches Geschäft bezeichnet, ebenfalls Hybris war, und e^ darf nicht A\ ander nehmen,
wenn die Einzelstämme (iriecheulands bei der gänzlichen rnsicherhcit ihrer Küsten endlich dazu
kamen, den übcrmüthigen unheilvollen Frauen - Piraten der Troisehen KImmjc ein für alle ^al durch
völlige Zerstörung ihres Scliluph\inkel> das Handwerk zu legen. Und in der That, einen günstiger
ffeleuencn Ort für die Betreibung von Seeräuberei aller Art, als das alte Ilion, hat es im ganzen
Alterthum nicht gegeben; die Idäischen Berge lieftu'ten das beste Schiftsmatcrial, wovon noch die sj)ätere
historische Zeit genügendes Zeugniss giebt. und der noch jetzt sogenannte Karanlik-lämaii, d. h. der
dunk« Ic, versteckt liegende Hafen, der vom Hellespont aus nicht gesehen wenlen kann, barg <lie
aus- und einlaufenden Fahrzeuge so völhg, das> diese aus ihm auftauchten und in ihm wieder
verschwanden, ohne dass die Küstenbewohner oder andere Schifte sich vor ihnen zu schützen
vermochten.
Auf diese Weise manifestirt sich die Hybris an dem ganzen vom Ilus stanunenden Geschlecht;
diess beweist deutlicher noch das Verhältniss des Aeneas zum Priamus. Als Schutz und Schirm des
bedrängten Troia tritt in der Iliade zunächst zwar Hector hervor, aber würdig steht ihm zur Seite
die ritterUche Gestalt des Aeneas. den- überall, wo es gilt, nnt grossem Erfolg in den Kampf
ein^n-eift. Dieser seiner Stellung ist der Held sich sehr wohl bewusst, wie aus dem stolzen Schlüsse
seiner genealogischen Auseinandersetzung Iliad. XX. 2 10 unzweideutig hervorgeht: Mich hat
Anchises, den Hector aber hat Priamos erzeugt; hier ruhet das volle Gewicht auf dem
Mich hat etc. im Gegensatz zum Hector, welcher letzterer dem Zwecke der Auseinandersetzung
zufolge sonst nicht einmal zu nennen gewesen wäre. Beide erscheinen als die Vertreter zweier
Herrscherlinien, von denen Aeneas die sehiige in vollem Selbstbewusstsein als die vollkommen
»gleichberechtigte hinstellt, wiihrend sie in Wirklichkeit die untergeordnete war. Hiedurch
verbreitet sich Licht idjcr die Haltung des Aeneas dem herrschenden Ciebieter gegenüber; ersterer,
als Held zwar eingreifend, wo es nöthig ist, entzieht sich zeitweise dem l\am]»fe un<l beweist
dadurch, dass er von andern Gefühlen getragen wird, als welche den Hector im Kampfe Ihr «las
Vaterland beseelen. Als (irund bezeichnet der Dichter (cf Iliad. Xlll. lös sqq. i den Groll und
lu'mmm, womit Aeneas stets gegen Prianms ertüllet war und zwar, weil dieser ihn den Indien
{ioS-loi tCYici) im (Jenngsten nicht {oiri) achtete und ehrte, ihn viehuehr mit zurückstossender
Kälte behandelte. Aber auch für diese Stiunnung des Priainu^ liegt ein triftiger Grund vor.
Aeneas, der Aphrodite Sohn, wird aus allen Kämj)fen. wo ihm Lebensgefahr drohet, durch das
rechtzeitige persönliche Eingreifen der Götter gerettet und zwar nach der ausdrikklichen Aussage
des Dichters, weil es Schicksalsbestinnnung war, dass Aeneas nicht etwa im Kam})fe fallen solle,
weil ihm Höheres für die Zukunft beschieden sei; man vgl. die berühmte Stelle 11. XX, 30o stjq:
Diess Alles wusste Priamus. und hieraus erklärt sich die Zurücksetzung des Aeneas; aber hätte jener
obiges Orakel auch nicht gekannt, so würde das stiafende Bewus^tsein eines verübten Unrechts ihm
dennoch die P>i('htschnur zu seinem argv\ öhnischen und zurückhaltenden Benehmen gegeben
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haben. Die Genealogie des vom Zeus erzeugten Dardanus lehrt, da«s dessen Enkel Tros drei
Sohne hatte. Ilus, Assaracus und Ganymedes. Von diesen konmit der letztere, welchen Zeus
entführt hatte, nicht weiter in Betracht: dagegen setzt, nachdem der muthmasshch ältere Ilus an
der Spitze von Wegelagerern Ilion erbauet und eine eigene Königsdynastie gegründet, Assaracus
die Herrschaft in Dardania fort. P'inc alte Notiz, deren Werth oder Unwerth dahingestellt bleiben
muss, besagt, dass dieser schon bei Lebzeiten seines Vaters Tros Theilnehmer an der Herrschaft
geworden sei (cf. A. Nitsch s. v. Assarac); sollte hierin vielleicht der Grund des Zerwürfnisses und
des Ausscheidens des Ilus zu suchen sein? Wie dem auch sei, die vom Sohne des Zeus gegründete
Dardania und das alte unter der Oljhut des Gottes daselbst gebietende Königsgeschlecht wurde
durch Ilus unterjocht, und die Stadt selbst zerstört, hierin aber beruhet die Hybris der neuen
Herrscherdynastie. Somit leuchtet ein, wesshalb des gewaltsam unterdrückten Assara(^us Urenkel Aeneas
zwar Führer der Dardaner ist und mit ihnen dem Priamus Beistand leistet, dennoch aber, da er
diesem zur Unterthänigkeit verpflichtet ist. im Gefühle mindestens gleicher Herrscher - Berechtigung
dem Könige grollt und wiederum von diesem fortwährend mit Argwohn betrachtet wird. Zugleich
aber wird Ineraus die ganze Bedeutung des oben angezogenen Orakels ersichtlich: die Hybris. von
der Ilischen Seitenlinie au Aeneas verübt, soll durch den Untergang derselben gesühnt und
Aeneas selbst wieder in sein uraltes Recht eingesetzt werden; er soll wiederum über die Troer
herrschen und seine Söhne über die ganze Nachkommenschaft (cf. IL XX, 307). Dieser Aus-
spruch im Munde Homers ist von weitreichender Bedeutung, und nur die Selbstvergötterung der eigenen
Ueberzeugung hat die neuere Forschung bestimmen können, jenem Ausspruche das ihm zukom-
mende (Jewicht abzusprechen. Endlich aber ist das \'erhältniss des Aeneas zimi Priamus die
Veranlassung geworden, jenen sogar des Verrathes zu bezüchtigen und als Mitschuldigen an dem
Falle von lUon zu bezeichnen. Und in der That bleibt es auftallend, dass nur Aeneas und sein
llaus mit Ausnahme der Creusa dem allgemeinen Untergang entgehen und in völhger Sicherheit
sich zugÜMch mit seinen Begleitern über die Meere hin retten konnte. Jene Mitschuld indessen
mag auf sich beruhen: gewiss aber ist, dass der Dichter, um jenes Orakel überall erwähnen zu
können, eine ganz bestimmte Kunde nicht bloss von dessen Vorhandensein, sondern auch von der
Erfüllung desselben gehabt haben nniss, weil eine unerfüllt gebliebene Prophezeihung nur ein
nichtiges Woit und darum völlig werthlos gewesen sein würde: der Dichter hat somit, als er seine
Ilias schuf, nicht allein aus der alten Sage geschöpft, sondern er hat auch bestimmt gewusst, dass
Aeneas nebst den Seinigen dem allgemeinen Untergange entronnen sei und dass er und seine
Nachkommen nachmals über Troer geherrscht haben. Wir betreten hiemit vollständig den Boden
einer historischen Thatsache. dass nändich Aeneas wirklich aus dem Brande von Ihon nach
mannigfachen Irrfahrten an Latiums Küsten gelandet ist; mit wie vielen Schiffen, ist völhg gleich-
gültig; dass es aber auf dem Seewege geschehen, dafüi- bürgt der Kaub der Helena, welcher die
Troer als ein völlig meerkundiges Volk erscheinen lässt.
Die ;iu> den obigen Resultaten sich ergebenden Folgerungen bieten sich jedem ungesucht
dar, und manches Räthselhafte, was. weil unentwirrbar, bis dahin zu den verschiedenartigsten Ver-
muthungen Veranlassung gegeben, löst sich ganz von selbst. Nachdem mit Troias Zerstörung das
meineidige Geschlecht des Uns in Prianuis seinen Untergang gefunden, ist die von Zeus selbst
gegründete Herrschalt über die Troer zu dem von ihm begünstigten Vertreter Aeneas zurückgekehrt.
Dieser gründet in Latium seinen Königssitz in Lavinium und sein Sohn Ascanius erbauet Alba Longa;
hier herrscht fortan das Königsgeschlecht der Silvier, welchem die Rea Silvia, die Mutter des
Ronudus und Remus ent.stammt. Sie führt jedoch diesen Namen nm* in den Albanischen
Sagen; in den Römischen heisst sie Ilia, woraus erhellt, dass jenes Albanische Königsgeschlecht
der Silvier kein anderes als das der Iher, also der Troer gewesen ist. Verfolgen wir die Sagen
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weiter, so haben Ilias Söhne, also wiederum liier, in den Tibermorästen auf dem Palatinus die
ewige Roma gegründet und mit diesem Factum boschliessen wir unsere Untersuchung. Mag die
gelehrte Forschung in der Gründung Roms bald ein Jlüv Acaiov. bald ein Ver sacrum der Sabiner,
bald auch ein schhchtes Handels - Emporium der Latiner linden, wir rechten darüber mit Niemand;
aber das Recht gestehen wir keinem Forscher zu, die alten Völkersagen ohne Weiteres als leere
Fabeln über Bord zu werfen und dafür die eignen Vermuthungen als historische Facta in die
Geschichte einzuführen. Die ältesten Sagen bilden die Basis der ältesten Geschichte, und es ist
die Pflicht jeder umsichtigen Forschung, von ihnen auszugehen und sie überall grundleglich zu
machen, wo es gilt, einen historischen Kern aufzutinden und zum geschichtlichen Factum zu
entwickeln. Es ist bewiesen, dass Rom in historischer Zeit seine uralte Verwundtschaft mit dem
alten Troia von Staatswegen anerkannt hat. Eine solche Anerkennung aber kann nur aus der
urwüchsigen Ueberzeugung des ganzen Volkes, dass jene Verwandtschaft auf Wahrlioit beruhe,
hervorgegangen sein; es ist ein Glaube, der nicht etwa von aussen her dem Volke gleichsam ein-
geimpft, "sondern der als ein uraltes Erbtheil von ilmi betrachtet und heilig erhalten worden ist.
Ihn aber als vorhanden gläubig anzuerkennen und dennoch die Wege, wie er etwa entstanden,
ohne Weiteres zu verwerfen und damit den Glauben selbst als ein auf einer Fabel und darum auf
entschiedener Unwahrheit beruhendes Hirngespinst zu bezeichnen, das ist und bleibt eine Absurdität.
Im Römischen Volke lebte von den urältesten Zeiten an die von Geschlecht zu Geschlecht sich fort-
pflanzende Erinnerung an seine Abstammung von Troia; sie hat ihren Ursprung in dem Factum,
dass in Alba Longa sesshaft gewordene Hier, d. h. Troer, getragen von der Erinnerung an die
einstige durch Speer und Schwert gewonnene Macht und Herrlichkeit der verlorenen Heimath und
unzufrieden mit der neuen Ordnung der Dinge in der neuerbauten Stadt, als landflüi-htiges Gesindel sich
auf dem in Folge der Tiberüberschwemmungen nur auf einem einzigen Wege von Osten her
zugänghchen Palatinus ein Asylum gegründet haben und dass hieraus die ewige Roma hervor-
gegangen ist. So lautet die uralte Römische Sage und sie enthält volle historische Wahrheit:
allein wer glaubt daran? Jeder weiss, dass Rom einen Geheimnamen hatte, welchen auszusprechen
nicht erlaubt war, um den Zorn der Gottheit nicht auf die Stadt herabzubeschwören. Dass dieser
Name aber nicht anders gelautet hat, als Ilion, den als Eigennamen der neuen Stadt
Niemand aussprechen durfte, um dieselbe vor einem ähnlichen Schicksal durch die zürnende
Gottheit zu bewahren, welches die Urstadt einstmals betrofl'en, wer ahnet es? Es ist hier nicht
der Ort auf diesen Punkt und auf den damit in Verbindung stehenden allgemeinen Volksglauben,
wie er in den Römischen Dichtern, besonders im Virgil und Horaz (cf. Carm. III, W) niedergelegt ist,
näher einzugehen, demzufolge die auf Jupiters Geheiss (m. vgl. das Augurium augustum) gegründete
Roma die Herrschaft über den ganzen Erdkreis besitzen sollte, wofern nur nicht dem Willen der
Juno entgegen das alte Ilion in der Troischen Ebene wieder hergesteUt würde, oder mit andern
Worten, wofern es der Juno wegen nur nicht verlautbarte , dass die in den Tibersümpfen
mit Jupiters Bewilhgung gegründete Stadt eigenthch nichts anderes als das wiedererstandene lüon
sei, und dass dem unabänderlichen Willen der (Jötterkönigin nur in so weit Rechnung getragen
werde, als Ilion auf seiner alten Stätte niemals wieder aufgebauet würde und seine factische Wieder-
herstellung in den Tibermorästen ein ewiges Geheim niss bliebe. Das aber können wir uns
nicht versagen noch hinzuzufügen, dass mit der obigen Erkenntniss zugleich ein Räthsel gelöst
wird, welches die Forscher vielfach beschäftigt hat. Es ist nicht in Abrede zu nehmen, sondern
muss vielmehr trotz aller Gegenrede als durch die Forschung bewiesen gelten, dass sich in der
lateinischen Sprache ein griechisches Urelement vorfindet, welches mit dem Aeolischen Dialecte
in der engsten Verwandtschaft steht. Die Uebereinstimmung ist ausgemacht, woher sie aber entstanden,
die Frage hat zu den verschiedenartigsten Vermuthungen Veranlassung gegeben. Der obige Nachweis
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löst das Räthsel. Sil vier und liier ist derselbe Name und die Verschiedenheit rührt nui' von dem
Aeolischen Digamma her; hierin Hegt der Fingerzeig, dass diejenigen, welche aus der Troischen
Ebene nach Hions Fall sich über die Meere flüchteten, Aeoler gewesen sind, zugleich aber auch, dass
die in der historischen Zeit in jener Ebene sesshaften Aeoler sich nicht etwa durch Colonisatiou
von Griechenland aus dort angesiedelt haben, sondern dass sie, wie schon vor Jahren C. 0. Müller
richtig gesehen, dort von Uranfang an sesshaft gewesen sind und dass ein umgekehrter Hergang
stattgefunden hat. Denn es ist sicherlicli, wenn von derartigen Wanderungen von Völkern die
Rede ist, welche, sei es freiwillig oder gezwungen ihre Heimath aufgegeben und sich neue Wohn-
sitze gesucht liaben, ein Grundirrthum anzunehmen, dass in solchen Fällen das ganze Volk
ausgewandert sei und seine Heimath öde und leer zurückgelassen habe, eine Vorstellung, die nur
zu häutig noch heutigen Tages, z. B. von den Cimbern und Teutonen, von den Vandalen und Longo-
barden etc. angetroffen wrd. Sind nun also auch nach Ihons Zerstörung, da weder alle Troer zu
Grunde gegangen noch auch alle bis auf den letzten Mann hinweggezogen sind, einige derselben
zurückgebheben und zwar genug, um nach dem Abzug der Sieger die alte Heimath zu bewohnen
und zu bebauen ( und diess sind die später dort genannten historischen Aeoler ), so müssen, wie
schon oben angedeutet wurde, auch die mit Aeneas nach Latiuni hinweggezogenen Troer zu
demselben Stamme der Aeoler gehört haben, und diese sind es gewesen, welchen jenes Griechische
Element zugeschrieben werden muss, aus welchem sich unter dem Hinzutreten anderer Einflüsse
später die lateinische Sprache entwickelt hat. Zu diesen Aeolern aber hat der Dichter der Rias
nicht gezählt; Homer war kein Troer, -wie vor Jahren behauptet worden ist; er gehörte, wie seine
Sprache beweist, zum Ionischen Stamme, und in lonien, wohin die Troischen Sagen durch Ueber-
lielerung gelangt waren, hat er sein Epos geschaffen. Die Ebene selbst hat er, wie schon oben
wiederholt ausgesprochen worden ist, niemals mit eignen Augen gesehen, sondern hat sie nur vom
Hörensagen, wie sie zu seiner Zeit beschaffen war, gekannt, und da er den Sagen folgend, die
Begebenheiten vor Ilion ganz der Sachlage gemäss um Jahrhunderte zurückdatirte, so hat er sich
in den Locahtäten und deren Erwähnung mit der vollsten Freiheit bewegt und der dichterischen
Phantasie den weitesten Spielraum gelassen. Indessen welcher Stadt Joniens der Dichter angehört
habe, wer vermag es zu sagen?
\
45
Die Lehrverfassimg
des Gyniiiu^ium Friderieiaiium,
als eines üclassigeu Normal-G ymiiHsiums,
(Genehmigt .lurdi Re«cript des Hohen .Grosshorzoglichen Ministeriums vom 12. November 1869,)
Cursusdauer: in VI., Y., I\\ je ein, in Ul., ii. und 1. je zwei Jahre. Die Auiuahme
eriblpt mit zurückgelegtem 9., der Abgang in der Regel mit vollendetem 18. Lebensjahre: der ganze
Gymnasialcursus beträgt also 9 Jahre.
A. 11 iNNenKrIiaften.
1.
R f 1 i «C i 0 n.
a. Untere Stute, umfass^end die Sexta, Quinta, Quarta und Tertia.
b. Obere Stufe, umfassend die Secunda und die Prima.
«) Untere Stufe.
Sexta, wöchentlich 3 Stunden.
Die wichtigsten biblischen Geschichten des A. T. bis zu den Königen, nach einem
bibhechen Historienbuche. Die Leetüre der Bibel selbst wird nicht zu Grunde gelegt. - Vor den
Hauptfesten des Kirchenjahres die betreffenden Geschichten aus dem N. T. — Zur Zeit des Refor-
mationsfestes in kurzem Umrisse das dahin gehörige Geschichtliche.
Katechismus. Das 1. Hauptstiick wird nach dem Landeskatechismus durchgenommen und
erklärt. Repetitiou des klehien Lutherschen Katechisnms dem einfachen Wortlaute nach.
Kirchenlieder und Katechismussprüche werden in angemessener Zahl zuerst gelesen,
dann den Worten nach einfach erklärt und zuletzt genau auswendig gelernt. Die Kirchenlieder,
ungefähr 8-10, also im Semester 4—5, schliessen sich an die Festzeiten, die Sprüche an das
L Hauptstück an.
(}i(inta, wöchentlich 3 Stunden.
Biblische Geschichten des N.T. nach einem biblischen Historienbuche i„das Leben Jesu
bis zur Hmimelfahrt"). Die Eintheilung der Bibel und die Reihenfolge der bibhschen Bücher;
letztere auswendig gelernt. Das zum Reformationsfeste Gehörige wird eingehend repetirt.
Katechismus. Repetition des 1. Hauptstücks nebst den gelernten Sprüchen. Das 2. Haupt-
stück wird erklärt und mit den beigefügten Bibelsprüchen auswendig gelernt.
Kirchenlieder. Repetition der in VI. gelernten, und dazu b neue, m jedem Semester 3.
Anm Ob das 2. Hauptetück in V.. und das 3. m IV., oder ob beide in umgekehrter Folge (in V. das 3. und in
IV. das 2.) zn lernen sind, darüber hat der betreffende Religionalehrei sich mit dem Director in Emvernehmen zu setzen.
Quarta^ wöchenthch 3 Stunden.
Bibellesen und zwar die wichtigsten Abschnitte des A. und N. T., aus jenem die Stücke,
welche sich auf die Geschichte des Israehtischen Volkes beziehen, aus diesem die Hauptsachen aus
Matthaeus, Lucas und aus der Apostelgeschichte. Erweiterung der Bibelkunde.
Katechismus. Repetition des 1. imd 2. Hauptstücks; der dahin gehörigen Sprüche und
Kirchenheder; das 3. Hauptstück wird erklärt und mit den dazu gehörigen Sprüchen genau memorirt
Dazu C neue Kirchenlieder, in jedem Semester 3. Das 4. und 5. Hauptstück — ohne Luthers
Erklärung — werden auswendig gelernt.
Gelegenthch das Hauptsächlichste aus der Geographie Palaestina's, nach einer Wandkarte.
Tertiaf wöchentlich 2 Stunden.
a. Unter -Tertia (Cui-sus 1 Jahr).
Zusammenhangende Geschichte des Lebens Jesu, nach einem synoptischen Evangehum
und zwar in engem Anschlüsse an dasselbe; damit in Verbindung aus dem A. T. raessianische und
prophetische Stellen; einzelne Psahnen. Dann Rej^etit. der Reformation und zwar mit genauerem
Eingehen auf die Veranlassung und auf den endhchen Erfolg dei'selben.
Katechismus. Repetition der 5 Hauptstücke und der dazu gehörigen Bibelsprüche; Repetit.
der Kirchenlieder nebst Angaben über deren Verfasser und über die Zeit der Entstehung. Dazu
4 neue Lieder, wodurch der Liederschatz, welchen die Schüler wissen müssen, abgeschlossen wird.
l». über -Tertia (Cursus l Jahr).
Repetition des Pensums von III b. dazu: Ausbreitung der christhchen Kirche; Leben und
Wirken der Apostel: des Paulus Missionsreisen. Streng eingehende Repetition der Reformation.
Anm. Da aus der Tertia (A. und B.) eine Anzahl von Schülern in das bürgerhehe Leben überzugehen pflegt, so
ist auf die Repetition des KatechiemuB, der Sprüche und Lieder und endhch der Reformation in ihrer Gesammt*
eütwickelun^ t-m ganz besonderes Gewicht zu legen; denn erst hiedurch wird ihnen der wahre Halt für das <yanze Leben
mitgegeben.
ß) Obere Stufe.
Secuuda und Piiuia.
SecuHila^ wöchenthch 2 Stunden.
Anm. Es beginnt die Bibelkunde- also: Lesen einzelner biblischer Abschnitte zur Darstellung des Reiches
Gottes im A. und N. T. Hier sind nicht kritische und gelehrte Einleitungen in die einzelnen biblischen Bücher zu »eben,
sondern die Bücher werden einzeln oder auch gruppenweise der Reihe nach betrachtet, die nöthigen Bemerkungen über
Verfasser und Enlatehungszoit werden angefügt; dann werden diejenigen Abschnitte gelesen, durch welche sich die Entwickelung
des Reiches Gottes im A. und im N. T., die fortgehende Offenbarung, der Abfall und die Wiederherstellung des ]\fenschen im
Zusaramenhaiig«- ubf-rhlicken und erkennen lüsot. AIpo:
a. Unter- Secunda (Cursus t Jahr).
Im Sommer: Bibelkundo des A. T. Betrachtung und Leetüre der geschichtlichen
Bücher und einzelner Psalmen: besonders nachdrückhche Berücksic^htigung der didactischen und
prophetischen Bücher. Einzelnes ist zu lesen, namenthch was für die Glaubens- und Sittenlehre
?on Bedeutung ist und auf die Erscheinung Christi vorbereitet (typische Stellen). Dazu allgemeine
Repetition des Katechismus und Nachweis der innern Ghederung desselben. Repetition von Sprüchen
und Liedern.
^
46
Im Winter: Leetüre neutestamentlicher Bücher in der Ursprache, zur Seite die hithei-sche
Uebersetzung; gelesen werden vorzugsweise PauH Briete an die Epheser und an die Philipper. dann
die Epist. Jacobi, der erste Brief des Johannes und der erste des Petrus. Katechismus wie im
Sommersemester.
b. Oher-Secunda (Cursus 1 Jahr).
Im Sommer: Lesung und Erklärung der Apostelgeschichte. Im Winter: Bibelkunde des
A. und N. T. mit Auswahl einzelner Abschnitte (Pericopenj. Dsg. Repetition einzelner Lieder
und Sprüche.
Anm. Boi .1er L-ctüie der neutestamentlichen Schriften ist, in Rücksicht auf die religiöse Bildung der
Schüler, nur auf die Erklärung zu .-«ehen; der philologische Standpunkt (Grammatik und Lexicali»>-hes) ist thunlichst zu vermei.len.
Im Winter: Uebersicht der Kirchengeschichte der ersten 4 Jahrhunderte. Genaueres
über die Pveformationsgeschichte. Die Zeiten Speners, Franckes und die Mission. Biographisches.
Endüch: Hinweisungen auf die vorchristHchen Religionen und deren Verhältniss zum Christenthum.
Gelei.'entliche Uepetit. des Katech.. der Sprüche und der Lieder.
Anm. Da in Obersec. die Römische Geschichte vorgetragen wird und namentlich im Winter die Kaifier-
Ge schichte bis auf Constantin d. Gr., so ist e^ durchaus angemessen, d;vs.s dio Kircheuge.^chKhte der ersten 4 J;ihrh. .«jchun
hier und nicht erst in Prima liehandelt wird.
Pvhna, wöchenthch 2 Stunden.
Die Glaubens- und die Sittenlehre in ihrem Zusammenhange. Uebersicht der Bekenntniss-
schriften. Leetüre der Augustana; das Hauptgewicht ist auf den 1. Theil der August, zu legen.
Ueberall Hervorhebung der Ünterschcidungslehreu und damit verbunden: Apologetik. — Leetüre des
N. T. im Urtext und zwar: das Evangel. Johann., die Briefe an die Römer und an die Gakter.
Abschnitte aus dem 1. Briefe an die Corinther. Endlich Repet. der Kirchengesch., der Reformations-
gesch., der Sprüche, Lieder und des Vaterunsers.
Vertheilung des Stoffes durch die 4 Semester der Prima:
t. Repetit. der Kirchengeschichte.. Glaubens- und Sittenlehre.
2. Einführung in den Inhalt der symbolischen Bücher. Leetüre der Augustana.
;i. und 4. Leetüre des Römer- oder Galater- oder des ersten Corintherbriefes.
In allen 4 Semestern gelegentliche Repetit. des Katech., der Sprüche und des Liederschatzes.
Endziel: Sichere Kenntniss vom Inhalt und Zusammenhang der heiligen Schrift, so wie
der Grundlehren der evangelischen Kirche.
2.
()leo<^raphi(' und (ieüt'liicht«'.
Sextett wöchenthch 4 Stunden.
a. Geographie. (2 Stunden.) Grundbegriffe aus der physischen und mathematischen Geo-
graphie. Uebersicht der hydro- und orographischen Verhältnisse der Erdkugel. Dann Genaueres
über das Heimathland und über dessen Zusammenhang mit den umhegenden Ländern, also: Mecklen-
burg in Bezug auf den Norddeutschen Bund, speciell auf Preussen. Orientirung auf dem Globus
und auf den Landkarten.
b. Geschichte (2 Stunden; wird zunächst in Anlehnung an die biblische Geschichte behandeh;
Unterricht wesentUch biographisch; Hauptpersonen bilden den Mittelpunkt, um den sich die-
jenigen Begebenheiten gruppiren, deren Urheber jene Personen gewesen und von denen sie betroffen
47 - —
wordon sind. Dann Sagen aus der alten Griechischen, aus der Römischen und aus der
Deutschen Geschichte
Quinta^ wöchentlich 3 Stunden.
a. Geograpliie (2 Stunden. Repetition des Pensums vom VI. Dann die Erdtheile-
^pecieller Europa — ausser Deutschland — mit den wichtigsten Flüssen, Gebirgen und Oertern.
Versuche im Kartenzeichnen.
b. Geschichte (1 Stunde. Repetition des Pensums von VI. Anknüpfung einzelner zu-
sammenhängender Partien aus der älteren Griechischen und Römischen Geschichte.
Quarta f wöchenthch 4 Stunden.
a. Geographie (2 Stunden). Repetition der topischen und politischen Eintheilung von Europa.
Dann speciell: Deutschland; der Norddeutsche Bund und Mecklenburg. — Kartenzeichnen.
h, (Jeschichte (2 Stunden), l. Griechische Geschichte: Die Hauptereignisse und die Haupt-
personen, von den Messenischen Kriegen an bis auf Alexander von Maced. (inclus. '. Ueberblick über
die Barbaren-Völker, besonders Perser und Aegypter. Die Hauptjahreszahlen. 2. Römische Geschichte
von der Gründung der Stadt bis auf das Aussterben des Augusteischen Hauses. Hinbhck auf den
Untergang des Weströmischen Reiches und auf die Völkerwanderung. Orientirung auf der Wand-
karte. Die Hauptjahreszahlen.
Tertia^ wöchenthch 4 Stunden,
a. Untertertia (4 Stunden.
\. Geograpliie (2 Stunden). Repetition des Pensums von IV. Weitere Ausführung von
Deutschland und noch specieller der Norddeutsche Bund, mit besonderer Berücksichtigung der
politischen Seite. Kürzere Berücksichtigung der übrigen Länder Europas, sowie derjenigen ausser-
europäischen Länder, die mit Europa und noch specieller mit dem Norddeutschen Bunde in
besonderer Beziehung stehen, namentlich durch den Handelsverkehr.
2. Geschichte (2 Stunden). Geschichte der Deutschen von der Völkerwanderuno- bis
zum Westphälischen Frieden. Die Geschichte der übrigen Europäischen Völker wird kurz eingereihet,
je nachdem sie in die deutsche Geschichte eingreifen; in der letzteren aber wird die Zeit der
Reformation besonders hervorgehoben (siehe oben Religion).
b. Obertertia, wöchentlich 4 Stunden.
1. Geographie (2 Stunden). Zunächst Repetition des Pensums von III b. Dann eine allge-
meine, bei wichtigen Partien eingehendere Repetition Alles dessen, was in den früheren Classen
stufenweise durchgenommen worden ist, womit das Pensum der Geographie überhaupt abgeschlossen wird.
2. Geschichte (2 Stunden). Deutsche Geschichte von dem W'estphälischen Frieden bis zu
den Befreiungskriegen. Besonders hervorgehoben wird die Geschichte von Preussen bis zur Gründung
des Norddeutschen Bundes, und ebenfalls eingehender behandelt: die Geschichte von Mecklenburg.
Nochmahger wiederholender Ueberbhck über die Zeit der Reformation.
Secunda, wöchenthch 3 Stunden.
a. Unter-Secunda (Cursus 1 Jahr).
Alte Geschichte, mit Ausnahme der Römischen. Die Verfassungen der Griechischen
Staaten, ihre Entwickelung, ihre Blüthe und Verfall bis auf 146 a. C. Als Episode wird behandelt
Persien und die Grundzüge der Persischen Verfassung; etwas eingehender die ältere Geschichte
.: 48
Ton Macedonien ; die spätere fällt mit der Griechischen völhg zusammen,
der betreffenden Länder, vorzugsweise Griechenlands. — Culturgeschichte.
— Die alte Geographie
/ b. Ober-Secunda (Cui-sus 1 Jahr .
Römische Geschichte von der Gründung der Stadt bis 476 p. C, mit ganz besonderer
Berücksichtigung der Entwickelung und Ausbildung des Römischen Staatsrechts. . Hmbhcke auf die
Culturgeschichte. Geographische Uebersicht von Italien und der umliegenden Inseln und Lander;
genauere Anschauung des Imperium Romanuni.
Prima, wöchentlich 3 Stunden. (Cursus 2 Jahre.)
Mittlere und neuere Geschichte, und zwar a. im l. Jahre (Unterprima): von der Völker-
wanderung bis auf Karl V., mit besonderer Berücksichtigung der Culturgeschichte; b. im 2. Jahre
(Oberprima): von Kari V. bis zur Beendigung der Freiheitskriege. Etwas kürzer: Uebersicht der
Gescliichte von 1815 bis 1866.
3.
Rechnen und Matliematik.
Sexta, wöchenthch 4 Stunden.
Genaue Repetition der 4 Species in unbenannton und benannten ganzen Zahlen. Die
^dchti-sten Maasse, Münzen, Gewichte etc. behufs Reduction auf höhere und niedere Einheiten.
Hinweis auf die bevorstehende neue Maass- und Gewichts-Eintheilung, Meter, Liter etc. - Dann:
Rechnung mit gemeinen Brüchen; Einübung besonders durch Kopfrechnen. Hin und wieder
schrifthche häusliche Aufgaben, doch müssen diese einfach und ohne zu grosse Zahlen sem.
Quinta, wöchentlich 3 Stunden.
Repetition der Bruchrechnung. Regel de tri mit ganzen und gebrochenen, mit unbenannten
und benannten Zahlen. Hin und wieder schrifthche häusliche Aufgaben, doch auch hier sollen diese
einfach und ohne zu grosse Zahlen sein.
Qtiarta, wöchenthch 4 Stunden.
Zusammengesetzte Verhältniss-Rechnuugen, mit Anwendung auf das bürgerliche Leben.
Decimalbrüche. In 1 Stunde: Anfangsgründe der ebenen Geometrie bis zur Congruenz der
Dreiecke.
Tertia, wöchenthch 4 Stunden.
a. Unter-Tertia (Cursus 1 Jahr).
1. Geometrie: Ebene Geometrie bis zur Lehre vom Kreise (mit Ausnahme der Aehnlich-
keitssätze und der Ausmessung des Kreises), und von den Flächen gradhniger Figuren.
2. Arithmetik: Anlangsgründe der Buchstaben-Rechnung; arithmetische und geometrische
Proportionen ; Wurzelausziehen.
b. Ober-Tertia (Cursus 1 .lahr).
1 Geometrie: Eingehende und gründhche Repetition des Pensums von lUb. Erweiterung
desselben unter Anwendung auf die Lösung geometrischer Aufgaben, besonders durch geometrische
Oerter
' 2. Arithmetik: Wissenschaftliche Begründung der gemeinen Arithmetik; Buchstabenrechnung
und Gleichungen des ei-sten Grades mit einer unbekannten Grösse.
I
\
49
<
Secunda, wöchentlich 4 Stunden,
a. Unter-Secunda (Cursus 1 Jahr).
1. Geometrie: Beendigung der ebenen Geometrie bis zum Abschluss derselben. Geometrische
Aufgaben aus den verschiedenen Abschnitten der ebenen Geometrie.
2. Arithmetik: Repetition des ganzen voraufgegangenen Pensums und weitere Einübung
durch Beispiele. Dann Lehre von den Potenzen; Wurzekechnung; Gleichungen des ersten Grades
mit mehreren Unbekannten.
b. Ober-Secunda (Cursus 1 Jahi-).
1. Geometrie: Ebene Trigonometrie mit Aufgaben, zugleich zur Anwendung der ebenen
Trigonometrie auf Flächenberechnung. Daneben Aufgaben aus den verschiedenen Gebieten der
ebenen Geometrie.
2. Arithmetik: Qua^lratisclie (ileichungen mit den entsprechenden Aufgaben. Arithmetische
und geometrische Reihen. Logarithmen.
Brima, wöchenthch 4 Stunden (Cursus 2 Jahre).
W Geometrie: Stereometrie nebst Oberflächen- und Körperberechnung. Geometrische und
stereometrische Aufgaben.
2. Arithmetik: Algebraische Aufgaben, besonders unter Anwendung der Algebra auf Geo-
metrie. Unbestimmte Gleichungen.
An in. Wünschensweith das Nolh wendigste aus den Kegelschnitten.
Naturwissenschaften.
Sexta, Avöchenthch 2 Stunden.
Naturgeschicht<\ im Sommer vorzugsweise Botanik und Insectenkunde, im Winter Zoologie,
besondeis Wiri)eltliiere. Mittheilungon über die Lebensweise der Thiere.
Quinta, wöchenthch 2 Stunden.
Repetition des Pensums von VI. und Erweiterung durch Artenkunde. Die Vertheilung des
Lehrstoffes, wie in VI.
Secunda, wöchenthch 2 Stunden,
a. Unter-Secunda (Cursus 1 Jahr).
Einleitung in die Physik. Die Lehre von den festen Körpern.
Uebersicht der 3 Naturreiche. Die Krystallformen der Minerale.
Dazu eine systematische
b. Ober-Secunda (Cursus 1 Jalir).
Die Lehre von den flüssigen und luftförmigen Körpern; von dem Schall und von der Wärme.
PtHma, wöchenthch 2 Stunden.
Die Lehre vom Licht. Electricität und Magnetismus. Statik und Mechanik. Mathe-
matische Geographie.
30
51
B. «Bprnoln-f".
5.
Lateinisch.
Sexta, wöchentlich 9 Stunden.
Die regelmässige Formenlehre, als«: Declination und Conjugation mit Einschluss der Depo-
nentia. Der einfache Satz wird sofort zu Grunde gelegt, die Casus-Endungen werden mjmd.h
rntickelt und eingeübt; dann folgt das Hülfsverb. esse und we.ter dann <!- Conjuga«^ W
erst werden die Paradigmata genau memorirt und weiter an Beispielen emgeub D, Genu regdn
™it sorafälti^er Beschränkung der sogenannten Ausnahmen; die Comparation, die Zahlwörter
TcLd uÄin.ru d die Präpositionen. Miindliehe und schriftliche Uebungen im Uebersetzen a^
£m Lachen' ins Deiitsche'und umgekehrt. Wüchenthch 2 kurze Exorctia. Memoriren von
Vocabeln und kurzen Sätzen. (Grammatik und Lesebuch von Lattmann und Muller.)
Quinta, wöchentlich U» Stunden.
Wiederholung der regelmässigen Formenlehre. Dann die unregelmässige Formenlehre -
mit strenger Ausscheidung aller ungewöhnlichen und nur vereinzelt vorkommenden formen - Fort-
gesetzte Uebungen im Exponiren, so wie im Componiren des einfachen Satzes. Die ein achsten
Scüscben Regeln; dazu der Accus, c. Inf und die Ablatt. absol zue..t an Beispielen der
Lere gelehrt und 'dann weiter practisch eingeübt, jedoch ohne alle Versuc^^e e^ner wiss n-
schaftlichen Begründung. Die SUidtenamen. Mem.niren, wie m \I. Wöchentlich 2 kurze
Exercitia. Leetüre: Lesebuch.
Quarta, wöchentlich 10 Stunden.
Genaue Wiederholung der ganzen Formenlehre, der regelmässigen und uiiregelmässigen
Dann die Syntax der Casus; die fest memorirten Regeln werden mündhch fortwahrend eingeübt.
D^ Hauptregeln der consequiit. Ten.pp. Mündliche und schriftliche Uebersetzungen. Lecture:
cleüus Nepos und Lesebudi vo« Lattmann un.l Müller. Gegen Ende des Semesters: ausgewählte
Fabeln des Pliaedrus. Wöclieutüch 2 Exercitia.
Tertia, wöchentlich 1 <) Stnnden.
a Unter-Tertia i^Cursus I Jahrj.
Wiederholung der Casnslehre. Die Lehre von den Temporib.; die Consequutio tempp. Die
Hauptregeln aus der Moduslehre, der erweiterte und der zusammengesetzte Satz und de
Snionen. Die hauptsächlichsten Präpositt. und ihre Verschiedenartigkeit - gebrauch . D
wissenschaftliche Begründung der Construct. des Acc c. Int. und der ablatt «.n^^.. In der
Classe: Extemporaüa. WöclientUch . häusl. Exercit. Memoriren von /'l'™-" ^'1^,^ «^'','^;,;™-
Leetüre: Caesar de B. Gall. Üb. I III. Ovid. Metam. mit Auswahl, ""f^j^^' ''^J'^' ^j^^J; „"J.
Lesen des Hexameters und die hauptsächlichsten metrischen nnd prosodischen ««g«'"- »'"^''«''^"''S
auf die Utterarhistorische Stellung des Autors; dasselbe gilt für alle nächsthöhere Classen.
b. Ober-Tertia (Cursus 1 J:ihr;.
Eingehende und gründliche Wiederliolung und Erweiterung des graminat. ^^"^^^ 7^^ /" ^'^
vorzugsweise der Moduslehre; die Conditional- und die Concessivsätze; ^'^^'l^''}'.^^^^^^^
recte Rede; die Nebensätze, die Fragesätze, --^-^-\.^^% ^^;!^:^Xes ,! bl
AVöchentüch ein längeres Exercitium und in der Classe Extemporaba. Lecture: Caes. de bell. (.all.
beendet; gelegentüch Sallust. B. lug. Ovid. Metam. nach Auswahl.
Regeln des Hexam., so wie der prosodischen Regeln.
Repetition der metrischen
a.
Secunda, wöclientUch 10 Stunden.
Unter- Secunda (Cursus l Jahr).
Die Modus lehre im Zusammenhang, mit besonderer Hervorhebung einzelner Abschnitte,
als der hypothetischen Sätze und der Lehre vom Conjunctiv. Daran lehnen sich mündUche und
schriftliche Uebungen; wöchentlich 1 Exercitium und in der Classe Extemporaba. Leetüre: die
leichteren Ciceronischen Reden, als die Catilinarien, pro Archia, pro Deiot, auch pro lege I\IaniL;
ferner Laelius und Cato Maior; Livius, lib. I und II; Virgil. Aeneid. lib. I und IL Privatlectüre:'
Sallust. und Caesar de B. civili mit Auswahl.
b. Ober-Secunda (Cursus l Jahr).
Repetition des ganzen voraufgegangenen grammat. Pensums, womit die Grammatik ab-
geschlossen wird. Dann der Satz- und Periodenbau; die Wortstellung. Wöchenthch 1 Exercitium
und in der Classe Extemporaba. Beginn mit kleinen latein. Aufsätzen historischen Inhalts, zuerst
nach gegebenen Dispositionen; alle 2 Monate 1 Aufsatz. Leetüre: Cicer. oratt. selectae, insonderheit
pro Rose. Amerino, pro Sulla; dann de provinc. consularibus u. a. Livius hb. III— VI, mehr
cursorisch; Virgil. Aeneid. hb. III — VI, auch einzelne Eclogen und einzelne Stücke aus den Georg.
Privatlectüre: Cicero und Li\ius.
I^*ima, wöchentlich 8 Stunden (Cursus 2 Jahre).
Wiederholungen aus der Grammatik unter Anknüpfung an die Leetüre. Die Syntax ornata.
Lehre des latein. Stils. Exercitia und Extemporaba. Lateinische Aufsätze und zwar alle 2 Monate
1 Aufsatz. Leetüre: Cic. Staatsreden pro Milone, in Verrem, pro Murena; ferner de Officiis und
Epistt. ad Attic, besonders hb. I. — de Oratore, Brutus, Tuscull. hb. I; Tacit. Annall. und Germania.
Horat. Oden, Satiren und Episteln. Privatlectüre: Cicero, Tacitus und Livius.
Anm. Für den Fall der Zerlegung der Prima in eine Unter- und Ober-Prima gilt hinsichtlich der Leetüre;
a. Unter-Prima (Cursus 1 Jahr).
Cic. pro Milone, in Verr., pro Murena. de offic. I. und Epistt. ad Att. hb. I. Tacitt. Germania.
Horat. Carm. hb. I — IH. Memorii-eu einzelner Oden. Die Horazischeu Metra. Privatlectüre:
Cicero, Livius.
b. Ober- Prima (Cursus 1 Jahr.)
Cic. Brutus, de Oratore, Tuscull. Disp. hb. I. Einzelne Staatsreden: pro Sestio, pro Plancio,
Tacit. Annalen, Horatius. Repetition einzelner Oden; dann Satiren und Episteln. — Privatlectüre:
Cicero, Livius, Tacitus, besonders Vita Agricolae.
6.
Griechisch.
Quarta, wöchenthch 5 Stunden.
Die regelmässige Formenlehre bis einschhesshch der Verba pura, der muta und contracta;
(Methode, wie im Lateinischen; cf. Lat. Sexta;. Uebersetzungen aus dem Griechischen in das Deutsche
(aus einem Lesebuche; zur Zeit: Jacobs Lesebuch). Gegen Ende des Semesters: Uebungen im
7*
52 -—
mündlichen Uebersetzen aus dem Deutschen in das Griechische und hierauf kurze häusliche,
Exercitia zur Einübung der Accente und der Verbalformen. Memoriren von Vocabeln.
Tertia, wöchentlich 6 Stunden
a. Unter- Tertia (Cursus l Jahi-).
Eepetition des Pensums von IV., dann die Verha liquida und die Verha auf ,,.; die ge-
bräuchlichsten unregelmässigen Verba werden ^viederholt durchgenommen und emgeuht. Die Prä-
positionen; die einfachsten syntactisehen Regeln. Wöchentlich 1 kurzes Lxerc.tu.m. Memonren von
Vocabeln und kmzen griechischen Sätzen. Lectiire: Lesebuch: der zweite Cursus im Lesebuch von
Jacobs; gegen Ende des Semesters auch Xenoph. Anah. I, c. I.
b. Ober -Tertia (Cui-sus 1 Jahr).
Unablässige Wiederholung des ganzen voraufgegangenen grammatischen Pensums, besonder
der Verba. Die unregehnässigen Verba werden absolvirt. Die Hauptsachen aus der Lehre von der
Eeetion der Casus. Wöchentlich 1 E.xercitiun.. Leetüre: Xenoph. Anabasis. hb. L Gegen Ende des
Semesters: Homer. Odyss. lib. I. 1-150: Einführung in die homerische fonncnlehre.
Secnnda, wöchenthch G Stunden.
a. Unter-Secunda (Cursus 1 .Jahr).
Allgemeine Wiederholung der Formenlehre. Die Casnslehre im Zusammenhange
Hauptregeln aus der Syntax, als: Sj-ntax des Artikels und der Pronomina; die Attract.on des pijn
relat ■ die Tempora und Modi: die gebruuchUchsten Coiijunctionen in ihren Verbindungen mit den
Modis: die Intinitiv- und Participial - Constructionen. Wöchentlich 1 txercituim^ '""
Sätze. Leetüre: Xenoph. Anabasis. 2 Bücher. Homer. Odyss. hb. 1-I\
Formenlehre. Privatlectüre : Xenoph. und Homers Odyssee.
\
53
/.
Die
Memoriren kurzer
Die homerische
b. Ober-Secunda (Cursus I Jahr).
Eepetition der Casuslehre unter fortlaufender Berücksichtigung der Formenlehie. Dann die
Svntax der Tempora und Modi in system:itischem /us.imnienliange. Der zusammengesetzte Satz und
Se Partikeln und Conjunctioncn. vLugsweise der hypothetische Satz. Im f^nzen: Abschluss
de'!; ematischen Unterrichts in der Grammatik. Wöchentlich . Exercitium .L«ture: Xenoph
Cvron Hellenica und Memorab,: ferner Plutarchs leichtere Biographien, .als^Agis und Ceo neues
TL'c^l CamiUusetc. Herodot; Hom. Od. lib. V - VIII. Privatlectüre: Xenophon und Homers
Odyssee.
Prima, wöchentlich 6 Stunden.
Hauptaufgabe: Erklärung der Griechischen Classiker in allen ihren reichen Be'-i'-'l'""J«"
zum HelJ^iLheif Leben. Gelegenthch feinere grammatische Bemer ungen ; Grn^me,.. «
verbunden mit Wiederholungen grammatischer Regeln. Alle 11 läge ein i^xeicu
ETipId»: M. »^ Xni-XXlV. PraUWre, Ph». IVm..lb..e., Tb..,««. SopM».
Deutsch.
Sexta, wöchenthch 3 Stunden.
Lesen und Nacherzählen des Gelesenen mit genauer Berücksichtigung des Vortrages und
der Aussprache. Auswendiglernen aufgegebener Gedichte und Vortrag derselben; die Gedichte
werden von der ganzen Classe gelernt. Grammatik in Anschluss an die Leetüre. Unterscheidung
der Redetheile und der Glieder des einfachen Satzes. Formenlehre in Anschluss an das Lateinische,
mit genauer Uebereinstimmung der grammatischen Terminologie des Lateinischen und des Deutschen.
Die Präpositionen und ihre Rection. Orthographie und das Hauptsächlichste aus der Interpunctions-
lehre; zu Grunde gelegt wird tlie Grammatik von Wigger und ist in allen nächstfolgenden Classen
dieselbe Orthographie zu lehren und zu beobachten. Kleine Aufsätze (alle 14 Tage 1 Aufsatz)
nach in der Classe vorgetragenen und durchgenommenen Stoffen.
Qninta, wfichentlich 3 Stunden.
Lesen und Grammatik, wie in VL Dann der einfache erweiterte Satz und die leichteren
Formen des zusammengesetzten Satzes. Die Conjunctioncn.
Die Interpunktionslehre. Orthographie. Kleine Aufsätze nach vorgetragenen und durch-
gesprochenen .Materien; alle 14 Tage ein Aufsatz. Auswendiglernen aufgegebener Gedichte und
Vortrag derselben; vgl. Cl. VL
Ouarta, wöchentlich 3 Stunden.
Lesen und Frklären prosaischer und poetischer Stücke aus dem Lesebuche. Uebungen
im freien Wiedergeben derselben. Vorträge von auswendiggelernten aufgegebenen Gedichten (aus
dem Lesebuche). Grammatik in Anschluss an die Leetüre. Die indirecte Rede, mit angemessener
Iliuweisuiig auf das Lateinische. Der zusammengesetzte Satz und die Periode. Repetition der
Interpunktionslehre: Orthographie genau, wie in den voraufgehcnden Classen. Berücksichtigung der
Fremdwörter. Aulsätze nach gegebenen Stoffen sowohl historischen InhaUs, als nach Selbst-
erlebtem. Alle 14 Tage 1 Aufsatz.
Tertia, wöchentlich 3 Stunden.
a. Unter- Tertia (Cui-sus 1 Jahr).
Lesen und Erklären prosaischer und poetischer Stücke aus dem Lesebuche, vorzugsweise
Gedichte aus der epischen Lyrik. Belehrung über das Versmaas und über das allgemeine Gesetz
der deutsehen Metrik. Genaueres über die Satz- und Formenlehre; starke und schwache
Declination und Conjugation. Vorträge von der ganzen Classe aufgegebenen Gedichten. Kleine
freie Vorträge aus der Geschichte, besonders der alten Geschichte. Aufsätze über besprochene
und disponirte Themata erzählenden Inhalts, vorzüglich aber Behufs Bildung des deutschen Stils.
Uebers et Zungen aus fremden Sprachen ins Deutsche. Alle 14 Tage 1 Aufsatz.
b. Ober -Tertia (Cursus l Jahr).
Erklärung prosaischer und poetischer Stücke aus dem Lesebuche, wie in III b.; dazu
Anleitung zum Disponiren und zwar zunächst Aufsuchung der Dispositionen in gelesenen Stücken.
Uebungen im freien Vortrage geschichthcher Gegenstände. Aufsätze über besprochene und mündhch
disponirte Themata; gegen Ende des Semesters fällt die mündhche Disposition weg; die Themata
werden nur besprochen und die nöthigen Gedanken zugeführt. Alle 14 Tage bis 3 Wochen 1 Aufsatz.
54
Secunda,
a. Unter-Secunda. wöchentlich 3 Stunden (Cursus 1 Jahr).
Das Wesen der Hauptdichtungsarten und die Unterschiede der metrischen Form (Poetik)
werden an Beispielen aus dem Lesehuche durchgenommen und erläutert; Mittheilungen historischen
Inhalts über die einzelnen Dichter. Freie Vorträge , deren Inhalt theils aus dem Geschichts-
unterricht, theils aus der Privatlectüre der alten Classiker zu entnehmen ist. Das Wichtigste aus
der Rhetorik. Die Dispositionslehre. Aufsätze mit voraufgehender eigner Disposition. Alle 4 Wochen
1 Aufsatz. Uebungeu des Stils hauptsächUch durch Uebersetzungen aus fremden Sprachen.
Declamation.
b. Ober-Secunda, wöchentlich 2 Stunden (Cursus l Jahr).
Die classische Litteratur des Mittelalters. Hinblick auf die historische Grammatik Ultilas.
Einzelne Partien aus den alten Epen (Nibelungen, Gudrun etc.) werden gelesen. Gelegenthche
Repetition der Poetik. Aufsatzthemata werden nur aus den Gebieten, die dem Schüler genau
bekannt sind, als aus der Geschichte, der Litteratur, der Leetüre entnommen. Alle 4 Wochen
1 Aufsatz. Declamation.
I^inia, wöchentHch 3 Stunden (Cursus 2 Jahre).
Uebersicht der Litteraturgpschichte von Luther bis auf die Gegenwart (die 2. classische
Periode); Leetüre von Proben aus den deutschen Classikern, besonders aus Herder, Lessing, Goethe
und Schiller. Weiter vorzugsweise: die Romantische Schule und ihr Eintluss auf die Gegenwart.
Aufsätze mit Disponirübungen. Alle 4 Wochen 1 Aufsatz, doch sollen im Semester nicht
mehr als höchstens 5 Aufsätze gearbeitet werden. Freie Vorträge über selbstgewählte Stoffe.
Declamation.
Vorläutig bis auf Weiteres bleibt noch ausgesetzt, wird aber später in den Kreis der Lehr-
gegenstände gezogen werden in wöchentUch I Stunde:
Philosophische Propädeutik. Die Hauptsachen der empirischen Psychologie. Die wichtigsten
Lehren der formalen Logik.
8.
F r :ni z ö s i s r h.
Quinta, wöchentHch 3 Stunden.
Die Aussprache. Leseübungen. Die regelmässige Formenlehre (Dechnation, Hülfszeit-
wörter, Conjugation). Mündhche und schriftliche Uebungen im Uebersetzen aus dem Französischen
ins Deutsche und gegen Ende des Semesters auch aus dem Deutschen ins Französische; kurze
häusHche Exercitia; wöchentHch 1 Exercitium, — doch erst gegen Ende des Semesters. Aus-
wendiglernen von Vocabeln und Redensarten. Leetüre: Lesebuch. Einiges über die Wortstellung.
Onarta. wöchentHch 3 Stunden.
Repetition des Pensums von V. Dazu: die Pronomina, die Zahlwörter, die Comparationen,
der Theilungsai-tikel, der einfache Satz in der Frage, in der Verneinung, und in der fragend-
verneinenden Form. Die gebräuchHchsten unregelmässigen Verba und die hauptsächHchsten synta-
ctischen Regeln. Das Nothwendigste über die Wortstellung. Alle 8 Tage ein kurzes Exercitium.
Leetüre: Lesebuch.
\
I
55
Tertia, wöchentHch 3 Stunden.
a. Unter- Tertia (Cursus l Jahr).
Repetition des Pensums von IV. und V. Dann die unregelmässige Formenlehre. Die
Casuslehre. Die Wortstellung. Alle 8 Tage ein Exercitium. Phraseologie und Auswendiglernen
derselben. Leetüre: Lesebuch.
b. Ober- Tertia (Cursus 1 Jahr).
Repetition des Pensums von Hlb. Das HauptsächHchste aus der Lehre von den temporibus
und modis. Alle 8 Tage 1 Exercitium; dazu Extemporalia und Uebungen im mündHchen Ueber-
setzen und Sprechen. Leetüre: Charles XH. von Voltaire, oder eine passende Chrestomathie.
Seciinda, wöchentHch 2 Stunden.
a. Unter-Secunda (Cursus 1 Jahr).
Wiederholung der regelmässigen und unregelmässigen Formenlehre. Die regelmässige Syntax.
Systematische Erörterung der Wortstellung und des Gebrauchs der Tempora und Modi. Die Con-
junctionen und der zusammengesetzte Satz: die ächten und die unächten Praepositionen, und die
Participial - Constructionen in rationeller Ableitung. Leetüre: Charles XII. Alle 14 Tage ein
Exercitium. ExtemporaHa; mündliche Uebungen im Uebersetzen ins Französische. Sprechübungen.
Anm. Statt des Charles XII. kann auch eine angeuiesseiie Chrestomathie gebraucht werden.
b. Ober-Secunda (Cursus 1 Jahr).
Repetition des Pensums von Hb.; zur prosaischen Lectüi-e tritt die poetische hinzu; die
Hauptregcln über die Metrik. Exercitien und die weitern Uebungen, wie in Hb.; Lectüi-e: eine
passende Chrestomathie, oder: Segur histoire de Napol.: Thiers: Bonaparte en Egypte etc.
MoHere, Scribe.
Anm. In Obersecunda Abschluss der Grauimatik.
I^ima, wöchentlich 2 Stunden Cursus 2 Jahre).
Zusammenfassende und ergänzende Wiederholung der grammatischen Regeln, mit besonderer
Hervorhebung des formalen Charakters der französischen Spraclie, sich anlehnend an die Leetüre
und an die Exercitien; letztere sind aus Plötz Uebuugsbuch zu entnehmen. Alle 14 Tage ein Exercitium.
Sprechübungen.
Leetüre: eine Chrestomathie, oder abwechselnd ausgewählte französische Classiker; auch
Dramen von Corneille, Racine, MoHere; dazu überall Htterarhistorische Bemerkungen.
9.
Hebräisch.
Secunda, wöchentlich 2 Stunden (Cursus 2 Jahre).
Die Lautlehre. Leseübungen. Die Formenlehre (die Conjugatt. einschliessHch der verba
quiescentia; die Declinationen; die Pronomina). Uebersetzungsübungen aus der Genesis: die haupt-
sächlichsten syntactischen Regeln. Auswendiglernen von Vocabeln.
J^rima^ wöchentlich 2 Stunden (Cursus 2 Jahre).
Wederholung und Vervoüständigung der Formenlehre. Die Syntax. Exercitia. Leetüre:
die historischen Bücher des A. T., die Psalmen und ausgewählte Stücke aus den Propheten.
56
.10.
Singen.
Der Gesauguntei-richt ist obligatorisch; doch bleiboi vorerst entftcict die Sexta und di.
Quinta. Der Unterrieht beginnt und wd regelmHssig erthoilt in der Quai-t.a und m der Tertia
(beide Classen con.bini.-t,. Aus der Secunda und aus der Prima treten hinzu Ale d.e -- G-^^J
befähicH sind Der Unterricht wird ertheilt in 4 «ikhentbclien Stunden, «aml.cb .u l htundc. \or-
übung^n (Quarta): dann in 2 Stunden: Uebungen der Altisten und der Sopran isten (Quarta und
TeraV endlich in einer Stunde: der vierstimmige Chor (Hinzutntt der befalngtcn Socundaner
i^d Primaner). Besonderes Gewicht wird gelegt auf die Einübung der Chorale. die auch vierstimmig
gesunken werden. Ausserdem angemessene Compositionen. als Motetten. Psalmen. Lieder etc., deren
Wahl^dem Ermessen des Gesanglehrers überlassen bleibt. Dispensationen vom Gesäuge komien nur
von dem Direetor der Anstalt ertheilt werden.
11.
Turnen.
Die Turnübungen für .las ganze Gymnasium Hnden wahrend des Sommers .allwiiehentlieh
zweimal (am Mittwoch und Sonnabend N-aebmittu, von .". -7 Uhr, im Freien .auf dem hiesigen
Schelfwerder) statt und zwar unter Leitung eines eignen T«ri,l..hrei-s und unter Aufsicht eines
G^nasial-Lehrers; der erstere muss stets zugegen sein, die beaufsichtigenden L.irer dagegen
2r Ausnahme des Dhectors wechseln der Keihe nach ab. Im Wn.ter werden die ebuiigeu
nur für die Secunda und für die Prima zweinuil wiichenthch m d,.- hiesigen urnlmllo «ntei
Leitung des Turnlehrers abgehalten, zuniichst zu den, /.wecke, um dadurch die jedesmaligen ^ or-
tnrner für den nächsten Sommer heranzubilden. . , ,■
Der Unterricht im Turnen ist ebenfalls oWigatorisch für die Schüler: jedoch sind die
Angehörigen derselben befugt, um Dispensationen bei dem Direetor der Anstalt nachzusuchen, und
werden solche dann nach Betindcn bereitwillig ertheilt.
12.
Nachtrag In der vorstehenden Lehrverfassung des tickssigen Gymnasium Fridcrieiaiium
sind einzelne Lectioneii besondei-s in den m.tere.i Classcn. z. B die Geschichte und Geographie, aus guten
Gründen mit mehr Stunden bedacht worden, als nüthig ist. Jedoch wird die Ausgleichung bei
der voraussichtlichen Tlieilung einzelner Classcn thunlichst eintreten.
\
Schul nach richten
von Ostern 1870 bis dahin 1871.
Tiin kurzer Rückblick auf das so eben zu Ende gehende Schuljahr gewährt die Ueber-
zeugung, dass dasselbe dermaleinst in den Annalen unseres Gymnasiums als ein durch innere und
äussere Verhältnisse gleich bedeutungsvolles hervorgehoben werden \sird. Nicht allein Ereignisse,
welche längst vorhergesehen waren und darum mit ruhiger Spannung erwartet werden konnten,
fiondern auch plötzlich eingetretene Vorkommnisse, unter denen besonders die Rückwirkungen des
gewaltigen, dem kundigen Auge zwar seit Jahren nicht zweifelhaften, aber dennoch wegen seines
plötzlichen Ausbruches immerhin überraschenden Kampfes hervorzuheben sind, haben nicht verfehlt, auch
in Unserer Anstalt sich geltend zu machen imd in dem in der Regel so einfachen und ruhigen Schulleben
Aufregungen und Veränderungen hervorzurufen, die im gewölnüichen Verlaufe der Dinge nicht
vorzukommen pflegen. Zwar hat der Unterricht seinen gewöhnhchen Fortgang gehabt und haben
auch alle jene üblichen Hergänge, die gleichsam wie Lichtpunkte in das alltägliche Schulleben
belebend hineinzufallen pflegen, wie der Anfang und der Schluss des Sommerturnens, die alljährhchen
Turnfahrten der älteren Schüler nach ferneren, der jüngeren nach näheren Orten in der Um-
gegend etc. stattgefunden, und hält Ref. es für angemessen, solche nicht weiter ausführhch zu
berühren. Allein die p]rtheilung des Unterrichts selbst war für die Anstalt mit nicht gewöhnhchen
Schwierigkeiten verbunden, und hat sich der Erfolg bei aller Sorgfalt, welche von Seiten der Lehrer
darauf verwendet worden ist, dennoch in einzelnen Fällen als ein mindestens zweifelhafter heraus-
gestellt. Schon mit der Eröffnung des Sonnnersemesters fand wiederum ein Lehrerwechsel statt.
Nachdem der bis Ostern 1870 ad interim angestellte Dr. Juhng, dessen Lehrthätigkeit sich
hauptsächlich auf den Unterricht in der Mathematik erstreckte, in Anbetracht dass drei mathe-
matische Lehrer nicht füglich an der Anstalt mit Nutzen zu verwenden waren, uns um jene Zeit
verlassen und an der Realschule zu Schönberg eine anderweitige amtUche Thätigkeit gefunden
hatte, war der auf dem Grossherzoglichen Seminar zu Neukloster vorgebildete Herr Friedrich
Brandt M, welcher bereits anderwärts genügende Proben seiner Lehrbefähigung abgelegt, unserem
*) Friedrich Johann Carl Brandt, geb. zu Neukrenzlin bei Ludwig-slu-st am l". Januar 1842, erhielt seine
Schulbildung auf der Realschile zu Ludwigslust, wirkte hierauf längere Zeit als Hauslehrer, dann als Schulassistent und trat
Michaeli.« IHHf» nach l)estandeuer Aufnahme -Prüfung m das Schullehrerseminar zu Neuldo.ster. Nach absolvirterü zweijährigen
Seminarcur.su.« wurde ihm die Ilüllslehrerptelle an der Navigations - Vorbereitungsschule zu Daeudorf auf dem Fischlande ver-
lieben, VOM woher er r.ach di'ejjahnger Wirksamkeit zu Ostern lö70 an das hiesige Gymnasium Fridencianum berufen
worden kt.
8
58
Gymnasium zur Hülfsleistung zugewiesen worden, und wurde ihm bei seinem Eintritt der Unterrirlit
in den untern Classen im Deutschen, im Rechnen, in der Naturgeschichte und in der Kehgiüu
zuertheilt. Da derselbe die ihm übertragenen Lehrstunden mit Geschick und Eifer und zugleich mit
sichtbarem Erfolg gegeben, so ist er auch von Michaelis a. p. an der Unsrige gebheben und steht
zu erwarten, dass er ehebaldigst eme dauernde Stellung hieselbst erhalten werde. Hatte es nun
auch den Anschein, als werde der begonnene Unterricht forthin seinen regelmässigen Verlauf nehmen,
so ging diese Envartung bedauerlichst nicht in Erfüllung. Von der um dieselbe Zeit in hiesiger Stadt
ausgebrochenen Masern - Epidemie wurde auch einer der ei-st seit Michaelis 1869 an der Anstalt
thätigen Lehrer, der Dr. Walter ergriffen, und wenn schon die genannte Krankheit dem Vernehmen
nach einen rulügen und regelmässigen Verlauf hatte, so traten dennoch alsbald ihi-e Nachwehen in
Besorguiss erregendem Grade ein. Um jene bedenkhcheu Erscheinungen wo möglich zu beseitigen
und die drohende Gefahr abzuwenden, imterzog der Leidende sich einer Trinkkur in Lippspringe,
allein ohne allen Erfolg; heimgekehrt erlag er einem Brustübel am 3. September 1S70. Sein
Hinscheiden versetzte die Anstalt in tiefe Trauer, welche besonders am Tage der Beerdigung am
7. September, an welchem alle Lehrer und sämnitliche Classen der Leiche folgten, hervortrat; sie
war um so aufrichtiger, je mehr es sich ungeachtet der nur kurzen Wirksamkeit des Verstorbenen
herausgestellt hatte, dass der Anstalt in ihm ein treuer und gewissenhafter, eben so sehr durch
gründhche Kenntnisse als durch pädagogische Tüchtigkeit betähigter Lehrer entrissen worden sei,
welcher bereits vielversprechende Erwartungen einer segensreichen Thätigkeit erweckt hatte. Denn
wie regsamen Geistes und wie scharfen Urtheils der Entschlafene im gewöhnlichen Leben auch war,
so besass er doch zugleich jene freundliche ^lilde des Gemüths, welche ilim in der kurzen Zeit
seines Hierseins nicht allein die Liebe und Zuneigung seiner Schüler, sondern auch die Achtung und
Anerkennung seiner Collegen in dem Grade envorben hatte, dass Einzelne von diesen selbst durch
die Bande der herzhchsten Freundschaft sich mit ihm verbunden fühlten. Er ruhe in Frieden!
Fast gleichzeitig mit jenem wurde noch ein anderer Lehrer von einem langAvierigen Leiden
heimgesucht, welches ihn bis zum Ende der Sommerfenen seiner amtlichen Thätigkeit entzog.
Da beide Lehrer in den wichtigen unteren Classen als Ordinarien beschäftigt waren, so musste, um
die aus den beiden gleichzeitigen Vacanzen hervorgehenden Uebelstände auf das geringste Maass
zurückzuführen, die bis dahin in zwei getrennte Coetus getheilte Quinta wiederum unter
einem Classenlehrer zusammengelegt, und für die Sexta ein Ordinarius ad interim bestellt
werden, für den hiedurch, da er bereits ein Ordinariat in einer der oberen Classen zu verwalten
hatte, ein nicht geringer Zuwachs an Arbeit und Mühe hervorging, welcher er sich jedoch fast den
ganzen Sommer hindurch mit voller Hingebung unterzogen hat. Wurden nun durch diese \'('rhält-
nisse mein- niu" die Kräfte der Lehrer in Anspruch genommen, so wirkte gleichzeitig der unterdess
entbrannte Deutsch -Französische Krieg mit unglaubhcher Gewalt auf die Gemüther der
erwachsenern Jugend; wer nur irgend mit Erfolg die Waffen glaubte lühren zu können, der
trat hervor mit dem festen Entschlüsse, das Vaterland gegen den übermüthigen Feind zu ver-
theidigen, und es galt daher die von tiefster Entrüstung ergriffene, ungestlon aufwallende Jugend,
unter vollständiger Wahrung ihrer gerechten Begeisterung so zu lenken und zu leiten, dass ihrer
Zukunft nach Beendigung des Kampfes kein Eintrag geschehe. Ref. erklärte daher, dass, abgesehen
von einzelnen Schülern der See und a und Tertia, welche nicht die Absicht hätten sich den
Universitätsstudien zu widmen, sondern entweder die militärische Laufbahn überhaupt einzuschlagen
oder doch wenigstens ihr Freiwilligenjahr sofort abzudienen gedächten, es für die Schüler der
Prima unter allen Umständen als geboten erscheine, nur nach zuvoriger Absolvirung
des Abiturienten -Examens in das Heer einzutreten; demnach möchten diejenigen,
welche bereits in einem höheren Classenalter ständen, für den Fall, dass desfallsige Ver-
fügungen von dem Hohen Ministerium erlassen würden, sich sofort mit allem Ernst und Eifer zu
^
39
dem genannten Examen vorbereiten. Es gereichte daher dem Ref. zu nicht geringer Freude, jene
Mahnung rechtzeitig erlassen zu haben, als die gedachte Hohe Behörde bereits durch Rescript vom
23. Juh a. p. die Genehmigung ertheilte, dass auch die Schüler der Prima, welche erst l^/i Jahre
in dieser Classe gesessen, dennoch sofort zur Maturitäts-Prüfung zuzulassen seien, jedoch mit voll-
ständiger Aufrechthaltung der Forderungen für die geistige academische Reife. In Folge dessen
wurde in dem schon an und für sich kürzeren Soramersemester eine zweimalige Abiturienten-
Prüfung abgehalten, die ei*ste ordentliche kurz vor dem pjntritt der Hundstagsferien, die zweite
ausserordentliche in jenen Ferien selbst, und es gereicht der Anstalt zur Befriedigung, dass auch in
der letzteren sämmtliche 5 Abiturienten bei gleichmässig strenger Anforderung das Zeugniss der
acadcmischen Reife, Einer^ sogar des ersten Grades, erhalten konnten. Die gesetzhch vor-
geschriebene öffentliche Entlassung dieser Abiturienten hat allerdings nicht stattfinden können.
da sieben von ihnen sofort in das Heer eintraten; auch hätte dieselbe überall vor sämmtHchen
Schülern und Lehrern eben so wenig, als in den beiden voraufgehenden Semestern vorgenommen
werden können, da bis zum Herbst vorigen Jahres ein angemessenes Local dazu nicht vorhanden
war. Dieser Uebelstand ist erst um die angegebene Zeit gehoben worden und diess führt uns zu
dem bedeutendsten Ereigniss des zu Ende gehenden Schuljahres, nämhch zu der Uebersiedelung
des Gymnasium Fridericianum in das durch die Munificenz des Allergnädigsten
Landesherrn erbauete neue Gymnasial-Ge bände. Mit ausdrücklicher Genehmigung der
Hohen Behörden war zur Einweihung und Uebergabe des neuen Hauses der 10. October, an welchem
Tage das Wintersemester beginnen sollte, festgesetzt w^orden. Demzufolge musste, um eine Unter-
brechung des l'nterrichts so viel als möglich zu vermeiden und am IL October das gedachte
Semester eröffnen zu können, der durch die zu Michaelis 1869 erfolgte Reorganisation des Gymna-
siums, welcher bereits in dem vorigen Programme gedacht ist, in hohem Grade erschwerte Umzug
in den voraufgehenden Wochen beschafft und sämmtliche Utensilien und Apparate in dem neuen
Gebäude^ zweckmässig untergebracht werden. Die meiste Arbeit verursachte die in den grossen
Hörsaal des alten Gymnasiums zeitweilig eingeräumte und wegen Mangels an geeigneten Repositorien
in völliger Unordnung belassene Schulbibliothek, welche in dem neuen Gymnasium eine ganz neue
Auistellung und Einordnung nöthig machte. Um diess Alles möghchst rasch zu Ende zu führen,
wurde das Sonmierhalbjahr nicht in vorschriftsmässiger Weise am Freitag den 30. Sept., sondern
mit Genehmigung der Hohen Behörde bereits am 27. Sept. geschlossen, jedoch mit der Voraussetzung,
da.ss die also gewonnenen drei Tage nicht als Schulferien zu gelten hätten, sondern von Lehrern
und Scliülern zur Uebersiedelung der Anstalt benutzt werden möchten. Der Erfolg war ein wider
Erwarten rascher und günstiger, und sind, da auch jüngere Schüler sich bei dem Räumen der
Bibliothek mit lebhaftem Literesse betheihgten, Zeit und Kosten bedeutend erspart worden. Die
Schulbibliothek selbst ist jedoch erst in den letzten Wochen des October geordnet worden, und hält
Ref sich für verpflichtet, dem Herrn Dr. Seilin, welcher für den auf eignen Wunsch abgetreteneu
Herrn Dr. Latendorf seit Michaelis 1870 das Amt eines Unterbibliothekars übernommen und als
solcher sich dem mühevollen und zeitraubenden Geschäft, die Bibhothek gehörig zu ordnen, in der
liberalsten Woi^«^ unterzogen hat, dafür allhier den aufrichtigen Dank der Anstalt öffenthch aus-
zusprechen.
Die Einweihungsfeier fand am 10. Oct. früh um U Uhr in einfacher und erhebender Weise
statt. Nachdem eine halbe Stunde vorher sämmtliche Classen in dem Kreuzgang sich versammelt
und aufgestellt hatten, zogen sie unter den Klängen des von einem voraufgehenden Musikchor
vorgetragenen Chorals: W^ie schön leuchtet etc., gefolgt von ihren Lehrern, der Domgeisthchkeit
dem Scholarchat und den Schuh-äthen, durch die Bischofs- und durch die Marienstrasse nach dem
neuen Gebäude, woselbst sich unterdess die von dem Hohen Ministerium geladenen Personen ein-
8»
60
gefunden hatten, und nahmen, geführt von ihren Lehrern, die für sie bestimmten Plätze ein. Hier-
auf erschienen Ihre Königlichen Hoheiten die regierende Frau Grossherzogin, die Frau
Grossherzogin-Mutter, die Frau Herzogin Wilhelm und Ihre Hoheit die Herzogin
Marie nebst Gefolge — Se. Königliche Hoheit der Grossherzog war durch seine Thätigkeit
im Felde bedauerlichst an dem Erscheinen behindert worden — , worauf, nach Absingung eines
Chorals, der Protoscholarch Herr Superintendent Dr. Karsten die Rednerbühne betrat und, nach-
dem er in tiefergreifender Rede die Weihe des neuen Hauses vollzogen, dasselbe unter Hinweis
auf die wichtigen Pflichten des Lelirerberuts und mit den herzhchsten und aufrichtigsten Wünschen
für das fernere Gedeihen der Schule, dem Director und dem Lehrer - Collegium zu fernerem
Gebrauche überwies. An diese Rede schloss sich unmittelbar eine Motette an, vorgetragen von dem
Schülerchor unter Leitung des Herrn Musikdirectors 0. Kade, und hielt darauf Ref. die Festrede,
nach deren Beendigung von sjimmthchen Anwesenden der Choral: Nun danket Alle etc. gesungen
und hiemit in würdiger Weise die Feier beschlossen wurde.
Am Nachmittage desselben Tages versammelten sich in Folge einer Einladung der Bau-
Committe die theils bei der Einweihung anwesend, theils bei dem Bau selbst vorzugsweise betheihgt
gewesenen Personen zu einem Festmahle in dem Stern'schen Hotel und sollte dann die Feier des
Tages durch einen von sämmtlichen Classen des Gynuiasiums zu Ehren der Allerhöchsten
Herrschaften veranstalteten Fackelzug ihren Abschluss erhaUen, der jedoch leider der ungestümen
Witterung wegen auf den nächstfolgenden Abend verschoben werden musste. Diess sollte jedoch
die Freude unserer Jugend nicht stören; die Mitglieder der oberen Classen vereinigten sich mit
Genehmigung des Ref zu einem Abendvergnügen in der hiesigen Centralhalle, an welchem sich
ausser den Lehrern des Gymnasiums auch eine grössere Anzahl früherer Schüler des Fridericianums
zur grössten Freude ihrer jüngeren Commilitonen betheiUgten. In der hiedurch noch mehr gehobenen
heitern Stimmung, die jedoch im Hinblick auf die schweren Zeitverhältnisse einen angemessenen
Ernst nicht verkennen Hess, fand es den allgemeinsten Anklang, dem fern im schwersten Kampfe
weilenden geüebten Landesherrn ein den freudigsten Dank unserer .lugend kündendes Telegrannn
nach Rheinis zu übersenden, welches Se. Königliche Hoheit einer ausdrückhchen mündlichen
Mittheilung zufolge mit gewohnter Huld und Güte entgegenzunehmen geruhet haben.
Am Tage nach der Einweihung, am II. Octob., wurde früh um l<» Uhr das Wintersemester
mit dem übhchen Morgengebet eröffnet, worauf weiter die hauptsächlichsten Schulgesetze den
sämmthchen Classen von dem Ref. mitgetlieilt und eingeschärft, und sodann die in das Gymnasium
neu eintretenden Knaben in den Schulverband aufgenommen wurden. Zugleich wurde auch der
Candidat des höheren Schulamtes, Herr Carl Johann Wilhelm Beckmann \), welchem von dem
Hohen Ministerium die durch den Tod des Dr. Walter erledigte Stelle verliehen worden war, von
dem Ref. in sein neues Amt eingewiesen und hiedurch die vorhandene Lücke im Lehrerpei-sonal
wieder ausgefüllt, in der Hoffnung, dass nunmehr der Unterricht in den neuen Räumen vorerst
seinen ungestörten Fortgang haben werde. Allein auch diese Hoffnung sollte nicht in Erfüllung
gehen. Zwar hatte sich Ref bereits in den letzten zwei Jahren vollständig mit dem Gedanken
vertraut gemacht, dass die Anstalt in dem Oberlehrer Dr. Hager ihren ersten Religionslehrer
ehestens verlieren werde, da derselbe seinem Wunsche sobald als thunlich in die Verwaltung eines
Pfarramtes, worin er seinen eigentlichen Lebensberuf zu erkennen glaubte, einzutreten, zu wieder-
holten Malen Ausdruck gegeben hatte. Allein dessenungeachtet fühlte sich Ref sichtlich überrascht.
):
*) Carl Johann Wilhelm Beckmann, geboren zu Parchira den 9. April 1848, besuchte das Gymnaeium semer
Vaterstadt und studirte von Ostern 1867 bis Michaelis 1S70 zuerst Theologie und Philologie, dann ausschhesslich Philologie
in Erlangen, Rostock und Leipzig.
II
— W
ab ihm der Genannte am 10. Dec. seine Präsentation und am 19. ejusdem die auf ihn gefallene
Wahl zum Prediger in Rambow anzeigte mit dem Hinzufügen, dass er mit Ablauf des Jahres sein
hiesiges Amt niederlegen und noch in den Weihnachtsferien Schwerin verlassen werde; letzteres
geschah am 4. Januar 1S71. Wie herzlichen Antheil nun Ref an diesem Ereignisse auch nahm
und wie aufrichtig er den Scheidenden beglückwünschte, dass er das Ziel, welches er sich zur
Lebensaufgabe gemacht, glücklich erreicht habe, so konnte er dennoch im Interesse der Schule
diesen so plötzhchen Wechsel nur auf das Lebhafteste beklagen. Denn abgesehen davon, dass die
Anstalt an dem Dr. Hager einen Lehrer verlor, der sein gründhches Wissen in der Förderung und
ganz besonders in der sittlichen Entwickelung der ihm anvertraueten Jugend zur Geltung zu bringen
verstand und der zugleich durch ein gerades und offenes Wiesen, sowie durch freundliche Gefälligkeit
und Dienstfertigkeit die Freundschaft und Achtung seiner Collegen, durch aufrichtiges Wolilwollen die
Liebe und Zuneigung seiner Schüler sich zu erwerben wusste, so wurde sie ausserdem noch durch
die plötzliche Veränderung, welche hinsichtlich der sofort vacant werdenden Lehrstunden eintreten
nmsste, bei weitem mehr als in andern ähnlichen Fällen berührt. Es handelte sich nämlich nicht
darum, die einzelnen Stunden einfach unter die übrigen Lehrer zu vertheilen, sondern bei der
Wichtigkeit der in Frage stehenden Lehrficher galt es dieselben sogleich so zu besetzen, dass die
]»etreffenden Lehrobjecte der Lehrverfassung gemäss ohne Unterbrechung und somit ohne Xachtheil
für die Schüler vorschriftsmässig fortgeführt würden. Dem Ref erwuchs hieraus von Neuem die
schwierige und zeitraubende Arbeit, mitten im Semester den ganzen zehnclassigen Lectionsplan
völlig umarbeiten zu müssen, ein Umstand, den er im Interesse der Anstalt nur beklagen kann,
weil dadurch, zumal da zu (3stern a. c. bei dem Eintritt eines neuen Lehrers dasselbe wird geschehen
müssen, die Schule nie zu der nöthigen Ruhe kommt, sondern unablässig hin und hergeworfen wird.
Nichtsdestoweniger unterzieht Ref sich allen diesen Arbeiten mit aufrichtiger Hingebung, weil er durch
das Gedeihen der Anstalt, welches trotz dieser immerwährenden Veränderungen dennoch sichtbar
zu Tage tritt, sich stets freudig bewegt fühlt und darin zugleich für die vielen Mehrarbeiten, w^elche
ihm aus der Vergrösserung der Schule überhaupt erwachsen, hinreichende Genugthuung findet.
Zur besonderen Befriedigung gereichte es der Anstalt, dass sie in diesem Jahre in der Lage
war, die Allerhöchste Geburtstagsfeier am 28. Februar d. J., welche in dem vorigen Jahre
aus Mangel an einem passenden Locale bedauerhchst hatte ausfallen müssen, in der herkömmlichen
Weise begehen zu können. Es war dazu nachstehendes Programm ausgegeben w^orden.
Choral: Wie schön leuchtet der Morgenstern. — Heinrich Evers: Orx dya&ov nokv-
xoiQavir^y elg xoii>ai()g töTv), tlg ßaoiltvg. (Lat. Rede.) — Weihnachtslied von Mich. Praetorius:
Geboren ist Emanuel. — Adolph Brandt: Die Eroberung von Strassburg. — Chor: Gott segne
Friedrich Franz! — Motette von Hauptmann: Gott mein Heil. — Johannes Eichbaum,
Friedrich Lechler und Hermann Wachenhusen: Scene aus Uhlands Fragment Conradin.
- Männerchor: Rheinsehnsucht, von Becker, eingeübt von Otto Tapp. - Hans Bock: Die
Tanne von Strassburg, von F. Rückert. — Wilhelm Pfähler: An die norddeutsche Flagge, von Freitag.
— Der kleine Chor: Deutschland, von Mendelssohn-Bartholdy. - Friedrich v. Hintzenstern:
Hurrah, Germania! von Freihgrath. — Max Schneider: Harald, von Wolfgang Müller. — DreiVolks-
heder von Mendelssohn-Bartholdy. Der Mittelsatz wird vom kleinen Chor gesungen. — Caesar
Rochow, Otto Reinhardt und Johannes Mulsow: Scene aus Schillers Piccolomini. — Abend-
lied von Grell: Die Sonne sinkt. - Johannes Krieger: Das Glück von Edenhall, von Uhland.
Friedrich Jahn: Der rechte Barbier, von Chamisso. — W^ilhelm Peters: Soldatenhed, von
Kräusler. — Abendhed von Öhlschläger: Still wie ein Schwan. — Theodor Aarons: De
richtige Rekuung, von F. Reuter. — Hermann Sandrock: Wächter und Bürgermeister, von
62
Claudius. — Alex. G roh mann: Wer hett de Fisch stahlen, von F. Reuter. — Chor: Die Wacht
am Rhein. , n i m
Noch ist im Interesse der Angehörigen unserer Schüler euier Verfugung des Hohen Mmi-
steriums vom 31. December 1870 zu gedenken, derzufolge diejenigen Schüler der unteren Classen
(incl. Obertertia), welche ein Jahr über den voi-schriftsmässigen einjährigen Classen-Cursus
hinaus in einer Classe gesessen haben und dennoch zur Vei-setzung in eine nächsthöhere Classe nicht
für reif befunden werden, durch Beschluss des Directors und der betheiligten Lehrer von der
Anstalt entfernt werden können, solches jedoch bei dem voraussichtlichen Eintreten einer derartigen
Maassnahme den resp. Aeltern ein Vierteljahr vorher angezeigt werden soll.
Als ein Festtag des Gymnasiums darf der 30. Januar d. J. angesehen werden. Schon am
Abend des voraufgehenden Tages, an dem Gebmtsfeste unserer allverehrtcMi Frau Gross-
herzogin, war gleichsam zur Erhöhung dieser fiü- das ganze engere Vaterland so bedeutungsvollen
Feier ein kaiserhches Telegramm aus Versailles hieselbst zur allgemeinen Kenntni^s gebracht worden,
dass Paris endlich capitulirt habe. Die allgemeine Ruhe, mit welcher diese so überaus
wichtige Nachricht ganz im Gegensatze zu dem freutUgen Aufjubeln anderer, durch die Opfer, die
der Krieg gefordert, nicht minder schwer heimgesuchten Städte allhier aufgenommen wurde, mag allerdings
ihren Grund in der tiefen Trauer gehabt haben, in welche gerade hier so manches Vater- und
Mutterherz nameutüch während den letzt voraufgegangenen Wochen versetzt worden war. Allem
da grosse weltgeschichtliche Ereignisse nicht nach den Gefühlen und iMiipfindungen Einzelner,
sondern ledigUch nach dem Eintluss und dem Segen, den sie voraussichtlich auf das Ganze üben
werden, bemessen und beurtheilt werden dürfen, so hielt Ref. in Anbetracht, <lass die unvergleich-
hche Tapferkeit und Ausdauer der deutschen Heere unser gemeinsames Vaterland vor den entsetz-
hchsten Leiden und Drangsalen, die ihm bevorgestanden, behütet und bewahrt hatte, es für angemessen,
sofort am Morgen des 30. Januar sämmtliche Lehrer und Schüler zu einer Festandacht in der Aula
des Gymnasiums zu versammeln und in einer Ansprache auf die ungewöhnliche Bedeutung des obigen
Ereignisses, insonderheit aber auf die frevelhafte Veranlassung zum Kriege und auf die segensreichen
Folo-en desselben für unser gemeinsames Vaterland hinzuweisen und schliesslich die Jugend dahin
zu ""ermahnen, die Erinnerung an die erlebten grossen Erfolge der deutschen Watfeii und des
deutschen Heldenmuthes stets treu im Herzen zu bewahren, mit dem Entschlüsse, wenn sie heran-
gewachsen und zu Männern geworden, falls ähidiche schwere /eitverhältnisse eintreten sollten, dem
empfangenen Beispiele gemäss mit Gut und Blut, nicht den Worten nach, sondern mit der That
einzustehen für das Wohl und die Rettung des Vaterlandes.
SchliessUch wird noch bemerkt, 1 ) dass die hierunten abgedruckte Festrede des Ref lediglich
um der Vollständigkeit der Schul- Annalen willen, die erst in späteren Zeiten eine gewisse W ichtigkeit
zu erhalten püegen, mitgetlieilt, und 2), dass, um den wiederholten Anfragen der Aeltern, welche ihre
Söhne dem hiesigen Gymnasium zu ül)ergebeii beabsichtigen, in Betreff der Classenziele etc. entgegen-
zukommeu und ihnen die ausführlichste Auskunft zu geben, die von dem Hohen Ministerium ge-
nehmigte Lehr Verfassung dem Druck übergeben worden ist. Da auf Grund derselben die Er-
theilung des Unterrichts in dem verflossenen Schuljahre, von einigen Vacanzen abgesehen, gewissen-
haft stattgefunden hat, so ist die Angabe der ertheilten Lectionen auch schon um der Raum-
ersparniss'' willen für diessmal von dem Ref. weggelassen worden. Mögen die gegebenen ^littheilungen
genügen zum Beweise, dass die Anstalt unablässig in allen ihren (Uiedern bemühet ist, die ihr
gestellte Aufgabe treu und redlich zu erfüllen, und wolle der allgütige Gott nach wie vor semeu
Segen dazu geben.
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Rede,
gebaUen bei tier Finweibun!^ des neuen Gymnasiums
am 10. October 1870.
Wenn nach den erhebenden Worten, durch welche die Weihe dieser Räume so eben voll-
zogen worden ist M, auch mir als zeitigem Vertreter dieser Anstalt die Ehre des Wortes zu Theil wird,
um auszusprechen, was augenblicklich mein Inneres bewegt, so halte ich mich zunächst für ver-
pflichtet, den Gefühlen der Dankbarkeit für den ausgezeichneten Beweis der Allerhöchsten Huld und
Gnade, welcher durch die P^rbauung dieses Hauses dem G}Tnnasium Fridericianmn von Neuem zu
Theil geworden ist, geziemenden Ausdruck zu geben. Sollen jedoch diese Dankesworte etwas mehr
als eine von dem Herkommen gebotene ehrfurchtsvolle Aeusserung sein, so werden sie von der
Erklärung begleitet sein müssen, dass die Anstalt auch den festen Willen hat, sich dieses besonderen
Beweises Allerhöchsten Wohlwollens nach me vor würdig zu erweisen und dass sie demnach
entschlossen ist, der ihr gestellten Aufgabe mit Aufbietung aller Kräfte gewissenhaft nachzukommen
und zu genügen. Daher hält sie es für geboten, in dieser feierhchen Stunde gleichsam Zeugniss
abzulegen von dem Geiste, welchen sie selbst in sich entwickelt und darstellt und welchen in ihren
Zöglingen heranzubilden und zur Geltung zu bringen sie bemühet ist. Denn sie betreibt kein
gewöhnliches Geschäft, noch rechnet sie mit todten Factoren; sie hat vielmehr mit dem Edelsten zu
thun, was die Natur dem Menschen verliehen hat, was jedes Vater- und Mutterherz mit den
heihgsteii (Jefühlen der Lie])e iiiniängt und mit den freudigsten Hoffnungen und mit der unab-
lässigsten Sorge hegt und pflegt; ihr liegt es ob, gleichwie einst Prometheus der rohen Masse
Leben und Odem einhauchte, also sich in den in der Körperhülle noch imentwickelt ruhenden jugend-
lichen (ieist zu versenken und ihn mit ihrem Geiste zu beleben und zu bilden, auf dass er Knospen
und Blüthen treibe und dermaleinst gute Früchte bringe.
Allein je wichtiger dieser Lehrberuf ist, weil er auf ganze Generationen entscheidenden
Einfluss zu üben vermag, um so schwerer ist die Verantwortlichkeit, die auf ihm ruhet; und es kann
daher iiieht bestimmt genug hervorgehoben werden, dass derselbe, um wahrhaft segenbringend zu
werden, keine anderen Ziele zu verfolgen hat, als die, das jugendliche Herz zu veredlen und den
jugendlichen Geist zu bilden. Beide Ziele sind vereint anzustreben, da die Erreichung nur des
Einen jede Erziehung einseitig und mangelhaft macht. Welche Mittel aber hat das Lehramt
anzuwenden, um beide zugleich zu erringen?
Es ist eine eigentliiimliche Erscheinung, dass, wie in dem jugendlichen Gemüthe die an-
gebornen Neigungen lange Zeit hindurch der Veredlung des Herzens und der Bildung des Geistes
schweren Kampf bereiten und erst allmälig dem sich beugen, was man Humanität nennt, so auch
in der Entwickelungsgeschichte der Mensch] leit ein gleicher Widerstreit uns entgegentritt. Ein Blick
auf den gegenwärtigen Bildungszustand Euroi)as und speciell der germanischen Völker genügt, um
zu erkennen, dass derselbe nicht aus sich selbst entstanden, nicht aus sich selbst erwachsen und
hervorgegangen, sondern dass er ein Ergebniss der ganzen Vergangenheit ist; Alles was der mensch-
liche Geist seit Jahrtausenden in rastloser Mühe und Arbeit errungen und aus seinem ureignen
Wesen geschaffen und hervorgebracht hat, das ist, mögen auch die Völker, an denen solches vor-
nehmhch zu Tage getreten, längst in Staub und Asche gesunken sein, dennoch ein unveräusserliches
Gemeingut der ganzen Menschheit geworden. Aber dieses Gut ist gewonnen nicht ohne den
schwersten Kampf gegen eine noch auf der tiefsten Culturstufe stehende Welt, und zwei Mächte
*) DurcL den Protoscbolarchen der Anstalt Herrn Superinl. Dr. Karsten.
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haben es errungen, die uranfänglich sich feindlich einander gegenüber standen, bi. die Eine endhch
versöhnt der Andern die Hand reichte, um sodann treu vereint den heutigen Eiu'opaischen Bildungs-
zustand zu begründen; indessen erst dem Germanischen Geiste war es vorbehalten, die volle Ver-
söhnung beider herbeizuführen, und in ihm ruhen daher noch heutigen Tages die beiden Machte, welche,
zwei himmelanstrebenden Pfeilern vergleichbar, den stolzen Bau unserer Bildung stiitzeu und tragen, das
Christenthum und das classische Alterthum. Beiden Mächten kann Niemand sich entziehen,
welcher \nspruch auf Bildung macht; vielmehr ist jeder, der sich berufen fühlt, als würdiger Mitarbeiter
an dem Werke der Gegenwart aufzutreten, gezwungen, sich dem Einflüsse beider volhg hinzugeben,
weil er nur so zu einem richtigen Verständniss seiner Mitwelt, in der er selbst wirken und schaffen
will -elangen kann. Ist aber jeder an den Bildungszustand der Jetztzeit mit unauflos-
lichen°Banden geknüpft, wird er da wohl im Stande sein, sich von dem Urheber und Schopfer
desselben, also von dem Christenthum selbst irgend wie zu lösen? Ist solches ganz unmoghch, so
folgt mit innerer Nothwendigkeit, dass derselbe Geist, dem wir Alle unseren gegenwärtigen Bildungs-
grad verdanken, auch unsere Bildungsstätten, in denen jener vermittelt wird, auf das Innigste durch-
wehen und durchdringen nmss. . ,, i
Aber dieser christliche Geist soll sich offenbaren nicht etwa bloss in dem, was speciell als
christliche Lehre der Jugend mitgetheilt und eingepflanzt wird; er soll von hier aus auch belebend
wken auf die Bildungsstätten selbst in ihrer Totalität, also in der Betriebsamkeit der Lehrenden
und der Lernenden; er soll das jugendliche Gemütli heben und ermuthigen durch den Glauben; er
soll es stärken und kräftigen durch die Erweckung des Willens; er soll es erlullen und durchdringen
mit jener opferfreudigen Hiugebung, welche in jeder Lage des Lebens ohne Rücksicht auf eignen
Vortheil und Gewinn nur in einer gewissenhaften Pflichterfüllung volle Befriedigung findet; mit
einem Wort, der Geist des Christenthums soll sich gestalten zum Geiste der Berufstreue und des
Fleisses der Pünktlichkeit und der Ordnung, des Gehorsams und der Liebe; er soll mit seiner
läuternden Gotteskraft die menschliche Gesammtkraft zur vollen Blüthe entfalten und allseitig zur
schönsten Harmonie entwickeln. Und diesen christlichen Geist in sich darzusteUen, ihn aus sich
weiter zu erzeugen und also die Veredlung der jungen Herzen zu bewirken, das ist die Aufgabe der
Gymnasien, ist also auch die unsrige.
Dieser Geist aber, ist er etwa ein anderer, als der durch die grösste That der Neuzeit in
uns Allen von Neuem lebendig gewordene? Oder sollte die Reformation der spitzfindigen Dialectik
einer verknöcherten Scholastik nur dessluilb ein Ende gemacht haben, um aus dem steinernen Felsen
statt des silberhell sprudelnden Quells der Alles erwärmenden und erquickenden christlichen Liebe
nur das trübe Rinnsal eines starren Formahsmus von Neuem hwvorzulocken ? Wenn es wahr ist.
dass die unter dem Hauche des wiedererwachten classischen Alterthums ins Leben getretene Refor-
mation jene Fesseln brach, um den urächten Geist des Christenthums gleichsam in neuer Jugend-
frische durch die Herzen ihrer Bekenner strömen zu lassen, so ist es ebenso wahr, dass, nachdem
Luthers Mahnwort an alle RathsheiTen Deutschlands, für gute Schulen zu sorgen, zur Wahriieit
geworden, kein anderer Geist in diesen wohnen und lebendig sein soll.
Auch unser Gymnasium ist eine Schöpfung der Reformation und niemals hat es, mögen
auch hin und wieder dunkele Wolken über dasselbe dahingezogen sein, diesen seinen reformatorischen
Character veriäugnet. Indessen wer gewohnt ist, auch in scheinbar unbedeutenden Dingen etwas zu
sehen, den dürfte in diesem Augenl)li(ke leicht ein Gefühl der Sorge überkommen. Zwar hat die
Reformation das Monopol der Gelehrsamkeit, welches früher die katholische Knche für sich allein ii.
Anspruch nahm, in den protestantischen Ländern völlig beseitigt; aber auch so ist in diesen Schule
und Kirche stets Hand in Hand mit einander gegangen und auch räumlich haben Trennungen nicht
leicht stattgefunden, ausser auf Grund unabweislichen Bedürfnisses. Doch sind diese überall ohne
)
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Tolgen geblieben? und werden solche auch hier zu besorgen sein? Wir glauben es nicht; so lange
^ der Geist der Reformation durch unsere Anstalt waltet, wird sie in voller Freiheit sich nach wie
vor ungestört entwickeln. Dass aber derselbe Geist, der Johann Albrecht einst bewog sie zu
gründen, sie auch an dieser neuen Stätte, wie vordem unter den Mauern des ehrwürdigen Domes
erfüllen wird, dafür bürgt das erste Weihewort, welches aus Erlauchtem Munde in treuer Erinnerung
an eine edle in Gott ruhende Fürstin über den Grundstein dieses Hauses dahintönte: ich bau auf
Gott! Und auf Gott und seinem ewigen Worte wird auch hier die Anstalt ruhen.
Hiemit aber haben wir nur einen Theil der Aufgabe, welche das Gymnasium zu lösen hat,
behandelt; nicht minder wichtig ist der zweite, die Bildung des Geistes, und es fragt sich, durch
welche Mittel diese vornehmlich erreicht werde. Wir antworten: einzig und allein durch eine ein-
gehende Beschäftigung mit dem classischen Alterthum und vorzugsweise durch das
Studium der alten Sprachen. Es ist not h wendig, diess von vornherein um so entschiedener zu betonen,
je heftiger die Angriffe zum Theil gewesen, zum Theil noch sind, welche man gegen diesen Hauptgegenstand
des Gymnasial - Unterrichts gerichtet hat. Man hat behauptet, derselbe sei bei dem gegenwärtigen
Zustande unserer modernen Bildung nicht allein entbehrlich, sondern geradezu ein Uebel, weil er
ein gedeihhches Fortschreiten in den übrigen Lehrdisciplinen, besonders in den neueren Sprachen
beeinträchtige. Andere haben sich nur gegen das Uebermass erklärt und demnach nur das Noth-
dürftige gefordert, etwa um die übliche fremdländische Nomenclatur zu verstehen und richtig an-
zuwenden. Noch andere haben jenen Unterricht nicht bloss als unnütz und entbehrlich, sondera
geradezu als gefährlich bezeichnet, weil die anhaltende Beschäftigung mit der heidnischen Welt den
christlichen Sinn gefährde und dem Christenthum selbst Schaden bringe.
Den letzten Vorwurf können wir auf sich beruhen lassen. Es ist bei der Eigenthümlichkeit
des Deutschen, Fremdländisches zu bewundern und in Sprache, in Tracht, in Sitte, in Denkweise
und Gewohnheit anzunehmen , allerdings nicht unmöglich , dass derselbe unter Umständen zum
Engländer und Franzosen werden könne; aber noch nie hat ein jahrelanges Verweilen im Griechen-
und Römerthum den Deutschen zum Griechen und Römer gemacht. Etwas anders verhält es sich
mit den übrigen Ausstellungen. Sie sind ausgegangen von Männern, welche selbst zwar ihre
Bildung durch die alten Sprachen erhalten, nachher aber im practischen Leben als tüchtige
Geschäftsleute niemals Gelegenheit gefunden haben, ihre Sprachkenntnisse thatsächhch zu verwerthen,
dagegen oft in der Lage gewesen sind, ihre mangelhafte Ausbildung in den neuem Sprachen tief
und schmoi'zlich zu emi)tinden. Ihren Forderungen, denen man eine gewisse Berechtigung nicht
glaubte absprechen zu dürfen, hat die Neuzeit Rechnung getragen dadurch, dass sie das Real-
gymnasium ins Leben rief. Allein trotz dieser Concession hat der Kampf seinen Abschluss noch
nicht gefunden; er wird überall, wo zwar Gymnasien existiren, Realschulen aber aus bestimmten
Griinden nicht vorhanden sind, fast leidenschaftHch fortgeführt und zwar, weil man in dem Gym-
nasium nicht eine geistige Bildungs-Anstalt, sondern ledighch eine Berufs-Anstalt an-
erkennen will.
In dieser Auffassung liegt der Grundirrthum der Gegner des Gymnasiums; sie gehen
sämmtlich von der irrigen Ansicht aus, dasselbe habe einzig und allein das zu gewähren, was sich
später in den verschiedenen Lebensberufen practisch verwerthen lasse; hier müsse der Landwirth,
hier der Forstmann, hier der Architect, hier der Kaufmann finden, was er einst gebrauche; was aber
nütze diesen Allen das Lateinische, was das Griechische?
Um das Fehlsame dieser Ansicht aufzuzeigen, würde freilich ein Hinweis auf den oben
beregten Satz, demzufolge unsere ganze gegenwärtige Bildung ein Ergebniss der ganzen Vergan-
genheit ist, deren verschiedene Phasen jedem Gebildeten wenigstens den Hauptsachen nach bekannt
sein müssen, allein nicht genügen, denn, würde man sagen, gewähren nicht die Uebersetzungen der
m
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alten Classiker eine viel schnellere und genauere Erkenntniss des Alterthunis, als die zeitraubeiidt'
Leetüre der Alten in der Ursprache? Führt nicht das Meistenverk deutscher Uebersetzungskunst.
Luthers Bibel, den Beweis, dass man Gottes Wort lesen und verstehen könne, ohne des Hebräischen
oder des Griechischen kundig zu sein? Allerdings, wäre die Kenntniss des Vlterthums der einzige
Zweck dieses Unterrichts, so möchten Uebersetzungen genügen; allein für die Aufgabe des Gymna-
siums sind sie nicht nur völhg unbrauchbar, sondern geradezu schädlich und darum verwerflich.
Eine kurze Andeutung wird hinreichen, diess deutlich zu erkennen. Wie mag es kommen,
dass der erste Unterricht in der Muttersprache gerade bei der schulgerechtesten Behandlung so
überaus unfruchtbar bleibt? Wie das Kind aus seiner ersten Umgebung Sprache, Sitte und Ge-
wohnheit mit allen Vorzügen und Fehlern in völliger Bewusstlosigkeit aufnimmt, gerade eben so be-
wusstlos verhält es sich jenem Unterricht gegenüber; es fasst, dem Zwange gehorchend, Regel und
Vorschrift mit dem Gedächtniss und lernt sie nachsprechen; aber es sträubt sich in seinem Innern
dagegen als gegen etwas, dessen es nicht bedarf, um seine Mutteisprache frei und ungezwungen zu
gebrauchen, gerade wie es bei den ersten mathematischen Anschauungen den strengen Beweis
dem gegenüber, was es mit seinen Augen sieht, lÜr völlig entbehrhch und unnütz erachtet. So
geschieht es, dass das mühsam Erlernte bald wieder olme sonderlichen Nutzen verschwindet und
dass der Erwachsene sich seiner Muttersprache zwar mit Geschick vielleicht und mit Boutine bedient,
jedoch olme sich der Gründe, warum so und nicht anders, irgend wie bewusst zu sein. Dahingegen
hört mit dem Eintreten der alten Sprachen jene Bewusstlosigkeit mit einem Male auf und die
glücklichsten Resultate auch in der Muttersprache werden sichtbar. Denn der jugendliche Geist
steht vor dem todten Worte und nichts von dem, was bei den neuern Sprachen ihn noch an-
heimelt, tritt ihm entgegen; kein Artikel am Hauptworte, kein Pronomen an den Verbalformen bietet
ihm einen Anhaltspunkt; Alles ist in die todte steinharte Form gegossen und ihm liegt es ob, diese
mit Hülfe der Muttersprache erst zu beleben; kurz, es beginnt jener wunderbare geistige Process, in
welchem die todte Form Veranlassung zur bewussten Erkenntniss der Muttersprache wird und diese
umgekehrt jener gleichsam Odem und Leben einhaucht; dieser Process ist es, der den jugendlichen
Geist zum Sprachbewusstsein erweckt und ihn das lehrt, was Kern und Wesen der ganzen Gymnasial-
Bildung ist, denken! Um diesen Hauptzweck zu erreichen, giebt es kein anderes :Mittel, als die
alten Sprachen; sie können durch nichts ersetzt werden, weder durch die einseitig bildende
Mathematik noch durch die neuern Sprachen. Jene unausgesetzte geistige Gymnastik aber erfasst
nach und nach Alles, was auf dem (iymnasium gelehrt wird, und alle Lehrobjecte haben hin-
wiederum zunächst keinen andern Zweck, als den, jener Gymnastik von allen Seiten den nöthigen
Bildungsstoff zuzuführen; die Mathematik soll eben so wenig den künftigen Mathematiker von Fach,
den Architecten oder den Ingenieur schaffen, als die alten Sprachen etwa lediglich dazu da sind, den
Juristen oder den Theologen zu bilden. Wolil aber sollen alle Schuldisciplinen nach Vorgang und
Anleitung der alten Sprachen dazu beitragen, dem Jüngling mit der Vollendung seines Gynmasial-
Cursus diejenige Reife der Geistesbildung auf seinen fernem Lebensweg mitzugeben, welche ihn
vollständig befähigt, sich in jedem nach W^ahl und Neigung ausersehenen Lebensberuf mit derjenigen
. Sicherheit zu bewegen, die es ihm möglich macht denselben ganz auszufüllen und zu beherrschen.
Es kann hienach keinem Zweifel unterliegen, dass die Behauptung, das (lymnasium müsse lediglich
Berufsanstalt sein, eine durchaus irrige ist, welcher stets mit Entschiedenheit entgegen getreten
werden muss. Demnach wird auch unsere Anstalt nach wie vor nur die treue Hüterin und Pflegerin
wie des classischen Alterthums überhaupt, so auch vorzugsweise der alten Sprachen sein.
In dieser Stellung fest zu verharren, wird ihr übrigens nicht schwer werden; schon bricht
ein richtiges Verständniss sich mehr und mehr Bahn und nicht wird, wie früher, die durch das
Maturitäts - Examen constatirte geistige Reife ausschliesshch nur für Universitäts - Studien gefordert;
auch andere Berufsfächer verlangen sie bereits, und es ist nicht schwer mit Bestimmtheit vorherzu-
sagen, dass in nicht ferner Zeit noch andere Berufskreise, für welche jenes Examen zur Zeit noch
als entbehrlich gilt, dasselbe beanspruchen werden.
Gemahnt uns nun dieses Alles, auf dem bisherigen Wege auch fernerhin unbeirrt fortzu-
schreiten, so ist doch ein Zeugniss ganz besonders dazu ermuthigend, durch welches unlängst in
unserem engeren Vaterlande der Werth einer tüchtigen Gymnasial-Bildung anerkannt worden ist,
ein Zeugniss, welches die hohe Einsicht dessen, der es ausgestellt, auf das Glänzendste beurkundet
Ein Allerliöchster Wille hat von dem Erben seiner Krone die volle durch Ablegung der Maturitäts-
Prülüug dücumcntirte Reife der Bildung gefordert, und in Folge dessen zählt ein erlauchter deutscher
Fürstensohn, nachdem er jener Forderung auf das Ehrenvollste entsprochen, auf einer deutschen
Hochschule zu den vollberechtigten Jüngern deutscher Kunst und Wissenschaft. Zwar haben uner-
wartet schwere Zeitereignisse die wissenschaftlichen Studien des jungen Fürsten zeitweilig unterbrochen;
auch er ist gleich Tausenden edler deutscher Jünglinge dem Rufe des Vaterlandes gefolgt, um es
gegen die Insolenz eiues übermüthigen Feindes zu vertheidigen; allein mit Gottes Hülfe wird diese
Unterbrechung eine nur vorübergehende sein.
Wer aber unter uns fühlt sich nicht Angesichts dessen von der Ueberzeugung durchdrungen,
dass es um das geistige Wohl eines Volkes gut bestellt sei, dem ein so erhabenes Beispiel voran-
leuchtet? wer nicht von der freudigen Hoffnung gehoben, dass den Bildungsstätten unseres engeren
Vaterlandes die Allerhöchste Fürsorge niemals fehlen werde? Und somit hält auch unsere altelir-
würdige Anstalt, durch fürstliche Huld von jeher gehegt und gepflegt, sich für berechtigt zu dem
Glauben, dass auch sie des Allerhöchsten Schutzes nach wie vor theilhaftig bleiben werde, besonders
wenn sie fortfährt die ihr zugewiesene Aufgabe redhch und gewissenhaft zu erfüllen; und dazu gebe
der Himmel seinen Segen.
Lehrapparat.
I. Schulbibliothek.
A. Geschenke:
L Vom Hohen Ministerium: A. F. Riedel. Codex diplomaticus Brandenburg, (sämmtliche bis
jetzt erschienenen Bände).
2. Aus dem Grossherzoglichen Cabinet: E. v. d. Launitz Wandtafeln zur Veranschaulichung
antiken Lebens. Die Fortsetzungen des Archivs für Landeskunde,
a. Von dem Verein für meklcnburgische Geschichte: Jahrbücher des Vereins Bd. 33—35.
Mekl. Urkundenbuch Bd. 3—0. Die Fortsetzung des Correspondenzblattes des Gesammtvereins
der deutschen Geschichts- und Alterthumsx ereine.
1. Von dem Senate der Universität Rostock: die im Laufe des letzten Jahres erschienenen
academischcn Schriften.
5. Von der Verlagsbuchhandlung 1). Reimer in Berlin: Adamy Schulatlas 186S. 4. Aufl.
6. Von Herrn Dr. L. Brünier hieselbst seine Schrift: Louise, eine deutsche Königin. Bremen 1871.
7. Von Herrn Canzleirath Faull hieselbst: Grossherzoglich Mecklenburg - Schwerinscher Staats-
Kalender 1871.
8- Von Herrn Dr. W. Fischer hieselbst ein Exemplar seiner Dissertation über Dio Cassius.
Leipzig 1870.
D. Von Herrn Advocat M. Jonas hieselbst, z. Z. Präfecturrath in Chaumont, seine Schrift: Studien
aus dem Gebiet des französischen Civilrechts und Civilprocesses. BerUn 1870.
9»
^
68
10. Von Herrn Auditeur Advocat Richard Wex hieselbst: Eine grosse Anzahl von Programmen
und Gelegenheitsschriften, zumeist unseres Gymnasiums, aus dem Nachlass seines Vaters, unsers
verewigten DirectorsC. Fr. Wex, darunter auch die inGrunert's Archiv erschienene Abhandlung „Plato'a
Geometrie im Meno und die Parabole des Pythagoras bei Plutarch", welche postume Schrift
im harmonischen Abschluss an den Anfang der literarischen Wirksamkeit des Verewigten, seine
Doctor-Dissertation über Plato's Meno, anknüpft.
11. Von Herrn Oberlehrer Dr. Schiller: Verhandlungen der 25. Philologen-Versammlung m Halle.
SpilleCe's Schulschriften.
M. C. Sarbievici lyricorum libri IV. Antverp. 1654.
12. Von dem Berichterstatter Director Dr. Büchner: ein Exemplar seiner Ausgabe der Rede des
Cicero pro S. Roscio Amerino, Leipzig 1836, und eine Anzahl älterer Programme.
B. Gekauft wurden die laufenden Jahrgänge der Jahn' sehen Jahrbücher, des Rheinischen
Museums, der Berliner Zeitschrift für das Gymnasialwesen, der Annalen Poggendorffs, und der
Forschungen zur deutschen Geschichte; die Fortsetzungen von Schmid Encyklop.; Grimm Wörter-
buch; wickernagel Kirchenhed; Grimm kl. Schriften. V. Geschichte der Wissenschaften. IX.
Behm Geogr. Jahrbuch HL Labouhiye Geschichte der vereinigten Staaten von Amerika. III. I.
Gregorovius Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter. VU. Verhandbmgen der 27. Philologen-
Versammlung in Kiel. Pierer's Universal-Lexikon. 5. Aufl. Bd. I-XII. Pape Wörterbuch
der grieschischen Eigennamen. 3. Aufl. Neu bearbeitet von Benseier. Welcker griech. Götterlehre.
Haym die romantische Schule. Woldermann Europa. Photohthogi-aphie nach einem ReUef.
Für die Lesebibliothek wurde angeschafft: 0. Ludwig's ges. Werke. Bd. I-IV.
Zöppritz, Aus F. H. Jacobi's Nachlass.
Durch Tausch gingen ein die Schulschriften der zum Programmaustausch verbundenen
höheren Lehranstalten Deutschlands.
i. Ein Erdglobus.
2. Ein Tellurium.
II. Physikalisches Cabinet.
Nekruluuiüiii,
Fr. Wilh. Ulrich Rehberg, Dr. jur. in Rostock, abg. Ostern 1^27, t
Carl von Roth, Major a. D. in Wismar, "♦"
Wilhelm von Meibom, Pr.-Lieutenant und Compagnieführer im 3. Branden-
burg. Infanterie-Regim. Nr. 20, fiel bei Mars la Tour
Ludwig von Müller, abg. Ostern 1863, See. - Lieutenant und Bataillons-
Adjutant im 4. Garde-Gren.-Regira. Königin Augusta, fiel bei St. Privat
Georg Störzel, Lieutenant im Schlesw. Infanterie-Regim. Nr. 84, fiel
l)ei Metz
Ernst von Weltzien-Kl. Tessin, Pr.-Lieutenant im 4. Garde - Grenadier-
Regim. Königin Augusta, wurde bei St. Ail d. 18. Aug. schwer verwundet, t
Vollrath Hartmann, Dr. med., Assistenz-Arzt im Pomm. Grenadier-Regim.
zu Stettin, abg. Michaelis 1866, t an der Rachenbräune
J C Georg Bölte, Dr. jur. und Stadtrichter a. D. in Boizenburg, abg.
Mich. isiy.
Carl Fr. C. Sperling, Pastor in Lübchin, abg. Ostern 1831,
Carl Vollbrecht, Studiosus medicinae, abg. Michaelis 1865,
t
t
t
d. 5. April 1870.
d. 22. April 1870.
d. 16. Aug. 1870.
d. 18. Aug. 1870.
d. 18. Aug. 1870.
d. 21. Aug. 1870.
d. 22. Sept. 1870.
d. 24. Sept. 1870.
d. 25. Sept. 1870.
d. 13. Oct. 1870.
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Franz Paschen, Advocat und Amts-Auditor, abg. Ostern 1864, t als Unter-
offizier im Meckl. Füsiher-Regim. Nr. 90 am Typhus im Lazareth zu Toul
Hans Albrecht von Plüskow, See-Lieutenant im Pomm. Uhlanen-Regim.
Nr. 9, fiel in Yeres vor Paris
Carl Wilh. Friedr. Driver, General- Auditeur in Schwerin, abg. Mich. 1829, t
Joachim Friedr. Zickermann, Ober-Auditeur a. D., abg. Ostern 1817, t
Paul Schönau, Oberjäger im Jäger-Bataillon Nr. 14, fiel bei Loigny
Adolph von Basse witz, See-Lieutenant und Bataillons- Adjutant im Meckl.
Füsilier-Regim. Nr. 90, fiel vor Orleans
Carl Caspar, Stadtrichter a. D. in Grabow, abg. Michaehs 1813, t
Christian Dolberg, Bürgermeister a. D. in Stavenhagen, abg. Mich. 1824, f
A. T. Fr. Bühring-Prestin, abg. Mich. 1866, See-Lieutenant im 1. West-
preuss. Grenadier-Regim. Nr. 6, wurde bei Malmaison schwer verwundet,
in Versailles f
Albrecht Brüssow, Cand. theol. in Sanitz, abg. Ostern 1857, f
Fr. Ludw. Schweden, Advocat in Schwerin, abg. Michaelis 1816, f
Heinr. Fr. Chr. Bolle, Rector in Parchim, abg. Ostern 1826, t
Martin Glaevecke, Prem.-Lieutenant im Meckl. Füsiher-Regim. Nr. 90, fiel
bei Bernay
Friedrich Krüger, Amtshauptmann a. D. in Grevisraühlen, abg. Ostern 1817, f
Theodor Berg, Stud. theol., abg. Ostern 1870, trat in das Schlesw.-Holst.
Artillerie-Regim. Nr. 9, wurde durch die Unvorsichtigkeit eines Came-
raden am hnken Oberschenkel schwer verwundet, f im Lazareth zu
Orleans
Fr. H. Schröder, Dr. jur. in Schwerin, abg. Ostern 1803, f
Fr. L. Gottspfenning, Dr. jur. und Protonotar in Rostock, abg. Michaehs 1819, f
d. 19. Oct. 1870.
d. 23. Oct.
d. 6. Nov.
d. 12. Nov.
d. 2. Dec.
d. 4. Dec.
d. 19. Dec.
d. 22. Dec.
d. 27. Dec.
d. 11. Jan.
d. 19. Jan.
d. 19. Jan.
d. 22. Jan.
d. 31. Jan.
1870.
1870.
1870.
1870.
1870.
1870.
1870.
1870.
1871.
1871.
1871.
1871.
1871.
Curt Wittmütz, Stud. jur., abg. Michaehs 1863,
Paul Wittmütz, Ingenieur zu Haspe in W^estphalen, abg. Ostern 1862,
Von jüngeren Schülern verlor die Anstalt durch den Tod den durch Fleiss und
Sittsamkeit uns werthen Ober-Tertianer Paul Reich ho ff aus Borkow.
Ek starb im V^aterhause an den Masern grade an seinem 15. Ge-
burtstage,
t
t
d. 2. Febr.
d. 12. Febr.
d, 12. Febr.
d. 18. Febr.
d. 28. Febr.
1871.
1871.
1871.
1871.
1871.
d. 14. Juni 1870.
Schülerzahl.
Das Gymnasium Fridericianum wurde im Sommersemester von 3'9, im W^intersemester von
381 Schülern besucht. Hievon sassen a. im Sommer in I. 36, in II'. 44, in IP. 44, in III'. 36, in
m\ 55, in IV. Coet. A. 36, Coet B. 35, in V. Coet. A. 30, Coet. B. 28, in VL 35; im Winter in
IV 25, in P. 20, in IP. 35, in U^ 37, in IIP'. 43, in IIP. 56, in IV. Coet. A. 38, Coet. B. 34, in
V. 55, in VI. 38 Schüler.
Abgegangen sind im Laufe des Schuljahres:
A. zur Universität mit dem Zeugniss der academischen Reife:
a. zu Michaehs 1870:
Ferdinand Lindemann aus Schwerin. Berhn. Mathem. und Naturwissenschaften.
Carl Goescli aus Doberan. Trat in das Heer ein.
Louis von Schock aus Retgendorf. Trat in das Heer ein,
Hicliard Krefj't aus Schwerin. Leipzig. Jurisprudenz.
- 70
iiuslar von Buchwald aus Schwerin. Trat iu das Heer ein.
Roland von 31üUcr aus Schwerin. Trat in das Heer ein.
Cart IVehzien aus Schwerin. Berlin, ^rathematik.
Friedrich Schmidt aus Schwerin. Trat in das Heer ein.
Ernst Ähren s aus Neu-Schlagsdorf. Trat in das Heer ein.
Oscar von Boddien aus Schwerin. Trat in das Heer ein.
b. zu Ostern 1871:
Heinrich Evers aus Wittenburg. Berh'n. Mathematik.
Ausserdem waren zu Michaehs a. p. von dem Hohen GrossherzogUclicn Ministerium der Abi-
turienten-Prüfungs-Commission zur Prüfung zugewiesen worden und erhielten das Zeuguiss der
academischen Reife:
Heinrich llayisl aus Schwerin. Berhn. Philologie.
Carl Wvstphal aus Schwerin. Berlin. Piiilologie und Archäologie.
B. Zu andern Bestimmungen gingen ab:
Aus Cl. I*. Rudolph Lazoriis aus AVittenburg. Kaufmann. Phngsten 1870.
IVilhelm Richter aus Crivitz. Militär. Ende Januar 1871.
Aus Cl. H'. Emil Kahl aus Schwerin. Buchhändler. Michaehs 1870.
Hermann Schroeder aus Schwerin. Kaufmnnn. Mai 1870.
Friedrich Kedinff aus Maslow. Landmann. iSIichaclis 1870.
Robert Schneider aus Bülow-Burg. Landmann. Pfingsten 1870.
Friedrich Kliefoth aus Plate. Polytechniker. Juli ls70.
Adolph von Lfintjermann aus Schwerin. Militäi-. Johannis 1870.
Knrl von Dörimj aus Setzin. Militär. Juli IS7o.
Ernst Brnnnemnnn aus Lu(k\ritz. Militär. Ostern 1871.
Ernst IVdt/ner aus Zernin. Landmann. Ostern 1871.
Carl von Pressentin aus Schwerin. Landmann. Pfingsten 1^70.
Richard (rarihe aus Schwerin. Kaufmann. Johannis 1870.
JohanfU's Diestel aus Ahrensb<>ck. Landmann. Michaelis 187«».
Carl Sinti hol aus Schwerin. Kaufmann. Michaelis 1^70.
Paul Jf'illehrand aus Schwerin. Landmann. Johannis 1S70.
Virich von Schaeh aus Brüsewitz. Mihtär. Johannis 1870.
Carl Ouvricr aus Güstrow. Landmann. O-^toin 1871.
Hermann Behncke aus Schwerin. Kaufmann. Ostern IsTl.
Otto Nenmann aus Redefin. Kaufmann. Neujahr 1871.
Adolph von Brrnsfor/J' iiub Schwerin. Militär. O.stern 1S71.
Giistav Jahn aus Schwerin. Militär. Juli 1870.
Otto Srhliemann aus Schwerin. Kaufmann. Johf^nni^ 1^7o.
Gustav Wendt aus Schwerin. Militär. Ostern 1S71.
F.rnsi Störzel aus Schwerin. Handelsschule in Lübeck. Michaelis 1870.
Hennimi von Sffnf/fin aus Schwerin. Klosterschule Rossleben. Michaelis 1870.
/V/w/ Stamer aus Perdöhl. Piealschule. Michaelis 187(K
C'rtr/ vS^'Z/^/i/vV/' aus Raden. Realschule. Ostern 1871. ^
Carl M'asmuth aus Witten])urg. Schule in Ludwigslust. Michaelis 1870.
U'ilhplni Schmidt aus Gägelow. Realschule. Ostern 1871.
Carl Richter aus Schwerin. Realschule. Ostern 1871.
Ernst Ouvrier aus Güstrow. Realschule. Ostern 1871.
Aus Cl. H'
!»
Aus Cl. HP.
Aus Cl. HP.
Aus Cl. IV.
\
I
71
Aus Cl. V. Friedrich Adolph Schliemann aus Schwerin. Thomasschule in Leipzig. Johannis 1870.
Friedrich Undemann aus Schwerin. Kaufmann. Michaelis 1870.
Moritz Nathan aus Graaf-Reinet in Africa. (iing zurück in seine Heimath. Februar 1871,
Aus Cl. VL Paul Sch?vahn aus Berlin. Ging zurück in seine Vaterstadt. Michaehs 1870.
C. Gestorben ist ein Schüler, der Obertei-tianer Paid Reichhoff' aus Borkow. s. Nekr.
Seliülcr
1 A. Ober-Prima.
L Heinrich Evers aus Wittenburg.
2. Otto Krasemann aus Rostock.
2.
3. Adolph Brandt aus Fahrbinde.
4. Ludwig Mau aus Schwerin.
5. Richard Barten aus Schwerin.
6. Richard v. Sprewitz aus Schwerin.
7. Ludwig Thiessing aus Boizenburg.
8. Caesar Rocliow aus Schwerin.
9. Wilhelm v. Bernstorff aus Schwerin.
10. (Jtto Herricht aus Schwerin.
IL Meier Cohn aus Oppeln.*
12. Eduard Oesten I. aus Mandelshagen.
13. Heinrich Mulsow aus Ludwigslust.
3.
U. Otto Reinhardt aus Wittenburg.
15. Emil Lobedanz aus Schwerin.
lö. Carl Foth aus Sternberg.
17. Otto Tapp aus Neese.
18. Carl Stelzner aus Wismar.*
19. Albert Oesten H. aus Mandelshagen.
20. Rudolph Hobein aus Schwerin.
21. (justav Heuck aus Kützerhof.
22. Otto Schwerdtfeger aus Schwerin.
23. Wilhcliii Richter aus Crivitz.
24. Hugo Kliefoth aus Schwerin.
I B. Unter-Prima.
4.
1. Heinrich Ribcke aus Plau.
2. Friedrich v. Stenglin aus Rostock.*
VerzeicLüiss. *)
3. Paul Groth aus Schwerin.
4. Hermann Settier aus Wittenburg.
5.
Friedrich Burth aus Schwerin.
0. Wilhelm Dittmann aus Schwerin,
7. Carl Buchka aus Rostock.*
8. Heinrich Lorenz aus Schwerin.
9. August Lachmund aus Lilienthal.*
10. Feli.v Löwenthal aus Schwerin.
1 1 . Carl Lüth aus Brüel.
12. Ludwig Müffelmann aus Schwerin.
13. Adolph (jroth aus Schwerin,
(histav Xiemann aus Parchim.*
Otto Schwetzky aus Rehna.*
Emil Groth aus Kittendorf.
Otto Retters aus Schwerin.
14.
15.
16.
17.
18. Hugo Wollf aus Schwerin.
19. Theodor Schröder aus Qualitz.
20. Friedrich Kerstenhann aus Zarrentin.*
II A. Ober-Secunda.
L
1. Richard Kurtztisch aus Schwerin.
2. Carl Wöstenberg aus Dreibergen.
3. Johannes Bauch aus Schwerin.
4. Victor V. Oertzen aus Doberan.
5. Carl Schlüter aus Bahlenhüschen.
0. Hermann Studemund aus Rehna.
7. Wilhelm Möller aus Schwerin.
8. Paul Müller aus Bützow.
9. F^ranz Hurttig aus Ludwigslust.
10. Heinrich Dittmann aus Schwerin.
1 1 . Johannes Moltmann aus Schwerin.
12. Paul Angerstein aus W^arin.*
13. Louis Klipplmhn aus Schwerin.
*) Der St«rn bedeutet, das8 die Aeltern jetzt in Schwerin wohneD,
N.
72
73
14. Friedrich Lechler aus Barckow.
15. Friedrich Riickert aus Ribnitz.*
16. Gustav Bolbrügge aus Grabow.
17. Ernst Brunneraann aus Luckwitz.
2.
18. Fritz Neumann aus Warnemünde.*
19. Max Khefoth aus Ludwigslust.
20. Paul Romberg aus Perhn.
21. Friedrich v. Oeynhausen aus Schwerin.
22. Willy Eggers aus Melusiuenthal*
23. Hugo Unruh aus Sudenhof.
24. Hermann Rose aus Schwerin.
25. Otto Friedheim aus Grevismühlen. *
26. Hermann Wachenhusen aus Schwerin.
27. Theodor Bade aus Schwerin.
28. Johannes Eichbaum aus Plan.
29. Gotthilf Pitschner aus Lud^^^gslust.
30. Friedrich Berg aus Alt-Gaarz.
31. Paul Schlichting aus Prishch.
32. Max Wolff aus Schwerin.
33. Ernst Wagner aus Zernin.
34. Ernst Brauer aus Ribnitz.
35. Adolph Diestel aus Plüschow. *
II B. Unter - Secunda.
1.
1. Wilhelm Pfähler aus Schwerin.
2. Carl Ladewig aus Crivitz.
3. Carl Ouvrier aus Güstrow.
4. Hans Bock aus Gross-Weltzien.
5. Albert Koop aus Schwerin.
6. Gustav Brückner aus Schwerin.
7. Friedrich Wühler aus Schwerin.
8. Otto Oertzen aus Schwerin.
9. Hermann Belinike L aus Schwerin.
10. Hugo Krüger aus Schwerin.
11. Adolph Hoppe aus Krakow.
12. Bernhard Voss aus Schwerin.
13. Hans Sandrock aus Schwerin.
14. Johannes Wittenburg aus Grevenhagen.
15. Friedrich Lechler aus Schwerin.
16. Carl Pfaff aus Doberan.*
17. Gottfried Dierking aus Schwerin.
18. Wilhelm Behncke H. aus Ludwigslust.
19. Max Teetz aus Rosse witz.*
20. Carl Stamer mis Perdöhl.
2.
2L Carl Willebrand aus Zapel.
22. Paul Abesser aus Schwerin.
23. Hermann Heuck aus Malchin.
24. Johannes Romberg aus Periin.
25. Juhus Weltzien aus Schwerin.
26. Heinrich Holtermann aus Schwerin.
27. Christian Drechsler aus Boizenburg.*
28. Carl Schäffer aus Schwerin.
29. Walter König aus Schwerin.
30. Hermann Seidel aus Schwerin.
31. Julius v. Pritzbuer aus Ludwigslust.*
32. Carl Steinkopff aus Schwerin.
33. Friedrich v. Langermann aus Dambeck.
34. Adolph V. Bernstorff aus Schwerin.
35. W^ilhelm Jahn aus Ludwigslust.*
36. August Wagener aus Satow.
III A. Ober-Tertia.
1.
1. August Ackermann aus Röbel*
2. Gustav Wendt aus Parchim.
3. Arnold Krieger aus Potsdam.*
4. Fritz Degener aus Dewitz.
5. Louis Glävecke aus Rostock.
6. Friedrich v. Hintzenstern aus Elmenhorst.
7. Rudolph Wagener aus Satow.
8. Heinrich Koch aus Gross-Raden.*
9. Ludwig Hobein aus Schwerin.
10. Friedrich Krefft aus Schwerin.
1 1 . Heinrich v. Oeynhausen aus Schwerin.
12. Carl Drews aus Ludwigslust.
13. Emil Barca aus Dargun.*
14. Louis Wolff aus Schwerin.
15. Rudol])h Kloemann aus Schwerin.
2.
16. Adolph Seemann aus Schwerin.
17. Gustav Hesse aus Wittenburg.
il
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
26.
27.
28.
29.
30.
31.
32.
33.
34.
35.
36.
37.
38.
39.
40.
41.
42.
43.
Louis Erhardt aus Gadebusch.*
Franz Krauss aus Schwerin.
Franz König aus Schwerin.
August Beyer aus Schwerin.
Otto Schumacher aus Kröpehn.
Wilhelm Speetzen aus Rampe.
John Hepworth aus Güstrow.*
Martin Eberhard aus Laage.
Max Schröder aus Carlshof.
August Albrecht aus Klinken.
Heinrich Ludwig aus Wittenburg.
Carl Kriel aus Dömitz.
Carl Krull aus Crivitz.
Arnold Eggers aus Melusineuthal.*
Paul Berwald aus Schwerin.
Carl Schulz aus Schwerin.
Eduard Range aus Schwerin.
Gustav Kerstenhann aus Zarrentiu.*
Max Schneider aus Bülow-Burg.
Arnold Cohen aus Schwerin.
Harry v. Boddien aus Schwerin.
Otto Regenstein aus Schwerin.
Claudius Fischer aus Schwerin.
August Piper aus Döbbersen.
Adolph Piper aus Döbbersen.
Gustav Piper aus Pinnowhof.*
HIB. Unter -Tertia.
1.
1. Heinrich Peeck aus Barner-Stück.
2. Jan Krieger aus Potsdam.*
3. Carl Angerstein aus Warin.*
4. Friedrich v. Scheve aus Schwerin.
5. Friedrich Schnapauff aus Klein-Wokern.
6. Carl Rüst aus Kogel.
7. Hermann Melchert aus Zapel.
8. Williclm Litzrodt aus Brück
9. Bernhard Schultz L aus Gnoien.
10. Albert Ihtlck aus Fahren.
1 1 . August Witt aus Neustadt.
12. Ernst Mciuck aus Malchin.*
13. Otto Koch aus Toddin.
14. Richard Abesser aus Schwerin.
15. Bernhard Gaedkens aus Zarrentin.
16. Franz Peters aus Schwerin.
17. Louis Bauch aus Schwerin.
18. Gustav Heuck aus Kützerhof.
19. W^erner Görbitz aus Dargun.*
20. Friedrich Flügge aus Schwerin.
21. Georg Mau aus Schwerin.
22. Friedrich W^alter aus Teterow.
23. Hermann Erdmann aus Gross-Tessin.
24. Albert Schultz H. aus Schwerin.
25. Friedrich Lenthe aus Schwerin.
26. Ludwig V. Langermann aus Schwerin.
27. Leopold Kues aus Rostock.*
28. Ernst Steinkopff aus Schwerin.
29. Gustav Schall aus Schwerin.
30. Paul Stelzner aus Wismar.*
31. Otto Riemcke aus Hagenow.
32. Axel Schmidt aus Parchim.*
33. Paul Möller aus Schwerin.
34. Carl Ehlers L aus Kalkhorst.
35. Otto Weltzien aus Schwerin.
36. Hermann Buchka aus Rostock.*
37. Paul Michaehs aus Starckow.*
38. Ernst Diestel aus Ahrensböck.
39. Max Hobein aus Schwerin.
40. Wilhelm v. Amsberg aus Rostock. *
4L Ernst Weidemann aus Seehof.
42. John Jonas aus Schwerin.
43. Gustav Ehlers H. aus Kalkhorst.
44. Eugen Juhus aus Rostock.*
45. August Vielhaack aus Rastow.
46. Carl Rugenstein aus Wittenförden.
47. Carl Wallmann aus Grabow.
48. Gustav Kleffel aus Suckow.
49. August Grieffenhagen aus Schwerin.
50. Ludwig Kliefoth aus Plate.
51. Wilhelm Faull aus Schwerin.
52. Hermann Wöstenberg aus Dreibergen.
53. Theodor Aarons aus Schwerin.
54. Johannes Petersen aus Boize.
55. Carl Behncke aus Wismar.*
56. Otto Brandt aus Neustadt.
10
I
14
/
15
rv. Quarta.
Coetus A.
1.
1. Georg Sanclrock aus Schwerin.
2. Walter Schmidt aus Parchim.*
3. Johannes Thiel aus Schwerin.
4. Jaspar v. ProUius aus Schwerin.
5. Paul Krüger aus Schweiin.
6. Franz Lindemann aus Schwerin.
7. Hans Albrecht Lehmeyer aus Schwerin.
8. Paul Seidel aus Schweiin.
9. Theodor Wahl aus Goldberg.
10. Friedrich Dierking aus Schwerin.
11. Louis Detmering aus Schwerin.
12. Arnold Kues aus Rostock.*
13. Hermann Willebrand aus Zapel.
14. Carl Evers aus Barnin.
15. Ernst Briissow aus Plau.^
16. Albert Rollenhagen aus Schwerin.
17. Hubert v. Stralendoi-fi' aus Golchen.
18. Conrad Tiede aus Schwerin.
19. Carl Steinkopff aus Raden.
20. Emil Liss aus Röbel.
21. Wilhelm Schmidt aus Gägelow.
22. Carl Richter aus Schwerin.
23. Adolph Stehi aus Boizenburg.
24. Arthur Francke aus Neukloster.
2.
25. Ernst v. Storch aus Rubow.
26. Arnold Meyer aus Schwerin.
27. August Fischer aus Schwerin.
28. Wilhelm Kundt aus Schwerin.
29. Werner v. Brandenstein aus Balow.*
30. Rudolph Piper aus Pinnowhof.*
31. Reinhard Kade aus Dresden.*
32. Paul Martens aus Bakendorf.
33. Otto V. Stenglin aus Schwerin.
34. Carl Ernst Alban aus Schwerin.
35. Carl Ullrich aus Parchim.*
36. Victor Pentz aus Volsrade.*
37. Felix v. Stenghn aus Schwerin.
38. Theodor Khefoth aus Schwerin.
Coetus B.
1.
1. Ernst Barne witz aus Körchow.*
2. Johannes Schmidt aus Schwerin.
3. Bernhard Raven aus Celle.*
4. Friedrich Jahn aus Schweiin.
5. Wilhelm Wolfi" I. aus Schwerin.
6. Paul Fischer aus Wandrum.
7. Heinrich Keding aus Maslow.
8. Pedro Warncke aus Schwerin.
9. Siegfried Lilienthal aus Schwerin.
10. Richard Löwenthal aus Schwerin.
11. Georg Pincus aus Schwerin.
12. Johannes Engel aus Crivitz.
13. Arthur Woltl' II. aus Schwerin.
14. Carl Herbst aus Medingen.
15. Rudolf Stargardt vom Kalkwerder.
16. Gustav Lange aus Schwerin.
17. Dietrich Krieger aus Potsdam.*
18. Julius Rudoljdn aus Schwerin.
19. Wilhelm Peters aus Schwerin.
2.
20. Carl Burmeister aus Schwerin.
21. Ernst Ouvrier aus (iüstrow.
22. Rudolf Eberliardt aus Schv.erin.
23. Carl Beutin aus Klein-Tessin.*
24. Gustav Ahrenholz aus Schwerin.
25. Franz Albrecht aus Schwerin.
26. Ludwig Liittmann aus Oertzenliof.
27. Carl v. Abercron aus Grabow.*
28. Carl Börncke aus Schwerin.
29. Hans Kehrhalin aus Metein.*
30. Franz Miihlenbruch aus Trutzlatz.*
31. Adolph Klett aus Schwerin.
32. Gustav v. Henkel aus Kleefeld.
Quinta.
1.
1. Carl v. Koppelow aus Schwerin.
2. Adolph V. PruUius aus Schwerin.
/
3,
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
IL
12.
13.
N.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
26.
27.
28.
29.
30.
31.
32.
Friedricli Meyer aus Schwerin. |
Martin Rohrdantz aus Schwerin.
Wilhelm Teetz aus Jürgenshof.*
Hermann Sclmbart aus Gallentin.*
Leopold Sussmann aus Schwerin.
Ernst Prüter aus Schwerin.
Joliannes Köhler aus Roggendorf.*
Moritz Nathan aus Graf-Reinet in Alrica.
Carl Meinck aus Malchin.*
Justus Sandiock I. aus Schwerin.
ThcMxlor Pincus aus Schwerin,
(iustav Rohm .ins Settin.
Carl Walzberg aus \'alparaiso.
Eugen Fahrenheim aus Schildfeld.
Arnold Schläht aus Bützow,*
Alphons v. Boddien aus Schwerin.
Alexander tirolimann aus Schwerin.
Hermann ]*opj)e aus Hamburg.*
Wilhehn Aarons :ius Sclnvei-in.
Emil Lindeniann aus Schwedin.
Hermann Frenck aus Schwerin.
Friedrich Buchka aus Rostock.*
Rudolph Liefmann aus Scliwerin.
Ernst V. Koj)pelow aus Schwerin.
Paul Sandrock II. aus Sclnverin.
Alexander Wessel aus Schwerin.
Carl Stargardt aus Schwerin
Heinrich Klenz aus Krö})elin.*
Wilhelm Miihleiibruch aus Trutzlatz.*
Carl V. Zülow aus Schwerin.
33. Carl Lahr aus Schwerin.
34. Carl Eichblatt aus Schwerin.
35. Bernhard Abesser aus Lübeck.*
:{6. Iindolj)h Bohn aus Schwerin.
37. Friedrich Friese I. aus Schwerin.
38. Carl Dittmann aus Schwerin.
39. Carl Hannover aus Schwerin.
40. Heinrich Müller aus Schwerin.
41. Emil Engel aus Crivitz.
42. Carl Beste aus Schwerin.
43. Carl Wünsch aus Schwerin.
44. Heinrich Friese II. aus Schwerin.
45. Carl Kayser aus Schwerin.
46. Fritz Krempien aus Diedrichshagen.*
47. Friedrich Thiesseng aus Rostock.*
48. Friedrich Dalitz aus Malchow.*
49. Richard Modes aus Boizenburg.*
50. Friedrich Flügge aus Boizenburg.
51. Ernst Märcker aus TamjHen.*
52. Ernst Henning v. Bassewitz aus Schwerin.
53. Friedrich Klett aus Schlemmin.
54. Theodor Jahn aus Schwerin.
55. Hermann Stern aus Schwerin.
56. Friedrich W^achenhusen aus Schwerin.
Sexta.
].
1.
2,
3.
4.
5.
6.
/.
8.
9.
10.
IL
12.
13.
14.
15.
16.
17,
Otto Pfeiffer aus Schwerin.
Walter Rüst aus Kogel.
Heinrich Bosselmann aus Liessow.
Paul Pincus aus Schwerin,
Alexander Otto aus Mainz.*
Hans Yollbrecht aus Sclnverin.
Willy v, Oeynhausen aus Dömitz.*
Victor v. Stenglin aus Schwerin.
Albert Krauss aus Rostock.*
Hermann Eggers aus Carlewitz.*
Ludwig Behrens aus Zietlitz.*
Franz Leitmann aus Schwerin.
Otto Herr aus Wittenburi2:.
Ludwig Herr aus Wittenburg.
Heinrich Schmidt aus Wittenburg.
Helmuth Franck aus AVittenburg.
August Abesser aus Lü])eck.*
18. Carl Ditz aus Ludwigslust.*
19. Johannes Wedemeyer aus Neu-Lübtheen.
20. Friedrich Zickermann aus Sülz.*
21. Adoljih Mumme aus Schwerin.
22. Franz v. Bülow aus Frankfurt a. M,*
23. Johannes Schmidt aus Parchim,*
24. Martin Overlach aus Petersburg.*
\
D
74
rV. Quarta.
Coetus A.
1.
1. Georg Sanclrock aus Schwerin.
2. Walter Schmidt aus Parchim.*
3. Johannes Thiel aus Schwenn.
4. Jaspar v. ProUius aus Schwerin.
5. Paul Krüger aus Schwenn.
6. Franz Lindemann aus Schwerin.
7. Hans Albrecht Lehmeyer aus Schwerin.
8. Paul Seidel aus Schwenn.
9. Theodor Wahl aus Goldberg.
10. Friedrich Dierking aus Schwerin.
11. Louis Detmering aus Schwerin.
12. Arnold Kues aus Rostock.*
13. Hermann Willebrand aus Zapel.
14. Carl Evers aus Barnin.
15. Ernst Briissow aus Plau.*
16. Albert Rollenhagen aus Schwerin.
17. Hubert v. Stralendoi-fi" aus Golchen.
IS. Conrad Tiede aus Schwerin.
19. Carl Steinkoptt' aus Raden.
20. Emil Liss aus R()bel.
21. Wilhelm Schmidt aus Gägelow.
22. Carl Richter aus Schwerin.
23. Adolph Stein aus Boizenburg.
24. Arthur Francke aus Neukloster.
2.
25. Ernst v. Storch aus Rubow.
2t). Arnold Meyer aus Schwerin.
27. August Fischer aus Schwerin.
28. Wilhelm Kundt aus Schwerin.
29. Werner v. Brandenstein aus Balow.*
30. Rudolph Pipor aus Pinnowhof.*
31. lleinhard Kade aus Dresden.*
32. Paul Martens aus Bakendorf.
33. Otto V. Stenglin aus Schwerin.
34. Carl Ernst Alban aus Schwerin.
35. Carl Ullrich aus Parchim.*
36. Victor Pentz aus Vulsrade.*
37. Fehx v. Stenghn aus Schwerin.
38. Theodor Kheioth aus Schwerin.
Coetus B.
1.
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
*)9
23.
24.
25.
26.
27.
28.
29.
30.
31.
32.
Ernst Barnewitz aus Körchow.*
Johannes Schmidt aus Schwerin.
Bernhard Raven aus Celle.*
Friedrich Jahn aus Schwenn.
Wilhelm Wolfl' I. aus Schwerin.
Paul Fischer aus Wandrum.
Heinrich Keding aus Maslow.
Pedro Warncke aus Schwerin.
Siegfried Lilienthal aus Schwerin.
Richard Löwenthal aus Schwerin.
Georg Pincus aus Schwerin.
Johannes Engel aus Crivitz.
Arthur Wolff II. aus Schwerin.
Carl Herbst aus Medini^cn.
Rudolf Stargardt vom Kalkwerder.
Gustav Lange aus Schwerin.
Dietrich Krieger aus Potsdam.*
Julius Rudolphi aus Schwerin.
Wilhelm Peters aus Schwerin.
2.
Carl Burmeister aus Schwerin.
Ernst Ouvrier aus Güstrow.
Rudolf Eberhardt aus Schv.erin.
Carl Beutin aus Klein-Tessin.*
Gustav Ahrenholz aus Schwerin.
Franz Albrecht aus Schwerin.
LudAvig T^üttmann aus Gertzonhof.
Carl V. Abercron aus Grabow.*
Carl Börncke aus ScIi worin.
Hans Kehrhalm aus Metein.*
Franz Miihlenbruch aus Trutzlatz.*
Adolph Klett aus Schwerin.
Gustav V, Henkel aus Kleefeld.
Quinta.
1.
/
JN
V»
L
■1
1. Carl V. Koppelow aus Schwerin.
2. Adolph V. Prollius aus Schwerin.
;
3. Friedrich Meyer aus Schwerin.
4. Martin Rohrdantz aus Schwerin.
5. Wilhelm Teetz aas Jürgenshof.*
6. Hermann Schu))art aus Gallentin.*
T. Leopold Sussmann aus Schwerin.
8. Ernst Prüter aus Schwerin.
9. Johannes Köhler aus Roggendorf.*
10. Moritz Nathan aus Graf-Reinet in Al'rica,
11. Carl Meinck aus Malchin.*
12. Justus Sandrock I. aus Schwerin.
13. Theodor Pincus aus Schwerin.
14. Gustiiv Rohm aus Settin.
15. Carl Walzberg aus Valparaiso.
16. Eugen Fahrenheim aus Schildfeld.
17. Arnold Schläht aus Bützow.*
1 8. Alphons V. Boddien aus Schwerin.
19. Alexander Grohmann aus Schwerin.
20. Hermann Poppe aus Hamburg.*
21. Wilhelm Aaruns aus Schwerin.
22. Emil Lindeniann ans Schwerin.
23. Hermann Frenck aus Schwerin.
24. Friedrich Buchka ans Hostock.*
25. Rudolph Liefuiann aus Schwerin.
26. Ernst v. Koi)pelow aus Schwerin.
27. Paul Sandrock II. aus Schwerin.
28. Alexander Wessel aus Schwerin.
29. Carl Stargardt aus Schwerin
30. Heinrich Klenz aus Kröpelin.*
31. Wilhelm Miihlenbruch aus Trutzlatz.*
32. Carl v. /üluw aus Schwerin.
2.
33. Carl Lahr aus Schwerin.
34. Carl Eichblatt aus Schwerin.
35. Bernhard Abesser aus Lübeck.*
36. Rudolph Polin aus Schwerin.
37. Friedricli l'rie^e 1. aus Schwerin.
38. Carl Dittinaun aus Schwerin.
39. Carl Hannover aus Schwerin.
40. Heinrich Müller aus Schwerin.
41. Emil Engel aus Crivitz.
42. Carl Beste aus Schwerin.
43. Carl Wünsch aus Schwerin.
44. Heinrich Friese II. aus Schwerin.
45. Call Kavser aus Schwerin.
15
46. Fritz Krempien aus Diedrichshagen.*
47. Friedrich Thiesseng aus Rostock.*
48. Friedrich Dalitz aus Malchow.*
49. Richard Modes aus Boizenburg.*
50. Friedrich Flügge aus Boizenburg.
51. Ernst Märcker aus Tampien.*
52. Ernst Henning v. Bassewitz aus Schwerin.
53. Friedrich Klett aus Schlemmin.
54. Theodor Jahn aus Schwerin.
55. Hermann Stern aus Schwerin.
56. Friedrich Wachenhusen aus Schwerin.
Sexta.
1.
1. Otto Pfeiffer aus Schwerin.
2. Walter Rüst aus Kogel.
3. Heinrich Bosselmann aus Liessow.*
4. Paul Pincus aus Schwerin.
5. Alexander Otto aus Mainz.*
6. Hans Vollbrecht aus Schwerin.
7. Willy V. Oeynhausen aus Dömitz.*
8. Victor V. Stenglin aus Schwerin.
9. Albert Krauss aus Rostock.*
10. Hermann Eggers aus Carlewitz.*
11. Ludwig Behrens aus Ziethtz.*
12. Franz Leitmann aus Schwerin.
13. Otto Herr aus Wittenburür.
14. Ludwig Herr aus Wittenburg.
15. Heinrich Schmidt aus Wittenburg.
16. Helnmth Franck aus Wittenbursr.
17. August Abesser aus Lübeck.*
18. Carl Ditz aus Ludwigslust.*
19. Johannes Wedemeyer aus Neu-Lübtheen.
20. Friedrich Zickermann aus Sülz.*
21. Adolph Mumme aus Schwerin.
22. Franz v. Bülow aus Frankfurt a. M.*
23. Johannes Schmidt aus Parchim.*
24. Martin Overlach aus Petersburg.*
\
w
25. Martin Langcnbeck aus Schönhof.*
26. Friedrich v. Arnsberg aus Schwerin.
27. ^Villy Masius aus Schwerin.
2S. Edmund Soltau aus Schwerin.
29. Magnus v. Abercron aus Grabow.*
30. Reimar v. Koppelow aus Schwerin.
31. Adolph Brumm aus Perlin.
32. Emil Dittmann aus Schwerin.
33. Hermann Sandrock aus Schwerin.
34. August Burih aus Schwerin.
35. Theodor Fischer aus Schwerin.
36. Werner Kues aus Rostock.*
37. Franz Mahncke aus Schwerin.
38. Peter Gaettens aus Alt-Gaarz.*
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JAIIIIESBEKICIIT
ÜBER DAS
GYMNASIUM rßlMRICIANüM
VON OSTEHX 1S7I BIS EBENDAHIN IS72
WOMIT
ZUR ÖFFENTLICHEN PRÜFUNG SÄMMTLICHER OLASSEN
WELCHE AM 21. INI) 22. MÄRZ GEHALTEN WERDEN SOLL ^
CrEHURSAMST EINLADET
Bi. WILHELM BÜCHMBR
DIRECTOli.
3
i
INHALT: l. ÜOMEKISCHE STUDIEN. ABH. 11. DIE SAGEN VON ILION UND IHRE VER-
RKEITUNG NACH lONIEN. HOMER UND KREOPHYLOS. VON W. BÜCHNER.
2. SCHULNACHRICHTEX. VON DEMSELBEN.
Schwerin. 1872.
GEDRUCKT IN DER HOFBUCHDRITKEREI VON Dil. F. W. RÄKENSPRUNG.
Anordnung der Prüfung.
v^vrv/^ ' ^y^ * \y\.^>-^^-*'\^
A. Donnerstag, den 21. Mäiz, am 8 Uhr:
Gesang aller Classen. Morgengebet.
Ober -Prima 8^/4 — 9 Uhr.
Religion Oberlehrer Brunzlow,
Hoiat. Dr. Latendorf.
Uuter-Prima 9 — 10 Uhr.
Griechisch
Französisch
Dr. Meyer.
Lehrer Brauns.
Ober-8ecim(la 10»M — H Uhr-
Mathematik Dr. Bastian.
Üuter-Secumlrt 11 — 12 Uhr.
Cicero Dr. Meissner.
Xenophou Dr. Meissner.
Ober-Tertia '^h* — 4 Uhr.
Xenophou Or. Schmidt.
Uuter -Tertia 4-5 Uhr.
Lateinisch Dr. Sellin.
Geschichte
Oberlehrer Brunzlow.
B. Freitag, Uen 22. März, um 8V4 Uhr:
Quarta A. 8 1/4 — 9 Uhr.
Griechisch Lehrer Baniberger,
Rechnen Lehrer Brandt.
Quarta B. 9— H> Uhr.
Lateinisch Lehrer Bamberyer.
Griechisch Lehrer Bamberger.
Quinta lOU— II Uhr.
Lateinisch Lehrer Beckmann.
Sexta 11 — 12 Uhr.
Lateinisch Lehrer Stahl.
Rechnen Lehrer Brandt.
Um 12 Uhr:
Entlassung der Abiturienten. Versetzung sauiiathcher
Classen. Vertheilung der Densuren.
I
/
1
Der Unterricht im Sommersemester beginnt am Montag den h. Aj-ril um 8 Uhr. Dje in das Gymnaaium aulzu-
nehmeudeu einheimischen Knaben werden ausnahmsweise schon am Sonnabend den 23. März Irüh um 8 Uhr von nur
geprüft werden. Die Knaben haben ihre pro Ostern a. c. erhaltenen Schulcensuren. so wie auch ihre Taufscheine mitzu-
bringen. Die auswärtigen Knaben dagegen haben sich erst am Sonnabend den 6. April zur Prüfung früh um 8 Uhr em-
zuhnden. Das Prüfung^^local ist an Gymnasium Fndencianum.
Director Dr. Büchner.
IL Abliandluug.
§• 1.
Saerenspuron in der Troischen Ebene.
Die Ejcistonz IHons und dessen durcli die vereinten Griechen erfolgte Zerstörung muss auf
Grund der in der vorigen Abhandlung gewonnenen Resultate als ein historisches Factum gelten.
Wann solches stattgefunden, ist nur annähernd zu vermuthen; eine feste chronologische Bestimmung
liegt ausserhalb der MögUchkeit und kann auch gänzhch entbehrt werden, da sie für die Forschung
selbst nicht weiter von Belang ist. Fest steht, dass die P^rinnerung an den Troianischen Krieg
durch das ganze Altertlium hindurch stets lebendig geblieben, und dass derselbe als historisch von
Niemand in Zweifel gezogen worden ist. Allein in hohem Grade befremdend muss es erscheinen,
dass, während jener Hergang in ganz Griechenland, auf den Inseln und selbst in dem fernen Itahen
zu allen Zeiten das lebhafteste Interesse rege erhalten hat, gerade in der Troischen Ebene selbst,
wo man doch nach Jahrhunderten noch die bestimmtesten Ueberlieferungen hätte erwarten sollen,
Uli- das (iegentheil davon entgegentritt; nirgends findet sich eine spärlichere Erinnerung an Ilion
und dessen Untergang, als unter den späteren Bewohnern derselben Gegend, welche einst Zeuge der
Zerstörung der Stadt gewesen war. Vergegenwärtigen wir uns die eingehenden Untersuchungen,
welche im Altertlium von dem Demetrius aus Skepsis, von der Hestiaea aus Alexandria Troas, von
Hellanicus aus Mitylene und Anderen persönlich an Ort und Stelle angestellt worden sind, und er-
wägen wir deren Ausbeute, so treten zwar Ansichten, Meinungen und Vermuthungen der verschie-
densten Art zu Tage, aber nirgends findet sich an irgend einem Punkte der Ebene eine so fest
ausgeprägte Ueberlieferung, dass die Forschung im Stande wäre, solche grundleghch zu machen
und von ihr ausgehend weiter zu schhessen. Wo das alte Ilion gelegen, bleibt jenen Forschern ein
völliges Räthsel, untl auch am Strande des Hellespont wissen sie nur einige wenige auf das Heer
der Griechen bezügliche Punkte namhaft zu machen, welche sich im Volksmunde erhalten hatten.
Dennoch müssen wir ihnen wegen der Angabe sowohl jener als auch noch anderer OertHchkeiten
dankbar sein, da diese es smd, durch welche die nachstehende Untersuchung hauptsächhch bedingt
wird. Es ist hierauf ehi um so grösseres Gewicht zu legen, je weniger die bisherigen Homerischen
Studien auf jene befremdliche Erscheinung ihr Augenmerk gerichtet haben.
Wagen wir es uns in die Zeit zurück zu versetzen, als Ilion buchstabüch in Schutt und
Asche lag, so muss sich unter den Ueberlebenden das Andenken an die Zerstörung, so wie an Alles,
Wii> ihr voraufgegangen, in zwiefacher Richtung wahrheitsgetreu erhalten haben, einmal unter
denen, welche dem Verderben entronnen sich in die nächste Umgebung, also in die unzugänghchen
1
2
Schluchten des Idagebirges gerettet und nach Abzug des feindlichen Heeres in ihre alten Sitze zu-
rückbegeben hatten, und dann unter denen, welche diese auf immer vei-liessen; jene bestanden lediglich
aus Troern, zu diesen gehörten zugleich Sieger und Besiegte.
Richten wir unser Augenmerk zuerst auf die zurückgebliebenen Troer, so ergiebt sich
mit innerer Nothwendigkeit, dass diese, welche alle GrUuel und Schrecken des Krieges mit durch-
gemacht, bei der Fortpflanzung der Hauptereignisse sich in vollständiger Uebereinstinnnung mit
einander befunden haben werden; sie hatten die Ankunft der feindlichen Flotte mit ihren fürstlichen
Führern in frischem Gedächtniss, sie kannten genau den Ort der Landung, sie wussten von dem
Zweikampf des Hector und Achilles zu erzählen und konnten umständlich den Tod des ersteren
berichten; sie hatten den Heimgang des Achilles und den Selbstmord des Aiax erlebt und waren
endlich Zeuge gewesen von der Eroberung der Stadt selbst. Bei der weiteren Ueberlieferung dieser
Hauptsachen waren wesentliche Abweichungen und Umgestaltungen oder auch fremde Zuthaten nicht
möghch, so lange die Augenzeugen selbst noch lebten. Erst in den nächstfolgenden Generationen,
nachdem die persönliche Zeugenschaft erloschen, sind Ausschmückungen hinzugekommen. Durch
diese pflegen historische Thatsachen, je weiter sie in das Alterthum zurückweichen, sich allmälig in
die Hülle der Sage zu kleiden und in dieser unverändert so lange zu verharren, als mit den Orten
nnd Verhältnissen, an denen sie haften und unter denen sie existiren, keinerlei Veränderung vor-
geht. Nur wenn die Orte selbst aus mechanischen oder andern Ursachen andere Formen annehmen
und sich umgestalten, oder wenn ein wesenthcher Wechsel der Bewohner derselben eintritt, schrumpft
auch die Sage wieder zum kleinsten Kern zusanmien und verschwindet zuletzt gänzhch. Beispiele
davon bietet die alte Sagenwelt und selbst die Geschichte zur Genüge. Um Nahehegendes kurz
anzuführen, so sind in unserem engern Vaterlande die heiligen Orte, wo in grauer Vorzeit das
prophetische weisse Boss gezüchtet wurde (cf. Tac. Germ. c. lo), auch nachdem der altß
Glaube dem wahren Glauben längst gewichen war, sicherhch noch Jahrhunderte hindurch von dem
Volke gekannt und mit stummer Scheu betrachtet worden und haben erst, nachdem im Laufe der
Zeit dre wesenthchsten localen Umgestaltungen und Veränderungen vorgenommen worden waren,
dem Volksbewusstsein so vollständig sich entzogen, dass Niemand heut zu Tage in den Namensüber-
resten die alten Volksheiligthümer wiedererkennt, und dass es neuerdings ei-st der gelehrten Forschung
bedurft hat, die dunkeln Spuren davon überzeugend nachzuweisen i).
Dieser Hergang tritt vorzugsweise an den Sagenresten in der Troischen Ebene deutlich zu
Tage; bereits im Alterthum linden wir Alles in so dichten Nebel gehüllt, ja so tief in die Vergessen-
heit vergraben, dass wir ohne Uebertreibung behaui)ten können, die alte Welt habe über Alles, was
in der Ebene einst vorgegangen, aus derselben nur wenig mehr, als wir, zu entnehmen vermocht;
denn Alles, was aus ihr uns entgegentönt, ist unbedeutend und geradezu nichtssagend, und nur dem
Glänze der homerischen Poesie ist es vorbehalten gewesen, eine Urzeit der Ebene hervorzuzaubern,
von welcher diejenigen, die sie zur Zeit des Dichters bewohnten, nicht die geringste Vorstellung
mehr hatten. Zwischen den Punkten selbst aber, an denen einst noch einige Pieste historischer
Ueberheferung mehr oder weniger erkennbar waren, fand schon im Alterthum ein merklicher Unter-
schied statt. Die an dem HcUespont gelegenen Todtenhügel waren stets unverändert dieselben
und für Jedermann sichtbar gebheben, und die an ihnen haftenden Ueberlieferungen konnten also
von Geschlecht zu Geschlecht unverändert fort existiren ; dasselbe galt von dem Meeresufer, wo einst
die feindhche Flotte Aufstellung gefunden. Denn war auch speciell die Stelle, wo die Schiti'e ge-
') Das-5 in dem Namen Schwerin (Thiergarten; in Verbindung mit den Namen Dierhagen und Ostorf
(Horsedorf, d. i. PierdedorQ uralte Ueberreste des schon von Tacitus erwähnten Cults zu finden sind, hat die gelehrte
Forsoliung des Arclüvrath Dr. Beyer zu Schwerin überzeugend dargethan.
I
standen ivaiarui^uog), dem Gedächtniss nach und nach entschwunden, so musste sie doch in der
Bucht zwischen dem Sigeum und Bhoeteum gesucht werden, und die Sage haftete ganz allgemein
an dein Strande, gleichviel ob derselbe in einer Ausdehnung von einer oder von zwei Meilen ge-
dacht wurde. Dahingegen wo war die Stelle, auf der einst Ilion gestanden? Schon Homer
wusste es nicht mehr zu sagen und darum verlegt er die Stadt ganz allgemein in die Mitte
der Ebene, cf. Abb. I, p. 32, sqcp Es ist für den Verlauf der Untersuchung durchaus noth-
wendig, sich über das Befremdliche dieser Erscheinung wo möglich Licht zu verschaffen.
Die einfache Annahme, da^s die völhge Veränderung, welche nach der Zerstörung der Stadt
mit dem Locale vorgegangen, das \'erschwinden jeglicher Erinnerung zuwege gebracht, ist allein
nicht ausreichend; denn die Sage von Bion und dessen Schicksal lebte in der Ebene und die
aus dem Brande Geretteten müssen unter allen Umständen noch geraume Zeit hindurch die Stätte
der Stadt trotz ihrer völligen Umgestaltung genau gekannt haben. Um das völlige Vergessen des
Locals zu bewirken, müssen denniach noch andere Gründe massgebend gewesen sein. Nun aber
wissen wir, dass es eine Ueberzeugung des ganzen Alterthums war, Ilion sei einzig und allein
dem Zorn der Juno zum Opfer gefallen, eine Ueberzeugung welche Homer vollständig theilt
und als Grundmotiv für die Vernichtung geltend macht; cf Biad. IV, 25, sqq. Denselben Glauben
und dieselbe Ueberzeugung hegten auch diejenigen Troer, die nach dem Abzüge der Sieger aus den
Schluchten der Ida in die Ebene zurückkehrten und sie wieder in Besitz nahmen; sie mussten ihn
hegen, weil er durch die religiösen Vorstellungen des Alterthums geboten war. Wir wessen ferner,
dass nach aUer Sitte über die Stätten eroberter und zerstörter Städte die Pflugschaar gezogen (cf
Horat. I, K), 21), und da>s ausserdem die stärksten Flüche ausgesprochen wurden, zur Warnung,
solche Orte niemals wieder zu Wohnsitzen von Menschen zu machen. Dass solches auch in Bezug
auf Ilion geschehen sei, behauptete schon das Alterthum; cf Strab. XIII, p. 112. ftxa^oj'fft de, zoig
Gleichviel nun, ob Agamemnon die Verfluchung wirkhch ausgesprochen oder nicht, so enthält doch
jener Glaube selbst genügende Beweiskraft für die Richtigkeit der Annahme, dass die überleben-
den Troer den Ort des Unheils, auf dem so sichtbar der Zorn der Gottheit geruhet,
nicht wieder aufgebauet haben. War diess aber der Fall, so erklärt es sich ganz von selbst,
dass, nachdem das meineidige Geschlecht des Ilus mit Priamus seinen Untergang gefunden, der
rechtmässige Herrscherstamm unter Aeneas (cf I, p. 40, sqq.) es vorzog, die vom Zorn der Götter
so schwer betroffene Ebene überall zu verlassen und in fernen Landen sich eine neue Herrschaft
zu grüi.den; er brachte den uralten Spruch, Troia dürfe au der alten Stelle niemals wieder
aufgebauet werden, mit nach Italien und gab hier die Veranlassung, die neugegründete Tiber-
stadt, welche unter ganz gleichen VerhäUnissen inmitten der Tibermoräste, wie einst Bion in der
Sumpfebene, sich erhob, nur mit dem Allgemeinnamen der Stärke, nicht aber mit dem ihr zu-
kommenden Ilion zu benennen. Ebenso haben die zurückgebUebenen Troer aus Scheu vor der
Gottheit es nicht gewagt, ihre Stadt an der alten Stelle wieder herzustellen; auch sie haben sich
30 Stadien östhch vom alten Ilion, dort wo der vielgenannte Berghals aus der Dardanischen Ebene sich
in die Troische hineinzuziehen beginnt, fast am Fusse der alten Kalhcolone niedergelassen, haben
aber diese neue Niederlassung weder Ilion genannt, noch ihr den Namen einer Stadt, 7io?ug,
sondern nur den eines Dorfes {xiufir^ Uuwv) beigelegt; cf Strab. p. 99. 103. 106. Unter diesen
also muss sich die Kunde, wo einst Ilion gestanden, geraume Zeit hindurch erhalten und fortge-
pflanzt haben, und wären allhier die alten Forscher den Ueberheferungen der Vorzeit sorglich
nachgegangen, so hätten sie vielleicht noch Spuren und Ueberreste alter Verhältnisse aufgefunden.
1*
In der Voi-stelluDg der Dori-Ilienser uuu galt die Area des alten Ilion ganz bestimmt als ein
XWQiov xaxäQcnov, dessen ursprünglichen Namen (lliou) sie nicht einmal auszusprechen sagten,
boudern ihm im Gegensatze zu ihrer xw//^ nur die exceptionelle Bezeichnung dio^iuiu ßaoUrog
( cf. IL XXIV, fin.) beilegten. Der Name Ilion schwebte abgeUist vom Locale gleichsam m der Luft
über der Ebene; der Duft der Sage allein pflanzte ihn fort und der specielle Ort als Träger der
Sage wurde vergessen. So stand es bereits zur Zeit des Homer, und hierin liegt nichts Auftalhges.
Man nimmt heut zu Tage an, dass der Dichter zwischen dem 9. und S. Jahrhundert a. C. gelebt
und gesungen hat, eine Annahme, die sich weiter unten als vollkommen zulässig und glaubwürdig
erweisen wird. Demnach hat die Zerstörung Ihons nündestens um mehrere Jahrhunderte früher, also
übereinstimmend mit der vulgären Annalmie um ungeiähr 1200 a. C. stattgefunden, und es kann mcht
zweifelhaft sein, dass während eines so langen Zeitraumes unter dem Einflüsse jenes oiiüvio^wg die
Kenntniss des Locals gänzlich geschwunden ist. Das Wort des Dichters im Munde des Poseidon
II \TI, 452 tJuXioeo^ai ist durchaus der Wahrheit gemäss und vollkommen zutreft'end; es konnte
um so 'leichter gesprochen werden, als die Stelle, wo Ilion gestanden, zur Zeit Homers kemerlei
Spur von alten Baulichkeiten zeigte, sondern höchstens nur Weideplätze lür Viehherden darbot.
Jenes Wort Homers aber beweist zugleich augenscheinlich, dass zu seiner Zeit auch von Neu-Ihon
noch keine Rede gewesen sein kann, da dessen Vorhandensein und die bekannte Behaui)tung der
Neu-IHenser, die Stätte des alten Ilion zu bewohnen, jenes tnüj'aeo.^ai vollständig ausschhessen
und unmöghch machen würde. Neu-Ilion kann erst lange nach Homer, nachdem ein bunter
Wechsel der Bewohner der Ebene eingetreten war, von welchem Strabo 1. 1. die umständlichsten
Nachrichten giebt, erbauet worden sein, namentlich als Lesbier, Athenaeer und Andere sich um den
Besitz der durch ihre günstige Lage sehr werthvollen Ebene stritten. Es wurde unzweifelhaft von
Bewohnern des Dorfes, die den ganzen Beighals als ihr altes Besitzthum beanspruchten, angelegt,
nachdem im Laufe der Zeit jener otono^iog, wenn auch sicherlich nicht ganz vergessen, doch unter
den Bestrebumren anderer Stämme, den Berghals zu besitzen und zu bewohnen, vollkommen be-
deutungslos geworden war. Aus diesem uralten Bewusstsein, aus der nicht gänzlich erloschenen
Erinnerung an den ehistigen Götterzorn entwickelt sich gleichsam der rothe Faden, welcher m Ver-
bindung mit dem unbestreitbaren Eigenthumsrecht an der Ebene die Neu-Ilienser zu der Behaup-
tung Alt-Ilioii zu bewohnen führte und also die Tradition schuf, an welcher, mit Ausnahme der
verwerflichen gelehrten Ansicht, das ganze Alterthuni unverbrüchlich festgehalten hat.
Beruhen nun diese Ilesultate, wie es bei Dingen, welche die tiefste Dunkelheit deckt, nicht
anders sein kann, nur auf einer Kette von Schlüssen und Folgerungen, die jedoch aus einem ganz
bestimmten Factum gezogen worden sind, so ist es doch von Wiclitigkeit, jene Schlüsse wo möglich
durch weitere Beweise zu stützen und zu sichern. Wir haben behaui)tet, dass die nacli der Zer-
störung der Stadt in die früheren ihnen als Eigenthmn zugehörigen Sitze zurückkehrenden Troer
ihre neue Ansiedhuig aus Furcht vor der Gottheit nicht Ilion, sondern einlach Dorf der llienser
genannt haben, otfenbar im Gegensatz zum zerstörten Königssitz des Priamus, und es handelt
.ich demnach darum, auch für die Zulässigkeit dieser Behauptung womöglich etwas beizubringen,
wodurch zugleich die aus den Verhältnissen der Ebene erwiesene Lage der alten Iroia noch weiter
bestätigt werden dürfte.
Der heutige Türkische Name des Ortes, wo Neu-Ilion gestanden, lautet Hissarlik und be-
deutet die Paläste; die Veranlassung zu dieser Benennung hat man in den Tempeln und
Prachtgebäuden gefunden, mit denen einst Macedonische und liöimsche Gunst die Stadt ge-
schmückt hätte; cf. Ulrichs p. 596. Fest steht nun allerdings, dass jener Name erst im Munde der
Türken, als sie der Troischen Ebene sich bemächtigten, entstanden sein kann; allem das liegt voüig
ausser dem Bereich der Wahrscheinlichkeit, dass sie ihn desshalb neubildeten, weil sie nach so und
(
I
V
80 vielen Jahrhunderten noch UebeiTeste von vermeinthchen Tempeln und andern Prachtgebäuden
vorfanden. Zwar kann ein mit derartigen Baulichkeiten ausgestatteter Ort, wenn er bereits den Namen
Stadt der Paläste geführt hat, auch nach seiner Zerstörung denselben Namen in dem Munde
der kommenden Geschlechter beibehalten, allein niemals ist einem Trümmerhaufen von Mauern und
Ruinen auf eine blosse Schlussfolgerung hin eine derartige Benennung beigelegt worden; und so ist
es auch den einbrechenden Türken gewiss nicht eingefallen, die Reste eines in Schutt hegenden
Ortes mit dem stolzen Namen Stadt der Paläste zu bezeichnen. Was aber die Hauptsache ist, so
hat es mit jenen vermeintlichen Prachtgebäuden überall nicht viel auf sich gehabt; von Mace-
doni scher Seite wenigstens ist es gewiss, dass solche nicht errichtet worden sind. Es ist auf jene
Gunst, welche sowohl Alexander von Macedonien als auch später der Dictator C. Juüus Caesar den
Bewohnern von Neu-IHon einst zugewendet, schon früher (Abb. I, p. 2(1) hingewiesen worden, doch
lediglich zum Beweise, dass die alte Griechische und Römische Welt in Neu-Ilion die einstige Troia
unbedingt anerkannt hat. Was dagegen die Errichtung monumentaler Gebäude anbetrifft, so hat
sich Alexander allerdings dafür interessirt, aber ohne Erfolg. Er fand nach seinem Siege am
Granicus die Stadt in solchur Verkommenheit, dass er ihr, die bis dahin noch ein blosses Dorf war,
zuerst den Namen einer Stadt beilegte; cf. Strab. p. 99. Auch befahl er ihre Herstellung diu-ch
Häuserbauten und versprach nach Zertrümmerung des Perserreiches brieflich, den Ort zu einer grossen
Stadt machen zu wollen; cf Strab. p. 100; indessen bei diesem V^ersprechen ist es gebheben, sein
früher Tod verhinderte die Auslührung. Unter seinen Nachfolgern unternahm es Lysimachos von
Thracien das Versprochene nachzuholen; allein dabei blieb es, der Ausbau von Antigonia, aus Pietät
von ihm Alexandria Troas genannt, nahm ihn zu sehr in Anspruch^). So kam es, dass Neu-Ihon
noch ziu' Zeit des Ueberganges der Gallier von Griechenland nach Asien, also kurz nach Lysimachos Tode
um den Anfang des 3. Jahrhunderts a. C. nach dem Zeugniss des Hegesianax noch immer keine Stadt,
sondern nur ein Dorf ohne Mauern war; cf. Strab. p. lOo 'flyy-oiara^ dt loii; ralaiag,
jitQuiiü&iviag ix Trjg EvQnJTii^g, dva^ivui fdv (lazoQtl) tig Tt]v Ticliv deo/tiivoig iQi\uuTog'
nana/(tijia dt ixXuitlv öici tö uitixi^oiov. Nicht anders aber scheint es sich mit der Gunst, welche
von Römischer Seite den Neu-Iliensern erwiesen worden, verhalten zu haben. Als die Römer im
Kriege gegen Antiochus den Grossen, also zu Anfang des 2. Jahrhunderts a. C, zuerst Asien be-
traten, fanden sie Neu-Ihon ebenfalls nur als ein Dorf vor; cf. Strab. ib. Kai zo Ikiov, i6 vlv.
') ('!'. Strabo a. a. 0.: Msra öl £xeivoj TtAtjTr,* Aja'I,u.a/o^ {laA'.STa ty'; ttoäcw; i~z\i.Zhr;2r^ xa\ vcüjv
/.j/.ACiJ
apxa'.a;
T,?T, xi/.axwiieSa;' oxe /.al 'AAecav^pita; v"5tq i-xz\i.t,.T,zr.' cjvwx'.aixi'vr,; \i.vi x5f. Oti AvTr/c'^ow >'-»- r.oo;,TC[o^vj\i.i>-{\^
Avri70v'!ac, fiCTii^aXo-Jav,; ^i TO-j^oiia. "ESoii '{'Ip £'j7c.U; tvti'. :ou; 'A/.tcavJ^pov ß-.a^s^aixi'vo'j;, fxtivcj irpoTepov xt'!l!£iv
^-xto^-jjiouc reo Xei;, tX'Z eauTw-j. v.tX «"^t x.i\ 3'j>e,u^'-vc yj\ a'j^r,Jiv £cy£' rZ^i öl xa\ 'Pto}jLa'!ti>v a-oixiav öt'Sexrat xa\
e'oTt TW'* ^XAoyijAwv TtoXewv. Ka\ to "lAto* Ö. o vvv ^ati. xwjxo'tzoXis ti; t^v, ore -pioTOv 'Pwfiatoi xt;? Aaia^ i'Tii^tiO'x'i
xa\ c'^e'i'iaXov Avtio^ov tov jie'Yav iv, ttq? £vtÖ; tou Ta\jpo"j. Die Venvorreuheit dieses Berichts Luweist, dass fcu«,bo
Eu»h iiiimer seinen Deutley erwaiteL. Deun wenn iiior j^esagt wird, dass Lysimav.iiOS ^^eu-Iliou mit einer ungefähr eint ileile
langer. M;iuor uir.gL4u.: habe, un«! wenn weiter unten der Gengjaph hinzufügt, da?s die al:^^ Euroja na^^h Kleina^^i'^n ü' er-
setzenden (lalater, was doch eben nur wenige Jahre nach Lvpimnohos Tode gescliah, die Stadt nach dem Zeugnisse de.« Hege«ianax
als eine axctyj-CfTO? gefunden und darum sofort wieder verlassen hätten, so enthält die ganze Darstellung einen Wider-
spruch, der dem Strabo unmöglich zur Last gelegt werden kann. Die Schuld trägt vielmehr ein alter Abschreiber, der die
Worte xa\ vewv bis -^'Sti xcxaxwjAe'vas an eine i'alsche Stelle setzte; sie gehören aber unten zwischen die Worte xal Sr,-xx\
und diese müssen lautuu: xal ör] xal vewv xaxiaxevaac xal Ttix°» "epie^a'AeTO oao^ TiTTapa/.ovTa OTaöiwv. au^wx'.ss tc
ti; auTin'* "oiC xvxXw TioXei; apx'xia;, T^8r\ xcxaxwixeva?* xal ouvefiei^'e xal aulr^atv £'ax£ x. t. X. Somit bezieht sich
diese Alles auf Alexandria Troas und Strabo hat eben nur gesagt, dass Lysimachos ganz besonders für Neu-Ilion gesorgt
habe, ohne Angabc, wie er es gethan; in dieser Au'^lassung aber liegt der muthmassüche Giuud der Verderbniss, "Weiter
sind auch die Worte Kai xo "Iaiov 5*, ö vuv toxi. xojjJLc'-xoXii; xi? ijv, oxe x. x. X. unrichtig; sie müssen lauten: Kai xo
IaIO-J xo tZ* ixi XWJJLOTtoXi; XI? Xi* X. X. X.
(5 -
ezi xiü^wnoXis n^ ^v, Ute noonoy 'Ptüfiatot tr,g \loi(xs intßt.aav xai t^ißa^ov Avnnyov lov jdyotv
ix tr^g ivtog tov TavQOv. So schreiben ^^ir die Stelle statt der verunstalteten Vulgata: Kai toV.iov
d\ 0 vi'v ioTi, xtü/ucnolig rig t^v (s. die vorige Note). Erst zur Zeit des Sulla, als die Finibriauer sich
de'r Küste Kleinasiens bemächtigt hatten, scheint der Ort ummauert gewesen zu sein, da er eine Be-
lagerung eilfTage lang auszuhalten vermochte; cf. Strab. p. 10!. o OiußQiag — 7iQoe?.i}ojv tlglhnv,
ol d^o^dviov avTOv tu)v 'Llduiv u.g Ir^arr^v ^dvrot, JiQoaiftnei (seil, ßiav) xai hdtxaiainvg aiQÜ.
(fdvTOi schreiben wir statt des corrupten fiavtei der Vulg.). Zwar verlieh Sulla nach Ueberwäl-
tigung der Fimbrianer den Neu-Iliensern, um sie wieder zu heben, viele Rechte und Wohlthaten
(xatoof^tüiiaTa), und auch Caesar erhielt ihnen spiiter nicht allein die bereits von Alexander ge-
währte Entfreiung von Abgaben, sondern vermehrte auch ihren Grundbesitz und liess ihnen die
Freiheit; allein von der Anlegung von Tempeln und Prachtbauten ist weder bei ihm, noch bei jenem
irgendwo die Rede; Alles bezieht sich nur auf Gunstbezeugungen von nicht baulicher Natur und
Beschaffenheit, ähnhch denen, welche die späteren Kaiser, z. B. Clau<lius mit besonderer Vorliebe
-wiederholten; cf. Sueton. Claud. c. 25.
Wenn wir nun unter dem Eindrucke dieser Berichte die l'eberzeugung überall nicht ge-
winnen können, dass Neu-Ilion grossartige Bauten jemals gehabt habe, so wird dieser Mangel an
solchen wenigstens für die Zeit von Alexander d. G. bis zur Unterwerfung Griechenlands durch die
Römer 14ö a. C. durch das Zeugniss eines Augenzeugen, des Demetrius von Skepsis vollkommen
bestätigt. Dieser, nach allgemeiner Annahme ein Zeitgenosse des Aristarch und Crates (cf. Strab.
p. 126°, also um 150 a. C. lebend, hatte als Jünghng während des Krieges der Römer gegen
Antiochus d. G. (190 a. C.) Neu-Ilion besucht, den Ort aber in solchem N'erfall vorgefunden, dass
die Häuser nicht einmal mit Ziegeln gedeckte Dächer aufwiesen; cf. Strab. p. tOO: 0t,iji yolv
Jr^ufjoiog o ^atiiuog, fiuoaxiov Uidrur^aag dg ti]v nöUv xai ixeivovg inig xaiQOvg, ol'irwg
wUyojQr^^dvt^v iduy r/> xtaoixlar, luare ftt^de xeoaiaorag fx^iv log axiyag. Wenn also Mace-
donische Trachtgebäude durch dieses Zeugniss bis zum J. 150 a. C. völlig, Römische mit
grösster Wahrscheinlichkeit auch für die spätere Zeit ausgeschlossen worden, weil sonst sicherlich
davon irgendwo die Rede sein und namentlich Strabo (um 30 p. c), der über (he örtliche Be-
schaffenheit Neu-llions mit oß'ensichthcher Vorliebe berichtet, eine darauf bezügliche Bemerkung
gewiss nicht unterlassen haben würde, so wird die oben angeführte Erklärung des Namens Hissarlik
bezüghch ihrer Entstehung durchaus hintällig und muss mit Entschiedenheit abgelehnt werden.
Dahingegen ergiebt sich aus dem Gesagten unzweideutig, dass die Türken die Ruinen von Neu-Ilion
mit jenem Namen bezeichnet haben, weil sie ihn im Munde des Volkes bereits vorfanden, und wir ^
behaupten mit Entschiedenheit, dass der Name „die Paläste** eine uralte Reminiscenz ent-
hält und auf nichts Anderes zurückzuführen ist, als auf den uralten Könitrssitz des
Friumus. Fassen wir Alles noch einmal kurz zusannnen, so war dieselbe Scheu vor dem Zorn der
Gottheit, welche späterhin die Römer veranlasste, den Geheimnamen Roms nicht auszusprechen, auch
für die Dorf-Ilienser der Grund gewesen, sich des den Göttern verhassten Namens nicht ferner zu
bedienen, sondern dafür bloss Wohnungen des Königs zu sagen. Hiedurch löste Ihon sich all-
mähg vom Locale ab und schwebte mit der Sage von Ilions Fall und Untergang gleichsani über
der ganzen Ebene, das Local selbst aber als Träger des Namens schwand aus dem Gedächtniss der
Menschen und gerieth in Vergessenheit. Nur unter den Dorf-Ihensern wird eine alte Kunde davon
sich erhalten haben. Als somit im Laufe der Zeit jene Scheu vor dem Götterzorn erloschen war,
und als jene die alte Stätte der Stadt wieder aufsuchten und zum Wohnsitz nahmen, da haben sie
kein Bedenken weiter getragen, sie gleichsam ofticiell wiederum Ilion, d. i. Neu-Ilion zu benennen,
während der Volksmund die Bezeichnung Wohnungen des Königs beibehielt; und darauf hin
haben später die Türken den Ort Hissarlik, die Paläste, genannt. Wir bewegen uns
/
M
hiemit allerdings auf dem Boden der dunkelsten Thatsachen und Verhältnisse und es gilt daher, um
jenen nahe zu kommen, in den vergilbten Blättern des Alterthums oft nur gleichsam zwischen den
Zeilen zu lesen; indessen auch so lässt sich Manches mit Sicherheit errathen. Woher mag es wohl
konnnen, dass uns Homer ein so ganz eigenthümhches Bild von Ilion hinterlassen hat? Ueber-
schauen wir mit einem Blicke Alles, was er über die Stadt als solche berichtet, so erhebt sie sich
vor uns gross und volkreich, stolz und prächtig; sie wird von mächtigen, thurmgekrönten Mauern
geschützt und von breiten Strassen durchschnitten, und hoch über sie ragt der Königsbau des Priamus
empor, kurz eine ächte Königsstadt, vergleichbar denen, welche die vergrössernde Sage dem Dichter
aus dem fernen Orient zugeführt hatte. Allein worauf gründet sich diess Bild? etwa auf irgend eine
eingehende Schilderung und Beschreibung? auf die Anwesenheit belebender Details? Wir suchen ver-
gebens danach; Alles beruhet auf ganz allgemeinen Andeutungen und vorzugsweise auf bezeich-
nenden Beiwörtern, die jedoch nicht vermögend sind, die eigentliünüiche, so zu sagen gross-
artige Erstarrung zu heben, in welcher die Stadt sich vor uns ausbreitet. Sie birgt Tausende und
abermals Tausende lebender Wesen in ihren Mauern, und dennoch steht sie, ganz im Gegensatz
zum wilden KampfgewUhl in der Ebene, vor uns in seltsamer Ruhe, fast leblos, fast seelenlos. Nur
ein Punkt macht eine etwas bemerkbare Ausnahme, aber wiederum nicht der, den man erwartet,
nicht der Tempel der Pallas Athene, der vermeinthchen (II. VI, 297, sqc^.) Beschützerin der Stadt, son-
dern nur der Königspalast des Priamus auf der Höhe der Stadt; cf. Iliad. VI, 242, sqq. Diess
ist kein Zufall; der Umstand, dass der Dichter gerade den Palast des Königs etwas eingehender
beschreibt und ihn mit der rings umliegenden Stadt gleichsam nur umrahmt, lässt vermuthen, dass
ihm, dem Fernlebenden, der nicht einmal wussto, wo Ilion gestanden, vorzugsweise aus der Ebene
die öi'o^iCLia ßaailT^og als Bezeichnung des alten Ilion selbst genannt worden sind.
Und so ist es; hiemit verbreitet sie Licht über manche Homerische Darstellung. Als Priamus, vom
Herold Idaeus begleitet, die Leiche Hectors nach der Stadt zurückbringt, da tritt auf den Ruf der
Cassandra das ganze Volk dem Kommenden unmittelbar vor den Thoren entgegen; II. XXIV, 709,
S(iq. Die nächsten Angehörigen des Getödteten umringen den Wagen, auf w^elchem die Leiche
ruhet, und wehklagend steht weit umher die dichtgeschaarte Menge; ib. 772. Sofort spricht Priamus:
„Machet Platz und öffnet den Mäulern den Weg; hernach niöget ihr euch sättigen an der Klage,
sobald ich den Leichnam nach Hause gebracht." So sprach er; da trat die Menge auseinander und
wich dem Wagen, der König aber und sein Begleiter legten, nachdem sie Hector in die herrhchen
Wohnungen hineingeführt ), ihn auf das Paradebett. Das Auseinandertreten des Volkes und
das Hineinführen der Leiche in den Palast folgt hier so unmittelbar aufeinander, dass, w^nn
man auch geneigt sein möchte, bei dem letzteren zu ergänzen durch das Thor und durch die
breite Strasse, dennoch der Dichter sicherhch daran nicht gedacht hat; mit der Hindurchfahrt
durch das Thor fährt der König unmittelbar in den Palast hinein und Stadt und Palast sind
offenbar ein und dasselbe. Diese wörthche Auffassung der Stelle wird weiter unten vollkommen
bestätigt. Als nämlich Helena ihre Todtenklage um Hector beendet hat, bricht auch das zahllose
Volk {dritiog uniiQityv ib. 77()) in Wehklagen aus. Lag nun die Leiche in den xlvrolg dcc/naai, so
muss auch eben daselbst die Masse der Troer gesucht werden; dafür aber dürfte der eigentliche
Königspalast, abgesondert von der übrigen volkreichen Stadt gedacht, doch wohl schwerlich aus-
reichend gewesen sein. Dasselbe ist der Fall, wenn ib. 803 von dem Leichenschmause des Volkes
öd'fiiiaaiv iv Tlftiäfioio die Rede ist. Auch hier kann die Bewirthung des Volkes nur dann als zu-
*) Wir legen hier die gewöhnliche Erklärung des daäyzi^ zu Grunde; indessen dürfte nach Iliad. Yl, 252
AaoöixT.v ^cayouca. d. i. ei;eX^oüoa e{; tcv tt^; .\. otxov, der Sinn der Stelle sein: nachdem sie in den Palast
hineingefahren waren.
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lässig erscheinen, wenn man den Palast in der Vorstellung des Dichters mit der Stadt selbst als völUg
identisch annimmt. Wir wissen sehr wohl, dass die verallgemeinernile und vergrössernde Phantasie
auch hier nicht ausgeschlossen ist; allein wenn unbedingt zugegeben werden muss, dass aus der
allgemeinen Erstarrung der Homerischen Stadt sich wirkhch nur der belebte Sitz des Priamus m
allen seinen einzelnen Haupttheilen abhebt und vor dem geistigen Auge des Lesers emporsteigt, so
unterhegt es keinem Zweifel, dass eine Reminiscenz an diese uralten Verhältnisse sich bis zum heu-
tigen Tage in dem Namen Hissarlik, die Paläste, erhalten hat.
§. 2.
Fortsetzuns:.
Fragen wir weiter, wie viel Material der Dichter tur seine Iliade in der Ebene selbst ge-
funden habe'', so lautet die Antwort sehr verschieden; für die Hauptperson, den alten Priamus gewiss
wenig mehr als den Namen. Der alte König stellt sich uns so wenig anschauhch entgegen, dass
wir nur hier und da Aeusserungen seines Thuns, sowie seines ganzen Seelenlebens wahrnehmen; vnr
erfahren nichts von seinen früheren, nichts von seinen späteren Schicksalen; seine Stellung als Be-
herrscher eines so gross geschilderten Reiches kommt nirgends zur Geltung, und nur hin und wieder
bricht in ihm seiner Familie gegenüber das Bewusstsein des gebietenden Oberhaupts durch, besonders
wenn er seine übrigen S(ihne mit seinem Liebling Hector zusammenstellt und jene Feiglinge und
lässiges Cxesindel schilt. Auch der gewaltige Kampf vor den Thoren hat für ihn wenig oder gar
keine Bedeutung, und nirgends lässt er die geringste Sorge durthblicken, dass mit der Existenz der
Stadt zweifellos auch die eigene auf dem Spiele steht, kurz er bietet das Bild einer stolzen majestä-
tischen Ruhe, die jedoch keinerlei Befriedigung gewährt. Wir sehen in ihm einen willenlosen
orieutaUschen Gebieter, der, verglichen mit dem rüstigen GereniscluMi Nestor, nicht einmal sein
Greisenalter als Entschuldigung lür seine vöUige Thatenlosigkeit anzuführen vermag.
Bei weitem anders verhält es sich mit der zweiten Hauptfigur, dem ritterlichen Hector; in ihm
hebt sich aus dem gewaltigen Kampfe die grossr.rtige Gestalt des Schirmherrn der bedrängten Stadt
lebensvoll empor, und neben der glänzendsten Tapferkeit manifestirt sich in ihm eine solche Ge-
müthstiefe, verbunden zugleich mit Kraft und Energie, dass die Theilnahme an seinem endlichen
Geschicke auch die verborgensten Seiten der Menschenbrust berührt und Emphndungen hervorruft,
welche nur durch edle Naturen erregt zu werden pflegen. Diess Alles aber kann nicht aus der
verbüchenen Sage von llioii und Priamus, so weit diese in der Ebene vorhanden war, entflossen
sein; Hector steht, abgesehen von dem Schutze, den er der Stadt gewährt, in dem ganzen grossen
Schlachtengemälde in keinem genauem Zusammenhange weder mit der Stadt selbst noch mit seinem
königlichen Vater; er ist eine ganz selbständig NN-irkende Persönlichkeit, der seine hervorragende
Thatkraft in allen Schlachten, seinen Seelenzustaud aber in seinen Gesprächen mit der Gattin und
mit Achilles in seiner ganzen Tiefe ottenbart, und alle diese Züge können nirgends anders woher
stammen, als aus der Sage, welche am Todteuhügel des Helden haftete. Wir haben schon früher
den Versuch gemacht, gleichsam das Gerippe derselben anzugeben (cf. I, p. 35 ) und wesentlich an-
ders wird sie nicht gelautet haben, weitere Zuthaten aber sind von einer andern Seite, vom Achilles-
hügel hinzugekommen. Allein wo in der Ebene lag der Hector-Hügel? und hat Homer ihn ge-
k a n n t oder er e s e h e n V
So viel steht fest, dass, wenn Ilion an der SteUe des heutigen Hissarlik lag, auch diis Grab
Hectors in nächster Nähe gesucht werden muss. Homer berichtet ausdrücklich, dass die Troer in
Folge des Auftrags, das n(ithige Holz zum Scheiterhaufen des getallenen Helden herbeizuscliaflen, sich
vor der Stadt versammelt und nachher die Leiche hinausgetragen haben, dass ferner während der
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Aufschüttung des Hügels nach allen Seiten hin Späher ausgestellt waren, um nicht ausserhalb der
schützenden Mauern von den Griechen überfallen zu werden, und dass man endlich nach Vollendung
des Grabmals in die öwaaTa ßaadf^os zum Leichenschmause zurückgekehrt sei; cf. II. XXIV, 783.
786. 709. 801. Hector war also ausserhalb der Stadt bestattet worden. Aber auch den Bau
des Grabmals beschreibt der Dichter ganz genau; man legte die gesammelten Gebeine in eine gol-
dene Urne, nachdem man sie zuvor mit purpurnen Decken umhüllt, und senkte das Gefäss hinab in die
hohle Grube, wölbte dann darüber gewaltige Steine und thürmte endlich den hohen
Erdhügel auf; cf. 795, sqq. Ein derartiger Bau kann in keinem Falle, mag auch der Erd-
hügel im Laufe der Jahrtausende diese oder jene Veränderung erhtten haben, in seinen Grund-
mauern spurlos von der Erde verschwunden sein; noch heute muss das Steingewölbe sich
vorfinden und zwar in der Nähe von Hissarlik. Wie aber, wenn der Dichter, lediglich auf Sitte
und Herkommen gestützt, bei der obigen Beschreibung imr von der Annahme ausging, dass dem
Helden ein Grabhügel errichtet worden sei, ohne dass diess in Wirklichkeit der Fall gewesen? Dem
ist nicht so; das historisch festgestellte Ilion verbürgt auch den historischen Hector, und
dass dieser, wie jeder andere hervorragende Held, seine letzte Ruhestätte in der angegebenen Weise,
nur mit Hinzufügung der ehrenden Ausschmückung, z. B. der goldenen Urne, gefunden hat, muss
als ausgemacht gelten, und kann demnach, da der Achilles- und der Aiaxhügel sich bis auf den
heutigen Tag vollkommen sichtbar erhalten haben, auch der des Hector sicherUch zur Zeit des Homer
noch nicht völlig verschwunden gewesen sein. Sah also der Dichter den Hectorhügel, so muss er
auch die Ebene gesehen haben, und diess eben ist es, was durch die ganze bisherige Untersuchung
als unwahr erwiesen wird. Dennoch gilt es den Versuch, wenigstens eine Spur des Hügels in der
Ebene aufzutinden.
Der vielgenannte von Osten nach Westen in die Troische Ebene hineinschiessende Berghals,
auf dessen westhchster Spitze wir das alte Ihon an der Stelle des heutigen Hissarhk gefunden
haben, wird in seiner ganzen Liinge von einer nicht allzu tiefen Thalsenkung durchschnitten, welche
ihn genau genommen in zwei parallel neben einander fortlaufende Bergrücken theilt. Steigt man von
Hissarhk, welches auf dem nordwärts sich hinziehenden Rücken Hegt, in dieses Thal nach Süden
hinab, so stösst man auf einen am Rande des Thaies liegenden Grabhügel, welcher keinen Namen
trägt; durchschreitet man das Thal ebenfalls in südUcher Richtung, so erhebt sich am Rande des
südwärts sich hinziehenden Rückens ein zweiter Hügel, heutigen Tages Pascha-tepe genannt; er
ist 30 Fuss hoch, hat 120 Fuss im Durchmesser und ist, wenn man von der Südostecke der ganzen
Ebene nach Norden zu fortschreitet, der erste Punkt, von welchem aus das Meer sichtbar wird; cf.
Ulrichs p. 598. In ihm hat die Forschung den Grabhügel des Homerischen Aesyetes mit Recht me-
dergefunden (cf. Ulr. 1. 1. Forchh. j). 22). Schon der heutige Name ist, ähnlich wie bei Hissarhk, von
entscheidender Bedeutung. Es ist nämhch unbedcnkhch zu behaupten, dass der Name Alovr^xr^g
mit dem Homerischen alavtjzrQ im engsten Zusammenhange steht und somit den fürstlichen
Rechtspfleger bedeutet; cf. Apion bei Hesych. s. v. alavrjTTJQt, (aus Riad. XXIV, 347). Pape
Lexic. s. V. Alavrrir^g. Es würde aber völhg ungereimt sein, bei diesem uralten Hügel an das
Grabmal irgend eines Pascha aus der Zeit der Türkischen Herrschaft zu denken; vielmehr hat
ledighch der Name des Hügels, den die Türken vorfanden und der ihnen von den Einwohnern als
Fürstenhügel [AiovUov Ta(pog) bezeichnet wurde, sie veranlasst, ihn in ihrer Sprache mit Pa-
scha-tepe wiederzugeben, und auch hierin hegt also eine Reminiscenz an dunkle Verhältnisse des
grauesten Alterthums. Dahingegen tragen wir kein Bedenken, den vorhin erwähnten namenlosen
Hügel als den Todtenhügel des Hector zu bestimmen. Völhg entscheidend dafür ist der Umstand,
dass dieser Tumulus, offensichthch aus uralter Zeit stammend, der einzige im Umkreise der
Höhe ist, auf der einst Ilion stand, so wie auch dass er, isohrt am Abhänge sich erhebend, durch
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eben diese Lage den Beweis liefert, dass er nicht innerhalb, sondern ausserhalb der alten Stadt
-elegen haben muss. Wäre es möglich ihn heutigen Tages aufzugraben, so würde man m seinem
Innern die steinerne Todtenkammer und vielleicht noch andere werthvolle Dinge aus dem Alterthum
vorfinden. Die Sache ist so einleuchtend, dass man sich sogar versucht fühlen konnte, einen wei-
teren Beweis aus dem Dichter selbst zu entnehmen. Man kann nämlich von der Höhe von His-
sarhk sowie auch vom Pascha-tepe aus den Hellespont, das alte Sigeum und die nördlich davon
bele-ene Festung Kumkale, also aUe die Punkte, wo einst das Griechenheer Aufstellung gefunden,
deutlich erbhcken, nicht aber von dem in Rede stehenden Hügel und noch weniger also von der
Thalsohle aus, wo jener einst errichtet worden ist. Vergleicht man hiemit die bestimmte Meldung des
Homer (Riad XXIV, 799), dass die Troer während der Bestattung Hectors nach allen Seiten hin
Späher ausgestellt hätten, um nicht bei der Aufschüttung des Grabmals von den Griechen
überfallen zu werden, so hat diess eben nur dann einen die Sage thatsächhch bezeichnenden Sinn,
wenn das Grabmal an einer Stelle errichtet wurde, von der aus das Griechenheer nicht sichtbar
war. Diess passt vollständig auf unseni Hügel; die Späher auf den Höhen waren nothig, so lange
das Troervolk unten in der Thalsenkung beschäftigt war, einen UeberfoU also selbst nicht wahr-
nehmen konnte. Indessen diese dem Dichter entnommene Beweisführung kann nicht zugleich auch
beweisen, dass derselbe den Hügel wirklich mit Augen gesehen; nur vom Hörensagen wircl er ihn
-ekannt haben. Somit können die Worte (üiiKfa 61 oTu h^av, Titql de gxotiol uaio naiTr^, nn
"^Tiolv Iwoour^Ouev ii'xv,'jadeg U^cxioi, ebenfalls nicht anders gedeutet werden, als bereits Abb. I,
p. 23 geschehen ist. Die Phantasie des Dichters hat auch hier der allgemeinen Sitte, aus der lerne
Kommendes oder Drohendes sorglich zu beobachten, Rechnung getragen.
Das durch die bisherige Untersuchung gewonnene Hauptresultat lässt sich nun kurz dahin
zusammenfassen, dass alle uranfänglich historisch bekannten Punkte in der Ebene nach
und nach in völlige Vergessenheit gerathen sind, dass ferner die an ihnen halten-
den geschichtlichen Ueberlieferungen sich allmälig in das Gewand der Sage ge-
kleidet und, da jede derartige Sage ihr bestimmtes Local voraussetzt, das ihrige in
der £?rtii7eH Kbeue ganz allgemein gefunden haben, dass demzufolge der vielbehan-
delte Ausdruck des Dichters TQoir.g uiolU^Qov durchaus wörtlidi zu verstehen ist
und somit nicht „die Stadt Troia-S sondern die in der Ebene von Troia gelegene
Stadt bezeichnet, deren Stätte, nachdem Jahrhunderte seit ihrer Zerstörung ver-
flossen waren, schon zur Zeit Homers völlig unbekannt war, endlich dass nur Tra-
ditionen und einzelne Reminiscenzen an uralte Localitäten, die jedoch den spatern
Bewohnern der Ebene gänzlich unverständlich waren, sicherhalten haben, und dass,
was die Hauptsache ist, der Dichter der Iliade niemals persönlich in der Ebene an-
wesend gewesen ist.
§. 3.
Sagenspuren am Strande des Hellespont.
W^enn wir nun das Innere der Ebene als den eigenthchen Sitz des Troervolkes und ihrer
Stadt verlassen und uns dem Meere zuwenden, wo die feindhche Flotte und das Griechenheer einst
Platz und Aufstellung fand, so treten uns liier wesentlich andere Verhältnisse entgegen; alle Punkte,
welche durch den Troerkrieg bedeutungsvoll geworden sind, haben diese ihre Bedeutung bis zum
heutigen Tage beibehalten; das ganze xVlterthum kamite und nannte die Grabhügel des Achilles und
Patroclus, des Antilochus, des Aiax, und die Bucht zwischen dem Sigeum und Rhoeteum war im
Volksmunde als vai'aza^^iog, als Wu]v '^Ixcawv (portus Achaeorum), als 'Axccixov OTQajomdoy bekannt;
cf Strab. p. 103. Auch Homer hat von diesen Localitäten und deren Namen sichere Kunde geliabt
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und zwar auf einem Wege, welcher geeignet war, die ursprünghch einfachen historischen Ueber-
lieferungen, die an den Orten hafteten, mit den mannigfachsten Zusätzen auszuschmücken und zu
gestalten. Aber auch nur diese noch heute sichtbaren Punkte, nicht etwa noch andere, die mög-
licherweise im Laufe der Zeit verschwunden sein könnten, hat er gekannt; woraus wiederum hervor-
geht, das9 die Oertlichkeiten von vorhomerischer Zeit an bis zum heutigen Tage, von einer grössern
Vei-sandung der Bucht abgesehen, eine weitere Veränderung nicht erUtten haben; cf. Abb. I, p. 11. Den
Beweis liefert der Eingang der 24sten Rhapsodie der Odyssee. Hier werden die Seelen der von
Udysseus getödteten Freier vom Hermes in die Unterwelt geleitet, und sofort treten ihnen einzelne
f'idiüXa xauo-iTMv entgegen, unter ihnen Achilles und Patroclus, dann Aiax und Antilochus, zu denen
weiter noch Agamemnon sich hinzugesellt, welcher in seiner Heimath vom Aegisthus erschlagen ist,
während jene vor Troia den Tod gefunden haben. W^arum aber w^erden nur die letzteren genannt,
nicht auch andere, welche ebenfalls vor IHon gefallen sind? Der Dichter selbst beantwortet die
Frage, wenn er ib. V. 30 sqq. den Achilles also zum Agamemnon sprechen lässt:
Hättest Du doch in der Ehre Genuss, mit welcher Du herrschtest.
Fern im Troischen Land den Tod und das Schicksal gefunden.
Denn ein Denkmal hätten gesammt Dir erhöht die Achäer,
Und Dir war' auch der Sohn mit ewigem Ruhme verherrlicht.
Doch nun ward, zu sterben den kläglichsten Tod, Dir geordnet.
Man ersieht deutUch, dass die Erwähnung eines für Agamemnon in der Ebene nicht vor-
handenen Grabmals (rvfißog) die ehrenden Grabstätten der übrigen voraussetzt, und es ist
daher mit vollkommener Sicherheit zu schliessen, dass es zur Zeit des Homer an dem von
den Griechen einst besetzten Strande keine anderen Grabhügel, als die der Ge-
nannten gegeben hat. Und so ist es in der That; denn alle übrigen künstlichen Tumuh lagen in
der Ebene. An jedem der ersteren haftete ursprünghch die historische Ueberlieferung, welche erst
nach und nach vom bläulichen Dufte der Sage umwoben worden ist. Betrachten wir zuerst die Sage
am Achilleshügel, so lautete sie, wie sich aus der Andeutung bei Homer Od. XXIV, 37. entnehmen
lässt, in ihrer einfachsten Form etwa so: Hier ruhet der gottähnliche Achilles, des Peleus
und der Meergöttin Thetis Sohn, welcher vor Troia fiel, fern von Argos. Aber selbst-
verständlich ist auch weiter berichtet worden von der gewaltigsten That des jugendhchen Helden,
von der Tödtung Hectors, nachdem dieser den Patroclus im Zweikampfe erschlagen, und endUch
von der Veranlassung zu seinem eignen Tode. Als einen Zusatz dagegen, der in der ursprünglichen
Ueberlieferung nicht enthalten war, sondern erst später aus Reflexion hervorging, müssen wir es
bezeichnen, wenn uns berichtet wird, dass Achilles wider Wunsch und Willen seiner Mutter am
Troischen Kriege Theil genommen habe. Er war als ein (üxv/.wQog oder juvvvvd-aöiog in seiner
Jugendblüthe gefallen; dass dieses aber geschehen werde, konnte der Mutter, der wissenden
Meergöttin, nicht verborgen gewesen sein, und in ihr musste sich das ganz natürhche Verlangen
geregt haben, den Sohn so lange als möglich am Leben erhalten zu sehen; darum hatte sie ihn
auf Skyros verborgen, ohne es jedoch dem ränkekundigen schlauen LiebUng der Athene, dem
Odysseus, unmöglich zu machen, ihn aus dem Verstecke hervorzulocken.
Mit dem Achillesgrabmal, nach Ulrichs p. 605 noch heute ebenfalls Pascha-tepe genannt, stand
ferner von I' ranfang an die Meldung in Verbindung, dass, wie einst hienieden der Peüde mit seinem
Freunde Patroclus durch die herzlichste Fi-eundschaft verbunden gewesen, so auch dem Willen des
ersteren gemäss die Gebeine Beider nach dem Tode ihre dauernde Vereinigung unter dem Todten-
hügel gefunden hätten. Da sich jedoch zur Zeit, etwas südösthch von jenem, noch ein zweiter, nur ein
wenig niedrigerer künstlicher Tumulus vorfindet, den man gegenwärtig üiv das Grabmal des Antilochus
hält, so haben sich schon im Alterthum Bedenken erhoben, ob jene Meldung auch die annehmbare,
2*
iami,mSi»mmami0'ams»mm^*K!»m^--
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12
Tind ob nicht vielmehr der letztere Hügel das abgesonderte Grab des Patroclus sei; weni^^^tens
scheidet Strabo p. 103 ausdrücklich das Uqov ^vr,^a des Achilles von den Grabmälern des I atruclus
und Antilochus. Das Zeugniss Strabos würde jedoch drei Hügel voraussetzen, wahrend doch nur
zwei vorhanden sind. Zweifel aber hätten in Wahrheit gar nicht erhoben werden sollen, da Homer
selbst, der älteste Gewährsmann jener Sage, ganz ausdrücklich die Bestattung Beider, des Achilles
und Patroclus, unter einem Hügel verbürgt; cf. Iliad. XXHI, S2 sqq., wo der Schatten des Patroclus
also snncht t
Eines sag ich Dir noch und ermahne Dich, wenn Du gehorchest.
Lege mir nicht das Gebein von dem Deinigen fern, o Achilleus,
Sondern gesellt, wie mit Dir ich erwuchs in euerer Wohnung.
V. 91: So auch unser Gebein umschliess ein gleiches Behältniss,
Jenes goldne Gefäss, das die göttliche Mutter Dir schenkte.
Und dazu Odyss. XXIV, 72, sqq.
Hierin ruht Dein weisses Gebein, ruhmvoller Achilleus,
Mit dem Gebeine vermischt des Menötiaden Patroclos;
Aber gesondert der Staub des Antilochos, den Du vor Allen
Andern Freunden geehrt nach dem abgeschiednen Patroclos.
Die Annahme nun, dass der Dichter die Vereinigung der Gebeine Beider lediglich ersonnen, ist
völUg unstatthaft; sie wäre nur denkbar, wenn, wie Strabo will, der die Ebene selbst nicht gesehen,
drei künsthche Hügel nachweisbar wären, was nicht der Fall ist. Somit ergiebt sich, dass Homer
die Sage gerade so, wie er sie vorführt, vom Hügel aus überkommen, und dass dieselbe ausser den
Thaten und dem Tode des Achilles auch dessen Freundschaftsbündniss mit Patroclus und des letz-
teren Tödtung durch Hector enthalten haben muss. Wie sie im Einzelnen gelautet, lasst sich mcht
angeben; dass sie aber alle Grundzüge des grossen Dramas, welches Homer vor unsern Augen ent-
rollt, umfasst haben wird, und dass diese Züge erst durch den Dichter gleichsam Fleisch und Blut be-
kommen haben, das muss nls ausgemacht gelten. Beiläufig sei noch bemerkt, dass der Ac iilles-
hügel, wie wir ihn noch heute sehen, 35 Fuss hoch ist und 1 20 Fuss im Durchmesser enthalt (cf.
Ulr p 606), während der des Antilochus (denn diesem gehört der kleinere nach den Worten des
Homer 1. 1. 78 xioQig d' 'Avxiloxoio offenbai' anj bei weitem niedriger ist und vom Meere aus ge-
sehen vor dem ersteren liist verschwindet.
Von nicht geringerer Wichtigkeit ist der dem Achillesgrabmal östlich am Siidwestabhange
des Rhoeteum gegenüberliegende Hügel, heut In-tepe, d. i. Gewölbehügel genannt; in südlicher
Richtung von ihm erhebt sich Hissarlik, welches durch das Dümbrek-Thal von ihm getrennt wird. Jenen
\amen führt der Hügel, weil an seinem südhchen Fusse ein unstreitig durch Nachgrabung bloss-
gelegtes Gewölbe einige Schritte in ihn hineinführt. Forchhammer giebt uns p. 21 eine anschauhche Be-
schreibung: „Der Bau, so scheint es, bestand aus zwei Stockwerken. Der untere ent-
hält eine grosse Kammer, die jetzt mit Erde gefüllt ist. Sie ist bedacht mit einem
Gewölbe von ungewöhnlicher Stärke. Der Bogen des Gewölbes ist von aussen ge-
waltsam durchbrochen. Seine Dicke beträgt ungefähr sechs Fuss. Gebaut ist der-
selbe aus sehr grossen glatten Steinen, welche aus den Kalkfelsen der Umgegend
gebrochen und durch einen ausserordentlich harten groben Mörtel verbunden sind.
- Oberhalb des Gewölbes erhebt sich der Hügel noch zu einer ausserordentlichen
Höhe." Wenn es derselbe nun für nicht unwahrscheinhch hält, dass die gewölbte Kammer des In-
tepe ein altes Nvmpheum, d. i. Quellkammer sei (cf p. 22), Ulrichs dagegen m ihm einen alten
Wartthm-m vermuthet (cf p. t)05), so mögen diese Annahmen auf sich beruhen; denn sie können
nur von denen aufgesteUt und vertheidigt werden, welche der Ansicht sind, dass erst seit Homer
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und durch dessen Gesänge schon vor ihm vorluiudene Oertlichkeiten mit Homerischen Erinnerungen
verknüpft und verbunden worden sind. Wir dagegen haben aus den Ortsverhältnissen der Ebene
bewiesen (cf Abb. L), dass der Troianische Krieg ein historisches Factum ist, dass also die Erinne-
rungen an ihn sich an den einzelnen Punkten der Ebene festgesetzt und nach und nach zu Sagen
gestaltet haben, und dass in diesen das Material zu suchen ist, aus welchem der Dichter seine Iliade
geschaften hat. Demzufolge ist die Ueberheferung des Alterthums, dass Aiax der Telamonier am
Rhoeteum begraben hege, die allein richtige und der In-tepe ist wirklich nichts anderes als
dessen Grabmal. Jene Ueberheferung hndet sich allerdings nur bei dem späten Dictys Cretensis
V, 15; allein schon Homer verbürgt einen %l(.tßos des Aiax, wie oben aus Odyss. XXIV init. und zwar aus
dem Gegensatze des Aiax zum Agamemnon, der des Grabmals in der Ebene entbehrte, nachgewiesen
worden ist. Dazu kommt es, dass, wenn nicht zu bezweifeln ist, dass der innere Bau der alten Grab-
hügel überall derselbe gewesen sein wii-d, wir gerade an dem In-tepe ganz dieselbe Construction
wieder finden, welche uns Homer von dem Hectorhügel hinterlassen hat; cf XXIV, 793 sqq. Die
Worte alipu S* clq' in xoUr^v xajitTov ^iaav bezeichnen oöenbar che innere Todtenkammer, welche
mit mächtigen Felsblöcken überwölbt [üvtccq LireQ^ev nvxvolaiv laeaai xaTeaxoQeoav ^leyaloiaiv)
und hierauf mit Erde beschüttet worden ist ()ifi(fa öt ö7\f^i' ty^aav). Der Aiaxhügel selbst ist 30
Fuss hoch und enthält in der Basis 130 Fuss im Durchmesser; cf Ulr. 1. 1. An ihm nun hafteten
die Sagen vom Aiax dem Sohne des Telamon, und zwar enthielten sie nicht allein dessen Thaten
vor Troia und zwar vorzugsweise seinen Zweikampf mit Hector und die Vertheidigung des Schiffs-
lagers, sondern berichteten auch von seinem Selbstmord, also von dem Wettstreit um die Waffen
des getödteten Achilles. Wie sie in der Kürze gelautet, lässt sich nicht bestimmen; auf welchem
Wege aber auch sie, wie die übrigen, Zusätze empfangen haben, wird sich weiter unten ergeben.
Wir gehen zum letzten Punkte über, welcher fiir die vorliegende Untersuchung von weit-
gehender Bedeutung ist, zum Schiffslager der Achäer, vauara&fwg. Dieses ist früher (Abb. I,
p. 34) nur als die Staffage zum grossen Trauergemälde bezeichnet worden, welches in der Iliade
vor unsern Augen sich aufrollt, allein zu dem Ansehen, welches späterhin das Werk des Dichters
in der ganzen Helleneiiwelt behauptete, hat es vorzugsweise beigetragen und sozusagen den Aus-
schlag gegeben. An welchem Punkte des Strandes die Griechenflotte einst gelandet und wo sie am
Gestade Aufstellung genommen, darüber war das Alterthum ebensowenig wie wir im Stande, ge-
nügende Auskunft zu geben. Der Geograph Strabo \virft p. 103 Alles durcheinander, und es wäre
vergebhche Mühe, die von ihm genannten Namen in der angegebenen Reihenfolge am Ufer des
Hellespont fixiren zu wollen; er selbst weiss eben nicht mehr und nicht weniger, als dass die an-
gegebenen Orte in der Bucht z^vischen Rhoeteum und Sigeum zu suchen sind, und bezeichnet da-
mit eben nur die Reste der Ueberheferung, wie sie im Volksmunde noch zu seiner Zeit vorhanden
waren. Etwas Bestimmteres aber hat aucli der Dichter der Iliade nicht gewusst und hat daher, um
für die hyperbolische Zahl der Schiffe und der Kämpfenden auf dem auch zu seiner Zeit völlig
flachen und ebenen Gestade (cf Riad. XII, 30) Raum zu gewinnen, sich der Volkssage vöUig anbe-
quemt und auf sie gestützt die ganze Bucht zwischen den genannten Vorgebirgen als
Lager der Achäer, als Hafen der Achäer, endlich als Schiffslager bezeichnet; cf Iliad,
XIV, 35. Auf diese Weise, ganz allgemein gefasst, war Bucht und Schiffslager ein und das-
selbe und demnach eine vöUig bekannte Oerthchkeit. Dieser allgemeinen Bestimmung unbedingt
Folge zu geben, hatte der Dichter umsomehr Grund und Veranlassung, je augenscheinhcher aus den
beiden emporragenden Todtenhügeln des Achilles und des Aiax die Ausdehnung des ganzen Griechen-
heeres hervorging. Denn da die Sitte des Alterthums grossen Helden ihre letzte Ruhestätte nur
ausserhalb der Mauern ihrer Heimathstadt anwies, so konnten auch jene nur ausserhalb des
Lagers, jedoch jeder nur in der Nähe seiner Schiffe bestattet sein, und darum berichtet Homer
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ausdrücklich, dass die Schiffe Beider die äiissersten Flügel des ganzen Schiffslagers gebildet, dieses
also selbst sich vom Sigeum bis zum Rhoeteum ausgedehnt habe; cf. Ihad. VIII, 222 sqq. Dürfen
wir indessen einer Verrauthung über den wirklichen Landungsplatz Raum geben, so wird dieser nur
in dem heutigen Karanlik-Liraan, in welchem wir schon früher (Abh. I, p. 9) den Seehafen der
Troischen Ebene vermuthet haben, zu suchen sein. Zwar ist derselbe heutigen Tages völlig ver-
sandet (cf. Ulr. p. 605), wird aber sicherHch in jener Urzeit, als die Meereswogen den Dünensand
noch nicht in dem Maasse, wie heute, hineingetrieben hatten, solchen Schiffen, die noch auf das
Land gezogen werden konnten, reichUchen Tiefgang gewährt haben. Dass dieser kleine Punkt die
durch die Sage ins ungeheure vergrösserte Flotte nicht aufgenommen haben könne, lag auf der
Hand, und somit entwickelte sich im Volksmunde jene Ausdehnung über die weite Bucht hin ganz
von selbst.
Was nun den Inhalt der Sage vom Schiffslager anbetrifft, so muss diese eine Fülle von
Material enthalten haben; in ihr trat die nlr^d-ig der Kämpfenden zwar vöUig in den Hintergi-und,
datur aber leuchteten die Fürsten als die Repräsentanten ihrer Stämme um so entschiedener hervor.
Von ihnen hat die Naustathmossage mehr oder weniger berichtet, aber berichtet hat sie von Allen ; und
als es sich später darum handelte, das grossartige Werk der IHade zu schaffen, so hat die Acliilles-
sage mit der Meldung von der Tödtung des Hector dem Dichter zwar den Kern dazu geliefert, die
Naustathmossage aber Stoff und Gelegenheit geboten, jenen Kern mit den Grossthaten der alten
Hellenischen Heldenzeit gleichsam zu umkränzen und also der ganzen Nation ein unvergängHches
Denkmal zu setzen.
Die Naustathmossage umfasste im Grossen und Ganzen alle Sagen des Troerkrieges; sie
meldete nicht allein die Thaten der Griechischen Helden, sondern ermähnte auch die hervor-
ragenden Führer der Troer überall, wo diese mit jenen in Berührung kamen, also Hector und
Aeneas, Sarpedon, Pandarus und Andere, und auch der thatenlose Priamus wird wenigstens dem Namen
nach genannt worden sein. Sie war gleichsam das grosse (iefäss, in welchem die Einzelsagen sich
bunt durcheinander bewegten, jedoch ohne dass diese selbst in irgend einem bestimmten Zusammen-
hang mit einander standen. Diess ergiebt sich ganz bestimmt aus der Achilles- und aus der Aiaxsage,
welche beide, wenn auch fester ausgeprägt an den Todtenhügeln, dennoch von der Naustathmossage
mit umfasst worden sind. Die Aiaxsage muss unter allen Umständen das tragische Ende des Helden
gemeldet und späteren Dichtungen, z. B. des Sophocles das Material geliefert haben; da jedoch der Tod
des Aiax nach dem Wettstreit um Achilles Waffen erfolgt, so kann die Achillessage, die mit dem Hin-
gang des Peliden endigt, nichts von jener Sagenfülle über Aiax Ende gewusst haben. Und umge-
kehrt, wenn die Achillessage sicheriich den Widerstand, welchen die Mutter Thetis der Theilnahme
ihres Sohnes am Troerkriege entgegensetzte, und dessen kluge und schlaue Bewältigung durch
Odysseus gemeldet hat, so kann die Aiaxsage hiemit nicht im Entferntesten verknüpft gewesen sein.
Ebenso ist zu urtheilen von den übrigen Sagen, welche im Naustathmos wurzeln. Hier ist gesagt
und gesungen worden von den Thaten der beiden Atriden, des Diomedes, des Odysseus; hier hat
der Pylische Nestor ehrende Erwähnung gefunden, nebst Idomeneus und Meriones; hier ist auch
der untergeordneten Führer mehr oder weniger gedacht worden, und nur die nlr^O^vg ist völlig
unbeachtet geblieben. Aber wenn der gewaltige Diomedes sogar den Kami)f gegen die Götter
aufnimmt und Ares und Aphrodite verwundet, so stand diess mit dem ruhigen Walten des Nestor,
oder mit der Verschlagenheit und List des Odysseus in keinem Zusammenhange; woraus folgt, dass
alle diese Einzelsagen, die nur in dem gemeinsamen Kampf gegen Troia ihren Mittelpunkt fanden,
auch einzeln erzählt und berichtet worden sind.
Aus dem bisherigen Gange der Untersuchung ergiebt sich ein eigcnthümhches Resultat; es
tritt eine überraschende, ja fast räthselhafte Erscheinung zu Tage, welche um so auffallender sich
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herausstellt, je grösser und umfjingreicher das Material ist, von welchem sie sich abhebt. Es ergiebt
sich nämlidi 1), dass in der ganzen Iliade, mit Ausnahme des Flusses Scamander, auch
nicht ein Punkt sich findet, welcher topographisch so gewiss angegeben wird, dass er
für weitere Untersuchungen grundleglich gemacht werden könnte. Nur Namen, leere
Namen von Anhöhen und Abhängen, von Flüssen und Sümpfen treten uns entgegen;
die Stadt selbst wird ganz allgemein in der Mitte der Ebene angegeben und ohne alle
weitere Bestimmung gelassen; mit einem Worte, die ganze Ebene ist mit einem
nebelhaften Dufte überzogen und es bleibt der Phantasie des Lesers völlig über-
lassen, sich die Oertlichkeiten ganz nach Belieben zu gestalten und zurecht zu
legen. Ferner ergiebt sich 2), dass Alles, was während des ganzen Krieges von den
Troern berichtet wird, durchweg mager, mangelhaft und inhaltslos ist und mit Aus-
nahme der Thaten des Hector und Aeneas, auch allenfalls des Paris, kaum den
Namen einer Handlung verdient; sodann 3), dass alle Sagenreste in der Ebene bis auf
die geringsten Spuren gänzlich verschwunden sind; daliingegen 4 ), dass alle am Strande
vorhandenen Erinnerungen au den Krieg sich bis tief in die historische Zeit herab
frisch und lebendig erhalten haben. Wie dieser Gegensatz zwischen Strand und Binnenebene
entstanden und wie diese räthselhafte Erscheinung zu lösen sei, wird sich aus dem Folgenden ergeben.
§• 4.
Die Verbreitung der Sagen von Troia. zunächst nach louien. Form derselben.
Der Hexameter.
Es bedarf keines Beweises, dass die ersten Mittheilungen über den Troerkrieg in der üblichen
Volkssprache und Volksweise von Mund zu Mund gegangen sind; so ist es geschehen unter den in
der Ebene Zurückgebliebenen, so an allen einzelnen Orten, wohin Sieger und Besiegte, nachdem sie
Troia verlassen, gekommen sind. Nur ein Land macht hievon eine überraschende und auffallende
Ausnahme, lonien und die an den Kleinasiatischen Gestaden liegenden Inseln. Hier hat
die Ueberheferung der Troischen Sagen sich ganz anders gestaltet, und diess in einem Lande, welches
am Troerkriege genau genommen völlig unbetheiligt geblieben ist. Es liegt somit auf der Hand, dass
hier Ehiwirkungen und P^intlüsse sich geltend gemacht haben, welche tiefer liegende Ursachen vor-
aussetzen. Denn warum, darf man fragen, ist das, was wir in dem unbetheihgten lonien eintreten
sehen, nämlich die poetische Formgebung der Sagen, nicht viel eher im Peloponnes, dem Haupt-
sitze der Atriden, warum nicht in Thessahen, der Heimath des Achilles, warum nicht an vielen an-
dern Orten z. B. dem sonnigen Attica geschehen, welche Länder doch am Kampfe gegen Troia un-
mittelbaren Antheil genommen und darum nähere Veranlassung hatten, die Thaten ihrer Helden in
Liedern und Gesängen auszuströmen? Und doch wird Niemand behaupten dürfen, dass solches dem Hel-
lenischen Geiste nirgends anderswo möghch gewesen sei und dass nur die louier von Natur eine feinere
geistige Organisation gehabt hätten, als z. B. die Bewohner Attica's. Wie also ist es zugegangen,
dass sich die ganze Troische Sagenfülle gerade nach lonien gleichsam geflüchtet und allhier eine
Poesie hat emporblühen lassen, welche an der Spitze der ganzen Griechischen Litteratur steht?
Wir können hierauf nur dann eine befriedigende Antwort geben, wenn wir zuvor den Versuch
machen uns den Culturzustand jenes Landes, wie er bereits zur Zeit des Troerkriegs gewesen sein
muss, klar zu vergegenwärtigen; denn es ist unmöghch, dass er schon damals kein anderer, als der
des übrigen Griechenlands gewesen sei; mit einem W^orte, schon zur Zeit der Zerstörung Troias
muss in lonien die Poesie in ihren Anfängen geblühet und sich der Troischen Sagen sofort be-
mächtigt haben, während das übrige Hellas noch keine Spur davon aufzuweisen hatte. Diess zu
16
17
ergründen, giebt es jedoch keinen andern Weg, als ein genaueres Eingehen auf die Urform, in
weicher uns unbestritten die ganze Griecliische Poesie entgegentritt, auf den Hexameter. Schon das
Alterthum hat nach der Entstehung dieses prächtigen Verses, welcher die ganze Griechische Metrik
eröffnet und zu allen Varietäten derselben die Veranlassung gegeben hat, gefragt, aber keine be-
friedigende Antwort darauf gefunden, und in der That ist die Entstehung des Verses in ein so riithsel-
haftes Dunkel gehüllt, dass man sich nicht wundern darf, wenn auch die neuere Forschung die Antwort
bis dahin schuldig geblieben ist und sich })ei den allgemeinen Bezeichnungen des epischen oder
heroischen Verses beruhigt hat. Aus diesem und keinem andern Grunde führen die Alten die Er-
findung desselben direct auf das Delphische Orakel zurück, dessen erste Priesterin Phemonoe ihn
ersonnen habe (cf. Paus. X, 5), und erwähnen sogar als ersten Hexameter folgenden Vei-s: Iv^Kfegets
nreoä x ohovol xi;i)6v js ^dhaacct ; cf. Beruh. Gr. L. p. 267, 3. A. Indessen weder jene symbolische
Priesterin, noch die nebelhaften Gestalten eines Thamyris oder Orpheus, noch überhaupt die heihg
gehaltenenGöttersitze, wo nicht von Uranfang an, sondern erst im Verlauf der Zeit mit Bewusstsein be-
rechnende Priesterschaften ihr Wesen trieben, können jenen Vers geschaffen haben ; noch ist er, wie
Bernhardy will, aus dem heitern und frohsinnigen Nationalcharacter des Griechischen Volkes, welches
an den Festen der Götter deren Altäre festUchgeschmückt umtanzte, hervorgegangen, eine Annahme
die den berühmten Gelehrten sogar veranlasst hat, den Hexameter selbst dem einstimmigen Zeugniss
des Alterthums entgegen nicht als den ersten und ursprünghchen Vers der Griechischen Poesie zu
betrachten, sondern ihn aus dem neckischen iambisch-trochäischen Maasse beim Chorreigen der fröh-
hchen Menge herzuleiten (cf. Beruh, p. 264). Auch wenn der kundige Aristoteles (Poet. c. 41) in
dem Hexameter nur das natürliche Vcrsmaass des erzählenden fTcog sieht, so lässt sich diese An-
nahme schon an und für sich nicht nur nicht begreifen, sondern sie stellt sich dem, was natur-
gemäss wäre, schnurstracks entgegen. Wir kennen die naturgemässe Betonung der Gnechischen
Wörter durch den Accent, und zu dieser steht die Silbenmessung nach der Quantität und der
damit verbundene Tonfall des Verses im schroffsten Gegensatze; wesshalb sich sogar behaupten
lässt, dass, je melu' unter dem Einflüsse des Versrhythmus die natürliche Betonung der Wörter litt
und geradezu corrumpirt wurde, die alten Grammatiker um so eifriger sich bemüheten, sie rein
zu erhalten, so dass Aristophanes von Byzanz hierin allein den Anstoss fand, die richtige Betonung der
Wörter mittelst des Accents festzustellen. Aus allen diesen Gründen nun ist mit Sicherheit zu
schhessen, dass, wenn aus dem Urvers der Griechischen Sprache und nicht umgekehrt sich die
ganze Griecliische Metrik entwickelt hat, und wenn der Hexameter durch seine Rhythmen den na-
türlichen Wortaccent ganz aus den Augen setzte und unberücksichtigt Hess, es eine äussere zwingende
Nothwendigkeit gegeben haben muss, welche ihn schuf und ihn, wie alle Kunst und Wissenschaft
aus einem unabweishchen Bedürfniss der Menschen hervorgehen Hess. Denn me das Be-
dürfniss einst den Menschen zur Bildung thönerner Gefässo zwang, und wie sich hieraus unter Beob-
achtung der Schönheitsformen die Plastik und weiterhin, als man die Gefässe mit bunten Farben
zu bemalen anfing, die Malerei entwickelt hat, oder wie die Wüstenreisen der Chaldäer und der
arabischen Nomaden, so wie auch die ersten Seefahi'ten der Phoenizier, um sich vor Verirrung zu
schützen, die genauere Beobachtung des Himmels und der Gestirne zui* Folge gehabt und also die
Astronomie in ihren Uranfängen begründet haben, so muss ein ähnliches Bedürfniss zur Entwicke-
lung auch der Poesie den ersten Anstoss gegeben haben, und muss sich solches unter allen Um-
ständen nachweisen lassen. Der älteste uns überheferte Vers ist nun einmal der Hexameter, und
die ältesten auf uns gekonmienen Gedichte, die des Homer und Hesiod sind in diesem Versmaasse
abgefasst. Es mag liier ganz auf sich beruhen, wer von Beiden der ältere sei, ja es bedarf nicht
einmal der Untersuchung, ob das eigne Zeugniss des Hesiod (Werke und Tage V. 636), sein Vater
sei von der Aeohschen Kyme in Kleinasien nach Ascra in Boeotien gekommen, auf Walu'heit
I
beruhe (an der wir übrigens nicht zweifeln i; so viel muss als ausgemacht gelten, dass die Homerische
und die Hesiodeische Poesie in allen ihren Spuren in lonien ihre Heimath und von da aus erst
weitere Verbreitung gefunden hat, dass sie also in demselben Lande urheimisch ist, wo neben ihr auch
die Anfänge der Pliilosophie, der StaatsNvissenschaft, der Astronomie und Mathematik sich vorfinden.
Dioss ist kein Zufall; zu glauben, dass dieses Alles erst unter den aus dem Mutterlande ausgewan-
derten Colonisten Kleinasiens sich entwickelt habe, um späterhin in jenes, welches unterdessen in
völhger Fortschrittslosigkeit verharrt habe, zurückzukehren, ist und bleibt ein Irrthum. Vielmehr
verhält die Sache sich umgekehrt; die Kleinasiatische Küste steht in vollständiger Uebereinstimmuug
mit den alten Völkerzügen, die von Osten nach Westen führen, und ist daher als das eigenthche
Stamniland der ganzen Griechischen Cultur zu denken. Hier ist auch der Hexameter geschaffen worden
und zwar in einer Urzeit, die jede chronologische Berechnung ausschhesst. Wagen wir es, uns in
jene Zeit zurückzuversetzen, als die Kleinasiatische Küste vom Binnenlande her zuerst bevölkert
wurde, so gab es, wo es an culturfähigem Boden fehlte, und die Bewohner der Küste schon um des
nothwendigen Lebensunterhalts willen auf das Meer und dessen Ausbeutung angewiesen waren,
keine weitere Wahl; entweder mussten die Küstenorte mit dem Schwerte in der Faust die Um-
lande beherrschen und brandschatzen, wie einst IHon gethaii, oder sich auf das Meer wagen
und Seefahrer werden. Dass aber unter den Kleinasiaten vorzugsweise die lonier es ge-
wesen sind, welche zuerst und in höherem Grade die SchiftTahrt ausgebildet haben, das wird un-
widerleghch nicht allein durch den Gang, den die Griechische Cultur überhaupt genommen, also
durch die frühzeitige Entwicklung der oben genannten Wissenschaften, sondern auch durch die
Geschichte genugsam bezeugt. Den Beweis hefert der Aufstand der Kleinasiatischen Griechen
und besonders die Theilnahmc und die hervorragende Stellung, welche die lonier auf der Flotte
des Xerxes in den Perserkriegen einnehmen. Ein solcher Höhepunkt wird von einem Volke nicht
etwa in wenigen Jahren erreicht, sondern ist vielmehr das Ergebniss jahrhundertelanger Beschäf-
tigung und Uebung. Aus einem unabweishchen Bedürfnisse, welches bei dieser Lebensbeschäftigung
sich herausgestellt hat, ist in lonien der Hexameter hervorgegangen, und die Seefahrten der
lonier sind die Wiege, wie der oben genannten Wissenschaften, so auch der Griechischen Poesie
geworden. Die Uranfänge der Schifffahrt sind in den Küstenfahrten zu suchen; in der Nahe
des bergenden Ufers machte man die ersten Erfahrungen, erlangte man durch unablässige Uebung
die nöthige Fertigkeit und gewann Zuversicht und Vertrauen. Bald aber luden die zahkeichen an
der Küste hegenden kleinern und grössern Eilande und Inseln zu zeitweihgen Besuchen und dem-
nächst zu dauernden Niederlassungen ein, und die dadurch bedingte Trennung vom Festlande schuf
ganz von selbst den Seeverkehr; ein reges Treiben sogar auf der Höhe des Meeres war davon die
Folge, und auch vor weiteren Fahrten in ganz unbekannte Gegenden schreckte man nicht mehr
zurück. Die Frage nun, welche Form und Gestalt die ersten Fahrzeuge gehabt haben mögen, im
Gegensatz zur Meldung, dass die Argo das erste langgestreckte Schiff gewesen, kommt hier nicht
weiter in Betracht, wohl aber, ob man sich zuerst nur der Ruder, oder mit diesen zugleich auch
der Segel bedient habe. Die Sache selbst spricht für das erstere und die aUe Sage bestätigt es-,
Danaus kommt auf einem Fünfzigruderer nach Griechenland und die Argo, von 50 Ruderern
in Bewegung gesetzt, eilt nach dem sagenhaften Colchis. Waren aber Ruderfahrten der erste An-
fang, so ist damit auch die allein riclitige Erklärung so vieler räthselhafter Erscheinungen, die aus
der grauesten Vorzeit auf uns gekommen sind, gegeben. Die regehrechte Bewegung eines Ruder-
schiffes ist nicht anders möghch, als wenn tUe Einzelkraft der Ruderer zu einer Gesammtkraft
vereinigt und als solche stets in einem und demselben Zeitpunkt wirksam wird. Diess aber ist ohne
den bestimmten Zuruf eines die Mehrzahl Commandirenden nicht möghch. Wer jemals der Legung
eines Pfahlrostes beigewohnt hat, oder beim Richten eines Hauses zugegen gewesen ist, der wird
3
ff-- i, . ■ • t
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dort das eintönige Hol up!, hier das mahnende Holz her! gehört haben, und ein ähnliches Com-
Diandowort muss sofort beim ersten Ruderbote, welches, mit einer grossem Zahl von Ruderern
bemannt, in die Meereswogen hinab geglitten ist, gehört worden sein, und es ist nicht zu sagen,
dass, wenn wir aus der historischen Zeit genau über das xeXeva/na und den xsXevorrig der Fahrzeuge
unterrichtet sind ( cf. Aesch. Pers. v. 403), solches nicht auch in der Urzeit von vornherein noth wendig
gewesen sei. Die regelmässige Fortbewegung eines mit mehreren Ruderern besetzten Fahrzeugs
forderte solches mit absoluter Nothwendigkeit. Aber nicht etwa das gleichzeitige Hineinfallen der
Ruder in die Wasserwogen bewirkte die Bewegung, sondern der damit zugleich verbundene Zug
des Ruders, indem der Rudernde, dem Punkte, wohin die Bewegung geht, den Rücken zuwendend,
das Ruder an sich zieht; dieser Zug, ionisch (moitiog, später ()v&/^i6g (vergl. xexoQv&^ivog) ist die
Hauptsache; er wird im Zusammentönen mit dem xüevaitia zur Hauptbetonung des gesprochenen
Wortes und, sobald das xlXsva/na aus einer Reihe von Wörtern besteht, in dieser Reihe zu dem, was
wir Tact nennen. Um die Bewegung des Schiffes beginnen zu können, war ein Mahn wort Seitens des
Führers an die Ruderer noth wendig, ähnhch unserem Still gestanden! oder Alle Mann h'rani
Diese im befehlenden und darum schnelleren Tempo gesprochene Aufforderung hatte mit der dar-
auf folgenden Wortreihe noch nichts zu thun und lautete z. B. aysrs de* aus ihr aber bildete sich
der für die spätere Metrik so unbequeme Proceleusmaticus (w ^ ^ -^), der jedoch ebenfalls des Tactes
wegen in die Wortreihe des xUevo^icc nicht hineinpasste und darum später, wenn er in den Vers
selbst hineingefügt werden sollte, in ü d" eye, alV oye etc. abgeschliffen worden ist. Hieraus
ergiebt sich nun unwiderleglich, dass der Wortaccent der einzelnen Wörter der Reihe mit dem
(wd-fiög nicht immer genau zusammenfallen konnte, und dass liiedurch die Silbenmessung nach der
Quantität, im Gegensatze zum Accent, zu einer Nothwendigkeit geworden und so in die ganze
spätere Metrik der Griechen übergegangen ist. Wie lang aber war die Wortreihe des xilEvafia'f
und wie \-iele Tacte enthielt sie? Es ist mehr als wahrscheinlich, dass es beim Beginn der Ruder-
fahrten nicht sofort einen eignen am Rudern unbetheihgten xeleiatr^g gegeben haben wird. Sicherhch
war derselbe zugleich auch Ruderer, und somit war die Länge der Wortreihe abhängig von der
Kraft und Ausdauer der Athmungs-Organe des Rudernden, und die Natur selbst schrieb hier das
Gesetz vor: das Keleusma umfasste drei Ruderschläge in einem Athemzuge. Es würde daher
nicht befremden, wenn die hiedurch gebildeten Wortreihen stets nur 3 Spondeen (weil zur gleich-
massigen Fortbewegung des Fahrzeugs weder Trochaeen noch Jamben verwendbar waren) bestanden
hätten. Indessen der Inhalt des Keleusma gab den Ausschlag; der Gedanke Hess sich durchschnittlich
in die kurzen Reihen nicht einfügen, sondern ging darüber hinaus, und so entstand ganz von selbst aus
der Verbindung von 2 dreifüssigen Reihen die Gfüssige, d. i. der Hexameter, Es ist nicht nöthig,
hier das Wesen des Verses umständlicher zu erörtern; nur so viel möge gesagt sein, dass, nachdem
der Ictus ohne Anacruse mit voller Kraft auf die Iste Silbe des tsten Fusses gefallen, er auch in
den übrigen Füssen auf derselben ersten Silbe verbleibt und zwar so, dass der ausgehende Athem
auf der ersten des 3ten Fusses den Ruhepunkt zum neuen Athemzuge sucht und gleichsam einen
Einschnitt macht ( Hauptcäsur), um sofort mit der 2ten Silbe des 3ten Fusses, welche nun die
Anacruse der 2ten Reihe bildet, überzugehen. Auf diese Weise werden die beiden Reihen zu einem
harmonischen Ganzen mit einander verbunden. Da aber die 2te Reihe durch die Anacruse um etwas
gewachsen ist, so nimmt der entschwindende Athem am Ende derselben eine scheinbar schnellere
Bewegung an, und hierin liegt der Grund, wesshalb der 5te Fuss des Hexameter stets ein Dactylus ist.
Dieser ganze Bildungsprocess des Verses giebt dadurch, dass der Ictus stets auf die erste Silbe des
Fusses fallen musste, den bündigsten Nachweis über die Entstehung und Entwickelung der
Griechischen Metrik nach der Quantität, im Gegensatz zur natürlichen Accentuation
der Wörter; er giebt aber auch zugleich den Nachweis über die ganze Formenbildung des
1»
sogenannten epischen Dialects. Man betrachte nun unbefangen den prächtigen, gleichsam in
majestätischer Ruhe einherschreitenden Vers, und man wird zugeben müssen, dass bei seiner ge-
messenen und regehnässigen Recitation das Ruderboot sicherlich pfeilgeschwind über die Wogen dahin-
schoss. Ferner urtheile man, ob es denkbar ist, dass dieser wunderbare Vers, der doch f actisch
an der Spitze der Griechischen Poesie steht, und den schon das Alterthum seiner unerklär-
baren Entstehung wegen auf das Delphische Orakel zurückführte und ihn daher Versus Pythius,
Versus Delphicus, Metrum Theologicum nannte, erst aus dem iambisch-trochäischen
Maasse, wie Beruhardy will p. 264 3. A. habe hervorgehen können. Der gelehrte Forscher selbst
hat freiüch jenem factischen Beweise gegenüber die Schwierigkeit sehr wohl gefühlt; allein er hat
es vorgezogen, die Beweiskraft jenes Factums mehr zurücktreten zu lassen und die Griechische
Metrik Heber aus dem heitern und frohsinnigen Hellenischen Geiste, aus den festHchen Gelagen und
neckischen Reigenüinzen, bei denen allerdings für den ernsten Hexameter kein Raum war, herzu-
leiten und demgemäss jenen mutlnnlHgen Maassen den Vorrang einzuräumen. Doch will es uns
bedünken, dass die Schwere und der Ernst des Bedürfnisses bei Entwickelung so alter Verhält-
nisse schwerer in die Wagschale fällt, als der gemüthHche Frohsinn des Lebens.
§. 5.
Das Keleusma und seiu luhalt. Die Rhabdodeu.
Es ist weiter zu untersuchen, von welchem Inhalt das xeleua/na gewesen sein dürfte. Vor
allen Dingen wird behufs Erledigung dieser Frage die Ansicht des Horaz (Carm. I, 3, 9 sqq.) auf-
gegeben werden müssen, dass der erste Mensch, der das Meer zu befahren gewagt, solches in der
vollständigsten Gefühllosigkeit und ohne die geringste Ahnung von den Gefahren zu haben, denen
er sich aussetzte, gethan habe, so etwa wie ein unmündiges Kind in seiner Unkunde in einen tiefen
Weiher hineiitschreitet, ohne irgend eine Vorstellung von seinem Thun zu haben. Der erste l^lensch
wusste, was er that, und unter den unzähHgen Fährlichkeiten, denen er auf dem unsicheren Ele-
mente entgegenging, schwebte ihm die Gefahr gewiss nicht als die geringste vor der Seele, welcher
Homer so bezeichnenden Ausdruck giebt (IHad. XV, 62S): TQO/neovai de re cpQiva vavTm ÖEidiÖTeg*
TvrO^dv ycxQ in ix ^aväroio cpeQOvrai. Der ganze Ernst ihrer Lage trat, wie es noch bis zum
heutigen Tage der Fall ist, den ersten Schiffern klar vor die Augen, und hier gab es nur ein Mittel
ihren Muth zu beleben und zu heben, das unbedingte Vertrauen auf das Walten der Gottheit, welche
allein ihnen in ihrer völHgen Hülflosigkeit Schutz und Beistand zu verleihen vermochte. Auf solchen^
aber konnte nur Anspruch haben derjenige, welcher frei von Schuld und Fehle in einem Fahrzeuge
weilte, und hieraus entsprang schon in frühester Zeit die allgemeine Anschauung, dass ein daeßtg
dvt]Q, ein homo scelestus nicht zugleich mit anderen eiaeßeig ein Schiff besteigen dürfe; cf Horat. IH,
2, 29. und das. die Stellen bei OrelH. Mag also der Urmensch seiner Beschäftigung gemäss als Hirt,
als Landmann, als Winzer seine Gottes Verehrung immerhin in stummen Handlungen ausgedrückt
haben, auf dem Meere erforderte sein Beruf das lautgesprochene Wort, und Gebete und An-
rufungen der Götter, so wie Ermahnungen zur Gottesfurcht und Frömmigkeit müssen
den ersten Inhalt des xeleva/^a gebildet haben. Hierzu traten alsbald noch andere Rücksichten.
Vom Sturm in ferne und unbekannte Gegenden Verschlagene werden die Nothwendigkeit erkannt
haben, in künftigen Fällen schon vor dem Beginn der Fahrt den Willen der Gottheit aus bestimmten
Zeichen (VögeWug, Donner und BHtz schon bei Homer) zu erkunden und dadurch den Muth der
Schiffenden zu heben; und wiederum andere, denen es darum zu thun war, unbekannte Meere ab-
sichtlich aufzusuchen, werden es nicht unterlassen haben, auf der Fahrt selbst die durch die Götter-
zeichen gebotenen Weisungen in Weissageform (xQr^o/uog) zu verkünden und also das Vertrauen der
3*
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Schiffsgenossen wach und rege zu erhalten. Diess bestätigen Andeutungen aus dorn AUerthum in
genü.-ender Weise. Dem ersten 50r«drigen Schifife. der Argo. W von der Minerva aus dem
Dodonäischen Walde die weissagende Eiche eingefügt. Hier also .st es d>e &oUhe,t selbst welche
den Argonauten auf ihrer Fahrt in dunkele entlegene Gegenden gleichsam den Weg verkündet und
Äscher führt und leitet; und wenn wir in den kurzen dem Homer beigelegten Apospasmatien
noch eine weitere Bestätigung finden, so werden wir nicht zweüeln dürfen, dass sofort mit dem Be-
«nne der Küstenschiffahrt Gebete und Weissagungen, hrai und xQWO., Gegenstand des
filsvaua gewesen und naturgemäss in die hexametrische Form gebracht worden sind. Reste davon
anerkennen wii' in den oben erwähnten Ueberbleibseln und zwar eme Knr, in Aposp. 6:
K).i9t, noaiidaov iieyaXoai^ois, ivroaiyate,
EvqvxÖQOV fiidiiov T,de CaOioi' 'Ef-tmövog.
J6g <5' oiQOv xaUv xai dni^ftova röatov Idiadai
NavTfjg, oi rt;6s nofinoi ij()' «Vx"» ectoiv.
Jos d' k intoQiiriv t^'ixQrpvoio 31iftavTog
Aidol(Ov fi e>.9Örta ßQOToiy öaiwv t£ xv()i,aaf
(Püita T£ Tiaaiftrv, ös iiiov roov t'ineQonei'aag
ii'diaato Zfjva '^hiov ierit-v xe X!)cmtt,av.
Desgleichen in dem sonst völlig dunkeln und räthselhaften Aposp. 8:
Kairat. tiovtotioqoi, ari;'£()i; tvaliyxiot Atrj
nnoxäatv ai»vir,iji, ßiov dia'ir^lor ho^ttg,
Alätla^i icvioio Jdg aißas iipttddorrog.
Jeivf, ycLQ fihonig j'trioi' Jiog, og x älhrjai.
Endlich ein xt>r,gn6g ist deutUcb erkennbar in Aposp. 9: ^
'Yniag, (o ^üvoi, cvt/ios laßs^v aniog tl9iuv.^
'Ali.' £Tt »TV öe§aa»e, xai o nlöog iaatTOi ifüv.
In solchen und ähnlichen, verhältnissmässig ganz kurzen Liedern, in denen durch das vor-
handene Bedürfniss der Hexameter so ganz von selbst hervortrat, dass wir in diesem Sinne ihn
^t Aristoteles den naturgemässen Vers nennen mögen, sind die ersten Anfange der Griechischen
Poesie und Metrik zu suchen; und ei-st vom Meere aus haben die heimkehrenden Seefahrer die
Lieder den Landbevölkerungen zugebracht und allhier dafür bei dem heitern, auf alles Schone ge-
richteten Sinn der Hellenen das geeignete Verständniss gefun.leii. Der Hexameter wurde in den
grünenden Thälern und auf den luftigen Bergeshöheu heimisch und mit ihm die Anrufungen und
flie Culte der Götter, unter deren Schutze das Leben auf dem Meere sich entwuket hatte. In den
\ugen der phantasiereichen Hellenen war die ganze von Leben und Bewegung durchdrungene Natur
iedishch das Werk einer schaffenden Götterwelt; auf diese übertrug man Alles, was hieiueden zur
Erscheinung kam. und vor Allem w.ar es die menschliche Familie, welche man auch unter den
Göttern wiederfand. Hiedurch entwickelten sich ganz von selbst die Theogonien und was damit
zusammenhängt, und die Folge davon war das Erblühen einer theologischen Poesie, als deren
Träger die Namen eines Musaeus, Thamyris, Orpheus und anderer uns entgegentreten.
EndUch wer unter den Schiffenden war der xtXevarr^g? Es kann mcht zweifelhaft sein,
dass so lan-re die ersten Fahrzeuge mit 2 oder höchstens 4 Ruderei-n und einem Steuerm.inne be-
s^zt waren, einer unter ihnen durch Wortausdruck die Iluderschläge regelte, so dass hier.aus,
nach Maassg.ahe der Atlnnungsorgane, die gesprochenen Worte ganz von selbst zur pnnntiven l -
form des Hexameters sich formten. Anders musste es werden, als bei vermehrter /..hl der Ru-
dernden die Pünktlichkeit der Ruderschläge wesentlich erschwert ^^•u,■do. und wio noch heutigen
Tages an der Ramme der das Tau führende Arbeiter, ohne selbst mit zu rammen, das Commando-
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wort spnclil, so musste es sich auch auf den mit 20 und mehr Ruderern versehenen Schiffen ge-
stalten: der yelevatrs wurde eine eigens zum Commando bestimmte PersönHchkeit, er sprach die
herkömmhchen, auch von der übrigen Schiffsmannschaft nach und nach in das Gedächtniss aufge-
nommenen Xirai und XQ^^f^^^ "^^^^ w^rde so, man gestatte den Ausdruck, zum Sprecher für Alle.
Dieser Sprecher war es, welcher, geistig angeregt und gehoben durch Form und Inhalt des Vorge-
tragenen, wohl auch neue Xiral schuf, je nachdem neue Eindrücke auf den erweiterten Seefahrten
sich ihm darboten, und aus diesen Schiffskeleusten sind, wie sich weiter unten ergeben wird, die
gott begeisterten Aoeden hervorgegangen.
Betrachten wir diese Sprecher in ihrer primitiven Thätigkeit etwas genauer, so lehrt
die Sache selbst, dass das a tempo Einschlagen der Ruder, so me ihr Anziehen {()vo/iwg) unbe-
dingt mit der Hebung der Stimme des Sprechenden (ciQaig) zusammenfallen musste, zugleich aber
auch, dass diese Arsis bei einer verhältnissmässig zu grossen Zahl von Ruderern nicht genügte
und somit noch einer anderweitigen Unterstützung bedurfte. Ferner ist es selbstverständhch, dass
bei Fahrten, welche längere Zeit, vielleicht einen oder mehrere volle Tage in Anspruch nahmen,
die Recitation unmöglich, ohne alle und jede l'nterbrechung fortdauern konnte, weil für der-
artige Anstrengungen keine menschliche Stimme ausreichend war. Somit war es nothwendig, dass
für beide Fälle, sowohl für die Hervorhebung der Arsis, als auch, wenn die Recitation fehlte,
für die ununterbrochene Regelung der Ruderschläge ein weiteres Hülfsmittel zur Hand war,
und diess kann kein anderes gewesen sein, als der auch heute noch übhche Schlag mit
einem Stabe, der mit der Arsis des Verses und mit der a tempo in die Meereswogen ein-
schlagenden Ruder menge und, wenn die Recitation fehlte, mit dem Ruderschlage allein unmittelbar
zusammenfiel. Auf diese Art wurde der stabführende Sprecher zum (Kxßd(pd6g, Um allen wei-
teren Missverständnissen von vornherein voi'zubeugen, möge schon hier bemerkt werden, dass dieser
Rhabdode mit dem spätem (fuipcpdog gar nichts zu thun hat, wenn schon beide dasselbe Attribut
des Stabes führen, der wirkhch von dem ersteren im Laufe der Zeit auf den letzteren überge-
gangen ist. "Wir verdanken die richtige Einsicht in dieses dunkle und vielbesprochene Verhältniss
ledighch den Bemühungen Welcker's, jedoch nicht ohne ein tiefes Bedauern zu empfinden, dass
der gelehrte Mann, um das räthselhafte Wort l)aip(i)dtg zu erklären, dessen Ableitung von (xxTiTeLv
aotdt]v ihm völlig unverständlich und darum unzulässig erschien, zu dem ungeheuerlichen (taßooiodög
oder (laTiiaiiidog (zusammengezogen (>aip(i)66g) seine Zuflucht nahm, anstatt die von ihm zweifellos
nachgewiesene Existenz der Fonn (»aßdcodog (cf. Ep. Cycl. p. 360, Anm. 5S6) von jener gänzhch zu
trennen und selbständig für sich bestehen zu lassen. Wir fürchten, dass die ungewöhnliche Belesen-
heit und Gelehrsamkeit Welcker's der Sache, die er zu vertreten bemühet war, oft mehr geschadet
als genützt hat. Ueber (taßomodog etc. cf Ep. Cycl. p. 365. Wie nun der Stab — oxttitqov —
in der Hand sei es des Königs oder des gebietenden Herrn überhaupt das Symbol der be-
rechtigten Gewalt ist, gleichviel ob man das oxTjTitqov vom Speerschaft herleitet, welcher dem
Sieger die volle Gewalt über den Besiegten gab, oder vom Stabe oder Stocke als Züchtigungs-In-
strument der Unfreien, so erhöhete der (taßdog in der Hand des xelevarr^g wesentHch dessen An-
sehen und gab ihm, da auf seiner Pünktlichkeit und Kunstfertigkeit die regelmässige Fortbevregimg
des Schiffes und dadurch auch dessen Sicherheit beruhete, eine hervorragende Stellung vor den
übrigen Schiffsgenossen, und der (taßöog wurde zugleich ein Zeichen der Würde. Als nun im Ver-
huif der Zeit und unter ganz besonderen Verhältnissen, von denen weiter unten die Rede sein wird,
aus den stabführenden (tactirenden) Rhabdoden sich die Aoeden in voller Selbständigkeit ent-
wickelten, so behielten auch diese das ehrende Zeichen des Stabes beim Gesänge bei {yaru l>aßödv
(fQÖCtw rind. Isthm. III, 51), jedoch so, dass letzterer häutig durch einen Oelzweig eQvog, daher
tm(i)övg) ersetzt wurde, und von ihnen ging er dann als auszeichnendes Attribut auch auf die spätem
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Rhapsoden über, welche sich seiner bei der Declaraation der Homerischen Epen bedienton, ohne dess-
halb Stabsänger, was eben nichts ist und nichts bedeutet, zu sein. Denn der Stab stand mit der
Beschäftigung weder der Aoeden noch der Rhapsoden in irgend welchem Zusammenhange, während
er bei den Rhabdoden den Haupttheil ihres Berufes ausmachte. Das Wort ist ganz analog dem
yid-ctQioöog gebildet, und vfie dieses heisst: mit Bei hülfe der Kithara, d. h. zur Kithara
singen, so oaßdqtöög mit Unterstützung des Stabes die Recitation der Xizai und
XQTjo/^ol vornehmen.
Wir unterlassen es, den vorstehenden Gegenstand hier weiter zu verfolgen und kehren zur
Hauptsache zurück. Die oben geschilderte Entwicklungsperiode hat begonnen in einer Urzeit, die
jedoch nicht völhg unbestimmbar ist, und hat gedauert bis zum Troianischen Kriege. Denn wie oft
man es auch versucht hat zu beweisen, dass das Menschengeschlecht an allen Theilen der Erde
ganz unabhängig von einander gleich dem Thier- und Pflanzenreich entstanden sei, so haben diese
Bemühungen die Ueberzeugung bis dahin dennoch nicht zu erschüttern vermocht, dass der Theil
der Menschheit, auf welchem allein die heutige allgemeine Cultur beruhet, sich gleichsam aus seiner
Wiege, in dem Innern Asiens beginnend, nur von Osten nach Westen verbreitet habe; und die
Richtigkeit dieses Satzes steht fest durch die historischeu Thatsachen, dass unter den nach
Westen vordringenden Culturvölkern diejenigen, welche das Meer an den Küsten Syriens zuerst
erreichten, die Phoenizier das erste, und dann nach ihnen die, welche nel später an die Westküste
Kleinasiens gelangten, also die lonier der Zeit nach das zweite seefahrende Volk des Mittelmeeres
geworden sind. Seit den ersten Ansiedelungen an der letzteren Küste, welche chronologisch aller-
dings nicht zu bestimmen sind, haben die oben entwickelten Verhältnisse sich Jahrhunderte hin-
durch als dieselben erhalten; ein reger Seeverkehr an den Küsten und zwischen ihnen und den
gegenüberhegenden Inseln hat sich ent\\'ickelt, und der Grund zu den oben genannten Wissenschaften,
besonders der Astronomie und Mathematik ist gelegt worden, vorzugsweise aber hat die Poesie
und mit ihr die Sprache selbst ihre erste Bildung und Fortgestaltung erhaUen. Unter ihrem Ein-
fluss, da sie, in den Nöthen und Gefahren des Lebens Schutz und Schirm sucheud, ledighch auf die
Allmacht und die hülfreiche Hand der Gottheit ange^^esen war, hat sich die ganze, ewig wirkende
und schaffende Natur in eine von unzähhgen Götterwesen bewohnte und belebte Götterwelt ver-
wandelt, welche, von dem irdischen Auge nach irdischen Verhältnissen bemessen, alle Gefühle und
Empfindungen mit dem sterbhchen Geschlecht theilten; es beginnt die Zeit der werdenden und ge-
wordenen Götter, das Zeitalter der Theogonien, und die Träger aller dieser Voi*stellungen sind jene
Lieder und Gesänge, die wir allgemein Iczal und xnrGi.ioi genannt haben, deren Vorhandensein
und weiterer Einfluss sich noch in der spätem Zeit geltend macht. Sie wurzelten tief im Bewusstsein
des Volkes, daher noch in der historischen Zeit das ungewöhnhche Ansehen des Onomacritas. In
jene ältesten Ideenkreise di-angen sicherhch Jahrhunderte hindurch keine neuen Vorstellungen, weil
es an passender Veranlassung dazu fehlte. Der Culturzustand bheb sich stets gleich und wui'de stag-
nirend, und auch die gewöhnliche Beschäftigung auf dem Meere entwickelte mehr und mehr nur
eine Seite und gipfelte zuletzt in dem nicht für verwerflich gehaltenen Seeraub. Die berüchtigten
Karer waren arge Seeräuber und der Hauptsitz der Piraterie war — Ilion. Da endlich erhoben
sich die Bewohner des Festlands, deren Küstenorte immer und ewig gebrandschatzt wurden, gegen
das Unwesen; Ihon tallt und hiemit dringt in die alte Stagnation eine neue Bewegung und ein
neues Leben, und es beginnt mit dem Falle des Raubnestes die zweite Periode der Griechischen Cultur.
Wer demnach Ihon für eine Fabel hält und glaubt, dass die geistige Aufrüttelung eines ganzen
Volkes, dass ein reges Wirken und Schaff'en auf allen Gebieten der menschlichen Thätigkeit, \sie es
in den Epen Homers sich offenbart, nur durch das Phantasiegebilde eines müssigen Kopfes bewirkt
worden sei, der hat kein Verständniss für alte Verhältnisse. Die obige Bemerkung aber, dass die
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Zeit vor Ihon die alten Theogonien angebahnt und geschaffen habe, dürfte geeignet sein, den alten
Streit, ob Hesiod oder Homer der ältere sei, zu Gunsten des ersteren zu entscheiden.
Die Zerstörung Ihons war ein Ereigniss von weittragender Bedeutung für ganz Griechen-
land. Es ist gewiss nicht zu viel behauptet, wenn gesagt wird, dass die endhche Vernichtung und
Beseitigung des Troischen Piraten-Unwesens unter den Bewohnern des Festlands und besonders der
Küstenorte den allgemeinsten Jubel hervorgerufen hat. Die heimkehrenden Sieger, mag auch den
einzelnen Führern aus dynastischen Interessen so oder so schwere Unbill widerfahren sein, trugen
die Kunde von dem glückhchen Erfolg zu den entlegensten Punkten des Binnenlandes und die aus
dem Brande geflüchteten Troer fanden unter dem frischen Eindrucke des Ereignisses an keinem
Orte Griechenlands weder Aufnahme noch Niederlassung. Indessen die nach der gemeinsamen
Action alsbald wieder eintretende Spaltung und Zerrissenheit der Stämme, auf welche schon früher
hingewiesen worden ist, be>virkte, dass che Erinnerung an den gewaltigen Kampf sich mehr und
mehr auf das Bewusstsein der einzelnen Stämme und Orte selbst beschränkte, ohne ein National-
Bewusstsein zu hinterlassen, weil es an einem gemeinsamen Vereinigungspunkt fehlte, den erst
Lycurg durch die Anregung der Olympischen Spiele ins Leben rief Nur einen Ort gab
es, an wekiiem die Erinnerung an Ilion stets lebendig blieb und so zu sagen stets neue Knospen und
neue Blüthen entfaltete, die Troische Küste; sie war es, wo die beiden Todtenhügel des Achilles
und des Aiax und die dazwischenhegende Achaeerbucht das Andenken an Ihons Grösse und Fall
stets wach liielt und durch die geschäftige Sage fortpflanzte. Allein nicht aus dem Innern der
Ebene, nicht aus dem Munde derer, welche die von Agamemnon einst verfluchte Stätte dennoch
wiederbewohnten, ist sie entströmt : höchstens haben die Bewohner am Sigeum oder am Strande der
Beschika-Bay den dort anlegenden Schiffern einzelne Namen aus dem Innern der Ebene genannt,
z. B. die beiden Flüsse, die diof-iaia ßaai/J^os, den Todtenhügel des Hector, die Anhöhe des Aesyetes,
die Buche und den Feigenhügel, und bestätigende Andeutungen hinzugefügt; doch dieser Namen
und Andeutungen bedurfte es nicht. Die Kenntniss derselben kam vielmehr von aussen und See-
fahrer vorzugsweise aus lonien sind es gewesen, welche, mit Ihons Fall genugsam vertraut, nicht
erst nöthig hatten sich über diess oder das genauer unterrichten zu lassen, sondern beim Anbhck
des Achilleshügels sofort ausriefen: Sehet, dort ruht Achilles, fern von Argos! Sie wussten
nicht bloss, was mit den verschiedenen Localitäten wirklich zusammenhing, denn sie kannten das
historische Factum, sondern sie wussten auch zugleich noch vieles Andere, was sie von anderswoher
vernommen hatten und nun mit jenen Punkten verbanden. So schufen sie eine Fülle von Sagen,
die zwar mit den Locahtäten stets in engster Verbindung bheben und an ihnen halteten, genau
genonamen aber ihre eigentliche Heimath im fernen lonien hatten und allhier wurzelten ; das Troische
Gestade hatte nur che Veranlassung dazu gegeben. Mit diesem Ergebnisse löst sich nun das Räthsel,
welches bis dahin die Forschung gefangen gehalten hat, und es erklärt sich jene überraschende
Erscheinung, auf welche wir als Resultat der voraufgehenden Untersuchung §. 3 s. f hingewiesen
haben. Während nämlich Ihons Zerstörung an allen Orten des Festlandes in der Erinnerung mehr
und mehr zurücktrat und zusammensclirumpfte, um erst später durch Homer gleichsam zu neuem
Leben wieder erweckt zu werden, entwickelte sich die Troische Sagenfülle hoch auf dem
Meere, auf den Ruderbänken der vor Troias Küsten vorübereilenden lonier, und
liiodurch wird es endlich klar, wesshalb wir über das Innere der Ebene von Troia
durch Homer so völlig ununterrichtet sind. Von der Höhe des Hellespont aus gesehen, stellte
sich vor den Augen der Seefahrer die Bucht zwischen Sigeum und Rhoeteum selbstverständhch so
kk'in und unbedeutend dar, dass sie eben nur einem Hafen glich, ausreichend die tausendschiß'ige
Flotte der Griechen aufzunehmen, und sogar der weisse Dünenstrand erschien für die Zahl der
Schiffe zu klein, um allen, wenn sie an das Land gezogen wären, in einer Reihe Raimi zu ge-
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statten; sie mussten daber staff eiförmig aufgestellt gewesen sein. Hinter dem Strande dehnte sich dann
in der Phantasie die Ebene aus, gross genug sowohl lur die gewaltigen Schlachten der Griechen
und Troer, als auch für die Wagenrennen bei den Leichenspielen des Pati'oclus. Es folgte Ilion in
der Mitte der Ebene, und unmittelbar an die Stadt stiessen in Folge des Standpunktes der Schauen- •
den die grünbewaldeten Yorberge des Idagebirges und gestatteten somit, wenn es sich um die Be-
erdigung der beiderseitigen Todten handelte, den kämpfenden Theilen aus nächster Nähe das zum
Verbrennen der Leichen nöthige Holz herbeizuschaffen; endhch mussten, da man doch von zwei
Flüssen der Ebene gehört hatte, aber doch nur eine Mündung in der Bucht wahrnahm, beide noch
in der Ebene zusammenfallen, der Simois also in den Xanthus einmünden. Mit einem Wort, Alles,
was in unserer frühern Untersuchung mühsam aus den geringsten Andeutungen Homer's festgestellt
worden ist, erhält hiedurch die vollständigste Bestätigung, alles Wunderbare und Ueberraschende
im Homer findet die ausreichendste Erklärung. W^as nui' irgend im mündlichen Verkehrswege nach
lonien gelangte, es schilderte die Küste und was hinter ihr hegt, nur nach dem i:uidruck oder
vielmehr nach dem Bilde, welches die vorübereilenden Seefahrer in sich aufgenommen hatten, und
der Einbildungskraft war es vorbehalten, das Innere der Ebene weiter auszumalen und zu ge-
stalten. So haben es die Sagen gethan, so sind sie von Ilion im Seeverkehr nach lonien gekommen,
so hat sie Homer empfangen und nach ihnen, die weitere Ausführung aus der eigenen Phantasie
schöpfend, seine Ihade geschaffen.
§. 5.
Die Aoeden. Homer.
Die Troische Sagenfülle hat unmittelbar nach ilu-er Bildung den wesenthchsten Einfluss auf
die Fortentwicklung der Griechischen Poesie geübt und deren zweite Periode hervorgerufen. Zwar
werden die älteren Schiffsheder durch alternde Rhabdoden und Ruderer auch Eingang in die
Binnenlande und allhier weitere Verbreitung gefunden haben, was durch die früher erwähnten theo-
gonischeu Dichtungen hinreichend bezeugt vdvd. Auch sind sie sicherlich von der Menge überall gern
gehört worden, haben aber eine Stagnation in der Ideenwelt des Volkes und in der Cultur dennoch nicht
verhindern können. Ihr ledighch theologischer und prophetischer und daher einförmiger und trockner
Inhalt hat stets wohl mehr einen ernsten und düstern, als frohen und heitern Eindruck auf die
Hörer ausgeübt, weil in ihnen Alles fehlte, wodurch die rein menschhchen Gefühle und Empfin-
dungen zugleich auch freudig erregt und angefacht werden; sie haben wohl überall mehr ein Bangen
und Beben vor dem allmächtigen Walten der Gottheit, als eüie wohUhuende Befriechgung in der
Brust der Hörer zurückgelassen. Ganz anders wurde es, als mit einem Male der Poesie ein ganz
neuer Stoff zugeführt wurde, an welchem es bis dahin gänzlich gemangelt hatte. Denn wer hatte
je etwas Aehnhches vernommen? wer je von einem Riesenkampfe zweier ergrimmten Völker gehört,
deren Führer einander an Tapferkeit übertrafen? wem war je eine Heldengestalt vorgekommen, wie
die des jugendlich schönen und dabei riesenstarken Achilles? wem je ein Frauenbild, an hingeben-
der Liebe und Milde vergleichbar der Andromache? Dieses Stoffes bemächtigte sich die Poesie mit
Vorhebe, mit Ungestimi, und die neuerstehenden Lieder von Ihon und dessen Zerstörung ^\^lrden
von den Massen mit um so grösserer Begeisterung aufgenommen, je nachhiiltiger sie alle Gefühle
und Empfindungen in der Menschenbrust berührten und erregten, von denen grossartige Ereignisse
und Begebenheiten begleitet zu sein pflegen. Sie fanden um so grösseren Beifall, je mehr sie in
erzählender Form zugleich die spannendste Neugier befriedigten. Unter ihrem Eindrucke hörte
die Stagnation der frühern Periode mit einem Male auf, und auch mit den Trägern der neuen
poetischen Schöpfungen gmg eine bedeutsame Veränderung vor. Der Unterschied, welcher zwischen
der Aufuaiime der Inal und xC'/tf/fo/ von Seiten des Volkes und zNvischen den Troischen Liedern
stattfand, musste sich bald bemerkbar machen, uamenthch auch durch den materiellen Gewinn,
welcher dui'ch letztere erzielt wurde. Die er wer bliche Seite, die in diesen alten Verhältnissen
eine bei weitem gi-össere Rolle spielt, als in der Regel angenommen wird, reizte zur Nachahmung,
und Alle, die selbst arbeitsunfähig von der Mildthätigkeit Anderer ihren Lebensunterhalt zu ent-
nehmen hatten, folgten der Wirkung der neuen Gesänge auf die Gemüther der Massen mit dem
lebhaftesten Interesse. Sie sahen, wie alternde Rhabdoden durch die in hexametrische Form ge-
brachten Lieder von Ilion überall die willkommenste Aufnahme und überdiess reichhchen Lohn
fanden. Es ist eine l)ekannt(^ Ei-scheinung, welche sich noch heutigen Tages allerorts wiederholt, dass
Gebrechliche und Blinde sich ihren Lebensunterhalt aus dem Mitleidsgefühl Anderer zu erwerben
pflegen. Sie besuchen an der Hand von Führern alle unsere Jahrmärkte als Clarinettenbläser, als
Flöten- und Geigenspieler, als Orgeldreher u. s. w. und singen namentlich zum Leierkasten die schauer-
hchsten Mord- und Räubergeschichten zum grössten Ergötzen der Umstehenden. Dieselbe Erscheinung
zeigt sich noch jetzt vorzugsweise in Griechenland, wo bei allen Festen und Paneghyris besonders
die blinden Volksliedersänger sich zahlreich einfinden und ihre Volksgesänge vortragen (cf Fauriel
chants populaires de la Grece Moderne und dazu Grote Gr. Gesch. p. 504, Anm.). Die Sitte datirt
aus dem grauesten Alterthum, wofür die Homerischen Gesänge genügendes Zeugniss ablegen. Aber
sie ist keine menschliche Einrichtung oder Satzung, die zu einer bestimmten Zeit getroffen worden
ist; sie entstammt vielmehr rein menschlichen Gefühlen und hat zu allen Zeiten gegolten, und wenn
dennoch von ihrem Eintreten zu bestimmter Zeit die Rede sein soll, so kann sie nur auf die
Erfindung der Mittel zurückgeführt werden, deren die armen Unglücklichen sich zur Erreichung
ihrer Zwecke zu bedienen pflegen. Diess ist für die vorliegende Untersuchung von Wichtigkeit.
Nachdem nämlich alt und schwach gewordene Rliabdoden, unter Beibehaltung des Zeichens ihres
frühern Berufs und ihrer Würde, des Stabes, durch ihre neuen Lieder den Impuls zur freudigen
Erregung der Massen gegeben und selbst reichen Gewinn daraus gezogen hatten, so bemächtigten
sich nach und nach Alle, welche auf gleichen Erwerb angewiesen waren, der durch den Schiffs-
verkehr vermittelten neuen Stoffe, und aus ihnen gingen die primitiven Aoeden hervor. Auch
sie führten den Stab; da dieser jedoch die Bedeutung, die er in der Hand der Rhabdoden ge-
habt, verloren hatte, so vertauschten sie ihn mit dem Lorberzweige, EQvog, nach gewöhnhcher An-
nahme als Auszeichnung vor den Zuhörern, und wurden iQvcjdnl genannt*). Ob jedoch der sQvog
') Diese von Welcker Ep. Cycl. p. 561, Anm. 590 vortretflich begründete und von Nitsch Hist. Hom. p. II. 119.
angenommene Form ist die allein richtige, jedoch mit der Beschränkung, dass sie, wie später nachgewiesen werden wird, von
pa'-l^wSo? gänzhch getrennt l)leibt. Die andere Form apvwSo? ist lediglich aus der provinziellen Gewohnheit, e vor p wie i
zu sprechen, entstanden und in die Schriftsprache übergegangen, gerade wie noch heutigen Tages an einzelnen Mecklen-
burgischen Orten die Eingeborenen das e vor r wie a aussprechen und demnach nicht werden oder Erde, sondern warden
und Ar de sagen, während umgekehrt die eingeborenen Insassen einer berühmten Mecklenburgischen Handelsstadt weder einen
Garten noch Markt, sondern nur einen Gärten und Markt kennen. Dass die häufigen, in der Griechischen Sprache
nachgewiesenen Vocalvertauschungen nur eine Folge einer abweichenden provinziellen Aussprache gewesen sind, bedarf keines
Beweises. Dass aber in dem vorliegenden Falle die falsche Form ap'JwSo? (Lammsänger) mit Leichtigkeit Eingang finden
konnte, dergestalt dass sogar der Scholiast zu Find. Nem, 11, 1 bei der Deutung des Namens pav|»w5o^ sagen konnte: ol Si
OTi xara \i(pt\ Trpotepov tt^s Trotr'jeto; S'.aSiSojjLs'vT,^ rwv aywvicjTwv eV.a^TO^ o-i ßouXo'.TO T,Se, toG 81 a^Xo'j toi?
'iixwatv apvö; oi7:o5tStiy\i.i'iO\) ^po^ayopeu^Jiqva!. rote |X£V apvwöou?, auüi; 8i x. t. X. ist nur durch die Analogie
des naheliegenden TpaYwSo'?, Bocksänger, möghch geworden. Indessen abgesehen von der durch nichts unterstützten
Annahme, dass bei tragischen Darstellungen ein Bocksopfer stattgefunden, oder dass die dabei betheiligten Tragöden ur-
sprunghch mit Bocks feilen bekleidet gewesen seien, so giebt es nichts, wodurch die aus dem Alterthum stammende und
noch heut in der Regel gebilligte Erklärung (cf. Horat. A. P. v. 220), dass der Preis des tragischen Wettkampfs in einem
Bock bestanden habe, sich irgendwie rechtfertigen Hesse. Schon Welcker hat a. a. 0. mit Entschiedenheit darauf hinge-
*f^jM'illBW>T'''
?-Ä-:.';ii-.yskaiM»öiö*«»»
V
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wirklich ein auszeichnendes Symbol, und nicht viehnehr das Zeichen des um gasthchen KnipiUng
bittenden Sängers gewesen sei, der Unterhalt suchend von Ort zu Ort zog, bleibt sehr fraglich.
Wenigstens, legte das ganze Alterthum dem Zweige in der Hand eines Nahenden nur die letztere
Bedeutung bei, und die Stellen, welche man zum Belege der ersteren Annahme beigebracht hat,
nach denen z. B. die Brabeuten bei den Kampfspielen u. s. w. ebenfalls den Stab trugen, durften
nicht angezogen werden. Denn hier bezeichnete der Stab die amtliche Würde und entsprach
dem axTjTtTQov in der Hand des Gebietenden; davon aber kann bei den bittweis nahenden Aoeden
keine Rede sein. Dem widerspricht auch nicht, dass Chryses als Bittender das axrTitQOv statt des
Zweiges trägt; cf lUad. 1, init. Er erscheint vor Agamemnon in seiner vollen Würde als Priester
des Apollon und führt als solcher absichtlich das ayS]7iTQ0v, indem sein Bittgesuch nur durch den
mit W^olle umwickelten Lorberkranz, den er auf dem goldenen Scepter trägt, ausgedrückt wird.
Aus dem Obigen mm ergiebt sich, dass die Aoeden dem Reichthum, der Wohlhabenheit, kurz Allen
gegenüber, die durch Besitz und Kraft ihrer Hände eine selbständige Existenz hatten, eine sehr
untergeordnete Stellung einnahmen. Sie heissen zwar d-iioi und werden noch durch viele an-
dere Beiwörter geehrt, doch offenbar nur, weil nach allgemeiner Ansicht die Dhnoa in ihnen lebte
und Avebte und ihnen den götthchen Gesang eingab, der sodann ihrem Munde entströmte. Allein
diess änderte nichts an ihrer gesellschaftlichen Stellung; sie standen, aus dem angegebenen Gnmde
gerade wie die Wahnsinnigen, die ebenfalls von einem Gotte besessen gedacht Avurden, unter dem
allgemeinen Schutz Aller, und Jedermann vermied es um des Gottes willen geflissenthch sie zu
ki-änken. Sie Avurden vielmehr geachtet, fanden überall gastliches Entgegenkommen, weilten in den
Häusern der Edlen und Reiclien, erhielten hier sogar dauernden Aufenthalt und erfreueten sich bei
allen öffenthchen Festen des freundlichsten Empfanges. Allein diess Alles galt nur der in ihnen
wohnenden Gottheit; persönhch traten sie völlig in den Hintergi-und, an ihrem Erwerb haftete in
den Augen der Menge etwas Gewöhnhches, ein Etwas, das sich von einem Almosen wenig oder gar
nicht unterschied; mit einem Wort, sie assen das Brod Anderer.
Diese Aoeden waren es, welche die von Troia herül)ergekommenen yJJu avöqiZv verarl)eiteten
und ihnen die feststehende hexametrische Form gaben. Aber sie thaten es nicht etwa als opfer-
>v.
wiesen, dass bei keinem einzigen summtlicher Composita, als (XtAioS:?, zpoowBo'? u. s. w. der Preis bezeichnet werde,
mn den gesungen wurde. Und so ist es; auch TpaywSo's kann keine Ausnahme machen, und auch die Erkliirung, dass ein
Bock den Siegespreis gebildet, ist hinlUüig und verwerflich. Das richtige Verstclndniss des Wortes ist nur auf historiscliem
Wege zu gewinnen. Es ist nämlich nicht zu bezweifeln, dass die Griechische Tragödie sich in ihren Uranfungen aus der
xwfjLCüÖia entwickelt hat, wobei es ganz dahin gestellt bleiben kann, ob letztere aus xio|jio? und tp8t{ Lustgesang, Lust-
spiel, oder aus xwjjli^ und ü)8i^ Dorfgesang, üblich bei der Feier der Weinlese in den Dörfern, entstanden ist. Jene An-
fange aber sind zu suchen in dem aus den alten Dionysos-Festhchkeiten her\orgegangenen Dithyrambus, als dessen Er-
finder Herodot I, c. 23 den Arion nennt. Von dem Dithyrambos sonderte sieh sjiäter das Satyrspiel ab, in beiden aber
ruhete ein mimisches Element (cf. Aristot. Probl. 19 Sto xa\ ol 5ui-jpa|jLßoi, £-ei5T^ p.i|jL-i^Tixol i-^i^o^no x. x. \.)\ und
als der Dithyrambos sich zu einem Drama mit Acten aus der CTeschichte des Dionysos gestaltete, so tiel dem ans Satyrn
bestehenden Chore jener mimische Theil zu. Bei dieser ganzen, von Arion zweifellos herrührenden Anordnung (xpoTioc
Tpayixo? Suid. s. v. Arion) bestand der Hauptkern der Lustbarkeit in dem mit Bockschwänzen etc. ausgestalteten und
in seinen Bewegungen phallische Possen treibenden Satymchor. Von ihnen, den bockschwänzigen und später auch
bocksfüssigen Satyrn entstammt die Bezeichnung ipay^xo!; (von xpoiYOC» Bock), welche auch später, als besonders unter
dem gewaltigen Eindruck der Perserkriege aus dem Dithyrambos die ernste Tragödie hervorging, für diese beibehalten
wurde und zwar uranfänghch, dem neckischen Wesen des Dithyrambos und des Satyrspiels zufolge, als Spottname. Denn
wer noch heute sich nicht allein die wunderhchen und possierUchen Sprünge der Böcke gegen einander vergegenwärtigt, son-
dern auch zugleich die gravitätischen Schritte beobachtet, mit denen sie dummglotzenden Auges zum Kampfe auf einander
losgeben, der wird begreifen, wie der ernste und gravitätisch gemessene Schritt des Chors in der Tragödie mit jenem Namen
und zwar als Spottnamen bezeichnet werden konnte, jedoch zu dem Erfolge, dass unter dem Ernste der Handlung der ur-
sprünghche Spott allmälig ganz vergessen, der Name selbst aber beibehalten wurde.
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freudige Jünger der Musen und ohne allen Eigennutz, ohne alles eigene Interesse, nur im Dienste
der Poesie stehend ; im Gegentheil, da Dinge vorhegender Art nur nach Maassgabe der Zeit, in der
sie hervorgehen, zu bemessen sind und nicht durch die trübe Brille einer idealistischen Anschauung
betrachtet werden dürfen, sie bemächtigten sich der neuen Stoffe, um im gegenseitigen Wetteifer
den grösstmöglichsten Gewinn daraus zu ziehen, und gerade dieser Wetteifer, dieses Streben theils
durch Neues, theils durdi Umgeformtes einander zu überbieten, worin die Quelle der spätem
Agonistik zu suchen ist, hat die Poesie selbst wunderbar gefördert und die Zeit vorbereitet, in
welcher — Homer den Gipfelpunkt ersteigen sollte. Auf diese Weise ist eine Anzahl theils längerer
theils kürzerer Gesänge in der Form des Hexameters entstanden, welche weit über unsere Vor-
stellung hinausgeht, und man kann dreist behaupten, dass alle Sagen von Ilion, also nicht bloss
die in den Homerischen Gesängen befindlichen, sondern auch die, welche ausserdem mit dem
Troischen lü'ieg in irgend welcher Verbindung standen, von den Aoeden behandelt worden sind.
Aber eben so dreist darf man behaupten, dass alle Lieder bunt durcheinander auf der Klein-
asiatischen Küste und auf den Inseln bald liier bald dort gesungen worden sind, ohne dass sie durch
eine gewisse Ordnung und innern Zusammenhang mit einander verbunden gewesen wären oder ein
fester historischer Faden sich durch sie hindurch gezogen hätte. Alle flatterten so zu sagen in
buntem Gewirrc um eiiien Mittelpunkt herum, welcher sie anzog, und dieser war lUon im letzten
verzweifelten Todeskampfe. Diesen innern Zusammenhang für einen bestimmten Abschnitt
des Krieges herzustellen und die Ereignisse in muti\irter Aufeinanderfolge gleichsam an einem
Faden fortzuführen, war dem Dichtergenius des Homer vorbehalten. Hieraus aber leuchtet ein, dass
der Dichter nicht etwa, wie ein überirdisches Wesen, plötzlich in eine bis dahin inhaltleere Wij-khch-
keit gleichsam hineingesprungen ist und begeistert von der Gottheit seine Epen geschaffen hat: auch
er war, wie alle Dichter aller Zeiten, ein Kind seiner Zeit und hat sich grossgenährt an dem Ma-
terial, welches sein Zeitalter ihm in Fülle zu Gebote stellte.
In den Aoeden also, schlichten und einfachen Leuten, die aber durch die Uebung des Vor-
trags vollkommen vertraut mit dem Bau des Hexameters waren, sind einzig und allein die Schöpfer
neuer Lieder zu suchen. Zugleich aber waren sie auch die Autbewahrer und Fortpflanzer der älteren
und zwar zunächst wohl im Wege der Katechese, wie das Beispiel des blinden Demodokos lehrt. Denn
entweder war dieser wirklich der Dichter der Lieder, welche er in der Odyssee vorträgt (und man
hat desshalb in ihm sogar die Person des Homer vermuthet), oder er hatte sie auf gedachtem
Wege aufgenommen, da seine Blindheit jeden andern ausschloss. Hiemit soll jedoch nicht gesagt
sein, dass es nicht auch schon schriftliche Aufzeichnungen der Lieder gegeben habe, wovon je-
doch erst später genauer die Rede sein wird. Der Zauber ihrer Lieder verschaft'te den Aoeden
überall die herzlichste Aufnahme. Ob auch dem Homer?
Die alten Ueberheferungen kommen alle dahin überein, dass Homer von der Nymphe Kri-
theis, welche mit einem Daemon Umgang gehabt, am Flusse Meles unfern von Smyrna geboren und
daher Melesigenes genannt worden sei; seine Erziehung habe Maeon, ein Verwandter der Kritheis
geleitet; cf. Welck. Ep. Cycl. p. 142. sqq. Es ist hier nicht der Ort, diese Angaben im Einzelnen
zu prüfen; es genügt darauf hinzuweisen, dass in ihnen der Glaube des ganzen Alterthums sich
manifestirt, nach welchem Homer ein vom Weibe Geborener, ein individueller Älensch mit Fleisch
und Blut, und nicht etwa, wie heute meistentheils geglaubt wird, ein wesenloser Eponymus, ein
göttlicher Ahnherr der Homeridengens war. Die letztere Annahme, an welche weder im. Alter-
thum, noch neuerdings vor Wolf jemand gedacht hat, ist ledighch als weitere Folge aus dessen be-
kannter Hypothese hervorgegangen, allein von Allen, welche sie angenommen, ist die richtige Frage-
stellung ausser Acht gelassen worden. Es handelt sich nämlich nicht darum, auf Grund einer Ver-
mutlmng eine durch Einstimmigkeit des Alterthums beglaubigte Thatsache über Bord zu werfen,
4*
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sondern vielmehr auf Grund der Thatsaclie die Zulässigkeit der Hypothese zu en\'eisen. So lange
also die Rechtfertigungsgriinde der letzteren selbst nur aus Annahmen und Vermuthungen bestehen,
die weder durch Vernunftsgründe noch durch alte Ueberlieferungen hinreichend unterstützt werden,
eben so lange ist auch der Endschluss, dass die ganze Anschauung und der ausdrückhche Bericht
des Alterthums falsch sei, völlig unzulässig und daher abzuweisen. Man kann mit vollem Hechte
alle Werke, die unter Homers Namen gehen, ihm entweder theilweise oder ganz absprechen, kann
sie einem anderen Verfasser oder mehreren zuschreiben; allein hieraus die persönliche Existenz des
Dichters, der als Verfasser genannt wird, abzuläugnen und ihn zu einem luftigen Wesen zu ver-
flüchtigen, dazu ist die Kritik nicht berechtigt. Und doch hat man sich nicht gescheut, um jene
Verflüchtigung zu beweisen, vornehmhch die Seite der Ueberheferung heranzuziehen, dass Kritheis
den Dichter von einem Daemon empfangen und geboren habe; gerade als wenn jemand aus der
bekannten Perfidie des Macedonischen Adels, den Alexander für einen Bastard auszugeben, der von
einem Drachen im Ehebruch mit der Oljnnpias erzeugt worden sei, den Schluss ziehen wollte, dass
Alexander selbst niemals existirt habe. Wir halten also die Position, welche das Alterthum
uns anweist, unverrückt fest und behaupten, dass Homer nichts mehr und nichts weniger als einer
jener fahrenden Aoeden war, der, abgesehen von seiner eminenten Dichterbegabung, sich in seinem
übrigen Leben durch Nichts von ihnen unterschied. Auch er suchte und fand seine Existenz durch
den Vortrag seiner Lieder, und auch von ihm gilt die Voraussetzung, dass er zur Zahl jener Armen
gehört, die blind und gebrechlich zu allen Zeiten vom grauesten Alterthum herab bis zum
heutigen Tage aus ihrer Lebensbeschäftigung ein ernährendes Gewerbe gemacht haben. Und diese
Voraussetzung wird wiederum durch das Zeugniss des ganzen Alterthums bestätigt, Homer war
blind. Es giebt nicht ein einziges altes Zeugniss, von dem des Spötters Lucian abgesehen (Ver.
Hist. H, 26), welches die Blindheit des Sängers im Entferntesten je angezweifelt hätte, und nur die
heutige Foi-schung hat die Ueberheferung so vollständig in das Reich der Fabel verwiesen, dass in
der That ein gewisser Muth dazu gehört, anderer Meinung zu sein. Denn, sagt man, wie wäre
es wohl möglich gewesen, dass ein blinder Mann die ganze ihn umgebende Natur mit solcher
Treue, mit solcher Wahi'heit hätte schildern und beschreiben können, wie Homer es gethan? und
beruft sich dabei auf das Urtheil Ciceros, der Tusc. V, c. 39 also sich äussert: Traditum est, Home-
rum caecum fuisse. At eins picturam, non poesin videmus. Quae regio, quae ora,
qui locus Graeciae, quae species formaque pugnae, quae aeies, quod remigium, qui
raotus hominum, qui ferarum non ita expictus est, ut, quae ipse non viderit, nos
ut videremus, effeceritV Quid ergo? aut Homero delectationem animi ac voluptatera
aut cuiquam docto umquam defuisse arbitramur? Allein Niemand hat bedacht, dass gerade
Cicero bei unbedingter Anerkennung jener naturgetreuen Schilderungen des Dichters dennoch die
allgemeine Ansicht des Alterthums von dessen Blindheit vollständig theilt, indem er, wie kurz vorher
den blinden Democrit, so hier zum Beweise seines Themas Virtutem ad beate vivendum se
ipsa esse contentam, den blinden Homer anführt, um zu zeigen, wie derselbe trotz seiner
Blindheit dennoch non sine summa delectatione animi et voluptate die Poesie zu einer
solchen Höhe erhoben habe, dass man in seinen Beschreibungen ein vollstänthges Gemälde und
kaum noch Dichtung zu erkennen vermöge. Auf diese völlig missverstandene Stelle hin hat man
Homers Blindheit fiir eine Sage des Alterthums erklärt, welche dadurch entstanden, dass dieses
hochbegabte Menschen, che sich eines höheren geistigen Lichts erfreueten, einer nähern Bekannt-
schaft mit den Göttern für würdig und somit des körperlichen Lichts der Augen für beraubt er-
achtet habe. Allein auch diese Schlussfolgerung ist falsch und darum verwerflich, we schon das
Beispiel des Teiresias lehrt. Denn niemals hat das AUerthum sehende Menschen für körperhch
blind erklärt, weil sie geistig hochstehend sich gleichsam den Göttern näherten, sondern es hat
29
Blinde für den Göttern verwandt erachtet, weil ihnen als Ersatz für das mangelnde Augen-
hcht gleichsam die Verwandtschaft mit den Göttern zu Theil geworden sei. Diess besagt ausdrück-
lich Homer bei Erwähnung des blinden Demodokos Odyss. VHI, 63: Krqv^ d" i'/yv^ev rjl^ev,
ayo)v iQir^Qov ooiöovy rov ti^ql Mnm i(fih;oe, Sidou d" ayai^ov je (fikov re- 'ocf^ak^uojv ^lev
ajuEQüe,' diöov d' t]ötTav doidrv. Auch Homer war blind und seine Blindheit hat ihn ebensowenig
verhindert nur gehörte, nicht gesehene Naturscenen poetisch ebenso treu wiederzugeben, wie es der
Verfasser des Wilhelm Teil gethan, der in seiner Beschreibung und Ausmalung des Vierwaldstätter Sees
bis zum heutigen Tage noch von Niemand übertroften worden ist, wennschon er von den gross-
artigen Scenerien jenes Sees nur gehört oder gelesen, ihn selbst aber niemals mit Augen
gesehen hat. Sollte aber nach dem Allen dennoch jemand Zweifel hegen, so bleibt immer noch
die Annahme übrig, dass der Dichter nicht blind geboren, sondern ei-st später auf die eine oder
die andere Weise blind geworden sei; diess und nichts Anderes besagt auch das Zeugniss des
Velleius Pat., welches man gegen die absolute Bhndheit des Homer filschhch beigebracht hat,
hb. I, 5: Homerum si quis caecum ?eiiitiim putat. omnibus sensibus orbus est. Doch
wir gehen weiter.
Es ist am Schlüsse der ersten Abhandlung die Frage aufgeworfen worden, ob wohl jemand
zu sagen vermöge, welcher Stadt Griechenlands der Dichter angehört habe, und der Zweifel wird
für alle Zeit fortbestehen. Dessenungeachtet erfordert der Gang der vorstehenden Untersuchung,
auch hier den Versuch zu machen, der Wahrheit möglichst nahe zu kommen. Ganz bestimmte,
von Niemand angefochtene Zeugnisse bestätigen das Vorhandensein der Homeriden auf Chios;
(die Stellen sehe man bei Grote I, p. 494); in ihnen hat man einstimmig eine Art von Gens
(Gilde, Zunft) anerkannt. „Ihnen war, sagt Grote p. 493, Homer nicht ein blosser Mensch,
der vor ihnen gelebt hatte, mit ihnen verwandter Natur, sondern ein götthcher oder halhgötthcher
Eponym oder Vorsteher, den sie mit ihren heidnischen Opfern verehrten und in dessen erhabenem
Namen und Augen die Individualität eines jeden Gliedes der Gens versenkt war. Die Werke
jedes besondern Homeriden oder die vereinten Anstrengungen Vieler derselben in
Verbindung stellten die Werke des Homer dar." Wir haben schon oben auf das Fehlsame
dieser Schlussfolgerung hingewiesen und bekennen nochmals, dass, mag diese Ansicht auch von den
namhaftesten Forschern z. B. Bernhardy (cf. L. G. pag. 299, 3. A.) getheilt werden, sie bei
ruhiger Betrachtung des Wesens jener alten Zeit etwas Fremdartiges und Unnatürliches und darum
Unglaubliches enthält, Sie führt uns die aUen Verhältnisse gleichsam im Kaleidoscop vor und
zeichnet Menschen, die, „der Gegenwart entrückt, in einer jenen Zeiten eigenthümlichen
Begeisterung, als der einzelne Mensch geneigt war, auf seinen Ruhm zu verzichten,
alle Kraft zu einer gemeinsamen Schöpfung der Kunst" aufgeboten hätten. Solche
Persönlichkeiten, welche sich zu einer Sängerzunft vereinigt und durch ihre Beiträge den
vom Meister entworfenen Plan in treuer Arbeit ausgeführt und somit auf eignen
Ruhm und Gewinn aus ihrer Arbeit verzichtet hätten, kennt das Alterthum nicht, eine
solche Entäusserung des eignen Interesses ist dem alten Menschen völlig fremd; der ganze Griechische
Nationalcharacter, der noch heute sich nicht verläugnet, steht damit in Widerspruch, als dessen
hauptsächlichstes Merkmal das Streben nach Gewinn und Besitz, gleichviel ob derselbe auf
rechthchem oder nicht rechthchem Wege erworben wird, bezeichnet werden muss. Unter solchen
Verhältnissen an eine Hingebung und Opferfreudigkeit zu denken, wie jene Auflassung sie uns vor-
führt, ist geradezu unmöglich, und an eine Sängergenossenschaft im modernen Sinne, die sich um
des gemeinsamen Gewinnes halber zusammengethan, haben die Urheber jener Ansicht doch wohl
nicht gedacht. Endlich steht die ganze Ansicht mit der alten Agonistik, mag diese sich entwickelt
haben, wann sie will, in directestem Gegensatz. Man muss die alten Verhältnisse nehmen, wie sie
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waren; kein Aoede wird sich je entschlossen haben, die Erzeugnisse seines Geistes „auf dem
Altar der Poesie" niederzulegen oder sie einem Anderen zu gewinnbringendem Gebrauch zu Gebote
zu stellen. Vielmehr suchte einer den anderen zu überbieten und gab so die Veranlassung zu den
dycijveg fiovaixoi. Den Beweis des gegenseitigen Wettkampfes erbringen die Worte des blinden
Mannes von Chios Hymn. ad Apoll, v. 160: tu xovQat-y lig d^ v(.ifxLv dvrjQ i^öiatoi; doidfov ^Ev&dde
ntoXelzai xal TS(p TSQTtea&a (.laXiaxct;
Die Homeriden auf Chios also sind auf einen persönlichen Ahnherrn, den Dicht er Homeros
zurückzufuhren und sind, wenn nicht als seine leiblichen, was bedenklich sein dürfte, sondern als
seine geistigen Nachkommen anzusehen. Berechtigt diess nun zu der Annahme, dass auch
Homer in Chios ansässig gewesen, und war dieser, wie oben nachgewiesen ist, blind, so steht Nichts
entgegen, der Aussage des Thucydides III, c. 104 beizupflichten, welcher in dem TV(flds dvrJQ
von Chios ausdrückhch den Homer anerkennt. Der kundige Athenäer nämlich, der zugleich hier-
durch die Blindheit des Dichters vollständig beglaubigt, nennt das Prooemium an Apollon nicht
allein ein Werk des Homer {öt]loT dt /ndliaia ÖfiT^Qog^ o%v Toiaira r^v iv roTg entai zolgde, d
iativ ix TiQooifdov \i7i6?Müvog\ sondern fügt eigens hinzu, Homer habe dort auch seiner selbst
gedacht mit den Worten: rav yuQ Jt-ltax6v xoQOv nZv yviaixojv ifivt]oag ixeleira rov enahov ig
rdöe Tci eTir^, iv oig xal kaviov iuvt'^aO-t;. Hier ist Alles von Wichtigkeit. Der dy(juv (.lovoixög,
dessen Nachweis Thucydides überall durch das Citat beabsichtigt, liegt in den oben angeführten
Worten xig 6* vfifdv x, r. l. Das ganze Citat aber (Hymn. ad Apoll, v. 165, sf^q.) lautet:
^A?.V c(y€0^, lI)]xoi jtitv ^At[6).X(')v ^AoTtiiidi ^vv
XaiQcie d' {\ue7g Tcaoai- ifielo i)t xal /iurc7iia&ev
Mvi^aaaO^, onnoze xtv rig InixS^ovuov drO^iio'mojv
\Ev&ad' dvHQrjat talamioiog d/.log intld-on"
fi xoiQaif Tig d^ tfi/nw dvt]^ 'tjöiOTog doidotv
^EvS-ade noiKtiTai xal ziot ttQTiead'e jud/.iora;
7'fyAcs,' dvt]Qj oixat öi Xui» in 7TaiTia).oi.oai]-
Toü Tcdaai fiEvÖTuiaO^ev dQiareiOvaiv dniSai,
'^H/iiaig J' Lftiienov xling o^iaofiev, oaanv In alav
^ Avd^Qv'miov aiQECfö^iEö^a noltig iwauiaoioag'
Ol 6" ijil di] TieiaovTui, intl xal iziiiviiov iaiiv.
Ferner giebt die den Delischen Jungfrauen untergelegte Antwort itcplog dvt;n etc. deutlich zu
erkennen, dass der blinde Mann sehie Lieder sammt und sonders für die besten hält, oder mit
andern Worten, vorausgesetzt dass fiaioTiioO^ev vor dniOTainiaiv richtig verstanden wird, dass alle
seine Vorträge im dyav /unuoixog den Preis davon zu tragen pflegen, sobald sie gehört worden
sind. Denn diess liegt in dem genannten Adverb, welches mit doiartioiaiv nicht in dem Sinne zu ver-
binden ist, dass die Gesänge in späterer Zeit vor allen übrigen den Vorrang haben werden, in
welchem Falle aus 2 Codd. ^aQiazei aovöiv ' ; (offenbar eine Conjectur des Abschreibers, der den
letzteren Sinn verlangte) geschrieben werden müsste, sondern dass sie hinterdrein, wenn der dy(uv
beendet ist, die Gesänge also gehört worden sind, den Preis zu erhalten pflegen. Diess stolze Selbst-
bewnsstsein des wandernden blinden Mannes, den seine Gesänge allerorten zum willkonmiensten
Gaste machen, bezeichnet trotz der Bescheidenheit, mit der es der gesellschaftlichen Stellung des
Sängers gemäss auftritt, dennoch deutUch das ganze wahre Sachverhältniss.
Nichtsdestoweniger ist der abweichenden Nachricht des Scholiasten zu Pind. Nem. II, 1,
Kinaethos (oder Kinaethon) der Chier sei der Verfas^ser jenes Prooemium, Erwähnung zu thun.
>) cf. Welck. p. 172, Anm. 239.
31
AtioXImvu ysyQafi^iävov käyazai nanoir^xivai^ orzog oiv 6 Kivai&og jiQioiog ev
2vQaxovaaig i()(,a(f>(,')dt;o£ %d 'Ofir^QOv tTi?] xazd rrv t^axoaziv ivrcir^v c?.vfmidda, wg'lrcnoazQazog
(pr^air. Indessen Zeugniss gegen Zeugniss gelialten, dürfte schon an und für sich die Meldung des
Scholiasten der des Thucydides gegenüber kaum in Betracht kommen, ja es muss mit allen Forschern
geradezu für unmöglich erklärt werden, dass, wenn die Zeitangabe des Hippostratos (Olymp. 69)
richtig ist, Thucydides, der sich kekanntlicli überall als den kundigsten Forscher und Kenner alter
Zeiten und Verhältnisse zu erkennen giebt (cf. I, c. 20 sqq.), den Verfasser eines 40 Jahre vor ihm ent-
standenen Werkes nicht nur nicht gekannt, sondern, was noch schlimmer wäre, das Werk selbst dem
alten Homer zugeschrieben haben sollte. Im Gegentlieil, wenn er letzteres dennoch tlmt, so beweist
diess augenscheinhch, dass er nur den alten Hymnus, welcher nach dem Urtheile auch seiner
Zeitgenossen unbedingt dem Homer angehörte, weil er doch niclit etwas behaupten konnte, was
der Ueberzeugung jener schnurstracks entgegen liei", vor sich gehabt hat, neben dem noch ein
anderer existirte, von welchem jedoch irgend welche Notiz zu nehmen er nicht den geringsten
Grund hatte; und dieser letztere kann sehr wohl um die 69. Olympiade von Kinaethos dem Chier
gedichtet worden sein. Diess wird sogar fast zur Gewissheit erhoben, wenn wir die bereits von
G. Hermann in seinem Briefe an Ilgen (cf. Hymn. Hom. p. XX sqq.) niedergelegten Erörterungen
in Betracht ziehen. Jener hat mit Ueberzeugung dargethan, dass der Hymnus an Apollon, wie wir
ihn heute in Händen liaben, aus zwei ganz verschiedenen Theilen bestehe und somit auch zwei
verschiedene Verfasser habe; er weist ferner nach p. XXIII sqq., aus welchen einzelnen Bestand-
theilen der alte Hymnus an den Delischen Apollon zusammengesetzt gewesen, und was demnach
durch einen späteren Dichter durch Umdiclitung oder Interpolation hinzugekommen sei. Hienach
kann es nicht zweifelhaft sein, dass jener spätere kein anderer, als der vom Schohasten Pindars
genannte Kinaethos ist, welcher die Umdichtung des alten Homerischen Hymnus vorgenommen und
unter seinem Namen rhapsodirt hat. Diesen letzteren kannte und meinte der SchoUast, während
Thucydides ton ihm gar keine Notiz genommen und nur den ursprünglichen Hymnus im Auge ge-
habt hat. Iliemit fällt aber die Vermuthung Welckers, der um der bedenklichen Zeitbestimmung
wegen die Zahlen t^axoozrv ivvdz7;v in txzi]v Tj zrjv ivvdzt;v (cf. Ep. Cycl. p. 243) verwandeln will,
in sich zusammen, und auch die Angabe des Hippostratos hat nichts Auffälliges mehr; er sagt aus-
drücklicli za 'Oftr^Qov tTii;. Wenn also die Aufzeichnung der Homerischen Gesänge durch die Pisi-
stratiden in die Zeit 540 — 530 a. C. gehört, so steht der Annahme nichts entgegen, dass, mochte
man in Syracus mit einzelnen Partien schon seit einem Jahrhunderte und länger bekannt sein,
dennoch die Iliade und die Odyssee als Ganze erst um die 69. Olj^np. (ungefähr um 500 a. C.)
dahin gelangt sind und zwar durch Kinaethos, der beide Epen zuerst dort rhapsodirte und so
in ihrem ganzen Zusammenhang zur allgemeinen Kenntniss brachte. Aus dem Gesagten aber geht
so viel hervor, dass die Nennung des Kinaethos der Auctorität des Thucydides nicht den geringsten
Abbruch tlmt, und dass dessen Angabe, der blinde Mann von Chios und Homer seien ein
und dieselbe Person, unbedingt Glauben verdient.
Die Feststellung dieses Resultats führt mit innerer Nothwendigkeit zu einer weiteren Unter-
suchung. Der blinde Mann von Chios spricht a. a. 0. es aus, er wolle den Ruhm der Delischen
Jungfrauen verbreiten, so weit er über den Erdkreis zu den schön gelegenen Städten der Menschen
kommen werde. Aber wie sollte der Blinde dahin gelangen? Wir finden bei den Alten eine Zahl von
Stellen, in denen Homer in Verbindung mit einem Manne erwähnt wird, welcher der neuern Forschung
•3^
33
Veranlassung zu ganz besonderen Folgerungen gegeben hat; ^ir meinen Kreophylos von Sanws.
ion tn und semen Nacbkommen ist besonders d>e Rede, wenn es sich um d,o \erpflan.ung der
Homenschen Gedachte durch Lycurg von Jonien nach Sparta und Gnechenland "''-''-1' ''-«
Cef Plut Lvc c. 4.); und da diese nach Heraclides Ponticus neQi nolnuu.y namentlich tob Samos
aus vor sich geganin sei, so hat man neuerdings neben den Homeriden auf Ch os auch eme e.gne
Rraiodenschule auf Samos angenommen (cf. Düntzer Kp. Cycl p 30 sqq.)- "^'^^^f^lZ^^'Z
umsLdlicher hierauf zurückkom:nen ; zunächst handeU es s c h danun, "-, »"' .J^j^ J^^'^^^^'^/j
Kreophylos näher bekannt zu machen. Die wichtigste Nachricht über ihn hnden «ir bei Plato, sie
Sar umsomehr eiaer sorgfältigen Prüfung, je näher das Zeitalter des Philosophen an die Zeit
UnaiückT. von welcher hier zu reden ist. Plato, geb. 430 und gest. 347 a. C. überragt die An-
gaben de späteren Scholiasten. aus deren Aussagen so Vieles gefolgert wird um mehrere Jahr-
hunderte und konnte vermi.ge seiner genauen Kenntniss des Homer, welche aus allen seinen
sliS: e'lhfhch ist, die :.uf den Dichter bezüglichen Mittheilungen viel besser wissen, als d.e
späteren Scribenten. von denen gewöhnlich der Eine auf den Schultern des Andern steht Er ge-
S des Kreophv los in Verbimlung mit Homer de Rep. X. p. 600 (nach der Uebersetzung von
ffieron MüM- Vol V. p. 631) also: Denn Kreophylos. lieber Socrates, der Freund des
?omero dürfte, was seine Ausbildung betrifft, noch lächerlicher als sein Name
frhern'en, wenii. was von Homeros erzählt wird, wahr ist. Man e-uM namlich
dass eben zu Jenes Lebzeiten der Dichter, so lange Jenerlebte, seh. wenig be
achte wurde. Die Bemerkung legt Plato dem Glaucon, einem der Redenden, in den Mund, um
L biweisen, dass die Geringschätzung, welche bei Lebzeiten des Kreophylos dem Ho-ner y.m s^^^^^^^^^
Zeit-renossen allgemein zu Theil wurde, zu dem allerungünst.gsten Lrthe.lc nber die Lnwnkung
L 1~: auF die geistige Ausbildung des Kreophylos berechtige. Denn «ocrate^; w- ^»^ ^^^-
Glaucon antwortet, fügt hinzu: Glaubst du aber, Freund Glaucon «l^-' ;-" f;;,'^" '
indem er hier nicht bloss nachzubilden, sondern auch Einsicht zu erlangen wusste
Wirklich die Menschen zu bilde« und besser zu machen nn Stande war, nicht Mcle
Freunde sich erworben hätte und von diesen geehrt und geliebt worden wäre? P.o-
ta.oras wenigstens, der Abderit. und der Keer Prodikos, so wie sehr viele andere
Soi>h en v:rsteh;n es, ihren Zeitgenossen in besonderem Verkehr en.zureden,
dieselben seien, wollten nicht sie ihre Bildung leiten, weder dem -S- » «fu
wesen noch dem Staate vorzustehen im Stande, und erwerben sich durch diese W eis
Lit so «rosse Liebe, dass ihre Freunde sie schier auf den Händen tragen; den
Holeros abei-tar r vermögend, den Menschen zur Tugend behülflicb zu sein.
Sn so w den Hesiodos! seine Zeitgenossen als Bänkelsänger umherzieheu
lassen und nicht vielmehr sie fester gehalten als Gold, und bei ihnen daheim zu
bleibet sie genöthigt? oder ''ätten sie nicht, vermochten sie nicht dazu sie zu b-
reden, wie die Knabenaufseher sie allerwärtsh.n so lange, bis sie der Bildung zur Ge
nüge theilhaftig wurden, begleitet? Hieraus geht unwiderlegUch hervor, dass P ato, der
n^ema s In der Existenz weder des historischen Homer noch des Kreophylos Zweifel gehegt hat,
ailhier die engste langdauernde Verbindung zwischen Beiden im Auge h.at, die aber nicht dahin
geS t habe dass der Eine, Homer, irgend welchen Einfluss auf die geistige Ausbilduug des Andern
™en; velmehr erscheine des Kreophylos Ausbildung beinahe noch lächerlicher als sein Name.
Die letzte Aeusserung beweist, dass Plato in dem Namen Kreophylos nur einen Spitznamen gesehen
und für Kreophilos genommen hat, wofür sich die vulgäre Sclireibung, welche auch w.r der Con-
formität wegen beibehalten, nur irrthümlich eingebürgert hat; cf. Welck. Ep. Cycl. P. 219, Anm. 335
Pkto also uennt ihn Bratenfreund (Welck.) oder Fleischlieb (H.eron. Muller) und giebt
dadurch deutlich zu erkennen, dass, wahrend der Dichter als Bänkelsänger umherzog und seine
Lieder sang, der mit ihm in enger Verbindung stehende Bratenlieb sich an leiblichen Genüssen
ergötzte, die zunächst wohl nur für den Sänger als Lohn bestimmt waren. Nimmt man hinzu, was
Welcker genügend nachgewiesen, dass Beide an den vei'schiedensten Orten Griechenlands stets zu-
sammen erwähnt werden z. B. auf Chios (cf. Strab. XIV, p. 172 Tauchn.), auf der kleinen Insel
Jos (Welck. p. 225 sqq.), ja sogar in Arcadien (Tzetz. Chihad. XIII, 638), endlich dass, und diess ist die
Hauptsache, die Verbindung Beider bei Plato als eine den redenden Personen allgemein bekannte be-
handelt wird, so kann es keinen Augenblick zweifelhaft sein, dass hiemit ein für den blinden
Sänger absolut noth wendiges Verhältniss bezeichnet wird, demzufolge jener Bratenlieb niemand
anders war, als der Führer des hülflosen und in jeder Beziehung abhängigen blinden
Mannes von Chios, des Homer. Wenn demnacli der Dichter wie ein unmündiges Kiud der
Obhut des Kreophylos gänzhch anheim gegeben war, so darf man sich nicht wundern, dass Spätere
diesen sogar zum Lehrer des Homer und selbst zum Dichter (z.B. der Einnahme von Oechalia
cf. Strab. 1. 1. Welck. p. 224 sqq.) gemacht haben. P'.bensowenig aber kann es befremden, wenn
die Gesänge Homers auf den Kreophylos und dessen Nachkommen übergegangen und von diesen
fortgepflanzt worden sind, worüber später mehi'; nur das Eine möge hervorgehoben werden, dass die
neben den Homei-iden auf Chios angenommene Rhapsodenschule der Kreophylier auf Samos (cf.
Welck. 1. 1.) eitel Täuschung ist.
Das aufgefundene Verhältniss des Dichters zu Kreophylos setzt uns endlich in den Stand,
auch über den Namen Homer's weitere Aufschlüsse zu erlangen. Zunächst muss so viel feststehen
und wird auch allgemein zugegeben, dass, wie Kreophylos nur ein Spitzname war, den die Zu-
hörer bei dem öffentUchen Auftreten des Sängers dem sich güthch thuenden Führer desselben ge-
geben hatten im Gegensatz zu jenem, welcher mit Allem, was dei- Bratenliob ihm zukommen liess,
zufrieden sein musste, so aucli Homeros nicht der Eigenname des blinden Mannes, sondern
in Folge eines im Alterthum allgemein verbreiteten Gebrauchs nur eine Bezeichnung gewesen sein
kann, die, einer Eigenthümlichkeit desselben entnommen, ihn für seine Zeit und Umgebung aus-
reichend kenntlich machte. Nach der von Dav. Ilgen (cf. Hom. Hymn. p. X. Welck. p. 128,
Anm. 1 4G) zuerst aufgestellten und nachher fast allgemein angenommenen Ableitung ist der Name von
oi-iov oder o^iog und qqm gebildet; sie ist richtig und lässt sich nichts dagegen einwenden. Wohl aber
ist Vieles oder Alles gegen die Behauptung geltend zu machen, dass der Name den Zusammenfüger
bedeute, wie Welck. p. 12.") will, und wie andere nach ihm ohne Widerrede gebilhgt haben. Zwar
ist nicht zu läugnen, dass diese Deutung, auf die Iliade angewandt, insoweit etwas Verlockendes
und Vci-führerisches hat, als hier eine Menge von Personen und Begebenheiten wirkhch zu einem
einheitlichen Ganzen zusammengefügt werden; indessen wäre dem so, so liesse sich in der That
nicht absehen, waruin überhaupt nicht jeder, der lose sich berührende Ereignisse zu einem Ganzen
zusammenfügt, ebenfiiUs ein ofo^Qog genannt worden wäre; und doch kennt die ganze Graecität
eine solche Bedeutung nicht. Es steht im Gegentheil fest, dass ofu^Qog niemals im activen, sondern
stets nur im passiven Sinne (festzusammengefügt) gebraucht worden ist. So wurde z. B. die
Gattin, die mit ihrem Ehemanne zu einer Einheit fest verbunden war, ( ofir^Qog genannt (cf. Pass.
Lex. s. v.), und ebenso war der aQiqQog nicht der festverbindende, sondern der fest ver-
bundene, der treue traute Freund und Genosse. Dasselbe wird bewiesen durch die scheinbar fern-
liegende Bedeutung des Wortes ofiT^Qog, Geissei, die sich von der obigen durch Nichts unter-
scheidet, sondern sie vielmehr bestätigt. Denn diejenigen, welche von dem einen Staate dem andern
als Geissein übergeben werden, binden nicht diesen an jenen, sondern sie selbst werden diesem so
unbedingt überantwortet, werden mit ihm so eng verbunden und verknüpft, dass derselbe vorkom-
menden Falles das unbeschränkteste Recht hat, über sie nach freiem Ermessen zu verfügen. Ferner
5
34
bedeutet, was von entscheidender Wichtigkeit ist, das von ou7;Qog abgeleitete v^u^quo •= c fn^Qeuo) mcht
etwa verbinden, sondern mit jemand verbunden werden, mit ihm^ zusammentreffen;
cf Odyss XVI 468: 'P.firQr^as de iioi na() tTaiQiov cyyUog oxcg, x/^oi;, cg d», TiQiüTog tnog a/;
ur^Ql eeiTTSv. ' Letzteres hat auch Welcker (p. 129) sehr gut gesehen; allein er hat sieh nicht ent-
schhessen können, diese Spur weiter zu verfolgen, sondern seinem Zusammenfüger zu Liebe alle
möghchen Stellen p. 128 beigebracht, die geradezu Nichts beweisen. Endhch wird die passive
Bedeutunc. von ö/urgko durch die alten Grammatiker ausdrücklich bestätigt; cf. Welck. p. 120,
Anm. 147: Hesych. 6f,7;Qe7r, d^wv .;^/.oa^at. Ebenso Phot. Lex. Ferner Etym. M. s. v.^ oiirQog:
r oTto TOr aua aQr^Qivac. 'Üg olvog oin^ocg otnog oitog ofii-oog, Bg lo io^t,,Qeiati:
'Hoioöog' (fcovr, ofuoeLOvoai, rovreOTiv o//(h e^looiaai. Der richtige Zusammenhang, wie er aus
dem Obi-en bereits 'unzweideutig hervorgeht, ist auch Ephoros nicht entgangen, wennschon dieser,
falls wirVelcker p. 130 richtig verstehen, darin irrt, dass bei den Kymaeern und Joniern die
Blinden mit o>.;(?ot bezeichnet worden seien, weil sie der Führer, zwv ofirQevovTcov he-
dürften eine Behauptung die Welcker zu einem scharfen Ausfall veranlasst hat. Jedentalls ist
des Ephoros Angabe erstens in so fern falscli, als nicht die Führer an die Blinden, sondern um-
gekehrt diese an jene gleichsam gefesselt sind, und also nicht füglich jene den Bhnden nach sich
den Namen geben konnten, weil sonst jeder Kranke, der geführt wurde, auch ein bfu.Qog gehcissen
haben würde; und zweitens, weil, wie gezeigt ist, die our^nelovieg (= ouroorvTeg) mcht als die
Führer zu nehmen sind. Die Wahrheit ist, dass die hülflosen Blinden ihren Führern unbedingt
zugesellt, mit ihnen festzusammengefügt, o^ir^QOi sind, woraus hervorgeht, dass das Wort
zwar an und für sich niemals gleichbedeutend mit rvffXög gewesen ist, dennoch aber, weil alle
Blinden sich in derselben traurigen Lage befanden, an einen Führer gekettet zu sein, diese
Bedeutuno- im Volksmunde angenommen hat, indem eben Alle, die als ofn;noi zum \orschem
kamen in der Regel Blinde waren. Daher erklärt Hesychius ganz mit Recht o^^fjoag als ncflcg
(. V L) und eben daher hat die wunderliche Erklärung des Namens Homer im Etym. M. ihren
Ursprung genommen: ^Ö/.,;()Os^ nana to OQcn x«/ to ^n] anayoQUTixov, in^oQog. Endlich hatte
Lykophron (Cass. v. 422) ofu;Qog niemals geradezu tiir rviflog gebrauchen können, ^^•enn ihm diese
Bedeutung nicht völhg gäng und gäbe gewesen wäre; die zur Abschwächung seines Zeugnisses von
Welcker p 131, Anm. 151 vorgebrachten Grimdc sind völhg unhaltbar. Hieinit legt sich Alles
zurecht- die bestimmten Ueberlieferungen des Alterthums kommen sammt und sonders zur Geltung,
zum Beweise dass auch die umfassendste Gelehrsamkeit sich nicht überheben, sondern vielmehr
sich scheuen soll, positiv überheferte Thatsachen, wofern sie an sich nicht widersinnig sind, schlecht-
hin zu verwerfen und das eigene Dafürhalten an deren Stelle zu setzen.
Doch wird man fragen, wie es gekommen, dass die allgemeine Beibenennung der Blinden
zum Ei-ennamen wurde? An und tur sich hat man kein Recht zu solcher Frage: es ist Sitte
und Gewohnheit aller Völker, Adjectiva zu Eigennamen zu erheben, ohne einen ausreichenden
Grund dazu anzugeben: dieser ist in der Regel in Zufilligkeiten zu suchen, die dann vergessen
worden sind; so ei^urrg und Evt^er^g, probus und Probus, schön und Schön Indessen im
vorhe-enden Falle ist die Frage nicht allein berechtigt, sondern zugleich von solcher W ichtigkeit,
dass sie allein zur richtigen Einsicht und zur endlichen Wahrheit führt. Es hat, wie zu allen
Zeiten so auch im Zeitalter des Homer Hunderte von Blinden gegeben und unter ihnen gewiss
viele Voeden die durch den Vortrag eingelernter Lieder ihr Brod suchten und fanden: aber keiner
von ihnen wd über das Weichbild des Ortes, wo er wohnte, jemals weit hinausgekommen sein; sie
hiessen tvwIoI ävSoeg. Allein von Einem wissen ^vir und zwar aus dessen eignem Munde, dass
er in Delos singend, in Chios wohnt, dass er über den Erdkreis hin zu den schon gelegenen
Städten der Menschen wandert, dass endlich seine Gesänge vor allen übrigen stets den Preis davon
35
tragen. Aber er wanderte nicht allein, was eben unmöglich war. An der Hand des Kreophylos
zog der blinde Mann von Chios von Insel zu Insel, von Stadt zu Stadt, von Land zu Land und
trat, gewiss nicht ohne Berechnung des schlauen Führers, überall nur an grösseren Festen auf.
Doch wenn er hier oder dort zum ersten Male erschien, wer kannte ihn, den wunderbaren Sänger,
der durch den Inhalt seiner Lieder die Augen Aller auf sich zog? wer wusste seinen Namen? wer,
dass er aus Chios stammte? Doch diess war der horchenden Menge gewiss sehr gleichgültig: aber
sie staunte ihn an, sie nannte ihn nicht einfach den Blinden, wie sie solche tagtäglich vor sich
zu sehen gewohnt war; sie wies vielmehr auf ihn hin als den Ofi7;Qog dessen, welcher für ihn die Gaben
der Umstehenden in Empfang nahm, und welchem er behufs der Befriedigung aller Bedürfnisse des
Lebens völlig anheim gegeben war. Und so nannte man ihn, der durch seine umgedichteten Lieder
von Troia alle Sänger neben sich überragte, überall wo er zum zweiten und zum dritten Male sich
zeigte, und so wurde der Sänger der Ilias und Odyssee zum "OiiTjQog xaz i^oyj^v. Und
mit Recht; der Winde Mann von Chios war eine eminente poetische Natur, eine jener bahnbrechen-
den Erscheinungen, wie sie nur in langen Zeiträumen aufzutauchen pflegen. Seit Jahrhunderten
werden vor ihm die Sagen von Ilion und von den Heimfahrten der Griechen gesagt und gesungen
worden sein, aber ihren Homer hatten sie noch nicht gefunden. Da war es jener Dichtergenius
ohne Gleichen, der mit seinem geistigen Auge die Fülle jener Sagen überschauete, sie in sich sam-
melte, sie benutzte und umdichtete und ihnen die einheitliche Form gab, in der sie noch heut uns
vorliegen.
Aber wird im Laufe der Zeit die Frage niemals aufgeworfen worden sein, woher der
'Oiit,oog stammte und wer sein Erzeuger war? Wusste auch niemand hierauf eine befriedigende
Antwort zu gel)en, so wusste man doch das Eine, dass er der Sohn des tönenden Gesanges,
dass er der J\le).cGiyavt]g\) sei; ihn konnte nur ein Gott, nur ein Daemon-; erzeugt haben und —
hiemit begann die bekannte Art der Sagenbildung aus dem Namen. Auch Smyrna, w^as den Dichter
*) Von jxeXo; und yi-to^, wie [xeXejtTTTepo; von |x. und rrtepov. Die heutige Schreibung MeXT.a'.yiivT]; entsprang
aus der Nothwendigkeif, die Form im Hexameter gebrauchen zu können, und sie erleichterte die spätere Sagenbildung.
■-) Die Angabe, dass der Flussgott Meles der Vater des Dichters sei, findet sich bei vielen alten Schriftstellern;
cf. I'ape Lex. .« v. M^Xr,;. Irren wir nicht, so enthalten auch die Verse des Asios von Sa mos (cf. Athen. IH, p, 125,
d. cf. Wfclck. p. 144) eine auf dea besondern Hergang bezughche Andeutung. Sie lauten.
XuAo;, aT'-Yl-i-^tTir,;, -oXuyr.pao?, ItJo? aXiQTTf)
Hä!3£< xvtJoxo'XaS, £'jt£ MeXr,; iydiiz'..
Ay.Xr.TO?, sW|jio'j xexp^.M-^'^o?» ^^ ^^ [JLe'ao'.j'.v
"Hpu>; eljTTjxet ßopjio'pou ^^avaSu'?.
Dass der inpto; der Flus-'-gott sei, hat Welcker richtig gesehen; allein wenn er den xv.aoxoXot^ zum Eigeunamea
macht und ihn in Verbindung setzt mit dem Samischen Dichter Kreophylos (siehe oben), so lässt sich, gauz davon
abgesehen, dass diese Annahme von unserer Auflassung des Kreophylos völlig abweicht, nicht wohl begreifen, in welchem
Verhaltniss Beide, Knisokolax und Kreophylos, zu einander gedacht werden sollen. Es will uns bedünken, das;* nur die ver-
wandte Bedeutung der Wörter WeKkor zu seiner Vermuthung veranlasst hat. Allein offenbar ist xviC70xoXa| kein Eigen-
name, -sondern steht mit XwXo? etc. auf gleicher Linie, und der geschilderte Alte und der Heros sind dieselbe Person. Hier
also waltete der bei allen Volkern zu allen Zeiten vorhandene Glaube ob, dass die Götter, wenn sie dem Menschen erscheinen,
in der Gestalt alter Miinner und Frauen aufzutreten }>öegen. Sehr lebendig war derselbe bei den Griechen, und schon
Homer legt vielfach Zeugnis> davon ab, z. ß. wenn er die Aphrodite (Iliad. HI, 386 sqq.) in der Gestalt einer alten WoU-
ppinnerin zur Helena treten la^st, um diese zu mahnen, nach Hause zu kommen. Dieselbe Vorstellung scheint in den obigen
Versen enthalten zu sein. Der sterbliche Vater des Melesigenes, also Meles hält Hochzeit; da erscheint ein alter grämlicher
Schmarotzer, wie sie bei Festgelagen sich einzustellen pflegen, aber in der Mitte (der Hochzeitgäste) steht er plötzhch da als
der aus dem Stromschlamm entstiegene Flussgott und zwar in der äussern Gestalt des Meles; und was weiter erfolgt ist, wird
von der Sage, die den Zeus der Alcmene in der Gestalt des Amphitrj'on erscheinen lässt, schwerlich verschieden gewesen sein.
5*
3«
• • ♦^ «Mvri \hu nft <Tesehen luicl gehört haben, uiul hier wird es ge-
"^""'^fr^^^LTl^wohl, da. n»t diesen Resultaten diejenigen Kenner der Homenscheu (ie-
diehte nS Tverstanden s.; werden, die der Vermu-htigungstheorie des n*-^- 'S- AUe,
1 u o^ fiiv ^.1 ripr Zeit den realen Boden wiederzn-ewnnien und aus dem Reicli dei lijpo
ThLf^rm^^ len eit^u^^^^^^^^^^^ Gelehrsamkeit die Homerische Frap- mehr ..rdunke t
S^^ÄU tS, zu den fest Lgepriigten Ueberliefenmgen des Alterthums zun^b^^^ ^^
Limiten nichts Unc^e^vöhnhches, nichts Unnatürhches. Und wenn es eme ewige Wahiheit i.t dass
d^e S^ck 1^^^^^ "^^^ unabanderüchen Naturgesetzen sich gestaltet, so
die hnt^\^ckelung ae^ .uciibLii ^ Vprh^iltnisse fest und sicher zurückzuschhessen ;
sind wir berechtigt aus der Gegenwart auf alte Veihaitmsse lesi
die Gegenwart giebt den Schlüssel zur Yergangenheit.
Schulnachrichten
von Ostern 1871 bis dahin 1872.
l )ie nachstehenden Schulnachriclitcn, Avelche bestimmt sind nicht allein Zeugniss abzulegen
über den gegenwärtigen Zustand der Anstalt, sondern aucli die weitere Entwickelun.ü; anzudeuten,
deren sie noch immer bedürftig ist, sind kürzer abgefasst worden, als nach den augenbhckhch ob-
waltenden Verliähnissen erwartet werden durfte, niclit weil es an Stoff dazu gefehlt hätte, sondern
weil, soweit wir unterrichtet sind, manclios darauf Bezügliche zur Zeit noch im Werden begriffen
ist, dem vorzugreifen für unzweckmässj^^ erachtet werden musste. Denn für Alle, denen die Aus-
bildung ihrer Kinder am Herzen liegt, ist es kein Geheimniss, dass sämmtKche Unterrichts-Anstalten
hiesiger Stadt von den ersten Elementarschulen aufwärts bis zum Gymnasium Fridericianum an
einer ungewöhnlichen UeberfüUung leiden und ausserdem mit einem weiteren Andrang zu kämpfen
haben, welcher die Möghchkeit den Wünschen Aller sofort nachzukommen, geradezu ausschhesst.
Zwar ist, was das Gymnasium anbetrifft, die Meinung vorherrschend, dass mit der Herstellung eines
neuen Gymnasial-Gebäudes die alte Noth beseitigt sein müsse; allein daran denken die wenigsten,
dass mit der Vermehrung der Classenrilume nicht auch zugleich eine Vennehrung der Classen
selbst gegeben ist, und dass dazu noch andere Mittel erforderlich sind, als die augenblicklich zu
(iebote stehenden. Ebensowenig ist die Forderung gerechtfertigt, dass, wenn es bei der UeberfüUung
an Classen fehle, es Sache des lief, sei, dafür Sorge zu tragen, dass neue Classen eingerichtet wer-
den, da diess gänzlich ausser dem Bereich sowohl der Befugnisse als auch der Verpflichtungen des-
selben lie^t. Er liat vielmehr nur die eine Pflicht anzuerkennen, darauf zu haUen, dass unsere
Sexta die eigentliche Sammelclasse, in welcher der Grund zu einem gedeihlichen Fort-
schreiten durch die nächstfolgenden Classen fest und sicher gelegt werden muss. nicht über die
Normalzahl von 40 bis 45 Ki)i)fen anschwelle, da bei einer grössern Zahl die Anstalt kemerlei
Garantie für eine gründliche Vorbereitung zu einer glücklichen Absolvirung der nächsthöheren
Classen übernehmen kann. Ref. hat in dieser Beziehung eine schwere Verantworthchkeit zu tragen
und er kann und wird daher nicht zuge))en, dass durch eine übermässige Frequenz der Sexta das
Gedeihen der ganzen Anstalt gefährdet und in Frage gestellt werde. Wenn demnach bei den Auf-
nahme-Prüfungen der Fall eintreten kann, dass sämmtliche angemeldete Knaben zwar für reif zur
Aufnahme befunden werden, dennoch aber, weil obige Zahl nicht überschritten werdeii darf, mcht
sofort Alle aufgenommen werden können, so ist es eben nicht Sache des Ref den dadurc^ hervor-
gerufenen Uebelstand zu beseitigen, und es würde in solchem Falle als nicht gerechtfertigt ei-
3S
39
scheinen, wenn, was freilich schon jetzt bei dein blossen AndrHnge vielseitig geschieht, ihm ohne
Weiteres die Errichtung einer parallelen Sexta angesonnen würde. Classen der Art haben in
einem Gymnasium überall ihr Bedenkliches; sollte es aber dahin kommen, dass schon jene Sammel-
classe in zwei Coetus zerlegt werden müsste, so würde sich bei weiterem Vorrücken der Knaben
nach oben hin das Uebel der Ueberfüllung bis zum Unerträghchen steigern und es wäre sicherlich
viel zweckmässiger, statt zweier so zu sagen paralleler Gymnasien in einem (rebäudo so-
fort ein gesondertes zweites Gynniasium in hiesiger Stadt einzurichten. Auch ist der Ansicht der-
jenigen Aelteru, welche den (irund, wesshalb sie bei der sofortigen Aufnahme ihrer Söhne Schwierig-
keiten finden, darin erblicken, weil die Sexta durch auswärtige Knaben überfiillt werde, mit Be-
stimmtheit entgegen zu treten. Die in der Sexta zu Anfang eines jeden Semesters sich ansammeln-
den Knaben geben den Beweis, dass, wenn auch nicht principiell, doch thatsächhch jene Classe
nur durch einheimische, d. h. entweder in Schwerin geborene Kna))on, oder deren Aelteru
gegenwärtig in hiesiger Stadt wohnhaft sind, gefüllt wird, nicht aber durch auswärtige, da
auswärts wohnende Aelteru nur in den allerseltensten Fällen und fast innner nur bei oftenbaren,
durch die schwierige Beschaffung der erforderlichen Lehrer herbeigefüiirten Nothständen sich ent-
schliessen, ihre Kindei* in dem zarten Alter von 9 Jahren bereits von Hause zu geben. Vielmehr
treten die auswärtigen Knaben fast regelmässig in eine der mittleren Classen ein, von der Tertia
abwärts bis zur Quinta, und haben bei dieser Vereinzelung bis dahin noch Alle, ohne einem einzigen
hiesigen Knaben den Platz vorweg zu nehmen, untergebracht werden können. Es ist somit eine
ganz ungerechtfertigte Annahme, welcher viele der Ijetreffenden Aeltern, sobald sich der geforderten
Aufnahme ihrer Kinder Bedingungen und Bedenken entgegenstellen, dem Bef. gegenüber unverholen
Ausdruck geben, dass durch die vielen auswärtigen Schüler die Aufnahme der hiesigen
erschwert und beeinträchtigt werde, und sieht Ref. sich veranlasst, gegen derartige Be-
hauptungen liiedurch öft'entlich Piotest einzulegen. Nur in zwei Fällen, einmal zu Michaelis a. p.
und das zweite Mal zu Ostern a. p. sind auswärtige Knaben in die Sexta gesetzt worden und zwar
nur desshalb, weil sie, bereits allhier in Pension gegeben, welche nicht augenblicklich wieder gelöst
werden konnte, für die Quinta, für die sie angemeldet worden waren, nicht reif befunden wurden.
Ref. schreibt diess in dem beruhigenden Bewusstsein, die Receptionen stets auf das Gewissenhafteste
vorzunehmen, und i>>t aus Gründen der Billigkeit bemühet, den Forderungen der hiesigen Achtern nach
Möglichkeit gerecht zu werden. Noch niemals hat er einem Bewohner hiesiger Stadt die .Vnnahme einer
Anmeldung für die Sexta versagt, sondern, wenn bei der Ueberfüllung dem nächsten Termin Schwierig-
keiten entgegenstanden, dieselbe auf den nächstfolgenden verschoben. Er hat damit bei billig
denkenden Aeltern stets ein wilhges Gehör gefunden, nicht aber bei denen, welche in dem Aufschub der
Aufnahme bis zum Diäten Lebensjahr bereits eine Gefährdung der Entwickelung ihrer Kinder zu sehen
vermeinten. Er kann jedoch hierin nicht nur keinerlei Gefahr, sondern sogar nur einen Vortheil
für die Jugend erblicken; und wenn er es nochmals rückhaltslos betont, dass er auch auf das Ge-
deihen der Anstalt gebieterische Rücksichten zu nehmen verpflichtet ist, für welches er die volle
Verantwortlichkeit zu tragen hat, so Nnrd er stets darauf halten, dass die Knaben mit der vollen
Reife in das Gymnasium eintreten, weil sie sonst den Gymnasial-Unterricht zu ertragen völlig
ausser Stande sind. Wie nun aber der fortwährend im Zunehmen begriffenen Fre(iuenz der Anstalt
Einhalt zu thun sein möchte, darüber enthält sich Ref jeder weiteren Bemerkung und zwar umso-
mehr, je genauer er davon unterrichtet ist, dass die Hohe Behörde, welche unserer Anstalt schon
so viele redende Beweise der treuesten Fürsorge gegeben, auch die Beseitigung dieses Uebelstandes
bereits fest ins Auge gefasst hat. Nur Eins kann er sich nicht versagen, noch ausdrückhch hervor-
zuheben, was mit den obigen Bemerkungen hinsichtlich der Aufnahme in Verbindung steht. Er
pflegt in Fällen, wo er die Aufnahme sofort zuzusagen sich ausser Stande sieht, in der Regel die
Entgegnung zu hören, dass der Angemeldete ein Knabe von so vorzüglicher Begabung sei,
dass für Ref hierin gewissermassen eine moralische Verpflichtung liege, einer derartigen Beanlagung
sofort die gebührende Rechnung zu tragen. Für solche Gründe hat Ref stets taube Ohren und
lehnt sie kurzweg ab; denn noch ist ihm kein Fall vorgekommen, wo bei der Anmeldung gerade
auf den genannten Punkt nicht das grösste Gewicht gelegt worden wäre, wohl aber unzählige
Fälle, in denen die einmal in die Anstalt eingetretenen Knaben, denen eine ganz besondere geistige
Befäliigung nachgerühmt worden war, wo nicht völlig untauglich für Gymnasial-Unterricht waren,
doch mindestens zu den schwächsten Köpfen gehörten, und Ref. erkannte mit Bedauern, dass ganz
andere Beweggründe, als die angegebenen, bei dem Wunsche ins Gymnasium zu gelangen, mass-
gebend gewesen waren, deren Erörterung jedoch hier unterlassen werden mag.
Bei weitem unangenehmer ist noch eine andere Entgegnung, dahin lautend, dass der Knabe
in seiner bisherigen Schule nichts mehr lernen könne: er habe seinen Cursus absolvirt, würde
also, länger zurückgehalten, nachlässig und träge werden und das Gelernte wieder verlernen.
Und diese eigenthümliche ganz inhaltslose Anschauung, welche Kern und Wesen des Elementar-
unterrichts völlig verkennt und den neunjährigen Knaben mit dem bereits geistig entwickelten
Jüngling auf gleiche Stufe stellt, muss Ref so oft hören, dass er anfängt müde zu werden, sie stets
von Neuem umständlich zu widerlegen. Welche Vorbedingungen verlangt denn das Gymnasium zum
Eintritt in seine unterste Classe? Lesen, Schreiben und Rechnen; dazu die nöthige Kenntniss
von der Rechtschreibung der in der täglichen Rede und Schrift vorkommenden Wörter. Wir
sind überzeugt, dass alle Leser dieser Zeilen ein gerechtes Erstaunen über die Geringfügigkeit dieser
Forderungen nicht unterdrücken werden. Indessen Eins fügt Ref hinzu, dass allerdings in den ge-
nannten Gegenständen ein ganz bestimmter Grad von Fertigkeit gefordert wird, ohne welche
ein gedeihliches Fortschreiten im (iymnasium geradezu unmöglich ist. Es handelt sich also nicht
um ein im 9ten Lebensjahre bereits erlangtes Wissen; schon der "jährige Knabe weiss recht gut,
wie er die Buchstaben zu schreiben hat, weiss wie er Zahlen zusammenzählen oder von einander
abziehen soll, weiss endlich, wie die Silben der Wörter hintereinander ausgesprochen und mit ein-
ander verbunden werden, und dennoch kann er weder schreiben noch rechnen noch lesen.
Diess kann nur durch eine anhaltende und sorgfältige Uebung erworben werden und zwar in der
Schule durch den Lehrer und imter den Augen desselben; die vielen häuslichen Arbeiten sind für
kleine Kinder ungehörig und unnütz und müssen geradezu als eine Versündigung an dem Kindes-
alter bezeichnet werden. Ist aber jene Fertigkeit im vollendeten 9ten Lebensjahre noch nicht
erreicht, so ist der Knabe, mag er auch das ganze deutsche Verb conjugiren, die Modi hersagen,
alle Partikeln aufzählen, die verschiedenen Satzformen herbeten können, doch nicht befähigt in das
Gymnasium einzutreten, und eine weitere Uebung ist nötliig. In dieser Fertigkeit liegt der eigent-
hche Schwerpunkt der Vorbereitung, und alles oben Genannte, was bis dahin nichts weiter ist, als
das unverstandene Product von (iedächtnissübungen, kommt erst zum wahren Verständniss und wird
wahres geistiges Eigenthum mit dem Beginn der todten Sprache, mit dem Lateinischen. Hiemit
aber lässt sich auch erst ein richtiges Urtheil über die geistige Befäliigung des Knaben gewinnen;
mit dem blossen Vorhandensein eines guten Gedächtnisses ist es nicht gethan. Also nicht das zu-
rückgelegte 9te Lebensjahr ist an und für sich normgebend, noch weniger die Erklärung, dass der
Knabe seinen Cursus in einer bestimmten Classe absolvirt habe, am allerwenigsten aber dass er
nichts mehr lernen könne. Denn angenommen, dass ein Knabe in gedachtem Lebensjahre
wirkhch die geforderte Reife besitze, aus äussern Gründen aber eine Aufnahme noch nicht finden
könne, so wird ihm solches bei gewissenhafter Fortsetzung jener Uebungen niemals zum Nachtheil
gereichen; im Gegentheil, er wird, wie Ref aus vielfacher Erfahrung bezeugt, bei wirkhcher Be-
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gabung sich geistig um so sebueller und sicherer entwickeln, je griindHcher jene vorbereitenden
Uebungen gewesen sind. Aus diesem Grunde hat Ref. die frühere Praxis, derzufolge er auf das
allgemeine Wissen des Knaben das grössere Gewicht legte, unbedingt ziuücktreten lassen und for-
dert jene Fertigkeit, ohne welche ein Fortschreiten in der Sexta, wie noch heute die Erfahrung
lehrt, geradezu unmöglich ist: denn das Gymnasium hat keine Zeit, sich mit jenen elementaren
Dingen noch weiter vorzugsweise zu befassen.
Was die äusseren ^erhiiltnisse der Anstalt anbelangt, so ist darüber nur Weniges zu be-
richten. Die Turnü])ungen sind im Sonnner, wie gewöhnlich, auf dem Schelfwerder, im Winter in
der hiesigen Turnhalle vorgenommen worden. Vei*schiedene dem Ref. zugekommene Anträge, auch
das Sommerturnen in letztere zu verlegen, haben sowohl aus andern Gründen, als auch vorzugs-
weise weil unsere Turner selbst den schönen Werder nicht aufgeben wollten, unberücksichtigt bleiben
müssen. Der Schluss des Sommerturnens ist seit einigen Jahren, statt auf den 18. October, auf den
Mittwoch der letzten Schul woche des Sommersemesters verlegt worden. Ein passenderer Abschluss
würde allerdings der Jahrestag der Kapitulation von Sedan sein. Indessen da dieser zu früh
in den Monat September fällt, so hat es bei dem Herkommen sein Bewenden behalten müssen; doch
haben die Turner das Andenken an diess ausserordentliche Ereigniss im vorigen Jahre durch einen
ausserordent heben Auszug nach dem Werder erneuert, und wird es auch wohl künftig in ähnlicher
Weise begangen werden.
Von Bedeutung war der Beginn des Wiutersemestei*s durch die Theilung einer überfüllten
Classe und durch die dadurch nothwendig gewordene Berufung eines I6ten Lehrers. Die auf einen
zweijährigen Cursus berechnete Tertia zählte im Sonnner 1S71 in zwei Classen KMi Schüler, von
denen 52 auf die Ober-, 54 auf die l'ntertertia kamen. Die Versetzung zu Michaehs 1S71 erhöhete
die erstere Zahl nicht unbedeutend, und nmsste daher die Obertertia in zwei parallele Coetus zer-
legt und ein neuer Stunden})lan entworfen werden. Letzterer hatte seine Schwierigkeiten, da für
eme neue volle Classe nur ein neuer Lehrer bestellt worden war, und den übrigen Lehrern nicht
füghch noch mehr Stunden auferlegt werden koiuiten. Demi muss man auch zugeben, dass der
eine oder der andere von ihnen, was die Zahl der Stunden anbetritlt, noch einige Stunden
mehr ertheilen konnte, so wurde doch diese Möglichkeit durch die ungewöhnliche Frequenz der
Classen völlig wiccler aufgehoben. Die Lehrer haben grösstentheils durch die wöchentlichen Correc-
turen (einige haben deren 3, andere sogar 4 zu beschaffen) eine so reichliche Arbeitslast zu tragen,
dass ihnen schon aus diesem Grunde eine Mehrbelastung nicht tiighch zugemuthet werden konnte.
Dazu kommt, dass bei der gegenwärtigen Vertheuerung aller Lebensbedürfnisse namentlich in hie-
siger Stadt, welche unbestritten zu den theuersten Aufenthaltsorten zählt, den massig dotirten
Lehrerstellen unter allen Umständen einige freie Stunden zu Nebenverdiensten gewährt werden
müssen, um wenigstens ihrem Bildungsstande gemäss leben zu können. Ref. weiss sehr wohl, dass
er im Interesse der Anstalt auf letzteres zwar amtlich keinerlei Rücksicht nehmen darf; allein er
weiss auch aus eigner Erfahrung, namentlich da er selbst durch seine amtliche Stellung lediglich
auf sein Einkommen beschränkt ist, dass wenigstens für die Lehrer eine Berücksichtigung gedachter
Art durch die Zeitverhältnisse sich so zu sagen zur Nothwendigkeit gestaltet hat. So hat es ge-
schehen müssen, dass die beiden Coetus der Obertertia in einigen Stunden (Religion und Ge-
schichte) combinirt worden sind, eine Einrichtung die an einem so grossen und wohlorganisirten
Gymnasium, wie das unsrige ist, eigentlich niemals vorkommen sollte. Indessen wie in allen
Stücken, so vertrauen wir auch hierin der treuen Fürsorge der Hohen Behörden, welche nöthigen-
falls kein Bedenken tragen werden, der Anstalt die erforderlichen Lehrkräfte bereitwilligst zu ge*
wähi-en.
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Die zu Michaelis a. p. vollzogene Theilung der genannten Classe führte uns in der Person
des Herrn Dr. Meissner i) einen neuen Lehrer zu, welcher bei Eröffnung des Wintersemesters am
9. October von dem Ref. ordnungsmässig in sein neues Amt eingeführt wurde; wir haben den
wackern Mann herzlich unter uns willkommen geheissen und hoffen, dass seine amthche Thätigkeit
eine recht gesegnete sein werde.
Am 20. Deccmber a. p. hatte die Anstalt das Glück Seine Königliche Hoheit den
All erdurchlauchtigsten Gross her zog zum ersten Male in ihren Mauern zu sehen und ehr-
furchtsvoll zu begrüssen. Allerhöchstderselbe geruhete unter Führung des Ref. sämmtliche
Classen zu besuchen und dem Unterricht in verschiedenen Disciphnen länger beizuwohnen und so-
dann auch die Bibliothek, die Aula und das physicalische Cabinet in Augenschein zu nehmen.
Am 28. Februar beging die Anstalt die Allerhöchste Geburtstagsfeier durch den üblichen
Redeactus, zu welchem folgendes Progranmi ausgegeben worden war:
Choral: Ein feste Burg ist unser (rott. Vierstimmig gesetzt von O. Kade. — Otto Rein-
hardt: Socratis laudes. — Chor: Geboren ist Emanuel, vcm Michael Praetorius. — Paul Groth:
Warum ist die Bedingung der höchsten Blüthe der Dichtkunst nur in einem wahrhaft nationalen
Volksleben zu finden? — Chor: Gott segne Friedrich Franz! ~ Motette: Salvum fac regem,
von M. Hauptmann. — Otto Schwetzky und Gustav Niemann: Scene aus Göthe's Iphigenie
auf Tauris. (Act II, Scene 1.) — Rudolph Hobein: Das Märchen, von Uhland. — Chor:
Integer vitae, von Flemming. — Victor von Oertzen und Theodor Bade: Schlussscene aus
Ludwig von Bayern, von Uhland. — Hermann Wachenhusen: Der Mohrenfürst, von Freilig-
rath. — Chor: Die Kapelle, von Conradin Kreutzer. — Friedrich Degener: Rede des Antonius
aus Shakesi)eare's Juhus Caesar. — Carl Behncke: Meister P^rwins Heerschau, von Otto Hörth.
• jjii, Krieger: Könii;- Enzio's Tod, v<»u Ziimnerniann. — Kleiner Chor: Andenken: die lUiume
grünen überall! von Mendelssohn-Bartholdy. — Carl Flügge: Humletreue, von A. v. Chamisso. —
Ernst Märker: Wie schön leuchtet der Morgenstern! von Julius Sturm. — Carl Beut in: Der
Räuber und das Crucitix, von R. Prutz. ~ Quartett: Mann! Mann! Mann! was hast du in dem
Köberchen? von Grell. — Paul Pinkus: Des deutschen Knaben Tischgebet, von Carl Gerok. -—
Gustav Pfeiffer: Der Affe und die Katzen, von Nicolai. — Chor: Der Abschied vom Walde, von
Felix Mendelssohn-Bartholdy.
Sogleich nach dieser Feier wurde, um den Unterricht nicht fortwährenden Unterbrechungen auszu-
setzen, die mündliche Prüfung der zur Universität abgehenden Schüler vorgenommen und 1<) Ober-
primanern das Zeugniss der Reife zuerkannt, deren Namen unter der Schülerzahl ange-
geben sind.
So haben wir deiui unter Gottes gnädigem Schutze wiederum ein Schuljahr glücklich zui'ück-
gelegt, und wenn wir uns auch nicht verhehlen dürfen, dass während desselben hie und da bedenk-
liche Schwankungen in der geistigen Haltung der einzelnen Classen bemerklich gewesen sind, so ist
>) Hermann Gotthold Meissner. Sohn des Pastor Meissner in Langenwaldeu bei Liegnitz. i&t geboren den 4. No-
Tember 1844 m Steinseifersdorf bei Reichenbach in Schlesien. Von Michaelis 185S bis Michaelis 1864 besuchte er die König-
liche Ritterakademie in Liegnit/. nnd bezog nach be.Handenem Abiturientenexamen Michaelis 1864 die Universität Breslau, um
rhilologie zu Studiren. Vom 1. April 1865 bis zum 1. April 1866 genügte er seiner Militärpflicht, blieb aber noch während
des Böhmisch-Oestreichischen Krieges als Unteroffizier. 8i>äter als Offizier beim stehenden Heer und nahm Theil au der Schlacht
bei Koniggratz. Im November 1866 nahm er in Breslau seine Studien wieder auf und erlangte nach bestandenem Examen
im August 1869 die philosophische Doctorwürde. Im März 1870 absolvirte er die Staatsj)rüfung, und war von Ostern 1870
bis Michaelis 1871 am Gvmna^ium zu St. Maria Magdalena in Breslau thätig, mit Ausschluss von 10 Monaten, während
welcher er, zu einem 'schlesißchen Landwehr-Regiment einberufen, Theil nahm an den Kämpfen bei Montbeliard und an der
Belagerung von Beifort. Er ist Inhaber der Kriegsdenkraünze von 1866 und der von 1870.
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es doch den vereinten Bemühungen sämmtlicher Lehrer stets gelungen, solche mit Erfolg zu über-
winden. Wir hofifen und vertrauen, dass der allgütige Gott auch in dem kommenden Jahre unsere
Anstalt in seine allwaltende Obhut nehmen werde.
Lehrverfassung.
[i
I A. Oberprima,
Ordinarius Director Dr. Büchner.
1. Lateinisch 9 St. Ciceronis Disputt. Tusc. Hb. L Tacit. Annall. bb. 1. 3 St. Zweimonat-
hche Aulsätze, wöchentbche Exercitia und Extemporalia. 2 St. Controle der Privatlectüre
aus Cicero, Tacitus, Livius und Horaz. 1 St. Themata zu lateinischen Arbeiten, welche von
sämmtbchen Schülern der Classe bearbeitet wurden, sind folgende gestellt worden: I) Quid
coramovit Phoebidam, ut clandestino impetu Cadmeani occuparet? 2) Num verum est, M.
TuUium Ciceronem sola gloriae cupiditate adductum esse, ut triumphare vellet? 3) Quibus
rebus Romani interitum urbis suae hello punico secundo avertisse putandi sunt? 4) Quid meruit
Demosthenes de patria sua? 5) Num excusari possunt Athenienses, quod Socratem capitis
damnaverunt y 6) Clades Chaeroneensis imputari non potuit Domostlieni. Itin-ctor, Horat.
Satir. Hb. I, 1, 3, 4, 6, 9, 19, II, 1, 2, 3, 6, 8. Wiederholende rasche Leetüre der meisten
Oden des ei'sten und dritten Buchs und einzelner Episteln. 2 St. Dr. Latendorf.
2. Griechisch 0 St. Demosthenes de Corona von § 60 bis zu Ende. 2 St. Controle der
Privatlectüre aus Plato, Demosth., Homer, Sophocles. l St. Director. Homer. IHad. Hb.
XVIII — XXIV. XI — XIV. 2 St. Correetur der griechischen Exercitia. Extemporalia niit
systematischer Berücksichtigung der Granuiiatik. l St. Dr. Laiendorf.
Deutsch 3 St. Kepetition der Literaturgeschichte vom Beginn des siebeiijiilirigeu Krieges
l)is zur Sturm- und Drangperiode. — Schiller und Göthe. Vorträge und Declamation. Rück-
gabe und Besprechung der eingelieferten Aufsätze; 1) Wodurch vermittelte sich in Schiller
der Bruch mit der Sturm- imd Drangperiode? 2) Von der Gewalt, die alle Wesen bindet, be-
freiet der Mensch sich, der sich überwindet. 3) Nur dem Ernst, den keine Mühe bleichet,
rauscht der Wahrheit tief versteckter Born (Classenarbeitl 4) W^o liegen die wahren Quellen
vom Unglück Tassos? 5) Wer etwas Treffliches leisten will, hätt gern etwas Grosses geboren,
der sammle still und unerschlafft im kleinsten Punkte die grösste Kraft, r.) Die tragischen
Conflicte im Nibelungenlied. 7) Welchen Einfluss übte die Weltstellung Karls V. auf das
W^erk der Reformation? 8j Ans Vaterland ans theure schliess dich an, das halte fest nüt
deinem ganzen Herzen; hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft (Classenarbeit). 9) Thu,
was du kannst und lass den Andern, was er kann, zu jedem ganzen Werk gehört ein ganzer
Mann. 10) Wie malt Homer? Nach Lessing. Oberlehrer Branzhw.
4. Französisch 2 St: Leetüre aus Ideler und Nolte's Lesebuch; daneben la camaraderie par
Scribe und Fhonneur et l'argent par Ronsard. Themes aus Plötz Uebungen, alle 14 Tage,
ExtemporaHa. Brauns.
5. Religion 2 St. Glaubens- und Sittenlehre nach Petris Lesebuch. Leetüre des llömerbriefes.
Oberlehrer Brunzlow.
ö. Geschichte 3 St. Neue und neueste Geschichte. Repetition des Mittelalters. Oberlehrer
Brunzlojr.
7. Mathematik 4 St. Ebene Trigonometrie und zweiter Theil der Stereometrie. Quadiatische
Gleichungen mit mehreren Unbekamiten und diophantische Gleichungen. Lösung geometrischer
\k
43
und algebraischer Aufgaben. Durchschaittlich alle 6 Wochen eine grössere schriftliche Arbeit.
Dr. Bastian.
8. Physik 2 St. Statik und Mechanik fester, flüssiger und luftförmiger Körper, in der letzten
Hälfte des W^interseraesters Elemente der Chemie. Brauns.
I B. Unterprima.
Ordinarius Dr. Meyer.
1. Lateinisch 9 St. Cicer. Oratt. de provinciis consularibus und pro Murena. Tacitus Germania
und Histor. IV, 11—77. Horat. Carni. I, III, 1 — 6; 30; IV, 9; Epod. 1, 2; Carmen seculare;
Epist. I, 14 — 18; II, 1. 5 St. Correetur der wöchentHchen Exercitia und der sechswöchent-
bchen Aufsätze. Extemporalia 2 St. Privatlectüre 1 St. Zur Bearbeitung wurden folgende
Aufsätze gegeben: 1j Quibus virtutibus Romani Graecos, quibus Graeci Romanos superaverint.
2) De arte et compositione libri <iuinti IHadis. 3) Res a Cl. Civili gestae. (Pars prior).
4) Bellum Trojanum (Classenaufsatz). 5) De prima Olynthiaca Demosthenis. 6) Tempora
Demosthenis comparata cum prioribus. 7) Horatii Hb. I carm. I argumentum et comentarius.
Dr. Meyer.
2. Griechisch 6 St. Demosth. Olynth. 1, 2. 3; Philipp. 1. Thucydides I, 1-44. Sophocles
Electra und Antigone. Ilom. IHad. I — VI. 5 St. Correetur der zweiwöchentHchen P^xercitia
1 St. Privatlectüre 1 St. Dr. Meyer.
3. Deutsch 3 St. Literaturgeschichte von Luther bis auf die Zeit Schillers und Göthes. Ge-
nauere Behandlung einzelner Schriften von Lessing iLaokooni, Herder (Cid) u. s. f. Freie
Vorträge. Declamation mit P. Themata zu den Aufsätzen: 1) Zusammenstellung der Gründe,
die es wahrscheinHch machen, dass die (iruppe des Laokoon nach der Beschreibung des Virgil,
nicht diese nach jener gefertigt worden. 2) Die Rede des ^lark Anton in Shakespeare's Julius
Caesar. 3i Nutzen und Schaden des Papiergeldes. 4) Götz v. BerHchingen in der Geschichte
und in Göthes Drama.
.')) „Welches Volk sich selbst empfunden.
Ward vom Feind nie überwunden."
6) Die Einheit der Handlung in Schillers Teil.
7) Willst du, dass wir mit hinein
In das Haus dich bauen,
Lass es dir gefallen, Stein,
Dass wir dich behauen.
8) Ein Classenaufsatz. Brauns.
4. Französisch 2 St. Leetüre: Ideler und Nolte, Lesebuch; daneben: le bourgeois gentilhomme
und les femmes savantes par MoHere. Exercitia nach Plötz Uebungsbuch, alle 14 Tage. Ex-
temporalia. Brauns.
5. Religion 2 St. Kirchengeschichte und Leetüre des Ev. Johannis. Oberlehrer Brnnzlotv.
6. Geschichte 3 St. Geschichte des Mittelalters und der Reformation. Oberlehrer Brunzloir.
7. Mathematik t St. (resp. ."> . Stereometrie 1. und 2. Theil. 1 St. Lösung von geometrischen
und algebraischen Aufgaben und 1 St. Repetition der Trigonometrie nebst Lösung betreffender
Aufgaben. SechswöchentHch eine grössere schriftHche Arbeit. Dr. Bastian.
-8. Physik 2 St. Statik und Mechanik der festen, flüssigen und luftförmigen Körper. Dr.
Bastian.
6*
/'
14
HA. Obersecnnda.
Ordinarius Dr. Latendorf.
1. Lateinisch S St. Ciceronis üratioiKs pro Milone und pro Sulla. Livius lib. IV, 1 — 34.
3 St. Elegien des Tibull, Proporz und Catull nach der Auswahl von Volz. Horat. Carni. hb.
I. in Auswahl. 2 St. Correctur tler wöchentlichen Exercitia. Extemporalia. t> latein. Auf-
sätze. 2 St. Controle der Privatlectüre. l St. Dr. Laiendorf.
2. Griechisch 7 St. Plutarchs Leben des Agis und Cleomenes und der beiden Gracchen. 3 St.
Wöchenthche Exercitia. 1 St. Controle der Privatlectüre. 1 St. Dr. Latendorf. Homer's
Odyssee. Lib. XV— XIX. 2 St. Oherhhrer Dr. Schiller.
3. Deutsch 2 St. Epik und Lyrik des Mittelalters. Bei der Behandlung des Nibelungenhede$
wurde die moderne Dichtung (Jordan, Geibel und Hebbel) zu eingehender Vergleichung heran^
gezogen. S deutsche Aufsätze, zum grösseren Theile im Anschluss an die deutsche oder
classische Leetüre. Für schwierigere Themata wurde Stotf und Disposition durch gemeinsame
Besprechung in der Classe ermittelt. Dr. LfUendorf.
4. Französisch 2 St. Emil Souvestre, Au coin du feu und le Mousse. Melesville, la Berliiu» de
FEmigre. Exercitia nach Plötz Uebungen alle II Tage. Dr. Metier.
5. Religion 2 St. Die Reisen Pauli. Die Entstehung der nentestanienth<hen Schriften. Alte
und mittlere Kirchengeschichte. RiuHinr/.
6. Geschichte 3 St. Piömische Geschichte. Dr. Mef/er.
7. Mathematik 4 St. (resp. 5). Ebene Trigonometrie, (luadratische (ileichungen , aritlimetisehe
und geometrische Reihen. Lösung algebraischer und geometrischer Aufgaben. Sechswöchent-
lich eine grössere schriftliche Arbeit. JJr. Bastian.
8. Physik 2 St. Lehre vom Schall und der Wärme, Electricität und Magnetismus. Dr. iiostian.
II B. Untersecunda .
Ordinarius Lr. Reyel. In Folge einer Erkrankung desselben übernahm seit Neujahr das Ordinariat
Dr. Meissner.
J. Lateinisch l() St. Virgil. Acn. IV und VI. 2 St. Livius II. Cic-ero lato Maj. Caesar bell. civ. 111
von Cap. 41 an. 3 St. Wöchentliche Exercitien theils aus Schultz Aufgabensammlung, theils
nach Dictaten. Extemporalia. Grammatik: Die Moduslehre im Zusammenhang mit Hervor-
hebung einzelner Abschnitte, als der hypothetischen Sätze und der Lehre vom Conjunctiv.
Repetitionsweise : die Fragesätze, Oratio obliqua, prononum retlex. 3 St. Controle der Privat-
lectüre: Cicero Oratt. in Catil. III und IV Livius I imd II mit Auswahl. 2 St. Dr. HeyeU
seit Weihnachten Dr. Meissner.
2. Griechisch 0 St. Xenoph. Anab. III. IV. V bis Cap. 2 incl. 3 St. (Jrammatik: Repetition
der Formenlehre. Die Hauptregeln aus der Syntax: die Kasuslehre, Artikel, Pronomina, die
Attraction des pron. relat. Die Tempora und Modi, Die gebräuchlichsten Conjunctionen in ihren
Verbindungen mit den Modis. Die Intinitiv- und Participial-Construction im Anschluss un die
Leetüre und an wöchentliche Exercitien. 1 St. Privatlectüre Xenoph. Amil). 1 II Hl Homer's
Odyssee IX und XI. Dr. lieijel, seit Weihnachten Dr. Meissner. Homers Odyssee. Lib.
I — IV. Einübung der Homerischen Formen. 2 St. Ohrrhlirvr Dr. Srftillrr.
3. Deutsch 2 St. Das Wesen der Hauptdichtungsarten und die Unterschiede der meüischen
Form. Redetiguren und Tropen. Leetüre von Hermann und Dorothea. Shakespeare's Julius
Cäsar und Körners Zriny. Alle 4 Wochen ein Aufsatz. Dämmet.
\
45
4. Französisch 2 St. Syntax nach Plötz Schulgrammatik; hauptsächhch Tempora und Modi,
Artikel, Adjectivum. l St. W^öchenthch ein Exercitium. Extemporalia. Leetüre: In Sommer,
A. Dumas: Histoire de Napoleon; im Winter Bouilly: L'abbe de l'Epee. 1 St. Dr. Seüin.
5. Religion 2 St. Geschichte des alten Bundes. Einleitung in die neutestamentüchen Schriften.
Geschichte des Reformationszeitalters. Lutherische Glaubenslehre in ihren Hauptgrundzügen.
Hummel.
6. Geschichte 3 St. Die Geschichte Griechenlands bis 14(». Dr. Seitin.
7. Mathematik 4 St. Gleichungen 1. Grades mit einer und mehreren Unbekannten; Propor-
tionen. Potenzen und Wurzeln. Logarithmen. Vervollständigung der Kreislehre. Flächen-
gleichheit; Theilung und Verwandlung der Figm-en. Aehnlichkeit. Brauns.
8. Physik 2 St. Im Sommer Statik und Mechanik fester, flüssiger und luftförmiger Körper; im
Winter Chemie. Brauns.
III A. Obertertia.
Coi'tus A.
Ordinarius Dr. Schmidt.
L Lateinisch 10 St. Caesar bell. (Jall. lib. V von c. 15 an, VI. 3 St. Ovid Metam. IX 134
bis 272, X 1-77,80—147, 155-219, XI 1—220, 26G 302, 320— 748, XII 1—188,210—579.
2 St. Grammatik: Repetition des Pensums von HIB, Fragesätze, oratio o))liqua, Temporalsätze,
Conditionalsätze, Concessivsätze. Wöchentliche Exercitien. P'.xtemporalien. 5 St, Dr. Schmidt.
2. Griechisch 0 St. Xen. Anab. I c. 1 — 9. 3 St., Hom. Od. 1. 1—305. l St. Grammatik:
die unregelmässigen Verba. Repetition des Pensums von IV und Hl B. Einiges aus der Spitax,
besonders Casuslehre, bei der Leetüre. W'öchentliche Exercitien. Extemporalien. 2 St. Dr.
Schmidt.
3. D.eutsch. 3 St. Eiklärnng prosaischer und poetischer Stücke aus dem Lesebuche von Hopf
und Paulsiek. Declamation und Uebung im freien Vortrage. Aufsätze über besprochene und
mündlich disponirte Themata erzählenden Inhaltes. Hummel.
4. Französisch. 2 St. Repetition des Pensums von III b. Das Hauptsächlichste aus der Lehre von den
temporibus und modis. Alle 8 Tage ein Exercitium. Leetüre von Voltaire's Charles XH. Rummel.
5. Religion. 2 St. Ausbreitung der christlichen Kirche, Missionsreisen des Apostel Paulus. Geschichte
des Zeitalters der Roformntion. Repetition von Kirclienhedern und des lutherischen Catechismus
Rummel.
6. Geschichte und Geographie, l St. Combinirt mit C. B. deutsche Geschichte von 1648 bis
in die neueste Zeit. Geograi)hie: Repetition von Europa eingehend in physischer und poli-
tischer Hinsicht; die aussereuropäischen Erdtheile übersichthch. Oberlehrer ßrunzlojc.
7. Mathematik I St. Repetition des Cursus von Illb; Uebung im Rechnen mit Buchstaben,
Radizierung (2. und 3. Gr.): Geichungen ersten Grades mit einer Unbekannten: Kreislehre.
Brauns.
in A. Obertertia,
loetiis B.
Ordinarius (von Michaelis bis Weihnachten) Dr. Meissner.
NB. Von Neujahr bis Oetem wurde der Coetus luit dem vongeu, mit Ausnahme der Matlieraatik, combinirt.
Also bis Weihnachten:
1. Lateinisch 10 St. Ovid Metam. VH v. 1—353. 2 St. Caesar bell. Call. lib. YII c. 1—31.
3 St. Grammatik: Gründliche Wiederholung und Erweiterung des Pensums von Illb. Lehre
O.
5.
6.
7.
J.
3.
o.
6.
7.
— — 46
von der Coiiginienz. Infinitiv, Participia, Gerundium und Gerundivum, Supina, Tempora,
Consecutio temporum. Wöchentliche Exercitien und Extemporahen. 5 St. (Bis Weihnachten)
Dr. iVpissnrr.
Griechisch 6 St. Xeuoph. Anab. II c. I und 2. 3 St. Homer Odyss. I v. 305-380. 1 St.
Grammatik: Ünregehnässigc Verba. GrUndhche Wiederholung der übrigen Formenlehre. Die
Hauptsachen aus der Lehre von der Rection der Casus in Anschluss an die Leetüre und an
wöchentliche Exercitien resp. Extemporal. 2 St. /)r. Mrissttpr.
Deutsch 3 St. Erklärung prosaischer und poetischer Stücke (Uhland, Schiller) aus dem Lese-
buch von Hopf und Paulsiek. Uebungen im Declamiren und freien Vortrag. Alle 1 1 Tapjc bis
3 Wochen ein Aufsatz über ein besprochenes und mündhch dispouirtes Thema. J)r. Jlrismcr.
Französisch 2 St. Repetition der unregelmässigen Verben. Das Hauptsächlichste aus der
Lehre von den temporibus und modis. Alle S Tage ein Exercitium; dazu Extem])oralia und
Uebungen im mündlichen Uebersetzen. 1 St. Leetüre: Charles XII. I. 1 St. /)r !\Jrissnrr.
Religion 2 St. (Dauernd comb, mit Coet. A. siehe oben).
(reographie und Geschichte. \ St. (Dauernd comb, mit Coet. A. siehe oben).
Mathematik 3 St. Repetition und Erweiterung des Cursus von HIB, dann die Kreislehre.
In der Arithmetik Buchstabenrechnung bis zu den Wurzeln excl. und Gleichungen des 1 . Grades
mit einer Unbekannten. Ih-. Hast hm.
in B. Untertertia.
Ordinarius Dr. Sfllin.
Lateinisch H) St. Caes. bell. Gall. Hb. I -III. 3 St. Ovid. Metamorphos. , ausgewählte Ab-
schnitte aus den ersten 4 Büchern. 2 St. Grammatik nach Mülln und Lattmann: Tempus
und Moduslehre. Congruenz: Accus, c. InHn. 3 St. Wöchentlich ein Exercitium; Extem-
poralia. Mündliches Uebersetzen aus Schultz Uebungsbuch. Dr. Arilin.
Griechisch 6 St. Das regelmässige Verbum nach Muller und Lattmanns Formenlehre.
WöchentHch ein Exercitium: Extemporalia: lebersetzen aus dem 2. Theil von Jacobs Lesebuch.
Dr. Srlliif.
Deutsch 3 St. Besprechung prosaischer und poetischer Stücke aus Hopf und Paulsiek.
Uebungen im Declamiren. Satzlehre. Aufsätze. Heckmnnu.
Französisch 2 St. Repetition der regelmässigen Formenlehre; die unregelmässigen Verben
nach Plötz Schulgrammatik. Lect. 1—23. Alle S Tage ein Exercitium: Extemporalia. Leetüre:
Ausgewählte Stücke aus Lüdekings Lesebuch. Bnckmauii.
Religion 2 St. Das Leben des Herrn nach dem Evangelium Marci. Geschichte des Refor-
mationszeitalters. Repetition des lutherischen Catechismus und einer Auswahl von Kirchen-
liedern. Rummel,
Geschichte und Geographie. 4 St. Geschichte: Deutsche Geschichte des Mittelalters und im
Zeitalter der Reformation. Geographie: Deutschland und der Oestreichische Staat physisch
und poHtisch. Repetitionen aus den Pensen der früh*^ren Classen. Ohrrlrhrrr Brwnlorv.
Mathematik 4 St. Vorbegriffe: Buchstabenrechnung und Einübung der 4 Species in allge-
meinen Zahlzeichen; widerstreitende Zahlen. Parallelen, allgem. Eigenschaften der Figm-en.
Congruenz; einfachere Constructionsaufgaben. Hrauns,
47
3.
IV, Quarta.
Coetus A.
Ordinarius Dr. Schiller.
1. Lateinisch 10 St. Cornehus Nepos. Vita des Miltiades, Themistocles, Aristides, Pausanias,
Cimon und Lysander 5 St. WöchentHch wurden zwei Exercitien aus Ostermann's Uebungsbuch
III gehefert. Abtli. 1. übersetzte von pag. 65 bis 97: Abth. II. von i)ag. 1 bis 50. 2 St. Ein-
übung der leichtern syntaktischen Regeln. 2 St. Extemporalien. 1 St. Dr. Srhillcr.
2. Griechisch 5 St. Die regelmässige Formlehre mit Ausschluss der Verba Hquida. Leseübungen
aus dem Jacobs. WöchentHch ein kleines Exercitium. Bamberffcr.
Deutsch 3 St. Leetüre und Erklärung prosaischer und poetischer Stücke aus dem Lesebuch
von llüpt und Paulsiek. Declamationsübungen. Alle 14 Tage wurde ein Aufsatz eingeHefert.
Dr. ^c/ti//rr.
Französiscli. R«'])etition des Pensums von \'. und Fortsetzung der Grammatik nach Plötz
„Cursus für IV". Wöchentliche Exercitien. Dr. Schmidt.
Religion 2 St. Bibellesen: Apostelgeschichte. Biblische Geschichte des alten Testamentes bis
auf Mose. Katechismus: Erklärung des 2. Hauptstücks. Die dazu gehörigen Sprüche wurden
auswendig gelernt, dazu eine Auswahl von Kirchenliedern. Stahl.
Geschichte und Geographie 3 St. Griechische Geschichte von Lycurg bis zum Tode Alexan-
ders. Römische Geschichte von Gründung der Stadt bis Augustus. 2 St. Europa l St. Dr. Schmidt.
Rechnen 3 St. Im Sommer: Rechnung mit Decimalbrüchen und 1 St. Formenlehre. Dr. Bastian.
Im Winter: Procent-, Zins- und Rabattrech lumg nach dem Bruchsatze. 2 St. Zeichnen und
Erklären geometrischer Figuren. 1 St. Brandt.
5.
0
IV. Quarta,
(optiis B.
Ordinarius Lidtrtr Bainhvrfjer.
1. Lateinisch 10 St. Miltiades, Xerxes, Themistocles, Pausanias, Cimon, Bellum Peloponnesiacum
nach dem Lesebuche von Lattmann. 5 St. Einübung der Casuslehre und einiger andern
leichten syntaktischen Regeln nach der Grammatik von Müller und Lattmann ( §. 1—91).
Wöchentlich 2 kleine Exercitien und l Extemporale. Bambrryer.
2. Griechisch 5 St. Die regelmässige Formlehre mit Ausschluss der Verba licjuida. Leseübungen
aus dem Jacobs. WöchentHch ein kleines Exercitium. Bamhergvr.
3. Deutsch 3 St. Lesen und Besprechen poetischer und prosaischer Stücke aus Hopt und
Paulsiek. Declamiren. Das HanptsächHchste aus der Satz- und Interpunctionslehre, Alle 14
Tage ein Aufsatz. Brandt.
4. Französisch. Repetition des Pensums von V. Dazu: Pronomina, Zahlwörter, Comparationen,
Theilungsartikel, der einfache Satz in der Frage, Verneinung, fragendverneinenden Form. Die
gebräuchlichsten uni-egelmässigen Verba. Alle 8 Tage ein kurzes Exercitium. 2 St. Hununel.
5. Religion 2 St. Bibellesen: Apostelgeschichte. Biblische Geschichte des alten Testamentes bis
auf Mose. Katechismus: Erklärung des 2. Hauptstückes. Die dazu gehörigen Sprüche wurden
auswendig gelernt, dazu eine Auswahl von Kirchenliedern. Stahl.
6. Geschichte und Geographie 3 St. Griechische Geschichte von Lycurg bis zum Tode
Alexanders. Rtimische Gescliichte von Gründung der Stadt bis Augustus. 2 St. Europa. 1 St.
Dr. Beyel iseit Weihnachten Dr. Meissner).
48
7. Eechnen 3 St. Im Sommer: Deciraalbrüche nach Böhme Heft IX. Im Winter: Procent-,
Zins- und Rabattrechnuug. 2 St. — Ebene Geometrie bis zur Congruenz der Dreiecke excl
l St. Brandt.
V. Quinta,
1
(h'd'marius Lphrer Hrrkmanv.
Lateinisch 10 St. Repetition der regelmässigen Formenlehre; unregehniissige Verha und die
gebräuchhchsten syntaktischen Regeln; Grammatik von Miillei- und Lattmann. VVöchentHch 2
Exercitien, alle 8 — 1 J Tage ein Extemporale. Lectüre aus dem Leschucli von Lattmann.
Beckniauv.
2. Deutsch \\ St. Leetüre prosaisclicr und poetischer Stücke aus Hopf und Paulsiek. Uebungen
im Wiedererzählen des Gelesenen und im Declamiren. Das Wichtigste aus der Satz- und In-
terpunctionslehre. Di(;tate. Alle 1 \ Tage ein Aufsatz, lirrknidun.
0. Französisch \\ St. Die Auss})raLhe. Leseübungen. Die regelmässige Formenlehre (DecH-
nation, Hülfszeitwörter. Conjugation). Uebungen im rebersetzen aus dem Französischen in's
Deutsche und aus dem Deutschen ins Französische: kurze häusliche Exercitia. Flötz: Cursus
für \ . Stahl.
4. Religion o St. Biblische Geschichte des neuen Testamentes nach Kurtz (das Leben .lesu bis
zur Auferstehung). Katechismus: Repetition des l. Hauptstückes nebst den gelernten Sprüchen.
Das 3. Ilauptstück wurde erklärt, die beigefügten Ribelsprüclie a^'^^v(^ndig gelernt. Kirchen-
liedei": Repetitioji der in VI gelernten, dazu einige neue. Stuhl.
5. Geschichte und Geographie l> St. Erzählungen au^ der deutschen Sage und aus der Ge-
schichte des Alterthums. 1 St. Geographie von Europa (excl. Deutschland i und den ausser-
europäischcn ErdtluMlen nach dem Leitfaden von Daniel 1 St. Hrrkmanji.
6. Rechnen I» St. Die 4 Specie> in I)rüchen nach Hölnne Heft IX. Kopfrechnen. Hin und
wieder häusliche Autgaben, liruitdt.
1. Naturgeschichte 2 St. Im Sommer: Botamk. ('lassiticatiou der Ptianzen nach dem Linne-
schen System. Im Winter: Säugethiere und Vögel mit Benutzung der Abbildungen in Brehm's
4'lnerleben u. a. lirandt.
8. Schreiben 2 St. Lehrer Folh.
VI Sexta.
Ordinarius Lehrer Stahl.
1. Lateinisch 10 St. Die regelmässige Formenlehre (Declination und Conjugation nlit Einschlußs
der Deponentia), nach der Grammatik von Müller und Lattmann. Uebungen im Uebersetzen
nach dem üebungsbuch von Lattmann. Wöchentliche Exercitia und Extemporalia. ^itahl.
2. Deutsch I> St. Leetüre aus dem Lesebuche von Hopf und Paulsiek. Uebungen im Nach-
erzählen des Gelesenen und im Declamiren. Granuuatik im Anschluss an die Leetüre. Wöchent-
liche Dictate oder Aufsätze. Stahl.
3. Religion '^ St. Biblische (reschichte des alten Testamentes bis zur Theilung des Reichs, nach
Kurtz. Erklärt und gelernt wurden 1 1 Kirchenlieder, ausgewählte Sprüche zum I. Hauptstück
und der Katechismus Luther's. Brandt.
4. Geschichte und Geographie 3 St. Sagen aus der Griechischen, Römischen und Deutschen
Geschichte. 1 St. — (jnmdbegriflfe aus der physischen Geographie. Genaueres über das
49
6.
Heimathland und über dessen Zusammenhang mit den umhegenden Ländern. Allgemeine Ueber-
sicht über Deutschland. 2 St. Dr. Reyel (von W^eihnachten an Dr. ßleissner).
Rechnen 3 St. Repetition der 4 Species in unbenannten und benannten ganzen Zahlen. Das
metrische Maass und Gewicht. Anfang in der Bruchrechnung. Kopfrechnen. Hin und wieder
häushche Aufgaben. Brandt.
Naturgeschichte 2 St. Im Sommer Botanik: Gartengewächse und wildwachsende Pflanzen.
Im Winter Zoologie: Schilderungen aus dem Leben der Säugethiere und Vögel mit Benutzung
der Abbildungen in Brehm. Brandt.
7. Schreiben 4 St. Lehrer Foth.
Hebräiscil.
I. Prima.
Die Nominallehre und Leetüre des Isten Buches der Könige und einzelner Theile aus den
Propheten und dem Psalter. 2 St.
n. Secunda.
Die Verballehre und Leetüre der Genesis. 2 St. Rummel.
Der Sin^unterricht
wurde in 3 wöchenthchen Stunden ertheilt; in 2 St. Uebungen der Altisten und Sopranisten, in
1 St. der ganze Chor. iVusikdirector Kade.
Die Tiirnübiingen
dauerten im Sommer vom 21. Mai bis zum 27. September unter Leitung des Turnlehrers La uff er;
Turnwart war Paul Groth I. Im Winter fanden die Uebungen in der hiesigen Turnhalle statt.
Lehrapparat.
I. Schulbibliothek.
A. Geschenke:
1. Aus dem Gross herzoglichen Gabi n et: die Fortsetzungen des Archivs für Landeskunde.
2. Aus dem statistischen Bureau: Fortsetzung der Beiträge zur Statistik Mecklenburgs.
3. Von 'Äem Verein für mecklenburgische Geschichte: Correspondenzblatt des Gesammt-
vereins der deutschen Geschichts- und Alterthumsvereine, Jahrgang 1S71; und Jahrbücher des
Vereins; 36ster Jahrgang.
4. Von dem Senate der Universität Rostock: die im Laufe des Jahres erschienenen aka-
demischen Schriften.
5. Von Herrn Moritz Müller in Pforzheim: die beiden von ihm verfassten Schriften: 1) Ge-
dankenmainhnien, oder durch Nacht zum Licht. Kein Roman, sondern eine Denkanrege. 2)
Ueber die Freiheit der Arbeit an Sonn- und Festtagen.
6. Von Herrn Oberlehrer Dr. Schiller hieselbst:
1) Zur Gymnasialreform; Theoretisches und Practisches von Dr. Hermann Köchly; 1846.
2) Giscke: die allmählige Entstehung der Gesänge der Rias aus Unterschieden im Gebrauche
der Präpositionen; Göttingen 1853.
7
50
3) J. Kreuser: Vorfragen über Homeros, seine Zeit und Gesänge. Ister Theil; Frankfurt a. M.
1828.
4) Bibliotheca Godofredi Hermanni.
7. Vom Herrn Canzleirath Faull hieselbst: Staatskalender für 1872.
B. Gekauft
wurden die laufenden Jahrgänge der Jahn' sehen Jahrbücher, des Rheinischen Museums, der Ber-
liner Zeitschrift für das Gymnasialwesen, der Poggendorff'schen Annalen, der Forschungen zur
deutschen Geschichte; die Fortsetzungen von Pierer: Universallexicon, Schraid Encyclopadie,
Grimm Wörterbuch, Wackernagel Kirchenhed, Bursian Geographie von Gnechenland, Fried-
länder Darstellungen aus der Sittengeschichte lloms. III.
Corpus Inscriptionum Latinarum tom. IV: Inscriptiones Parietariae Pompejanae, Herculanenses,
Stabianae edid. Carolus Zangemeister; Berohni 1871.
Poetarum Scenicorum Graecorum Aeschyli, Sophochs, Euripidis et Aristophams labulae super-
stites et perditarum fragmenta ex. rec. et cum prolegom. Guilelmi Dmdorfii editio \"
Lipsiae 1869.
Lexicon Sophocleum edid. Guilelm. Dindortius Lipsiae 1870.
Des Aristophanes Werke übersetzt von Job. Gust. Droysen; 2. Thl. 2te Ausg. Leipzig 1871.
Der epische Cyclus oder die homerischen Dichter von F. G. Welcker; 2. Thl. Bonn 1835
Geschichte der Hellenischen Dichtkunst von Dr. Hermann Ulrici; 2. Thl. Berlin 1835.
Geschichte der Hellenischen Dichtkunst von Dr. Georg Heinrich Bode; 5. Thl. Leipzig 1838.
A W Zumpt: Crinünalprocess der römischen Republik; Leipzig 1871.
Joachim Marquardt und Theodor Mommsen: Handbuch der römischen Alterthümer.
Erster Band: Römisches Staatsrecht von Theod. Mommsen. i. Bd. Leipzig 1871.
Tacitus Geschichte der Regierung des Kaisers Tiberius (Annalen Buch I-VI). Uebersetzt und
erklärt von Adolf Stab r. Berlin 1871.
F. W. Schirr macher: Kaiser Friedrich IL 4. Bd. Göttingen 1859-65.
Derselbe: Die letzten Hohenstaufen. l. Bd.
H. Prutz: Kaiser Friedi'ich I. 2. Bd.
M Lexer: Mittelhochdeutsches Wörterbuch bis Lieferung 6. Leipzig 1871.
Dr. K. Schiller und Dr. A, Lübben: Mittelniederdeutsches Wörterbuch. Erstes Heft.
Bremen IS 72.
II. Physikalisclies Cabinet.
A. Geschenke:
Ein Krahn, ein Sprachrohr, eine Sirene, ein pneumatisches Feuerzeug, ein magnetelectrischer
Inductionsapparat, eine Bussole.
B. Angeschafft aus den Mitteln des Cabinets:
Zwei Dechnations- und eine Inclinationsnadel, ein Electrophor, ein Kuhlenspitzenapparat,
ein Morse'scher Drucktelograph nebst Relais, Galvanometer und zwei Bunsen'schen Elementen, luv
die Lehre vom Schall endlich ein Monochord und ein Interferenzrohr.
51
Nekrologium.
Julius Bouchholtz, Cassier bei der Grossh. Renterei, abg. Michaelis 1830, f d. 30. März 1871.
Christian Dahl, Rector in Lübz, abg. Michaehs 1864, f d.
Gustav Segnitz, Cand. der Theol. in Schwerin, abg. Michaelis 1825, f d.
Carl Job. Theod. Harnack, Dr. jur. in Langenhorn bei Hamburg, f d.
Einen sehr hoffnungsvollen Schüler verlor die Anstalt durch den Tod: Emil
Wiencke, Schüler der Quarta, Coet. A., starb im Yaterhause
Carl Adolf Schmidt, Dr. jur. und Oberappellationsrath in Rostock, abg.
Michaelis 1832, f ^.
Theodor Fromm, Pastor in Gielow, abg. Ostern 1S50, f d.
Ernst Gädcke, Advocat und Senator in Lübz, f d.
R 0 b e r t S c h n e i d e r , Dr. jur., Kgl. Sächsischer Staatsminister ^), abg. Mich. 1825, f d.
Friedrich El fr eich aus Neu-Kirchen, Cand. der Theol., abg. Mich. 1862, f d.
Heinrich Schumacher, Buchdruckerei-Besitzer in Grevismühlen, f d.
Otto Bruns aus Hamburg, Kaufmann, f d.
Leo von Hammer stein aus Schwerin, Militär, f d.
Roland von Müller, St. jur., abg. Michaehs 1870, f d.
F. J. C. Bouchholtz, Kammersecretair, Hofrath in Schwerin, abg. Ostern 1827, f d.
Carl Fr. Eugen von Storch, früher auf Rubow, f d.
Scliülerzalil.
18. April 1871.
26. April 1871.
6. Mai 1871.
d. 28. Mai 1871.
8. JuH
11. Aug.
16. Aug.
4. Sept.
6. Sept.
13. Nov.
21. Dec.
15. Jan.
16. Febr.
17. Febr.
26. Febr.
1871.
1871.
1871.
1871.
1871.
1871.
1871.
1872.
1872.
1872.
1872.
Das Gymnasium Fridericianum wurde im Sommersemester von 403, im Wintersemester von
406 Schülern besucht, und zwar sassen a. im Sommersemester in Oberprima 23, in Unterprima 34,
in Obersecunda 30, in Untersecunda 36, in Obertertia 52, in Untertertia 54, in Quarta Coetus A.
39, Coetus B. 40, in Quinta 54, in Sexta 41; b. im Wintersemester in Oberprima 26, Unterprima 32,
Obersecunda 26, Untersecunda 37, Obertertia Coetus A. 30, Coetus B. 28, Untertertia 56, Quarta
Coetus A. 38, Coetus B. 38, Quinta 48, Sexta 47.
Abgegangen sind im Laufe des Schuljahres 56 Schüler.
A. Zur Universität mit dem Zeugniss der academischen Reife:
a. Zu Michaehs 1871 :
Offo Krasemnnn aus Neustadt. Leij^zig. Philologie.
^Uolph Brandt aus Klein-Rogahn. Rostock. Theologie.
fjiuhriff 31au aus Holicnvicheln. Leipzig. Theologie.
Richard Barten aus Schwerin. Greifswald. Jurisprudenz.
Birhard ro?i Sprrnitz aus Schwerin. Polytechnicum in Aachen.
Ludnifj Thh'ssuuj aus Boitzenburg. Leipzig. Theologie.
Caesar Uocliow aus Zachun. Leipzig. Mediciu.
IV Hilf Im von Berjistorff aus Schwerin. München. Jurisprudenz. ^
Otto Uvrrkht aus Schwerin. Rostock. Jurisprudenz.
Meier Colin aus Schwerin. Breslau. Jurisprudenz.
Eduard Ocsten aus Mandelshagen. Landwirthschaft.
lldus Mulsoir aus Ludwigslust. Rostock. Theologie.
•) Vgl. Nekrolog und Nachruf im Dresdener Jonmal.
7*
5S
53
b. Zu Ostern IS72:
Otto Rfinhardt aus Wittenburg. Heidelberg. Philologie.
Emil Lobedanz aus Schwerin. Rostock. Philologie.
Carl Foth aus Sternberg. Rostock. Theologie.
Otto Tapp aus Neese. Heidelberg. Medicin.
Carl Stt'lzner aus Schwerin. Rostock. Philologie.
Albert Oestfu aus Mandelshagen. Postfach.
Rudolph Hohciu aus Schwerin. Rostock. Medicin.
Hartn'ui Brnsch aus Schwerin. Rostock. Theologie.
Gustav flfiuck aus Kützerhof. Heidelberg. Medicin.
Otto Sc/urn'dtfcfjer aus Schwerin. Heidelberg. Jurisprudenz
B. Zu anderen Bestimmungen gingen ab:
Aus Cl. la. Huf/o Kücfvth aus Schwerin. Privatstudium.
Aus Cl. Ib. Richard Kurfztisrh aus Schwerin. Postfach.
Theodor Schroeder aus Qualitz. Telegraphit
Paul An f/ er stein aus Schwerin. P'orstfach
Schüler - Verzeichniss *).
Neujahr IS72.
Weihnachten 1S7I.
Michaelis lS7t.
Ostern J872.
Michaelis 1871.
Michaelis 1871.
Aus Cl. Ha. Friedrich R ackert aus Ribnitz. Steuerfach. Ostern 1871.
Gotlhilf Pitschiur aus Neukloster, (iynmas. in Piatzeburg. Mich. 1871.
Ernst Brauer aus Ribnitz. Steuerfach. Michaelis 1871.
Albert Koop aus Schwerin. Seemann. Michaehs 1871.
Aus Cl. IIb. 31ax Teetz aus Rossewitz. Apotheker. Michaelis 1871.
Paul Abesser aus Schwerin. Kaufmann. Michaehs 1871.
Gustav ff'endt aus Schwerin. Mihtär. Michaehs 1871.
Ludnif/ /lobein aus Schwerin. Marine. Michaelis 1871.
Friedrich von Hintzenstern aus P^lmenhoi-st. Kaufmann.
Heinrich Graf von Oef/nhausen aus Schwerin. Militair.
Eynil Barca aus Schwerin. Kaufmann. Ostern 1S72.
Auf/ust IV a ff euer aus Satow. Forstfach. Weihnachten 1871.
Aus Cl. III a. Harr II von Boddicn aus Schwerin. Militair. Michaelis 1871.
Bernhard Schultz aus Gnoyen. Gymnas. in Rostock. Michaehs 1871.
Aus Cl. nib. Leopold h'ues aus Schwerin. Realgymnas. in Perleberg. Johannis 1871.
Friedrich Lenthe aus Schwerin. Kaufmann. Michaehs 1871.
Emil Wiencke aus Schwerin. Siehe Necrolog.
Friedrich Dicrkitif/ aus Schwerin. Realschule. Ostern 1871.
Hans Kehr ha hu aus Metein. Gymnas. in Parchim. Michaelis 1871.
Carl von Koppel oiv aus Schwerin. Gymnas. in Torgau. Michaelis 1871.
Felix von Slenf/lin aus Schwerin. Militair. Den l Dec. 1871.
Martin Romberg aus Perlin. Ging ins Vaterhaus zurück Michaehs 1871.
Alphons von Boddien aus Schwerin. Privatunten'icht. Ostern 1871.
Adolph Bru?nm aus PerUn. Ging ins Vaterhaus zurück Michaehs 1871.
Christian H'alckhoff aus Schwerin. Gymnas. in Rostock. Michaehs 1871.
Ausserdem sind zum Abgang pro Ostern 1872 angemeldet:
Aus Cl. IV. Carl Rcfnn aus Settin. Realschule.
Gustav IValzberg aus Valparaiso. Realschule.
Paul Martens aus Bakendorf. Realschule.
Victor Peutz aus Volsrude. Realschule.
Carl Börncke aus Schwerin. Realschule.
Aus Cl. IV.
I
Aus Cl. V.
Aus Cl. VI.
lA. Ober -Prima.
1.
1. Otto Reinhardt aus Wittenburg.
2. Emil Lobedanz aus Schwerin.
3. Carl Foth aus Sternberg.
4. Otto Tapp aus Neese.
5. Carl Stelzner aus Wismar.*
6. Albert Oesten aus Mandelshagen.
7. Rudolph Hobein aus Schwerin.
8. Hartwig Brasch aus Schwerin.
9. Gustav Heuck aus Kützerhof.
10. Otto Schwerdtfeger aus Schwerin.
1 1 . Hugo Kliefoth aus Schwerin.
2.
12. Heinrich Ribtke aus Plau.
13. Paul Groth aus Schwerin.
14. Hermann Settier aus Wittenburg.
15. Friedrich Burth aus Schwerin.
16. Willy Dittmann aus Schwerin.
17. Carl Buchka aus Rostock.*
18. August Lachnumd aus Lilienthal bei Bremen.*
19. Felix Löwenthal aus Schwerin.
20. Carl Liith aus Brüel.
21. Louis Mülfelmann aus Schwerin.
22. Adolph Groth aus Schwerin.
23. Gustiiv Niemann aus Hohen-Viecheln.
24. Otto Schwetzky aus Rehna.*
25. Emil Groth aus Kittendorf.
26. Otto Petters aus Schwerin.
IB. Unter-Prima.
1.
1. Heinrich Lorenz aus Schwerin.
2. Hugo W^olff' aus Schwerin.
3. Friedrich Kerstenhann aus Zarrentin. *
4. Carl Woestenberg aus Dreibergen.
5. Johannes Bauch aus Schwerin.
6. Wilhelm Moeller aus Schwerin.
7. Paul Müller aus Bützow.
8. Carl Schlüter aus Bahlenhüschen.
9. Franz Hurttig aus Ludwigslust.
10. Heinrich Dittmann aus Schwerin.
11. Fritz Neumann aus Warnemünde.*
12. Johannes Moltmann aus Schwerin.
13. Louis Klipphahn aus Schwerin.
14. Hermann Studemund aus Gadebusch.
15. Paul Angerstein aus Schwerin.
16. Gustav Bolbrügge aus Grabow.
17. Friedrich Lechler aus Crivitz.
2.
18. Aby Friedheim aus Grevismühlen. *
19. Paul Romberg aus Perhn.
20. Victor v. Oertzen aus Doberan.
21. Hermann Rose aus Schwerin.
22. Max Kliefoth aus Ludwigslust.
23. Friedrich Graf v. Oeynhausen aus Schwerin.
24. Hugo Unruh aus Sudenhof.
25. Hans Eichbaum aus Plau.
26. Wilhelm Eggerss aus Melusinenthal. *
27. Hermann Waclienhusen aus Schwerin.
28. Theodor Bade aus Schwerin.
29. Franz Berg aus Alt-Gaarz.
30. Adolph Diestel aus Leezen.
IIA. Ober-Secunda.
1.
1. Carl Ladewig aus Crivitz.
2. Gustav Brückner aus Schwerin.
3. Adolph Hoppe aus Krakow.
4. Max Wolff aus Schwerin.
5. Paul Schhchting aus Prislich.
6. W^ilhelm Pfähler aus Schwerin.
7. Carl Pfaff aus Doberan.*
8. Otto Oertzen aus Schwerin.
9. Bernhard Voss aus Schwerin.
10. Haus Sandrock aus Schwerin.
11. Johannes Wittenburg aus Grevenhagen.
12. Hugo Krüger aus Schwerin.
13. Friedrich Wöhler aus Schwerin.
14. Hans Bock aus Gross -Weltzien.
*) Der Stern bedeutet, dass die Aeltern jetzt in Schwerin wohnen.
S4
2.
15. Walther König aus Schwerin.
16. Carl Willebrand aus Kladow.
17. Christian Drechsler aus Boizenburg.*
18. Heinrich Holtermann aus Schwerin.
19. Friedri':h Lechler aus Schwerin.
20. Carl Stamer aus Perduhl.
21. Hermann Heuck aus Malchin.
22. Hermann Seidel aus Schwerin.
23. Carl Schäffer aus Schwerin.
24. Johannes Piomberg aus Perlin.
25. Juhus Weltzien aus Schwerin.
26. Wilhelm Jahn aus Ludwigslust.*
IIB. Ünter-Secunda.
1.
1. Carl Kriel aus Dömitz.
2. Wilhelm Behncke aus Ludwigslust.
3. Carl Steinkopff aus Schwerin.
4. Friedrich v, Langermann aus Dambeck.
5. Fritz Degner aus Dewitz.
6. Max Schroeder aus Carlshof in Holstein.*
7. Carl Ackermann aus Rubel.*
8. Arnold Krieger aus Potsdam.*
9. Adolph Seemann aus Schwerin.
10. Louis Erhardt aus Gadebusch.*
11. Franz Kraus aus Schwerin.
12. Gustav Hesse aus Wittenburg.
13. Carl Krull aus Crivitz.
14. Carl Drews aus Ludwigslust.*
15. Louis Wolff aus Schwerin.
16. Emil Barca aus Dargun.*
17. Engelbert Borgmann aus Schwerin.
18. Franz Koenig aus Schwerin.
19. August Beyer aus Schwerin.
20. August xVlbrecht aus Klincken.
21. Heinrich Ludwig aus Wittenburg.
22. Paul Berwald aus Schwerin.
23. Otto Schumacher aus Kröpehn.
24. Louis Glaevecke aus Rostock.
25. Eduard Range aus Schwerin.
26. Arnold Eggerss aus Melusinenthal. *
27. Gustav Kerstenhann aus Zarrentin.*
28. Max Schneider aus Bülowburg.
29. August Piper aus Döbbersen.
30. Carl Schulz aus Schwerin.
3L Claudius Fischer aus Schwerin.
32. Heinrich Peeck aus Barnerstück.
33. Otto Riemcke aus Hagenow.
34. Paul Moeller aus Schwerin.
35. Fritz Krefft aus Schwerin.
36. Rudolph Kleomann aus Schwerin.
III A. Ober-Tertia.
Coetus A.
L
1. Wilhelm Litzrodt ans Brüel.
2. Rudolph Wagener aus Satow.
3. Adolph Piper L aus Döbbersen.
4. Arnold Cohen aus Schwerin.
5. Gustav Piper H. aus Pinnowhof.*
6. Johannes Brauns aus Vlotho.
7. Hermann Melchert aus Zapel.
8. Ernst Meinck aus ^lalchin.*
9. August Witt aus Neustadt.
10. Friedrich Heuck aus Kützerhof.
11. Friedrich Walter aus Teterow.
!-2. Werner Görbitz aus Dargun.*
13. Carl Angerstein aus Warin.*
14. Friedrich Schnappauff aus Kl.-Wockern.
15. Hermann Erdmann aus Gr.-Tessin.
2.
16. Hans Wiencke aus Rcetz.
17. Paul Stelzncr aus Wismar.*
18. Carl Axel Schmidt aus Parchim.*
19. Adolph Stein aus Boitzenburg.
20. Carl Wallmann aus Grabow.
21. Gustav Schall aus Schwerin.
22. Otto Brandt aus Neustadt.
23. Ernst Weidemann aus Seehof.
24. Johannes Petersen aus Boize.*
25. Carl Rüst aus Kogel.
26. Ludwig v. Langermann aus Schwerin.
27. Eugen Julius aus Rostock.*
28. Max Hobein aus Schwerin.
55
29. Hermann Woestenberg aus Dreibergen.
30. Johannes Spielhagen aus Berhn.*
HIB. Ober -Tertia.
Coetus B.
1.
1. Otto Koch aus Toddien.
2. Willielm Speetzen aus Rampe.
3. Martin Eberhard aus Laage.
4. John Hepworth aus Güstrow. *
5. Otto Regenstein aus Schwerin.
6. Jan Krieger aus Potsdam. *
7. Albert Hölk aus Fahren.
8. Louis Bauch aus ScliAverin.
9. Richard Abesser aus Schwerin.
1(1. Franz Peters aus Schwerin.
1 1 . Gustav Kleffel aus Suckow.
\'2. Bernhard Gädkens aus Zarrentin.
13. Fricdricli Flügge aus Schwerin.
11. Georg Mau aus Schwerin.
15. Friedrich v. Scheve aus Schwerin.
2.
16. Otto Weltzien aus Schwerin.
17. Hermann Buchka aus Rostock.*
18. W^ilhelm FauU aus Schwerin.
19. Carl Ehlers L aus Kalk hörst.
20. Albert Schulz aus Schwerin.
21. August Grieffenhagen aus Schwerin.
22. Wilhelm v. Amsberg aus Rostock. *
23. Gustav Ehlers U. aus Kalkhorst.
24. Paul Michaehs aus Starkow. *
25. August Vielhaak aus Rastow.
26. Ernst Diestel aus Ahrensböck.
27. Theodor Aarous aus Schwerin.
28. Ernst Steinkopff aus Schwerin.
III B. Unter -Tertia.
1.
1. Ernst Barnewitz aus Körchow. *
2. Arthur Francke aus Neukloster.
3. John Jonas aus Schwerin.
4. Carl Rugenstein aus Wittenförden.
5. Ludwig Khefoth aus Plate.
6. Carl Behncke aus Wismar. *
7. Johannes Schmidt L aus Schwerin.
8. Jaspar v. Prollius aus Schwerin,
9. Hugo Piper L aus Wismar.
10. Ernst August v. Müller aus Rankendorf. *
11. Bernhard Raven aus Celle.*
12. Georg Sandrock aus Schwerin.
13. Pedro Warncke aus Schwerin.
14. Walther Schmidt IL aus Parchim. *
15. Paul Fischer L aus Wandrum.
16. Theodor Wahl aus Goldberg.
17. Friedrich Jahn aus Schwerin.
18. Paul Krüger L aus Schwerin.
19. Wilhelm Wolff L aus Schwerin.
20. Johannes Thiel aus Schwerin,
21. Johannes Engel aus Crivitz.
22. Hans Albrecht Lehmeyer aus Schwerin,
23. Paul Seidel aus Schwerin.
24. Franz Lindemann aus Schwerin.
25. Heinrich Bock aus Gr,- Weltzien.
20. Louis Detmering aus Schwerin,
27. Gustav Jablonowsky L aus Schwerin.
28. Emil Liss aus Röbel. *
29. Carl Herbst aus Medingen,
30. Arnold Meyer aus Schwerin.
31. Juhus Rudolphi aus Schwerin.
32. Arnold Kues aus Rostock, *
33. Carl Burmeister aus Schwerin.
34. Martin Beltz aus Hagenow.
35. Gustav Lange aus Schwerin.
36. Conrad Tiede aus Schwerin,
37. Rudolph Stargardt aus Kalkwerder.
38. Ernst Brüssow aus Plan. *
39. Franz Jablonowsky H, aus Schwerin.
40. Ernst v, Storch aus Rubow,
41. Georg Pincus aus Schwerin.
42. Wilhelm Kundt aus Schwerin.
43. Arthur Wolff' H, aus Schwerin
44. Hubert v. Stralendorff aus Golchen.
45. Rudolph Eberhardt aus Schwerin.
46. Albert Rollenhagen aus Schwerin,
47. Adolph Klett aus Schwerin,
48. August Fischer H. aus Schwerin,
56
49. Siegfried Lilienthal aus Schwerin.
50. Heinrich Keding aus Masslow.
51. Dirk Krieger aus Potsdam. *
52. Gustav v. Henckel aus Kleefeld.
53. Richard Löwenthal aus Schwerin.
54. Rudolph Piper IL aus Pinuowhof. *
55. Ernst Krüger IL aus Kniphof.
56. Hjalmar Lübbert aus Nossentiner Hütte.
TV. Quarta.
Coetus A.
1.
L August Fischer aus Bobzin.
2. Carl V. d. Luhe aus Schabow.
3. Reinhard Kade aus Dresden. *
4. Adolph V. Prollius aus Schwerin.
5. Friedrich Meyer aus Schwerin.
6. Ernst Schnapaulf aus Kl.-Wockern.
7. Friedrich Klett aus Schwerin.
8. Carl Flügge aus Schwerin.
9. Carl Ernst Alban aus Schwerin.
10. Werner v. Brandenstein aus Balow. *
1 1 . Friedrich Buchka aus Rostock. *
12. Carl Behni aus Settin.
13. Gustav Walzberg aus Valparaiso.
14. Johannes Köhler aus Roggendorf. *
15. Paul Martens aus Bakendorf.
16. Paul Bühmann aus Wittenburg.
17. Wilhelm Teetz aus Jürgenshof.
18. Carl Ullrich aus Parchira. *
19. Theodor Kliefoth aus Schwerin.
20. Victor Pentz aus \'olzrade.
21. Justus Sandrock aus Schwerin.
22. Wilhelm Aarons aus Schwerin.
2.
23. Friedrich Friese I. aus Schwerin.
24. Heinrich Müller aus Schwerin.
25. Carl Lühr aus Schwerin.
26. Rudolph Bohn aus Schwerin.
27. Ernst v. Koppelow aus Schwerin.
28. August Wilras aus Garhtz.
29. Otto Oldach aus Flessenow.
30. Heinrich Schmidt aus Wittenburg.
31. Ernst Henning v. Bassewitz aus Schwerin.
32. Adolph Poppe aus Schwerin.
33. Emil Engel aus Crivitz.
34. Carl Beste aus Schwerin.
35. Heinrich Friese IL aus Schwerin.
36. Otto Karrig aus Kröpelin. *
37. Hans Hubert v. Bilguer aus Schwerin.
IV. Quarta.
Coetus B.
L
1. Carl V. Abercron aus Grabow. *
2. Carl Beutin aus Kl.-Tessin. *
3. Ludwig Lüttmann aus Oertzenhof.
4. Friedrich Thiesseng aus Rostock. *
5. Richard Modes aus Boitzenburg.
6. Gustav Ahrenholz aus Schwerin.
7. Ernst Maercker aus Pampien. *
8. Franz Mühlenbruch aus Trutzlatz. *
9. Martin Romberg I. aus Perlin.
10. Wilhelm Peters aus Schwerin.
11. Hermann Schubart aus Gallentin. *
12. Carl Meinck aus Malchin. *
13. Franz Albrecht aus Schwerin.
1 4. Friedrich Dalitz aus Malchow. *
15. Eugen Fahrenheim aus Schildfeld.
16. Hermann Romberg IL aus Perlin.
17. Theodor Pinkus aus Schwerin.
18. Heinrich Klenz aus Kröjjlin. *
19. Carl Börncke aus Schwerin.
20. Leopold Sussmann aus Schwerin.
21. Alex Grohmann aus Schwerin.
2.
22. Carl Ditz aus Ludwigslust. *
23. Johannes Wedemeyer aus Neu-Lübtheen.
24. Carl Hannover aus Schwerin.
25. Hermaftn Frenck aus Schwerin.
26. Paul Sandrock aus Schwerin.
27. Ernst Prüter aus Parchim. *
28. Carl Eichblatt aus Schwerin.
' 29. Alexander Wessel aus Schwerin.
I 30. Martin Rohrdantz aus Schwerin.
i 31. Arnold Schlat aus Bützow.
57
32. Carl Stargardt aus Schwerin.
33. Carl Dittmann aus Schwerin.
34. Rudolph Liefmann aus Hagenow.
35. Bernhard Abesser aus Lübeck. *
36. Otto Sclu-öder aus Qualitz.
37. Carl* Spielhii gen aus Berhn. *
V. Quinta.
1.
Friedrich Zickcrmann aus Sülze. *
Fritz Krempien aus Diedrichshagen. '
Otto Pfeiffer aus Schwerin.
Paul Pincus aus Schwerin.
Heinrich Wasnuith aus Wittenburg.
Theodor Fischer aus Schwerin.
Carl v. Zülow aus Schwerin.
Alexander ( )tto aus Mainz. *
Hans Vollbrecht aus Schwerin.
Otto Herr aus Wittenburg.
Ludwig Herr aus Wittenburg.
Victor V. Stenglin aus Schwerin.
Gustav liohde aus Neu-Dargun.
Emil Lindemann aus Schwerin.
Otto Mühlenbruch aus Schwerin.
Franz Leitmann aus Schwerin.
Hermann Eggerss aus Carle witz.
Carl Wünsch aus Schwerin.
Cari Kayser aus Schwerin.
Hermann Stern aus Schwerin.
Theodor Jahn aus Schwerin.
Wilhelm v. Oeynhausen aus Dömitz.
Albert Kraus aus Rostock. *
Fritz Wachenhusen aus Schwerin.
.Vugust Abesser aus Lübeck.
Heinrich Bosselmann aus Liessow.
2.
27. Helmuth Franck aus Wittenburg.
28. Carl Wiegert aus Neustadt. *
20. Martin Overlach aus Petersburg. *
•M). Martin Rüst aus Kogel.
31. Ludwig Behrens aus Zietlitz. *
32. Adoli)h Mnnmie aus Schwerin.
33. Hans Schmidt aus Parchim.
34. Wilhelm Masius aus Schwerin.
2.
3.
I.
5.
8.
9.
10.
I 1.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
2:5.
24.
25.
26.
*
35. Hermann Sandrock aus Schwerin.
36. Peter Gaettens aus Ober-Garzerhof. *
37. Werner Kues aus Rostock. *
38. Emil Dittmann aus Schwerin.
39. Friedrich v. Amsberg aus Schwerin.
40. Martin Langenbeck aus Schönhof.
41. Franz Mahncke aus Schwerin.
42. Carl Oldach aus Hindeberg.
43. Georg Chrysander aus Bergedorf.
44. Friedrich Rinkel aus Boitzenburg.
45. Theodor Schäffer aus Dassow.
46. Otto Staak aus Gr.-Trebbow.
47. Hermann Schultz aus Dalberg.
48. Carl Schröder aus Kobande.
VI. Sexta.
1.
1. Erwin Stern aus Schwerin.
2. Wilhelm Busch aus Schwerin.
3. Louis Schneider aus Penkow.
4. Felix Friedhehn aus Grevismühlen. *
5. Edmund Soltau aus Schwerin.
6. Franz v. Bülow aus Frankfurt a. M. *
7. Magnus v. Abercron aus Grabow. *
8. August Burth aus Schwerin.
9. Reimar v. Koppelow aus Schwerin.
10. Otto Wünsch aus Schwerin.
1 1 . Williem Peo aus Schwerin.
12. Helmuth Timm aus Hagenow.
13. Georg v. Blücher aus Finken.
14. Julius Köhler aus Roggendorf.
15. Otto Niendorf aus Rüting.
16. Carl Peters L aus Rolüb])e.
17. Theodor Fromm aus Schwerin.
18. Carl Klipphahn aus Schwerin.
19. Hugo Piper aus Schwerin.
20. Wilhelm Harnack aus Hagenow. *
2 1 . Ernst Stampe aus Rostock. *
22. Wilhelm Vollbrecht aus Schwerin.
23. Gustav Wolff aus Schwerin.
24. Friedrich Holst aus Schwerin.
*
*
2.
*
25. Hermann Petersen aus Boize.
26. Ernst Hugo v. Stenglin aus Schwerin.
8
38
27. Heliimth v. Prollius aus vSchwerin.
28. Paul Detmering aus Schwerin.
29. Fritz Peters IL aus Plau. *
30. Paul Marcus aus Malchin. *
31. Gustav Adolph Pfeiffer aus Schwerin.
32. Ludwig Friese aus Schwerin.
33. August Meyer aus Schwerin.
34. Wilhelm T^bel L aus Schildleid.
35. Johannes Tabel IL aus Schildfeld.
36. Otto Löwenthal aus Schwerin.
37. Emil Hill aus Frankfurt. *
38. Louis Jenz aus Schwerin.
39. Wilhelm Peitzner aus Kl.-Vohlde.
40. Rudolph W'iedow aus Rabensteinfeld.
4L August Wasmuth aus Wittenburg.
42. Alfred Brockmüller aus Wölschendorf. *
43. Friedrich Strömer aus Naudin. *
44. Paul Flatau aus Königsberg. *
45. Walther Alhnn aus Schwerin.
46. Eduard Pincus aus Schwerin.
47. August Plessmann aus Pernambuco.